Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401107/5/Gf/Mu

Linz, 07.04.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch den x, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Ried) Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried vom 17. März 2011, Zl. Sich41-125-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Ausweisung im Wege der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Wien am 18. März 2011 vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer widerrechtlich und ohne gültige Dokumente in das Bundesgebiet eingereist sei und hier am 11. September 2007 einen Asylantrag gestellt habe; dieser sei jedoch mit Wirkung vom 17. März 2008 rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig seine Ausweisung verfügt worden. Außerdem sei er in der Folge mit Urteilen des LG Wien vom 14. September 2009 und vom 21. Mai 2010 jeweils wegen Übertretungen des Suchtmittelgesetzes zunächst zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten und sodann zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden. Darüber hinaus habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gegen ihn ein mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 in Rechtskraft erwachsenes, auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Da seine Identität nicht feststehe; er über keinen festen Wohnsitz verfüge und insbesondere nicht gewährleistet erscheine, dass er bei seiner Lebensgefährtin und ihrem gemeinsamen Sohn auch tatsächlich Unterkunft nehmen könne; er mittellos und weder beruflich noch in sonstiger Weise sozial integriert sei; sein Folgeasylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei; er am fremdenpolizeilichen Verfahren nicht zweckdienlich mitgewirkt habe und evidentermaßen rückkehrunwillig sei, liege sohin auf der Hand, dass er – in Freiheit belassen – in der Anonymität untertauchen und sich so seiner Abschiebung entziehen würde. Dem gegenüber habe der mit der Schubhaft verfolgte Zweck durch die Anordnung gelinderer Mittel – wie etwa die Unterkunftnahme in einer betreuten Einrichtung und eine periodische Meldepflicht bei einer Polizeiinspektion – nicht in gleicher Weise effektiv erreicht werden können, zumal er eine derart zugewiesene Unterkunft schon zuvor ohne Angabe von Gründen verlassen und an Orten bzw. Stellen Unterkunft genommen habe, die er offensichtlich deshalb nicht preisgeben wolle, weil sie zum Suchtgiftmilieu gehören.

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am
3. April 2011 per Telefax an den Oö. Verwaltungssenat übermittelte und bei diesem nach § 13 Abs. 5 AVG i.V.m. § 1 Abs. 2 der ho. Kundmachung vom 3. Jänner 2011, Zl. VwSen-990000/115, als am 4. April 2011 eingelangt anzusehende Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass der Rechtsmittelwerber im Zuge seines von den Behörden als Folgeantrag gewerteten Asylverfahrens einen Antrag auf Beistellung eines Rechtsberaters (Flüchtlingsberaters) gestellt habe; dies führe nach ständiger Rechtsprechung des Asylgerichtshofes dazu, dass seiner Beschwerde von jenem die aufschiebende Wirkung, und zwar mit der Konsequenz zuerkannt werden wird, dass ab diesem Zeitpunkt seine Abschiebung und somit auch seine Anhaltung in Schubhaft als unzulässig erscheinen müsse. Außerdem hätten anstelle der Schubhaft auch in gleicher Weise zweckdienliche, jedoch gelindere Mittel – wie z.B. die Verpflichtung zur Unterkunftnahme in einer von der Fremdenpolizeibehörde bestimmten Wohnung – angeordnet werden können.

Aus diesen Gründen wird sohin die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft "(spätestens) ab dem 30.03.2011" beantragt.

1.3. Die belangte Behörde hat Teile der Bezug habenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung dieser Beschwerde beantragt wird.

Darin wird ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der Rechtsmittelwerber zur freiwilligen Rückkehr angemeldet habe und dem entsprechend am 1. April 2011 unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Schubhaft vom Flughafen Linz-Hörsching aus in seinen Heimatstaat ausgereist sei.

Da die Schubhaftanordnung nicht als rechtswidrig anzusehen sei, wird unter einem die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Aktenteile der BH Ried zu Zl. Sich41-125-2010; da sich bereits aus diesen der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme haben sich die von der BH Ried ermittelten, unter 1.1. dargestellten und vom Rechtsmittelwerber in seiner Beschwerde auch gar nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen als zutreffend bestätigt.

2.2. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde gegeben.

Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde gegen einen Asylwerber u.a. dann die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde; ein Ausweisungsverfahren gilt nach § 27 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 29 Abs. 3 Z. 4 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: AsylG), u.a. dann schon ex lege als eingeleitet, wenn dem Asylwerber mitgeteilt wird, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel in gleicher Weise erreicht werden kann; in diesem Sinne kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 

3.2. Die mit der gegenständlichen Beschwerde relevierte Frage, ob die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft (seit dem 18. März bzw.) seit dem 30. März 2011 sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig war bzw. ist, kann – nur – dann bejaht werden, wenn 1.) ein Schubhafttatbestand gemäß § 76 Abs. 2 FPG vorliegt, 2.) eine dem Zweck dieses Tatbestandes entsprechende Sicherungsnotwendigkeit besteht und zudem 3.) durch
eine derartige Maßnahme insgesamt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

3.2.1. Schubhafttatbestand

3.2.1.1. Im gegenständlichen Verfahren hat die belangte Behörde die Schubhaftverhängung auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt. Dies setzt voraus, dass gegen ihn ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, d.h. dass ihm zumindest gemäß  § 27 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen.

3.2.1.2. Im gegenständlichen Fall erfolgte eine derartige Mitteilung zweifelsfrei am 10. März 2011, also zu einem noch vor der Inschubhaftnahme gelegenen Zeitpunkt.

Bei der Erlassung des Schubhaftbescheides am 17. März 2011 lagen somit die Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG vor.

3.2.2. Sicherungsnotwendigkeit

Hinsichtlich der Beurteilung der Sicherungsnotwendigkeit (nicht: Sicherungsbedürfnis, weil durch diesen Terminus suggeriert werden würde, dass es insoweit nicht auf eine objektivierbare, sondern auf die subjektive Einschätzung der Organwalter der Fremdenpolizeibehörde ankäme) ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob mit Blick auf das Ziel der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme eine Beschränkung der persönlichen Freiheit unabdingbar war. Es ist also zunächst (und zwar nicht mit der vorgefassten Tendenz: "im Zweifel pro Haft", sondern im Gegenteil: mit der Grundhaltung, dass prinzipiell gelindere Mittel anzuordnen sind, sodass die Verhängung der Haft stets nur eine äußerste Notmaßnahme darstellen kann) zu untersuchen, ob anhand der Umstände des konkreten Falles tatsächlich nur im Wege einer Haft zuverlässig erreicht werden kann, dass die intendierte fremdenpolizeiliche Maßnahme auch effektiv umgesetzt werden kann.

Solche inzident für eine derartige Sicherungsnotwendigkeit sprechenden Kriterien können beispielsweise die fehlende Wahrscheinlichkeit einer freiwilligen Ausreise, die für eine Rückkehr in den Abschiebe- bzw. Heimatstaat fehlenden finanziellen Mittel, die im Heimatstaat fehlende soziale Bindung, die angesichts fehlender Sanktionen gegebene Wahrscheinlichkeit einer illegalen Rückkehr des Fremden nach Österreich o.Ä; nicht jedoch eine allgemeine, d.h. nicht im Zusammenhang mit dem Zweck der Sicherungsnotwendigkeit stehende Gleichgültigkeit gegenüber generellen Ordnungsvorschriften oder strafrechtlichen Verboten, ein allgemein unkooperatives Verhalten, eine allgemein mangelnde soziale, insbesondere berufliche Integration, etc. sein.

Hat daher der Fremde beispielsweise seine persönliche Identität zu verschleiern versucht und war dieser weder polizeilich gemeldet noch tatsächlich durch längere Zeit hindurch an einer bestimmten Unterkunft aufhältig, so besteht eine hohe Gefahr des Untertauchens, die umgekehrt prinzipiell eine entsprechende Sicherungsnotwendigkeit begründet. Hingegen entfällt diese von vornherein, wenn der Fremde bloß gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen hat und/oder wegen eines Suchtgiftdeliktes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sich seither aber tatsächlich durchgehend an einer der Fremdenpolizeibehörde bekannten Unterkunft aufgehalten hat.

3.2.2.1. Im gegenständlichen Fall bezweckte die Schubhaftverhängung, dass der Beschwerdeführer der belangten Behörde für die Durchführung der Abschiebung auch tatsächlich zur Verfügung stehen und diese nicht dadurch, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt von deren effektiver Durchsetzung an seinem bisherigen Aufenthaltsort faktisch nicht greifbar wäre, erschweren oder gar verunmöglichen können soll.

Dass der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels entsprechender Reise- und Personaldokumente nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt ist, über einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich verfügte, wird auch von ihm selbst gar nicht behauptet. Zwar hielt er sich vor seiner Inschubhaftnahme am 18. März 2010 (und der dieser vorgelagerten Strafhaft) gelegentlich in der ihm zugewiesenen Betreuungsstelle auf; dieser Aspekt stellt jedoch kein spezifisches Wohl-, sondern bloß ein auf Grund der Umstände zielgerichtetes Verhalten für jenen Zeitraum, in dem noch mit einer positiven Erledigung des Asylverfahrens gerechnet werden kann, dar.

Von einer sozialen oder beruflichen Integration des Rechtsmittelwerbers kann ebenfalls keine Rede sein. In Österreich leben lediglich eine vorgebliche Freundin und ein mit dieser gemeinsamer minderjähriger Sohn, die jedoch infolge unpräziser Angaben des Beschwerdeführers seitens der Fremdenpolizeibehörde tatsächlich nicht ausfindig gemacht werden konnten. Außerdem liegt eine – zudem glaubwürdige – Erklärung seiner Partnerin, dass der Rechtsmittelwerber für den Fall seiner Freilassung bei ihr Unterkunft nehmen könnte und von ihr auch verpflegt werden würde, nicht vor.

Dass er nicht freiwillig in seinen Heimatstaat zurückkehren oder dorthin abgeschoben werden möchte, hat der Rechtsmittelwerber mehrfach explizit bekräftigt; erst im Stand der Schubhaft und wenige Tage vor seiner nunmehrigen Ausreise am 1. April 2011 hat er seine Meinung diesbezüglich geändert. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass er zuvor eine Abschiebung nicht widerstandslos über sich hätte ergehen lassen, sondern – hätte er sich in Freiheit befunden – von der einfachsten und deshalb am nächsten liegenden Möglichkeit, nämlich: Verschleierung seines jeweiligen aktuellen Aufenthaltsortes, Gebrauch gemacht hätte, um sich dieser zu entziehen.

3.2.2.2. Alle diese sowie jene von der belangten Behörde darüber hinaus in ihrem Schubhaftbescheid angeführten Gründe (unvorhersehbares Untertauchen in der Anonymität; Mittellosigkeit; mangelnde soziale Integration; Nichtmitwirkung am Verfahren) sprachen im vorliegenden Fall für eine dementsprechende Sicherungsnotwendigkeit; sie überwogen daher insgesamt betrachtet deutlich jene – nämlich: dass sich der Beschwerdeführer zumindest zeitweise tatsächlich in der Bundesbetreuung aufgehalten hat; in diesem Zusammenhang ist jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass ihm bis dahin die Aussichtslosigkeit seines Asylantrages noch in keiner Weise bewusst war, sodass ein insoweit kooperatives Verhalten gleichsam als selbstverständlich erscheinen muss – dagegen sprechenden Argumente, und zwar insbesondere auch deshalb, weil das Bestehen einer derartigen Sicherungsnotwendigkeit im sog. Spätstadium des Asylverfahrens stets dann umso mehr angenommen werden kann, wenn nicht evident zwingende Gründe dagegensprechen (vgl. VwGH v. 25. März 2010, 2008/21/0617).

3.2.3. Verhältnismäßigkeit

Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend war schließlich noch zu untersuchen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch normale (diese Bezeichnung ist deshalb angebracht, weil dadurch umgekehrt die Haft als das "Ausnahmemittel" deutlicher in den Vordergrund tritt), d.h. im Verhältnis zum Entzug der persönlichen Freiheit im Wege der Haft gelindere Sicherungsmittel zu erreichen gewesen wäre.

Die Anordnung gelinderer Mittel bedingt das grundsätzliche, durch entsprechende konkrete Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung hält, d.h. für diese auch faktisch greifbar ist. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist – sonst wäre nicht die Schubhaftverhängung als ein bloßes ultima-ratio-Mittel, sondern im Gegenteil als Standardmaßnahme für die Fremdenpolizeibehörden gesetzlich vorgesehen worden. Daraus folgt, dass es dann, wenn die Schubhaft angeordnet wird, der Behörde obliegt, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im konkreten Fall für ein Nichtbestehen eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen.

Einer derartigen Prognoseentscheidung sind somit v.a. jene Hinweise in Bezug auf das bisherige Verhalten zu Grunde zu legen, die gegen bzw. für eine Freiheitsentziehung sprechen (wie z.B. ob gelindere Mittel bisher schon angewendet wurden und wenn ja, ob diese erfolgreich waren oder nicht; ob sich auch die näheren Familienangehörigen [legal] in Österreich befinden; ob der Fremde hier sozial integriert ist; ob sich der Ausländer grundsätzlich den österreichischen Rechtsvorschriften verbunden fühlt, etc.), wobei insoweit unter dem Aspekt, dass eine Haftanordnung nur eine ultima-ratio-Maßnahme darstellen kann, eben eine formelhafte oder bloß auf allgemeine Erfahrungssätze abstellende Begründung des Schubhaftbescheides nicht hinreicht, sondern diese vielmehr eine konkrete, individuell-fallbezogene Subsumtion mit entsprechender pro- und contra-Abwägung aufweisen muss, damit gewährleistet ist, dass durch diese keine antizipatorische "pro-Haft-Tendenz" zum Ausdruck kommt, d.h. eine haft"begünstigende" Begründungsargumentation objektiv betrachtet verlässlich ausgeschlossen ist. Nur wenn danach mit zwingenden Gründen davon ausgegangen werden kann, dass die effektive Umsetzung (eine bloße "Erschwerung" reicht hingegen nach § 76 FPG – und erst recht nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG – nicht hin) der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit gewährleistet werden kann, erweist sich die Anordnung der Schubhaft auch unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzips als gerechtfertigt.

3.2.3.1. Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer illegal und unter Verschweigung von für das fremdenrechtliche Verfahren essentiellen Fakten (Personalia, Reiseroute) – wobei ihm dieser Umstand durchaus bewusst sein musste – in das Bundesgebiet eingereist. 

Dieses Verhalten – nämlich: die Nichtmitwirkung am Verfahren, die eine Klärung seiner Identität erheblich erschwert (wie z.B. die Weigerung, Fingerabdrücke erstellen zu lassen); die Nichtvorlage von Reisedokumenten, wodurch die Einholung eines Heimreisezertifikates maßgeblich erschwert wird; die Weigerung, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen; etc. – legt im Zusammenhang damit, dass der Rechtsmittelwerber weder über die für seinen Aufenthalt erforderlichen finanziellen Mittel und eine Unterkunftsmöglichkeit noch über verifizierbare soziale Kontakte verfügt, insgesamt die Annahme nahe, dass auch die Stellung des Folgeantrages offensichtlich primär dazu gedient hat, das Asylverfahren insgesamt in die Länge zu ziehen und auf diese Art seinen faktischen Aufenthalt im EU-Raum, insbesondere auch in Österreich, zu verlängern.

Gesamthaft betrachtet folgt aus all dem, dass der Beschwerdeführer durch diese Handlungen das ihm grundsätzlich entgegen zu bringende Vertrauen objektiv-abstrakt besehen in einem solchen Grad erschüttert hat, der es nicht mehr zulässt, mit gutem Grund annehmen zu können, dass er sich zum Zeitpunkt seiner Abschiebung sowohl freiwillig als auch tatsächlich der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten wird; Letzterer kann daher vor dem Hintergrund des hier konkret zu beurteilenden Sachverhalts nicht entgegengetreten werden, wenn diese davon ausgegangen ist, dass es im vorliegenden Fall solcher Sicherungsmaßnahmen bedurfte, die der dargestellten Motivationslage des Rechtsmittelwerbers auch effektiv entgegenwirken.

3.2.3.2. Nach § 77 Abs. 3 FPG kommen als – im Vergleich zur Schubhaftverhängung – gelindere Mittel vornehmlich die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und/oder sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden, in Betracht. Wie sich aus der Textierung dieser Bestimmung, speziell aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, ist die Behörde hinsichtlich der Auswahl zwischen den unterschiedlichen Arten von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich zwar nicht, durch das in § 77 Abs. 1 FPG normierte Verhältnismäßigkeitsprinzip im Ergebnis jedoch insoweit beschränkt, als letztlich nur eine solche Maßnahme gewählt werden darf, die sowohl zur Zielerreichung geeignet ist als auch den vergleichsweise geringstmöglichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Fremden nach sich zieht.

Im gegenständlichen Fall wurden gegen den Beschwerdeführer ohnehin schon vor seiner Inschubhaftnahme gelindere Mittel, nämlich: in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und sich bei einer Sicherheitsdienststelle periodisch zu melden, angeordnet. Von dieser Unterkunft hat sich der Rechtsmittelwerber jedoch stillschweigend und grundlos entfernt, ohne sich zugleich zumindest an einem anderen Wohnsitz polizeilich zu melden.

Durch eine solche Vorgangsweise hat er aber selbst dokumentiert, dass gelindere Mittel anstelle der Schubhaftverhängung offenbar nicht in gleicher Weise dazu geeignet sind, den mit dieser Maßnahme verfolgten Zweck – nämlich: dass der Beschwerdeführer jederzeit, insbesondere aber zur Vornahme der Abschiebung für die Fremdenpolizeibehörde greifbar ist – zu erfüllen.

 

Nach Abwägung der öffentlichen Interessen an der effektiven Umsetzung der Ausweisung und des Aufenthaltsverbotes gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an der Nichtvornahme einer Freiheitsentziehung war es sohin nicht geboten, anstelle der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 3 FPG anzuordnen, weil das grundsätzliche, durch die genannten Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten, d.h. für diese auch faktisch greifbar sein wird, insgesamt in einem solchen Maße erschüttert war, das es nicht mehr zuließ, ein effektives Zurverfügungstehen mit gutem Grund annehmen zu können.

 

Im Ergebnis ist also ein solches Vertrauen grundsätzlich insbesondere dann nicht mehr gegeben, wenn gelindere Mittel – wie z.B. die Verpflichtung zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und zur periodischen Meldepflicht bei einer Polizeiinspektion – tatsächlich bereits angewendet wurden, der Fremde aber diesen Anordnungen tatsächlich nicht entsprochen hat, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände (wie z.B. das Nichtverstehen dieser Anordnungen infolge Sprachschwierigkeiten oder ein fehlender Hinweis auf die mit deren Nichtbefolgung verbundenen Konsequenzen; vgl. z.B. VwSen-401101 vom 17. März 2011) ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten.

 

Eine derartige Sonderkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Es konnte daher zutreffend davon ausgegangen werden, dass die effektive Umsetzung der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit sichergestellt werden kann.

 

3.3. Aus allen diesen Gründen war die gegenständliche Beschwerde gemäß § 83 Abs. 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer  dazu zu verpflichten, dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Ried) nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro;) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von insgesamt 16,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

VwSen-401107/5/Gf/Mu vom 7. April 2011

Erkenntnis

 

FPG 2005 §77 Abs3;

FPG 2005 §83

 

Die Anordnung gelinderer Mittel bedingt das grundsätzliche, durch entsprechende konkrete Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung hält, dh für diese auch faktisch greifbar ist. Ein solches Vertrauen ist jedoch grundsätzlich insbesondere dann nicht mehr gegeben, wenn gelindere Mittel – wie zB die Verpflichtung zur Unterkunftnahme in einer bestimmten Wohnung und zur periodischen Meldepflicht bei einer Polizeiinspektion – bereits angewendet wurden, der Fremde aber diesen Anordnungen tatsächlich nicht entsprochen hat, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände (zB Nichtverstehen dieser Anordnungen infolge Sprachschwierigkeiten oder fehlender Hinweis auf die mit deren Nichtbefolgung verbundenen Konsequenzen; vgl zB VwSen-401101 vom 17. März 2011) ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten.

 

 

 

 

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