Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401102/5/BP/Ga

Linz, 24.03.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, vertreten durch den X, gegen die unrechtmäßige Anordnung der Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Ried im Innkreis, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Ried im Innkreis) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried/Innkreis vom
23. Februar 2011, GZ.: Sich41-193-2010, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 FPG idgF. mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und insbesondere der niederschriftlichen Einvernahmen des Bf durch die belangte Behörde am 18. Jänner 2011 und am 16. Februar 2011 der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststehe.

 

1.1.2. Der Bf besitze nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sei X Staatsangehöriger und somit Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG.

 

Ein nach illegaler Einreise am X eingebrachter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg, vom 25. November 2008, Zl.: 08 11.219, gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, gleichgehend der Antrag auf Gewährung von subsidiärem Schutz gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen und die Ausweisung nach X gemäß § 10 AsylG 2005 verfügt worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde habe der Asylgerichtshof in der Folge abgewiesen (rechtskräftig seit 15. Juni 2009). Seither sei der Aufenthalt des Bf in Österreich als nicht rechtmäßig einzustufen.

 

Ein zweiter Asylantrag vom X sei vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, mit Bescheid vom 10. März 2010, Zl.: 09 14.865, gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und neuerlich mit einer Ausweisung verbunden worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom
1. April 2010 abgewiesen worden (rechtskräftig seit
6. April 2010).

 

Die BPD Wien habe gegen den Bf mit Bescheid vom 23. Juni 2009, Zl.: III-1271305/FrB/09, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für Österreich erlassen. Die dagegen erhobene Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 4. September 2009, E1/342.002/2009, abgewiesen (rechtskräftig seit 7. September 2009).

 

Über Anordnung der BPD Wien habe sich der Bf in der Zeit von 19. August 2009 bis 14. Dezember 2009 im gelinderen Mittel befunden. Zuletzt sei der Bf am
6. September 2010 in X festgenommen und in Untersuchungshaft überstellt worden. Er sei nach dem Suchtmittelgesetz X strafrechtlich vorgemerkt und vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 27. April 2009 unter GZ.: 162 Hv 38/09k wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 (8. Fall) und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von
7 Monaten teilbedingt (6 Monate bedingt, 1 Monat unbedingt; rechtskräftig seit 27. April 2009) verurteilt worden.

 

Als Folge der Verhaftung am 6. September 2010 habe das Landesgericht für Strafsachen Wien unter GZ.: 143 Hv 128/10g den Bf neuerlich wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 (8. Fall) und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 494a StPO von einem Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe zur Verurteilung 162 Hv 38/09k abgesehen, jedoch die Probezeit auf 5 Jahre verlängert worden sei.

 

Im Einzelnen sei der Bf vom Gericht für schuldig befunden worden, am
6. September 2010 in X vorschriftswidrig Suchtgift gewerbsmäßig anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben, und zwar dem abgesondert verfolgten X eine Kugel Kokain zu insgesamt 0,5 Gramm brutto um EUR 7,00. Als erschwerend habe das Gericht die einschlägige Vorstrafe und die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit bewertet.

 

Am 6. Dezember 2010 sei der Bf im Stand der Strafhaft von der Justizanstalt X in die Justizanstalt X überstellt worden. Am
4. März 2011 würde der Bf vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen werden.

 

Auf Befragen habe der Bf im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen an, dass er in X, gemeldet sei. Er würde dort bei einer guten Freundin namens X wohnen, die die Wohnung zahle. X sei Staatsangehörige von X. Den Familiennamen habe der Bf jedoch nicht angeben können. X sei aber keine Lebensgefährtin im engeren Sinn. Der Bf sei selbst in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen. Mitunter habe er schwarz als Friseur gearbeitet. Im Bundesgebiet habe er auch keine Familienangehörigen. Weiters sei der Bf ledig und ohne Sorgepflichten. An Barmitteln habe der Bf zum Zeitpunkt der schriftlichen Einvernahme ca. 100 Euro besessen. Weiters verfüge er über keinen Reisepass und auch sonst keine Identitätsnachweise. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 18. Jänner 2011 sei dem Bf die Absicht der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden, ihn mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung in Schubhaft zu nehmen, um die Abschiebung zu sichern.

 

Die belangte Behörde habe sich um die Erlangung eines Heimreisezertifikates bemüht.

 

Um die Schubhaft auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, sei der Bf  nochmals aufgefordert worden, wahre und vollständige Angaben zu seiner Identität zu machen und entsprechende Beweismittel (Dokumente jeglicher Art, insbesondere Reisepass) beizuschaffen. Der Bf vermöge eigenen Angaben zufolge jedoch keinerlei Identitätsnachweise beizuschaffen.

 

Weiters sei dem Bf das Schubhaftinformationsblatt in englischer Sprache, betreffend die Möglichkeit der Einbringung einer Schubhaftbeschwerde ausgefolgt und ihm Gelegenheit geboten worden, das Formular durchzulesen. Der Bf  habe dazu keine Fragen gehabt.

 

Zu den geplanten fremdenpolizeilichen Maßnahmen habe der Bf angegeben, dass er nicht in Schubhaft genommen werden wolle. Nach Strafende wolle der Bf an die angeführte Adresse nach X zurückkehren. Er würde momentan eine Ausreise nach X ablehnen, weil er dort niemanden mehr hätte. Er sei das Kind einer X Prostituierten, wäre jedoch in X geboren worden und sei dort aufgewachsen. Seine Mutter sei verstorben. Er würde den Vater nicht kennen. Wenn er ihn ausfindig machen könnte, wäre er bereit, bei ihm zu leben, selbst wenn er ein schwieriges Leben führen müsste.

 

Auf Befragen habe der Bf angegeben, sich bislang nicht aus eigenem mit der X Botschaft in Verbindung gesetzt zu haben.

 

Nach der Vernehmung seien noch Ermittlungen betreffend den gemeldeten Wohnsitz unter der Adresse X, angestellt worden. Diese hätten ergeben, dass eine gewisse X Hauptmieterin der in Rede stehenden Wohnung sei. Sie habe den Bf seit längerem wegen der Haft des Bf nicht mehr gesehen. Der Bf habe jedoch mit ihr keinen Mietvertrag abgeschlossen und es sei auch kein Zimmer oder Bett für ihn vorhanden. Außerdem habe der Bf keine persönlichen Gegenstände in dieser Wohnung und bestehe laut Frau X kein Kontakt mehr zu ihm, sodass er in Zukunft keine Schlafmöglichkeit an besagter Adresse mehr haben würde.

 

Am 16. Februar 2011 sei der Bf  von der belangten Behörde zwecks Identitätsfeststellung nochmals niederschriftlich einvernommen worden. Er habe in diesem Zusammenhang ausgesagt, am X in X, zur Welt gekommen zu sein. Der leibliche Vater solle ein gewisser X, Staatsbürger von X, sein. Er sei somit nicht Staatsbürger von X, sondern von X. Von X könnte der Bf keinerlei Wohnadressen namhaft machen. Der Bf wäre im Alter von drei Monaten nach X gekommen und bei seiner Mutter im Dorf X aufgewachsen. Die Mutter sei 2008 gestorben. Weder zu seinem leiblichen Vater noch zu seinem Stiefvater hätte er Kontakt. Außerdem könne er keinerlei Dokumente zu seiner Person beischaffen.

 

1.1.3. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhaltes ernsthaft die Gefahr bestehe, dass sich der Bf mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die angeführten fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder wesentlich erschweren würde. Ein konkreter Sicherungsbedarf liege insofern vor, als der Bf in Österreich einerseits keine familiären, beruflichen und sozialen Anknüpfungspunkte aufweise und andererseits faktisch mittellos sei. Außerdem sei keinerlei Bereitschaft zur Rückkehr in den Herkunftsstaat vorhanden und der Aufenthalt nicht rechtmäßig. Die Fluchtgefahr werde durch den Umstand erheblich verstärkt, dass bislang zwei Asylanträge rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen und mit einer Ausweisung nach X verbunden worden seien. Auf Grund der durchsetzbaren Ausweisung müsse der Bf jederzeit mit Abschiebung rechnen. Auf Grund der begangenen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, der damit erfahrungsgemäß verbundenen großen Rückfallsgefahr und des an der Bekämpfung derartiger Delikte bestehenden Grundinteresses der Gesellschaft sei auch das erhöhte Interesse an einer effizienten Außerlandesschaffung zu betonen. Die oben angesprochene Rückkehrunwilligkeit zeige sich im Übrigen auch an der nicht ausreichenden Mitwirkung an einer Identitätsfeststellung (keine Beibringung von Dokumenten usw.). So habe der Bf bei der Einvernahme vom 18. Jänner 2011 noch angegeben, X Staatsbürger zu sein. Bei der nochmaligen Einvernahme am
16. Februar 2011 zwecks Identitätsfeststellung habe er plötzlich angegeben, in X geboren zu sein und X, und nicht X Staatsangehöriger zu sein.

 

Der Zweck der Schubhaft könne dabei durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG nicht erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu fürchten wäre, dass der Bf in die Anonymität untertauchen und sich der Abschiebung in sein Heimatland entziehen werde. Bei der Nichtanwendung dieser Bestimmung sei darauf hinzuweisen, dass sich der Sicherungsbedarf durch zwei rechtskräftig negativ erledigte Asylverfahren samt Ausweisung sowie die am 4. März 2011 kurz bevorstehende vorzeitig bedingte Entlassung aus der Strafhaft, verbunden mit einem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot, erheblich verdichtet habe. Dies gilt umso mehr, als der Bf in Österreich nach der Haftentlassung über keine eigene Wohnung mehr verfüge. Der Bf sei zwar bei einer Bekannten unter der Adresse X, nach wie vor mit Hauptwohnsitz gemeldet, doch hätten Ermittlungen ergeben, dass er weder einen Mietvertrag habe noch ein Zimmer oder ein Bett für den Bf in dieser Wohnung vorhanden sei. Außerdem habe er keine persönlichen Gegenstände in dieser Wohnung und bestehe seit längerer Zeit kein Kontakt mehr zur Hauptmieterin der Wohnung, sodass er in Zukunft auch keine Schlafmöglichkeit mehr an dieser Adresse habe. Der Bf verfüge somit über keinen Wohnsitz. Es müsse daher angenommen werden, dass er in den Untergrund abtauchen oder versuchen werde, sich abzusetzen um illegal in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union weiterzureisen. Im konkreten Fall könne speziell das Suchtgiftmilieu ein Untertauchen sehr wohl erleichtern. Schließlich dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass die Identität des Bf nach wie vor nicht feststehe und der Bf in Österreich keine sozialen, beruflichen und familiären Anknüpfungspunkte aufweise. Eigene Mittel seien praktisch nicht vorhanden.

 

Im Übrigen ließen die vom Bf begangenen Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen. Von einem rechtskonformen Verhalten könne somit keine Rede sein. Bei erheblicher Delinquenz erführen öffentliche Interessen an der effizienten Außerlandesschaffung eine maßgebliche Verstärkung. Es sei daher ernsthaft zu befürchten, dass der Bf mit Beendigung der Strafhaft untertauchen werde. Der oben beschriebenen Fluchtgefahr könne realistisch und einzelfallbezogen nur mit Schubhaft begegnet werden.

 

Die belangte Behörde habe sich im konkreten Fall mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinander gesetzt und sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehe.

 

1.2. Mit Schreiben vom 4. März 2011 erging seitens der belangten Behörde eine Information gemäß § 80 Abs. 7 FPG an den Bf in deutscher und englischer Sprache. Die belangte Behörde teilte dabei mit, dass sich die am 4. März 2011 gegen den Bf verhängte Schubhaft ab 5. März 2011 auf § 80 Abs. 4 Z. 1 und 2 FPG stützen werde, weil seine Identität und Staatsangehörigkeit bislang nicht letztgültig habe festgestellt werden können und die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates noch nicht vorliege (Heimreisezertifikat). Um die Schubhaft so kurz als möglich zu halten, wurde der Bf neuerlich ersucht, ehest möglich Identitätsnachweise beizubringen.

 

1.3. Gegen die Anordnung der Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreter per Telefax am 17. März 2011 Beschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Darin wendet sich der Bf zunächst gegen den Schubhaftbescheid und führt ua. aus, dass die Identität des Bf, der aus seinem Heimatland habe flüchten müssen, bislang noch ungeklärt sei. In der Niederschrift vom 16. Februar 2011 führe der Bf nachvollziehbar aus, dass sein Vater, zu dem er keinen Kontakt habe, X Staatsangehöriger sei. Aus diesen den "Asylbehörden" bekannten Ausführungen gehe hervor, dass der Bf möglicherweise X Staatsangehöriger oder staatenlos sei. In den X Rechtssystemen sei die Staatsangehörigkeit des Vaters bestimmend, wobei sich im konkreten Fall der Vater des Bf nicht zu ihm bekenne. Bisher liege jedoch kein Heimreisezertifikat seitens X oder X vor.

 

Weiters sei der angefochtene Bescheid nicht an den gesetzlichen Vertreter, nämlich den X, sondern an den Verein X zugestellt worden, der lediglich bei der Behebung von Poststücken behilflich gewesen sei.

 

Der Verein "X" habe nach eigenen deutlichen Angaben vor den involvierten Behörden klargestellt, dass sich die Vollmacht an ihn ausschließlich auf die Hilfestellung zur Erlangung von an die Polizeiinspektion zugestellten Poststücken beziehe.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft wird in der Beschwerde weiters ausgeführt, dass die Begründung thematisch fehlgehe. Gerichtliche Verurteilungen hätten mit der Begründung eines konkreten Sicherungsbedürfnisses nichts zu tun, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde ins Leere gehen würden.

 

Die im angefochtenen Bescheid angeführte Aufforderung an den Bf nochmals Identitätsdokumente vorzulegen sei intransparent, da nicht klar werde, wann er zuerst und wann nochmals aufgefordert worden wäre. Darüber hinaus entspreche es nicht der Logik von einer – in Strafhaft befindlichen – Person die Beischaffung von Dokumenten zu verlangen. Es sei unzulässig dieses Unvermögen in die Richtung einer sanktionsweisen Verhängung der Schubhaft anzulasten, da es keine reale Chance gebe, im Stande der Strafhaft einen Reisepass oder andere identitätsbezeugende Dokumente zu beschaffen. Laut Judikatur des VwGH sei der Schubhaft jeglicher Beugecharakter abzusprechen.

 

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid müsse noch ein Kontakt zwischen der ehemaligen Wohnungsgeberin und dem Bf bestehen, da ihn erstere nicht abgemeldet habe. Überdies verfüge der Bf zukünftig über soziale Kontakte, da ihm ein Betreuungsplatz beim Verein X in Aussicht gestellt sei. Ebenso könnte der Bf beim Verein "X" in Wien eine Meldeadresse und humanitäre Hilfe erhalten. Der Bf habe sich stets ordnungsgemäß gemeldet, und es bestünden keine Gründe, weshalb er dies nicht auch in Zukunft tun sollte.

 

Die Verhängung der Schubhaft sei im vorliegenden Fall unverhältnismäßig erfolgt. Die fehlende Ausreisewilligkeit werde dem Bf indirekt vorgeworfen, könne jedoch für sich alleine gesehen die Verhängung der Schubhaft nicht rechtfertigen.

 

Die Behörde müsse selbst zugeben, dass bis dato noch nicht einmal die Staatsangehörigkeit des Bf feststehe. Die reale Aussicht in einem in etwa eingrenzbaren Zeitrahmen ein Heimreisezertifikat zu erlangen, werde von der belangten Behörde nicht einmal behauptet. Die belangte Behörde gebe auch zu, dass der Bf "noch einmal" befragt werden müsse, um seine Identität festzustellen und in weiterer Folge ein Heimreisezertifikat zu erlangen.

 

Offensichtlich habe die belangte Behörde überhaupt nichts unternommen, um ein Heimreisezertifikat zu erlangen (abgesehen von Befragungen des Bf).

 

Eine Abschiebung des Bf sei daher faktisch nicht möglich. Er stützt sich dabei auf einen Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 15. Februar 2011, GZ.: E1/410.333/2010.

 

In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, dass der Bf im Laufe des Asylverfahrens und vor allen anderen Behörden stets gleichlautende Angaben zu seiner Identität gemacht habe. Es gebe daher überhaupt keinen Grund an der dargelegten Identität zu zweifeln.

 

Die belangte Behörde irre, wenn sie meine, der Bf hätte "plötzlich" seine Staatsangehörigkeit gewechselt, da der Bf tatsächlich nur (auf eine präzise Fragestellung hin) eine präzisere Antwort geliefert habe. Aus dem Verhalten des Bf zeige sich, dass er kooperativ und bereit sei sogar sehr detaillierte Informationen zu geben.

 

Eine Begründung der belangten Behörde dahingehend, dass der Bf mangels Bekanntgabe seiner Identität in Schubhaft genommen werden müsse, sei rechtswidrig.

 

Die belangte Behörde könne im Übrigen nicht darlegen warum mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen hätte gefunden werden könne.

 

Abschließend werde daher beantragt:

1. den Schubhaftbescheid,

2. die Festnahme und

3. die Anhaltung bis zur Entlassung für rechtswidrig zu erklären, sowie

4. die Verfahrenskosten zu ersetzen.

 

 

2. Die belangte Behörde übermittelte dem Oö. Verwaltungssenat vorab per E-Mail den in Rede stehenden Schubhaftbescheid mit dem Hinweis, dass der Bf am 7. März 2011 aus der Schubhaft entlassen worden sei sowie den bezughabenden Verwaltungsakt am 22. März 2011 und beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

2.1. In einer Gegenschrift führt die belangte Behörde zunächst zur Identitätsfeststellung sowie zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates aus, dass sich der Bf in der Zeit von 19. August 2009 bis 14. Dezember 2009 für die BPD X im "Gelinderen Mittel" mit täglicher Meldepflicht befunden habe. Von der Schubhaftverhängung sei damals ua. deshalb Abstand genommen worden, da er vorgegeben habe, seine Vertretungsbehörde aufzusuchen, um sich ein Dokument zu beschaffen (s. ON 21 und 22).

 

Die BPD X habe folglich am 1. September 2009 ein Ersuchen um Beschaffung eines Heimreisezertifikates an das BMI gerichtet. Die Ladungen zur Identitätsprüfung am 26. März 2010 und am 30. April 2010 habe der Bf nicht wahrgenommen, wobei der X (jeweils im Nachhinein) Erkrankung des Fremden geltend gemacht habe. Zu keinem Zeitpunkt sei ein Nachweis erbracht worden, dass der Bf aus eigenem Antrieb mit der Vertretungsbehörde in Kontakt getreten sei. Der Bf sei am 6. Dezember 2010 in die JA X eingeliefert worden; das Haftende sei ursprünglich mit 6. Juni 2011 errechnet worden. Am 5. Jänner 2010 sei die belangte Behörde informiert worden, dass der Bf vorzeitig am 4. März 2011 bedingt aus der Strafhaft entlassen werde. Darauf habe die belangte Behörde unverzüglich die Erlangung eines Heimreisezertifikates urgiert.

 

Für 21. Jänner 2011 sei ein Identitätsprüfungstermin durch die X Botschaftsdelegation anberaumt worden. Der Bf sei im Stande der Strafhaft vorgeführt worden, habe jedoch die Durchführung des Interviews mit den X Botschaftsvertretern verweigert und lapidar angegeben, Staatsbürger von X zu sein.

 

Die belangte Behörde sieht dieses Vorbringen als Schutzbehauptung an, die allein der Vereitelung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gedient habe; immerhin habe sich der Bf zuvor in Österreich bei einer Vielzahl von behördlichen und polizeilichen Vernehmungen immer als Staatsbürger von X ausgegeben. Hinzu komme, dass bei den Effekten des Bf in der JA X handschriftliche Aufzeichnungen über eine Telefonnummer in X vorgefunden worden seien.

 

Trotz des unglaubwürdigen Vorbringens im Bezug auf X sei am 17. Februar 2011 ein Ansuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die X Botschaft nach Berlin gerichtet worden; letztlich auch in dem Ansinnen, ein "Negativgutachten" zu erlangen; gleichsam eine Feststellung, dass die Behauptung jeder Grundlage entbehre. Mit einem derartigen Gegenbeweis und unter Berufung auf die X Telefonnummer hätte dann bei der X Botschaft entsprechend interveniert und ein weiterer Vorführungstermin angeregt werden sollen.

 

Anlässlich der In-Schubhaftnahme am 4. März 2011 habe eine Vertreterin der X Botschaft (Berlin) auf telefonische Nachfrage einen Termin für die Durchführung eines Telefoninterviews bekannt gegeben, und zwar für 8. März 2011 um 11:30 Uhr. Der Bf habe jedoch in der Schubhaft sein unkooperatives Verhalten gesteigert und sei in Hunger- sowie Durststreik getreten. Angesichts seines spezifischen Verhaltens, sei – laut Mitteilung des PAZ X vom 7. März 2011 – an die geordnete Durchführung eines Telefoninterviews nicht mehr im Entferntesten zu denken gewesen. Unter Mitberücksichtiung unmittelbar bevorstehender Haftunfähigkeit (Dehydrierung) habe am 7. März 2011 die Schubhaft um 10:00 Uhr aufgehoben werden müssen.

 

Tatsache sei, dass bei entsprechender Kooperation des Bf zeitgerecht ohne weiteres ein Heimreisezertifikat hätte beigeschafft werden können. Selbstverständlich hätte der Bf auch aus der Strafhaft heraus die Möglichkeit gehabt – mit Unterstützung des Sozialen Dienstes, des Vereines X Österreich oder der Caritas – Schritte zur Erlangung eines Passersatzdokumentes zu setzen.

 

Keineswegs könne der Schubhaft im ggst. Fall Beugehaftcharakter zugesprochen werden. Die Behörde habe konsequent an der Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Bf gearbeitet. Das Ziel der Anhaltung in Form einer Außerlandesschaffung des Bf habe erreichbar erschienen.

 

Hinsichtlich des Beschwerdevorwurfs zur Vertretung des Bf wird ausgeführt, dass die frühere Vertretung des Bf durch den X (Vollmacht vom 24. Juni 2009) durch die am 14. Juni 2010 bei der BPD X vorgelegte schriftliche Vollmacht zugunsten des Vereins "X", datiert mit 19. Mai 2010 verdrängt worden sei (ON 75). Besagte Vollmacht beziehe sich auf asyl- und fremdenrechtliche Belange. Ausdrücklich sei auch die Zustellvollmacht erteilt worden. Vor diesem Hintergrund habe die belangte Behörde Parteiengehör dem Verein X gewehrt und diesem auch eine Ausfertigung des Schubhaftbescheides zugestellt. Es wäre dem Bf unbenommen geblieben, im Verfahren zur Schubhaftverhängung bei der belangten Behörde eine "neue" Vollmacht für den X vorzulegen, was aber nicht geschehen sei.

 

Allgemein merkt die belangte Behörde an, dass die bloße Anordnung von Bewährungshilfe seitens des Gerichts die aufgezeigten Fluchtanreize nicht habe entkräften können. Insbesondere ergebe die Hauserhebung an der Meldeadresse des Bf, dass dort kein Wohnsitz mehr bestehe. Eine relevante soziale berufliche oder familiäre Verankerung sei nicht erkennbar gewesen. Im Übrigen habe der Bf nur über Barmittel in Höhe von 50 Euro verfügt. Dass der Bf jederzeit an einer bestimmten (bis dato nicht näher bezeichneten) Adresse in X greifbar wäre und allfälligen Anordnungen im Rahmen eines gelinderen Mittels Folge leisten würde, sei wegen verdichteter Fluchtgefahr, absoluter Rückkehrunwilligkeit, unkooperativen Verhaltens, mangelnder Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung und Verweigerung der Abnahme von Fingerabdrücken anlässlich der Heimreisezertifikatsbeschaffung (ON 115) nicht objektiv zu erwarten gewesen. 

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat ermittelte telefonisch, dass der in der Beschwerde angeführte Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 15. Februar 2010,
GZ.: E1/410.333/2010 nicht den Bf selbst, sondern eine Person namens X betrifft.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Eine solche wurde vom Bf auch nicht beantragt.

 

Den in der Beschwerde angebotenen Beweisen war nicht nachzukommen, da sie zum Einen Fragen betreffen, die nicht angezweifelt werden bzw. keine unmittelbare und konkrete Aufschlüsse für die Beurteilung des vorliegenden Falles bieten würden, zum Anderen jedoch schon von vorneherein durch die Aktenlage geklärt bzw. widerlegt sind.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Wesentlichen vom Bf auch nicht in Abrede gestellt wird. Dass der Bf einen Betreuungsplatz beim Verein "X" zugesprochen bekam wird nicht bezweifelt.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried im Innkreis vom 23. Februar 2011, GZ.: Sich41-193-2010, von 4. März 2011 bis 7. März 2011 im PAZ Steyr in Schubhaft angehalten wurde, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates nicht mehr in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine Prüfung der Anhaltung gemäß den geltend gemachten Gründen vorzunehmen.

 

3.3. In der Beschwerde wird zunächst festgestellt, dass der in Rede stehende Schubhaftbescheid nicht dem Vertreter des Bf sondern dem Verein X und somit rechtswidrig zugestellt worden sei.

 

Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt sich jedoch zweifelsfrei und korrespondierend zu den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, dass

 

die frühere Vertretung des Bf durch den X – dokumentiert durch eine Vollmacht vom 24. Juni 2009 - durch die am 14. Juni 2010 bei der BPD Wien vorgelegte schriftliche Vollmacht zugunsten des Vereins "X", datiert mit 19. Mai 2010 verdrängt wurde. Diese Vollmacht bezieht sich explizit nicht nur auf asyl- und fremdenrechtliche Belange, sondern auch auf Maßnahmen. Ausdrücklich wurde ebenso die Zustellvollmacht erteilt. Nachdem sich im Akt kein Hinweis auf einen Widerruf dieser Vollmacht befindet, ein solcher auch nicht behauptet wurde oder nur irgendwie erkennbar ist, muss der belangten Behörde in ihrer Auffassung gefolgt werden, dass der Verein "X" (bis zur Vorlage der Vollmacht für den nunmehr vertretenden Verein anlässlich der Einbringung der in Rede stehenden Schubhaftbeschwerde) zurecht als vertretungsbefugt und somit auch Zustelladressat des Schubhaftbescheides angesehen werden musste. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

 

3.4. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

In diesem Sinne wurde von der belangten Behörde ein umfassendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Parteiengehör gewahrt.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs. 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

3.5. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf – nach rechtskräftigem "negativen" Abschluss seines Asylverfahrens mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15. Juni 2009 bzw. mit bestätigendem Erkenntnis des Asylgerichtshofes über eine Zurückweisung eines neuerlichen Asylbegehrens vom 6. April 2010, nicht mehr als Asylwerber, sondern als Fremder im Sinne des § 76 Abs. 1 FPG anzusehen ist. Die belangte Behörde hat somit grundsätzlich zurecht diese Bestimmung herangezogen.

 

3.6.1. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten lassen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen werde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Grundsätzlich ist vorerst anzumerken, dass die belangte Behörde eine äußerst fundierte Einzelfall bezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates durchaus zu folgen ist.

 

3.6.2. Es ist zwar der Beschwerdeschrift zu folgen, dass strafrechtliche Verurteilungen alleine nicht ursächlich für die Verhängung der Schubhaft sein können, jedoch ist auch anzumerken, dass die Neigung eines nicht gesetzeskonformen Verhaltens Rückschlüsse auf die - sehr wohl für die Beurteilung des Sicherungsbedarfs relevante - Prognose hinsichtlich der Bereitschaft des Bf an den fremdenpolizeilichen Maßnahmen mitzuwirken, zulassen. Gleich in zwei Fällen wurde der Bf während seines Aufenthalts in Österreich durch Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz straffällig und auch demgemäß verurteilt. Sein Hang die Rechtsordnung des Gastlandes zu missachten, ist dadurch durchaus eindrucksvoll dokumentiert. Besonders ist auf die Sensibilität hinsichtlich der Verhinderung von Suchtmitteldelikten hinzuweisen.

 

3.6.3. Der Bf ist im Bundesgebiet keinesfalls als sozial integriert anzusehen, mittellos und verfügt – wie sich aus dem Akt ergibt - auch über keinen aufrechten Wohnsitz. In der Zeit vor seiner Straffälligkeit und Inhaftierung ging er in Österreich – laut eigenen Angaben - keiner legalen Arbeit, sondern allenfalls Schwarzarbeit als Friseur nach. Es kann keinesfalls der Beschwerde gefolgt werden, dass ein gerichtlich zugewiesener Platz beim Verein Neustart als ausreichendes Element der sozialen Integration angesehenwerden kann, insbesondere auch deshalb, weil hievon nur eine zukünftige Integration bei vorausgesetztem Wohlverhalten des Bf denkbar ist.

 

Der Bf verfügt aber auch – nach eigenen Angaben - über keine Verwandten im Inland.

 

3.6.4. Weiters ergibt sich aus den – im Akt aufscheinenden - Äußerungen und dem Verhalten des Bf eine eindeutige Rückkehrunwilligkeit, die in dem von ihm an den Tag gelegten "Katz und Maus-Spiel" hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit einen Ausdruck findet. Wie sich aus dem Akt ergibt, hat der Bf lückenlos seit Einreise ins Bundesgebiet angegeben, X Staatsangehöriger zu sein und auch sämtliche Verfahren vor Gerichten und Behörden unter diesen Auspizien geführt. Besonders ist auch zu betonen, dass in beiden vorgelegten Vollmachten (sowohl vom Verein "X" als auch vom X) der Bf als X Staatsangehöriger geführt wird.

 

Strategisch geschickt vermied es der Bf jedoch seit Anbeginn seines Aufenthalts an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken, indem er den Vorführungsterminen fernblieb und sich – entgegen seiner Beteuerungen – gerade nicht um die Erlangung eines Ersatzreisedokuments bemühte. Auffallend ist auch, dass dem Bf zu Beginn des Asylverfahrens noch der Name seiner Eltern, seines Bruders, seines Geburtsorts sowie seiner Wohnadresse in X (X) und nicht zuletzt seine Staatsangehörigkeit wie auch Informationen über die Verhältnisse in X bekannt waren, er dieses Wissen fortlaufend verloren zu haben scheint. Am 21. Jänner 2011, im Rahmen seiner Vorführung vor Vertreter der X Botschaft, schließlich behauptete der Bf nun erstmals X Staatsangehöriger zu sein. Diese Darstellung schien ihm offenbar geeignet, um die drohende Abschiebung zumindest hinauszuzögern. In weiterer Folge stellte der Bf auch den Familiennamen in Zweifel. Aus diesen Entwicklungen wird seine Vorgehensweise, die von der belangten Behörde wohl zurecht als Schutzbehauptungen qualifiziert werden, deutlich. Nicht nachvollziehbar und doch etwas geschönt ist in diesem Zusammenhang die Darstellung in der Beschwerdeschrift, wonach der Bf lediglich auf stets präziser werdende Fragen immer präzisere Angaben gemacht habe.

 

3.6.5. Es wird dabei vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinesfalls außer Acht gelassen, dass der Bf – im gelinderen Mittel – seinen Meldepflichten ordnungsgemäß nachkam. Jedoch war für ihn zum damaligen Zeitpunkt keine zeitnahe Außerlandesschaffung zu erwarten, da er eine solche durch mehrfaches Fernbleiben von den Vorführungsterminen vor die nigerianische Botschaft erfolgreich verzögerte. Diese Umstände haben sich nunmehr aber geändert, zumal mittels des von der belangten Behörde in die Wege geleiteten – aber nie stattgefundenen – Telefoninterviews mit der liberianischen Botschaft in Berlin leicht der "Gegenbeweis" für die nunmehrige Schutzbehauptung hätte geführt werden können, wodurch auch unter Bedachtnahme seiner ursprünglichen Angaben und des beim Bf vorgefundenen Telefonkontakts in Nigeria die Feststellung seiner Identität durchaus zu erwarten gewesen wäre. Bezeichnend ist auch, dass der Bf die Abnahme seiner Fingerabdrücke vor den Vertretern der nigerianischen Botschaft verweigerte.

 

3.6.6. Nicht zuletzt ist bei der Bejahung des Sicherungsbedarfs im vorliegenden Fall auf das Verhalten des Bf während der Schubhaft hinzuweisen, das die Entschlossenheit zur Erreichung seiner Ziele dokumentiert. Schon nach drei Tagen war die Anhaltung wegen permanentem Hunger- und Durststreiks aufzuheben, wodurch auch das Telefoninterview mit der X Botschaft schlussendlich erfolgreich vereitelt wurde. 

 

3.6.7. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass der Bf in Österreich über keine soziale oder familiäre Integration, über keinen Wohnsitz, über vernachlässigbare Mittel sowie über keine Arbeitsmöglichkeit verfügt, er nicht rückkehrwillig ist, er bemüht ist deshalb seine Identität bzw. Staatsangehörigkeit zu verschleiern, und im Übrigen offensichtlich dokumentierte, sich nicht an die Rechtsordnung seines Gastlandes halten zu wollen. Darüber hinaus bietet ihm sein Kontakt zum Suchtgiftmilieu auch die entsprechenden Möglichkeiten die ein Untertauchen in die Illegalität begünstigen.

 

Aufgrund einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Bf muss somit von einem besonders akuten und hohen Sicherungsbedarf ausgegangen werden, da wohl mit Sicherheit angenommen werden konnte, dass er auf freiem Fuß belassen, sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entzogen haben würde.

 

3.6.8. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Der diesbezüglichen Einwendung in der Beschwerde war somit nicht zu folgen, zumal nun keinesfalls erwartet werden kann, dass der Bf an den fremdenpolizeilichen Maßnahmen freiwillig mitwirken und sich den Behörden zur Verfügung halten würde. An diesen Feststellungen vermag auch der Umstand, dass dem Bf ein Betreuungsplatz beim Verein "X" zugewiesen wurde, nichts zu ändern.

 

3.7.1. Die Verhängung der Schubhaft war zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit stand das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.7.2. Hier relevant ist das Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, rechtzeitig die Maßnahmen für die in Aussicht genommene Abschiebung zu ergreifen. Im vorgelegten Verwaltungsakt findet sich jedoch eine lückenlose Dokumentation der Bemühungen der belangten Behörde um die Straffung des Verfahrens, die unmittelbar nach Bekanntwerden des frühzeitigen Entlassungstermins aus der Strafhaft einsetzten und konsequent fortgeführt wurden. Rund zwei Monate vor dem Entlassungstermin fanden bereits die Bestrebungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ihren nachweislichen Ausdruck und führten auch 1,5 Monate vor der Entlassung aus der Strafhaft bereits zur Vorführung des Bf vor die nigerianische Botschaft. Adäquat reagierte die belangte Behörde auch auf die – als Schutzbehauptung qualifizierte – Darstellungsänderung des Bf seiner Staatsangehörigkeit, um durch deren "Verneinung"  die ursprünglichen Bemühungen wieder forcieren zu können. Es kann der belangten Behörde hier also kein Vorwurf der Untätigkeit gemacht werden.

 

3.7.3. In diesem Sinne ist auch die verhängte Schubhaft nicht als von der Behörde intendierte "Beugehaft" anzusehen, sondern als – gesetzlich vorgesehene - Maßnahme, die gründend auf dem angenommenen hohen Sicherungsbedarf, erforderlich war, um das Ziel der zeitnahen Außerlandesschaffung zu erreichen. Anders wäre es gewesen, wenn die belangte Behörde – selbst untätig – lediglich den Bf durch die In-Schubhaftnahme zur Mitwirkung am Identitätsfeststellungsverfahren hätte zwingen wollen. Durch die Rückführung der Staatsangehörigkeit auf X (durch den Ausschluss des unglaubwürdigen Vorbringens des Bf aus Liberia zu stammen) sowie die vorhandenen Beweismittel, würden die Bemühungen um ein Heimreisezertifikat wohl auch von Erfolg gewesen sein.

 

3.7.4. Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt keine Rechtswidrigkeit der Anhaltung.

 

3.7.5 Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.8.1. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt.

 

Der Bf wurde lediglich 3 Tage in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist bei weitem nicht ausgeschöpft war.

 

3.8.2. Das Ziel der Schubhaft, die Abschiebung nach X, war im Anhaltungszeitraum - entgegen der Ansicht des Bf - durchaus erreichbar. Aufgrund der verdichteten Anhaltspunkte, wonach der Bf eben doch Staatsbürger von X ist, wäre nach Ausschluss der Schutzbehauptung der vorgeblichen liberianischen Staatsangehörigkeit die Erlangung eines X Heimreisezertifikates durchaus zeitnah und ohne die durch § 80 Abs. 3 und 4 gebotenen Fristen auszuschöpfen möglich gewesen.

 

3.9. Nachdem den relevierten Beschwerdepunkten nicht gefolgt werden konnte, war die Beschwerde vom 18. März 2011 als unbegründet abzuweisen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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