Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401101/9/Gf/Mu

Linz, 17.03.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, dzt. Polizeianhaltezentrum Salzburg, vertreten durch RA x, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 25. Februar 2011 nach der am 16. März 2011 durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem 11. März 2011 als rechtswidrig sowie gleichzeitig festgestellt wird, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeb­lichen Voraussetzungen derzeit nicht vorliegen.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 1.672,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Am 22. Februar 2011 wurde der Rechtsmittelwerber, ein Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, nach vorangegangener Zustimmung zur Rückübernahme durch das Bundesasylamt Wien vom 1. Februar 2011 seitens der Polizeiinspektion Rosenheim von Deutschland nach Österreich abgeschoben.

1.2. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Salzburg vom 22. Februar 2011, Zl. 1‑1046334/11, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung um 12:00 Uhr dieses Tages in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Salzburg sofort vollzogen.

Am 24. Februar 2011 wurde der Rechtsmittelwerber um 14.00 Uhr ohne nähere Begründung aus der Schubhaft entlassen.

1.3. Am nächsten Tag hat der Beschwerdeführer eine Bahnreise von Salzburg nach Wien angetreten und wurde in deren Zuge um 14.30 Uhr in Vöcklabruck festgenommen, da er über keine gültigen Personal- und Reisedokumente verfügte und auch keinen Fahrausweis bei sich hatte. In der Folge wurde über ihn mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. Februar 2011, Zl. Sich40-1343-2011, nach § 76 Abs. 1 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Salzburg sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 19. Juli 2009 von Italien aus kommend widerrechtlich und ohne gültige Personal- und Reisedokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und hier am 20. Juli 2009 einen Asylantrag gestellt habe. Ab dem 14. August 2009 sei er in die Grundversorgung des Landes Salzburg aufgenommen worden, dann jedoch am 10. November 2009 aus unerfindlichen Gründen in der Anonymität untergetaucht. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 2009, Zl. 0908635, sei sein Asylantrag abgewiesen und gleichzeitig seine Ausweisung verfügt worden; dieser Bescheid sei in der Folge in Rechtskraft erwachsen; ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei in letzter Instanz vom Asylgerichtshof (mit Erkenntnis vom 19. November 2010) abgewiesen worden.

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Zell am See vom 18. Jänner 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010, sei dem Rechtsmittelwerber aufgetragen worden, an einer näher bestimmten Adresse Unterkunft zu nehmen und sich jeden zweiten Tag zwischen 10.00 Uhr und 12.00 Uhr bei der Polizeiinspektion Mittersill zur Überprüfung seiner Anwesenheit zu melden. Dieser Verpflichtung habe er jedoch nicht entsprochen. Vielmehr sei er neuerlich in der Anonymität untergetaucht und lediglich zufällig, nämlich zunächst bei dem Versuch, das Bundesgebiet in Richtung BRD zu verlassen, am 22. Februar 2011 festgenommen und nach Österreich zurückgeschoben worden. Am 24. Februar 2011 sei er zwar wieder aus der Schubhaft entlassen worden, doch am nächsten Tag habe er zur Sicherung des Aufenthaltsverbotsverfahrens und der Abschiebung neuerlich in Schubhaft genommen werden müssen.  

Dies deshalb, weil er sich im Hinblick auf jene seit dem 10. Dezember 2009 durchsetzbare Ausweisung unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte und in diesem Zusammenhang bewusst eine mehrfache Umgehung der einschlägigen österreichischen Ordnungsvorschriften in Kauf genommen habe; weil er keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt habe, sodass diese gegenwärtig weiterhin als nicht hinreichend gesichert anzusehen sei; weil er völlig mittellos, nicht im Besitz einer Krankenversicherung und sein Aufenthalt als unstet anzusehen sei; weil er – abgesehen von einem Onkel, von dem er nur den Vornamen kenne – keine familiäre oder sonstige soziale Beziehungen oder Bindungen zu Österreich habe. Außerdem sei ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf auch deshalb anzunehmen, weil er zweifelsfrei habe erkennen lassen, dass er weder gewillt sei, sich der Fremdenpolizeibehörde tatsächlich zur Verfügung zu halten noch freiwillig in seinen Heimatstaat zurückzukehren, wobei sich die bereits eingesetzten gelinderen Mittel offenkundig als untauglich erwiesen hätten.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am
14. März 2011 per Telefax an den Oö. Verwaltungssenat übermittelte Beschwerde.

Darin wird eingewendet, dass der Rechtsmittelwerber während seines Aufenthalts in Österreich keine strafbaren Handlungen begangen habe. Außerdem würden "maßgebende Institutionen" die Ansicht vertreten, dass "eine Abschiebung nach Afghanistan derzeit nicht möglich" sei.

Dass der Beschwerdeführer die gegen ihn angeordneten behördlichen Aufträge nicht befolgt habe, sei lediglich auf sein jugendliches Alter und seine fundamentale Rechtsunkenntnis zurückzuführen. Um ihn entsprechend aufzuklären, wäre eine höchstens einwöchige Anhaltung in Schubhaft zweifelsfrei ausreichend gewesen. Jedenfalls unzulässig sei es aber, den Rechtsmittelwerber lediglich zu dem Zweck in Haft zu halten, um ihn zu einer freiwilligen Rückkehr in seinen Heimatstaat, in dem unmenschliche Verhältnisse herrschen würden, zu bewegen.

Aus allen diesen Gründen wird daher (explizit) die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft ab dem 11. März 2011 beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat am 15. März 2011 Teile der Bezug habenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird ergänzend darauf hingewiesen, dass in Bezug auf den Staat Afghanistan derzeit weder ein nationaler noch ein internationaler Abschiebestopp existiere. Vielmehr sei lediglich erlassmäßig vorgesehen, dass im Falle einer dorthin in Aussicht genommenen Abschiebung eine Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres einzuholen sei. Diese könne jedoch erst dann erteilt werden, wenn ein Heimreisezertifikat vorliege, was derzeit deshalb noch nicht der Fall sei, weil die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers mangels entsprechender Dokumente noch nicht zweifelsfrei habe geklärt werden können. Schließlich könne auch keine Rede davon sein, dass die Schubhaft zum Zweck der Belehrung des Fremden über die Rechtslage verhängt worden sei.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteile der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-1343-2011, des Bundesasylamtes (Außenstelle Salzburg) zu Zl. 0908635, der BH Zell am See zu Zl. 506/353-886/1/1-2010 und der BPD Salzburg zu Zl. E1/6681/2011 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 16. März 2011, zu der als Parteien der Beschwerdeführer sowie x als Vertreter der belangten Behörde erschienen sind.

2.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme hat sich der oben unter 1.1. bis 1.3. dargestellte Sachverhalt aufgrund der glaubwürdigen und sich inhaltlich nicht widersprechenden Parteienaussagen als zutreffend bestätigt. Darüber hinaus konnten aufgrund dieser Parteienaussagen noch folgende entscheidungswesentliche Feststellungen getroffen werden, wobei unter einem das h. Verhandlungsprotokoll vom 16. März 2011, Zl. VwSen-401101/6/Gf/Mu, zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieses Erkenntnisses erklärt wird:

2.1.1. Bei seiner Aufgreifung hatte Herr x drei Dokumente samt den
jeweiligen englischsprachigen Übersetzungen bei sich. In der Folge wurden diese Dokumente überprüft und dabei festgestellt, dass es sich hierbei um einen Personalausweis (im Akt jenes Dokument, das der Form nach wie ein Reisepass aussieht, allerdings nur arabische Schriftzeichen trägt), seine Heiratsurkunde und eine Geburtsurkunde seiner vermeintlichen Ehefrau handelt. Aus dem vorläufigen Bericht der PI St. Georgen vom 15. März 2011, Zl. E1/6526/2011-Irl (vgl. BEILAGE 1 zum h. Verhandlungsprotokoll), ergibt sich, dass es sich dabei um Verfälschungen bzw. Fälschungen handeln dürfte. Ob der Beschwerdeführer ein afghanischer Staatsangehöriger ist, kann derzeit nicht mit Sicherheit bestätigt werden; vielmehr muss dieser Umstand erst von der afghanischen Botschaft im Zuge des beantragten Heimreisezertifikates überprüft werden.

2.1.2. Der Onkel des Beschwerdeführers heißt x und lebt in der x Straße in Wien. Der Rechtsmittelwerber hat ihn jedoch während seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich erst ein Mal, und zwar in x, persönlich getroffen. Außer diesem Onkel hat er keine Verwandten oder Bekannten im Bundesgebiet; er verfügt weder über Bargeld noch über sonstiges Vermögen, ist allerdings bisher – von offenkundigen Vergehen gegen melde- und einreiserechtlichen Vorschriften abgesehen – auch noch nicht straffällig geworden. Am fremdenpolizeilichen Verfahren hat er bislang nicht konstruktiv mitgewirkt.

2.1.3. Hinsichtlich der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer hat die belangte Behörde bisher ohne zeitliche Verzögerung alle jene Schritte gesetzt, die möglich waren. Derzeit muss noch die Prüfung der Dokumente des Beschwerdeführers abgewartet werden, um mit Erfolgsaussicht den Antrag für das Heimreisezertifikat bei der österreichischen Botschaft des Heimatstaates des Rechtsmittelwerbers einbringen zu können.

 

2.1.4. Hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer den bescheidmäßigen Auftrag der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011 zur verpflichtenden Unterkunftnahme und zur periodischen Meldepflicht bei der PI Mittersill verstanden hat, insbesondere, ob ihm dieser Bescheid übersetzt und/oder im Beisein eines Dolmetschers erklärt wurde, hat der Rechtsmittelwerber angegeben, diesen Bescheid zwar eigenhändig unterschrieben, allerdings nicht verstanden zu haben, was der Inhalt dieses Bescheides ist. Insbesondere sei ihm nicht erklärt worden, dass er für den Fall der Zuwiderhandlung mit einer Inschubhaftnahme zu rechnen habe.

 

Dem gegenüber hat die Vertreterin der belangten Behörde darauf hingewiesen, dass sich aus der Niederschrift der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010 (Beginn 9.30 Uhr; vgl. BEILAGE 2 zum h. Verhandlungsprotokoll) ergebe, dass eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers als Dolmetscher beigezogen war, wobei sich aus dem letzten Absatz zweifelsfrei ergebe, dass der Rechtsmittelwerber zur Unterkunftnahme und periodischen Meldepflicht angewiesen worden sei und er dies auch inhaltlich verstanden habe.

 

Über entsprechende Nachfrage des Oö. Verwaltungssenates hat die seinerzeitige Sachbearbeiterin der BH Zell am See mitgeteilt, dass sie zwar ihr Gespräch mit dem Dolmetscher auf Englisch geführt habe, dieses aber dann für den Beschwerdeführer jeweils derart übersetzt worden sei, dass aufgrund gezielter Nachfrage der Eindruck habe gewonnen werden können, dass er dem Gesprächsinhalt durchaus habe folgen können; außerdem habe er zugesagt, sich um 14.00 Uhr desselben Tages bei der PI Mittersill seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, allerdings sei er dort jedoch nicht erschienen (vgl. ONr. 7 des h. Aktes).

 

Insgesamt ergibt sich daraus, dass der Rechtsmittelwerber zwar verstanden haben dürfte, dass er dazu verpflichtet ist, an einem näher bestimmten Ort seine Unterkunft zu nehmen und sich in periodischen Abständen bei der PI Mittersill zu melden; allerdings ergibt sich kein Hinweis dafür, dass ihn die Sachbearbeiterin der BH Zell am See oder der von ihr beigezogene Dolmetscher auch konkret darüber aufgeklärt hätte, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte.

 

Ergänzend dazu ist festzustellen, dass weder die Verletzung der bescheidmäßigen Anordnungen durch den Beschwerdeführer noch die Nichtbefolgung der Ladung zur Abgabe der Fingerabdrücke tatsächlich zur Verhängung der Schubhaft geführt haben. Sein Fehlverhalten ist de facto vielmehr bis zu dem am 22. Februar 2011 aus Anlass einer Rückübernahme aus der BRD erlassenen Festnahmeauftrag völlig sanktionslos geblieben.

2.2. Im gegenständlichen Fall wird der Beschwerdeführer auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde gegeben.

Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde gegen einen Asylwerber u.a. dann die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn eine mit einer zurückweisenden Entscheidung verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und diese Maßnahme einerseits zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist und ihr andererseits besondere, in der Person des Asylwerbers gelegene Umstände nicht entgegenstehen.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in
diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 

3.2. Die mit der gegenständlichen Beschwerde relevierte Frage, ob die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft (seit dem 25. Februar bzw.) seit dem 11. März 2011 sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig war bzw. ist, kann – nur – dann bejaht werden, wenn 1.) ein Schubhafttatbestand gemäß § 76 Abs. 2a FPG vorliegt, 2.) eine dem Zweck dieses Tatbestandes entsprechende Sicherungsnotwendigkeit besteht und zudem 3.) durch
eine derartige Maßnahme insgesamt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

3.2.1. Schubhafttatbestand

3.2.1.1. Im vorliegenden Verfahren hat die belangte Behörde die Schubhaftverhängung auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt. Dies setzt in dem Fall, dass – wie hier – bereits eine durchsetzbare Ausweisung vorliegt, voraus, dass diese im Wege der Abschiebung gesichert werden muss.

3.2.1.2. Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 2009, Zl. 0908635, abgewiesen und der Rechtsmittelwerber gleichzeitig nach Afghanistan ausgewiesen. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben und das außerordentliche Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. November 2010 abgewiesen. Die Ausweisung ist daher im gegenständlichen Fall allseits unbestritten jedenfalls seit dem 10. Dezember 2010 rechtskräftig und vollstreckbar.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides am 25. Februar 2011 lagen daher die Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG vor.

3.2.2. Sicherungsnotwendigkeit

Hinsichtlich der Beurteilung der Sicherungsnotwendigkeit (nicht: Sicherungsbedürfnis, weil durch diesen Terminus suggeriert werden würde, dass es insoweit nicht auf eine objektivierbare, sondern auf die subjektive Einschätzung der Organwalter der Fremdenpolizeibehörde ankäme) ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob mit Blick auf das Ziel der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme eine Beschränkung der persönlichen Freiheit unabdingbar war. Es ist also zunächst (und zwar nicht mit der vorgefassten Tendenz: "im Zweifel pro Haft", sondern im Gegenteil: mit der Grundhaltung, dass prinzipiell gelindere Mittel anzuordnen sind, sodass die Verhängung der Haft stets nur eine äußerste Notmaßnahme darstellen kann) zu untersuchen, ob anhand der Umstände des konkreten Falles tatsächlich nur im Wege einer Haft zuverlässig erreicht werden kann, dass die intendierte fremdenpolizeiliche Maßnahme auch effektiv umgesetzt werden kann.

Solche inzident für eine derartige Sicherungsnotwendigkeit sprechenden Kriterien können beispielsweise die fehlende Wahrscheinlichkeit einer freiwilligen Ausreise, die für eine Rückkehr in den Abschiebe- bzw. Heimatstaat fehlenden finanziellen Mittel, die im Heimatstaat fehlende soziale Bindung, die angesichts fehlender Sanktionen gegebene Wahrscheinlichkeit einer illegalen Rückkehr des Fremden nach Österreich o.Ä; nicht jedoch eine allgemeine, d.h. nicht im Zusammenhang mit dem Zweck der Sicherungsnotwendigkeit stehende Gleichgültigkeit gegenüber generellen Ordnungsvorschriften oder strafrechtliche Verbote, ein allgemein unkooperatives Verhalten, eine allgemein mangelnde soziale, insbesondere berufliche Integration, etc. sein.

Hat daher der Fremde beispielsweise seine persönliche Identität zu verschleiern versucht und war dieser weder polizeilich gemeldet noch tatsächlich durch längere Zeit hindurch an einer bestimmten Unterkunft aufhältig, so besteht eine hohe Gefahr des Untertauchens, die umgekehrt prinzipiell eine entsprechende Sicherungsnotwendigkeit begründet. Hingegen entfällt diese von vornherein, wenn der Fremde bloß gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen hat und/oder wegen eines Suchtgiftdeliktes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sich seither aber tatsächlich durchgehend an einer der Fremdenpolizeibehörde bekannten Unterkunft aufgehalten hat.

3.2.2.1. Im gegenständlichen Fall bezweckte die Schubhaftverhängung, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde für die Durchführung des Aufenthaltsverbotsverfahrens auch tatsächlich zur Verfügung stehen und dieses nicht dadurch, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verhängung dieser Maßnahme und deren effektiver Durchsetzung im Wege der Abschiebung an seinem bisherigen Aufenthaltsort faktisch nicht greifbar wäre, erschweren oder gar verunmöglichen können soll.

Dass der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels entsprechender Reise- und Personaldokumente nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt ist, über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich verfügte, wird auch von ihm selbst gar nicht behauptet. Zwar hielt er sich danach bis zu seiner Inschubhaftnahme am 25. Februar 2010 gelegentlich in der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle auf; dieser Aspekt stellt jedoch kein spezifisches Wohl-, sondern bloß ein auf Grund der Umstände zielgerichtetes Verhalten für jenen Zeitraum, in dem noch mit einer positiven Erledigung des Asylverfahrens gerechnet werden kann, dar.

Von einer sozialen oder beruflichen Integration des Rechtsmittelwerbers kann ebenfalls keine Rede sein. In Österreich lebt lediglich sein Onkel, den er während seines bisher nahezu zweijährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet lediglich ein Mal persönlich getroffen hat. Außerdem liegt eine – zudem glaubwürdige – Erklärung seines Onkels, dass der Beschwerdeführer für den Fall seiner Freilassung bei ihm Unterkunft nehmen könnte und von ihm verpflegt werden würde, nicht vor.

Dass er trotz des Umstandes, dass seine Ehefrau dort lebt, keinesfalls nach Afghanistan freiwillig zurückkehren oder abgeschoben werden möchte, hat der Rechtsmittelwerber mehrfach, und zwar jüngst auch im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat am 16. März 2011, explizit bekräftigt. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass er eine Abschiebung nicht widerstandslos über sich ergehen lassen, sondern – wäre er in Freiheit – von der einfachsten und deshalb am nächsten liegenden Möglichkeit, nämlich: Verschleierung seines jeweiligen aktuellen Aufenthaltsortes, Gebrauch machen wird, um sich dieser zu entziehen.

3.2.2.2. Alle diese sowie jene von der belangten Behörde darüber hinaus in ihrem Schubhaftbescheid und in der öffentlichen Verhandlung angeführten Gründe (fortgesetzte Verwendung verfälschter Dokumente; Nichtentsprechung der angeordneten gelinderen Mittel; unvorhersehbares Untertauchen in der Anonymität; Mittellosigkeit) sprachen im vorliegenden Fall für eine dementsprechende Sicherungsnotwendigkeit; sie überwogen insgesamt betrachtet deutlich jene – nämlich: dass sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Inschubhaftnahme zeitweise tatsächlich in der Bundesbetreuung aufgehalten hat; in diesem Zusammenhang ist jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass ihm bis dahin die Aussichtslosigkeit seines Asylantrages noch in keiner Weise bewusst war, sodass ein insoweit kooperatives Verhalten gleichsam als selbstverständlich erscheinen muss – dagegen sprechenden Argumente, und zwar insbesondere auch deshalb, weil das Bestehen einer derartigen Sicherungsnotwendigkeit im sog. Spätstadium des Asylverfahrens stets dann umso mehr angenommen werden kann, wenn nicht zwingende Gründe dagegensprechen (vgl. VwGH v. 25. März 2010, 2008/21/0617).

3.2.3. Verhältnismäßigkeit

Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend war schließlich noch zu untersuchen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch normale (diese Bezeichnung ist deshalb angebracht, weil dadurch umgekehrt die Haft als das "Ausnahmemittel" deutlicher in den Vordergrund tritt), d.h. im Verhältnis zum Entzug der persönlichen Freiheit im Wege der Haft gelindere Sicherungsmittel zu erreichen gewesen wäre.

Die Anordnung gelinderer Mittel bedingt das grundsätzliche, durch entsprechende konkrete Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung hält, d.h. für diese auch faktisch greifbar ist. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist – sonst wäre nicht die Schubhaftverhängung als ein bloßes ultima-ratio-Mittel, sondern im Gegenteil als Standardmaßnahme für die Fremdenpolizeibehörden gesetzlich vorgesehen worden. Daraus folgt, dass es dann, wenn die Schubhaft angeordnet wird, der Behörde obliegt, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im konkreten Fall für ein Nichtbestehen eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen.

Einer derartigen Prognoseentscheidung sind somit v.a. jene Hinweise in Bezug auf das bisherige Verhalten zu Grunde zu legen, die gegen bzw. für eine Freiheitsentziehung sprechen (wie z.B. ob gelindere Mittel bisher schon angewendet wurden und wenn ja, ob diese erfolgreich waren oder nicht; ob sich auch die näheren Familienangehörigen [legal] in Österreich befinden; ob der Fremde in Österreich sozial integriert ist; ob sich der Fremde grundsätzlich den österreichischen Rechtsvorschriften verbunden fühlt, etc.), wobei insoweit unter dem Aspekt, dass eine Haftanordnung nur eine ultima-ratio-Maßnahme darstellen kann, eben eine formelhafte oder bloß auf allgemeine Erfahrungssätze abstellende Begründung des Schubhaftbescheides nicht hinreicht, sondern diese vielmehr eine konkrete, individuell-fallbezogene Subsumtion mit entsprechender pro- und contra-Abwägung aufweisen muss, damit gewährleistet ist, dass durch diese keine antizipatorische "pro-Haft-Tendenz" zum Ausdruck kommt, d.h. eine haft"begünstigende" Begründungsargumentation objektiv betrachtet verlässlich ausgeschlossen ist. Nur wenn danach mit zwingenden Gründen davon ausgegangen werden kann, dass die effektive Umsetzung (eine bloße "Erschwerung" reicht hingegen nach § 76 FPG – und erst recht nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG – nicht hin) der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit gewährleistet werden kann, erweist sich die Anordnung der Schubhaft auch unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzips als gerechtfertigt.

3.2.3.1. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer illegal und unter Verschweigung von für das fremdenrechtliche Verfahren essentiellen Fakten (Personalia, Reiseroute) – wobei ihm dieser Umstand wohl bewusst sein musste – in das Bundesgebiet eingereist. 

Weiters wurde, nachdem sein Asylantrag abgewiesen worden war, auch sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Dieses Verhalten – nämlich: die Verwendung verfälschter Dokumente, die eine Klärung seiner Identität erheblich erschwert, die Nichtvorlage von Reisedokumenten, etc. – legt insgesamt die Annahme nahe, dass die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages offensichtlich primär dazu gedient hat, das Asylverfahren insgesamt in die Länge zu ziehen und auf diese Art seinen faktischen Aufenthalt im EU-Raum, insbesondere auch in Österreich, zu verlängern.

Gesamthaft betrachtet folgt daraus, dass der Beschwerdeführer durch diese Handlungen das ihm grundsätzlich entgegen zu bringende Vertrauen objektiv-abstrakt besehen in einem solchen Grad erschüttert hat, der es nicht mehr zulassen würde, mit gutem Grund annehmen zu können, dass er sich zum Zeitpunkt seiner Abschiebung sowohl freiwillig als auch tatsächlich der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten wird; Letzterer kann daher vor dem Hintergrund des hier konkret zu beurteilenden Sachverhalts grundsätzlich nicht entgegengetreten werden, wenn diese davon ausgegangen ist, dass es im vorliegenden Fall solcher Sicherungsmaßnahmen bedurfte, die der dargestellten Motivationslage des Rechtsmittelwerbers auch effektiv entgegenwirken.

3.2.3.2. Nach § 77 Abs. 3 FPG kommen als – im Vergleich zur Schubhaftverhängung – gelindere Mittel auch die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden in Betracht. Wie sich aus der Textierung dieser Bestimmung, speziell aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, ist die Behörde hinsichtlich der Auswahl zwischen den unterschiedlichen Arten von
Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich nicht, durch das in § 77 Abs. 1 FPG normierte Verhältnismäßigkeitsprinzip im Ergebnis jedoch insoweit beschränkt, als letztlich nur eine solche Maßnahme gewählt werden darf, die sowohl zur Zielerreichung geeignet ist als auch den vergleichsweise geringstmöglichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Fremden nach sich zieht.

3.2.3.2.1. Im gegenständlichen Fall hat die Vertreterin der belangten Behörde im Zuge der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat am 16. März 2011 die Ansicht vertreten, dass angesichts des Zweckes der Sicherungsmaßnahme – Gewährleistung der Möglichkeit der faktischen Durchführung der Abschiebung des Beschwerdeführers zu einem noch konkret festzusetzenden, jedoch in absehbarer Zukunft liegenden Zeitpunkt – die alleinige Anordnung zur Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumen (z.B. in einer bundes- oder landesbetreuten Wohnung oder in der Wohnung seines Onkels) und/oder eine Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle keine zur effektiven Zielerreichung geeigneten Maßnahmen darstellen können, weil so in beiden Fällen für den Rechtsmittelwerber eine nicht nur einfache, sondern geradezu verlockende Gelegenheit geschaffen würde, sich zum maßgeblichen Zeitpunkt dem behördlichen Zugriff durch Verschleierung seines Aufenthaltsortes zu entziehen. Konkret wäre "dringend zu befürchten, dass der Beschwerdeführer wieder in die Anonymität abtaucht, wie er dies schon zwei Mal getan hat".

 

3.2.3.2.2. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass der Rechtsmittelwerber – was dieser in der Verhandlung auch selbst gar nicht bestritten hat – bezüglich des bescheidmäßigen Auftrages der BH Zell am See vom 18. Jänner 2011 zwar verstanden hat, dass er zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und zur periodischen Meldepflicht bei der PI Mittersill verpflichtet ist. Allerdings wurde er weder von der Sachbearbeiterin der BH Zell am See noch von dem von dieser beigezogenen "Übersetzer" – hierbei handelte es sich keineswegs um einen Dolmetscher i.S.d. § 39a AVG, sondern, wie aus der Mitteilung der BH Zell am See vom 16. März 2011, Zl. 6/353-886/1/1-2010, zweifelsfrei hervorgeht, lediglich um einen "Bekannten" des Rechtsmittelwerbers, der als afghanischer Staatsbürger auch "etwas Deutsch aber sehr gut Englisch" sprach – auch konkret darüber aufgeklärt, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte. Damit aber eine Verfügung i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG gleichsam als pro futuro verwirkt angesehen werden kann, darf i.S. eines weitestmöglichen Schutzes der Freiheitsrechte des Fremden gemäß Art. 5 EMRK objektiv kein Zweifel daran bestehen, dass er sich derartigen Maßnahmen in bewusster Kenntnis des Umstandes, dass für den Fall der – auch bloß einmaligen – Zuwiderhandlung seine unmittelbare Inschubhaftnahme droht, widersetzt hat. Auf diese Konsequenzen ist er somit im Vorhinein ausdrücklich in einer ihm verständlichen Sprache hinzuweisen.

 

Dafür, dass dies im gegenständlichen Fall in der beschriebenen Weise erfolgt wäre, finden sich aber in den vorgelegten Aktenteilen keine entsprechenden Hinweise; vielmehr lässt sich aus der vorerwähnten Mitteilung der Sachbearbeiterin der BH Zell am See vom 16. März 2011 das Gegenteil entnehmen, wobei der persönliche Eindruck, der vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat gewonnen werden konnte, dies noch zusätzlich bekräftigt hat: Denn der Rechtsmittelwerber spricht und versteht kaum Deutsch und seine Englischkenntnisse sind selbst auf einfachstem Niveau vergleichsweise eher noch schlechter.

 

Da zudem in der Folge weder die Verletzung der bescheidmäßigen Anordnungen vom 18. Jänner 2011 noch die Nichtbefolgung der Ladung zur Abgabe der Fingerabdrücke an diesem Tag oder ein sonstiges Fehlverhalten des Beschwerdeführers tatsächlich zur Verhängung der Schubhaft geführt hat – vielmehr sind diese Verfehlungen de facto bis zu dem am 22. Februar 2011 aus Anlass einer Rückübernahme aus der BRD erlassenen Festnahmeauftrag in jeder Hinsicht völlig sanktionslos geblieben –, lag sohin aus seinem Blickwinkel keineswegs eine zwingende Verhaltensregel vor, die eine unmittelbar haftbedrohte Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit bedeutete. Vielmehr konnte er daraus, dass die Nichtbefolgung der behördlichen Anordnungen sanktionslos geblieben ist, im Gegenteil (und insbesondere unter Zugrundelegung entsprechender Gepflogenheiten seines Heimatstaates) sogar berechtigterweise den Schluss ziehen, dass es sich insoweit eher bloß um moralische denn um rechtlich verbindliche Verpflichtungen handelte.

 

3.2.3.2.3. Weil der Rechtsmittelwerber in der öffentlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat ruhig und besonnen wirkte und zudem jedenfalls nicht den Eindruck hinterließ, bewusst destruktiv zu agieren, und er darüber hinaus weder über finanzielle Mittel noch über eine Unterkunft verfügt, ist es subjektiv-konkret betrachtet nach Abwägung aller beteiligten Interessen geboten, anstelle seiner Anhaltung in Schubhaft gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG anzuordnen, weil das grundsätzliche, durch die genannten Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten, d.h. für diese auch faktisch greifbar sein wird, insgesamt nicht in einem solchen Maße erschüttert erscheint, das es nicht mehr zulassen würde, mit gutem Grund zwingend das Gegenteil annehmen zu müssen.

 

Im besonderen kann der bislang mit der Schubhaftverhängung verfolgte Zweck nämlich auch dadurch erreicht werden, dass er zur Unterkunftnahme in einer bundes- oder landesbetreuten Einrichtung sowie dazu verhalten wird, sich in verhältnismäßig kurzen Abständen (z.B. zweimal täglich oder noch häufiger) bei einer Sicherheitsdienststelle zu melden.

 

Wesentlich ist allerdings, dass ihm dabei die Konsequenz, dass ein (allenfalls auch nur einmaliges) Vergehen gegen diese Anordnung seine unmittelbare Inschubhaftnahme nach sich zieht, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise explizit sowie in einer ihm verständlichen Sprache vor Augen geführt wird.

 

3.3. Aus diesen Gründen war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 Abs. 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und (antragsgemäß) die Anhaltung des Beschwerdeführers seit dem 11. März 2011 sowie auch dessen weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig festzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) dazu zu verpflichten, dem Rechtsmittelwerber nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 1.672,80 Euro (Gebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von insgesamt 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

VwSen-401101/9/Gf/Mu vom 17. März 2011

Erkenntnis

 

EMRK Art5;

FPG 2005 §77 Abs3

 

 

Rechtssatz 1

Die Anordnung gelinderer Mittel bedingt das grundsätzliche, durch entsprechende konkrete Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung hält, dh für diese auch faktisch greifbar ist. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist – sonst wäre nicht die Schubhaftverhängung als ein bloßes ultima-ratio-Mittel, sondern im Gegenteil als Standardmaßnahme für die Fremdenpolizeibehörden gesetzlich vorgesehen worden. Daraus folgt, dass es dann, wenn die Schubhaft angeordnet wird, der Behörde obliegt, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im konkreten Fall für ein Nichtbestehen eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen.

 

 

Rechtssatz 2

Trotz des Umstandes, dass der Fremde keine familiären Beziehungen im Bundesgebiet hat und hier weder beruflich noch sozial integriert ist, er illegal und unter Verschweigung von für das fremdenrechtliche Verfahren essentiellen Fakten (Personalia, Reiseroute) eingereist ist, er durch sein Verhalten (Verwendung verfälschter Dokumente, Nichtvorlage von Reisedokumenten, etc) versucht hat, das Asylverfahren insgesamt in die Länge zu ziehen und auf diese Art seinen faktischen Aufenthalt im EU-Raum, insbesondere auch in Österreich, zu verlängern, und des Faktums, dass gelindere Mittel bereits angewendet wurden und er diesen Anordnungen nicht entsprochen hat, ist die Anwendung gelinderer Mittel dennoch dann geboten, wenn der Ausländer zwar verstanden hat, dass er zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und zur periodischen Meldepflicht bei einer Polizeiinspektion verpflichtet ist, er jedoch nicht auch konkret darüber aufgeklärt wurde, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der bislang mit der Schubhaftverhängung verfolgte Zweck auch dadurch erreicht werden kann, dass der Fremde zur Unterkunftnahme in einer bundes- oder landesbetreuten Einrichtung sowie dazu verhalten wird, sich in verhältnismäßig kurzen Abständen (zB zweimal täglich oder noch häufiger) bei einer Sicherheitsdienststelle zu melden.

 

 

Rechtssatz 3

Damit eine Verfügung iSd §77 Abs3 FPG 2005 gleichsam als pro futuro verwirkt angesehen werden kann, darf iS eines weitestmöglichen Schutzes der Freiheitsrechte des Fremden gemäß Art5 EMRK objektiv kein Zweifel daran bestehen, dass er sich derartigen Maßnahmen in bewusster Kenntnis des Umstandes, dass für den Fall der – auch bloß einmaligen – Zuwiderhandlung seine unmittelbare Inschubhaftnahme droht, widersetzt hat. Auf die Konsequenz, dass ein (allenfalls auch nur einmaliges) Vergehen gegen diese Anordnung seine unmittelbare Inschubhaftnahme nach sich zieht, ist der Fremde im Vorhinein in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise explizit sowie in einer ihm verständlichen Sprache hinzuweisen.

 

 

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 19.04.2012, Zl. 2011/21/0092-6

 

 

 

 

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