Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165826/2/Zo/Jo

Linz, 30.03.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vertreten X vom 21.02.2011 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 08.02.2011, Zl. S-40787/10-3, wegen einer Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:

 

 

I.             Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

 

II.          Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 50 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt.

 

III.       Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 5 Euro, für das Berufungsverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und II.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG;

zu III.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die BPD Linz hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 27.07.2010 um 15.25 Uhr in Linz, auf der Rechten X in Höhe des Hauses Nr. X das KFZ mit dem Kennzeichen X gelenkt habe und dabei als Lenker des Kraftfahrzeuges während des Fahrens ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verbotenerweise telefoniert habe, was bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt worden sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs.3 fünfter Satz KFG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) gemäß § 134 Abs.3c KFG verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 6 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass er tatsächlich ohne Freisprecheinrichtung kurz telefoniert habe. Er habe bereits den Polizeibeamten mitgeteilt, dass es sich um eine wichtige Scheidungsangelegenheit gehandelt habe und sein Abheben notwendig gewesen sei.

 

Er habe dies im Verfahren nicht näher ausführen können, weil er der gesetzlichen Verschwiegenheit unterliege. Er habe an jenem Tag die Freisprecheinrichtung in der Kanzlei vergessen, ansonsten verwende er diese. Es habe sich um ein Scheidungsverfahren gehandelt und er habe das Telefonat angenommen, weil er gewusst habe, dass der Anrufer verzweifelt sei und seine Hilfe brauche. Er habe durch sein Telefonieren niemanden gefährdet oder behindert und die Tat habe keinerlei Folgen nach sich gezogen. Die Behörde hätte daher das Verfahren einstellen müssen.

 

3. Der Polizeidirektor von Linz hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte zur Vorfallszeit den im Spruch angeführten PKW in Linz von der X kommend auf die Rechte X. Dabei telefonierte er mit seinem Mobiltelefon ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung, was von einem Polizeibeamten festgestellt wurde, welcher den Berufungswerber auf der Rechten X in Höhe des Objektes Nr. X zu einer Verkehrskontrolle anhielt. Der Berufungswerber rechtfertigte sich von Anfang an dahingehend, dass es sich um einen Scheidungsfall gehandelt habe und die Angelegenheit derart wichtig gewesen sei, dass er das Telefonat unbedingt habe annehmen müssen.

 

Das weitere Vorbringen des Berufungswerbers im Verfahren, dass er nur kurz auf die Situation eingegangen ist und dem Anrufer dann versprochen habe, in ein paar Minuten zurückzurufen, ist durchaus glaubwürdig.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 102 Abs.3 KFG muss der Lenker die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtungen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muss die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muss beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen.

 

Der Berufungswerber hat die ihm vorgeworfene Übertretung in objektiver Hinsicht begangen. Dies hat er auch nie bestritten.

 

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

Das Vorbringen des Berufungswerbers lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass in der konkreten Situation das Annehmen des Telefonates aus seiner Sicht wegen der Wichtigkeit der Angelegenheit gerechtfertigt gewesen sei. Die unverzügliche Kontaktaufnahme mit dem Anrufer sei unbedingt notwendig gewesen.

 

 

Ein rechtfertigender Notstand setzt nach der Rechtsprechung des VwGH einen gegenwärtigen unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen voraus. Weiters ist Voraussetzung, dass diese Gefahr in zumutbarer Weise nur durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung abgewendet werden kann. Bloße wirtschaftliche Nachteile können  - solange nicht die Lebensmöglichkeiten selbst bedroht werden - keinen Notstand begründen (sh. z.B. VwGH vom 27.5.1987, 87/03/0112 oder vom 26.2.2002, 98/21/0246).

 

Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass Notstand i.S.d. § 6 VStG bezüglich eines Telefonates nur dann angenommen werden kann, wenn der Angerufene bereits aufgrund der im Display aufscheinenden Telefonnummer zu Recht davon ausgehen kann, dass eine Notstandssituation vorliegt. Die Rechtswidrigkeit des Telefonierens am Steuer beginnt nämlich bereits mit der Annahme des Telefonates, weshalb auch die Notstandssituation bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar sein muss. Es ist zwar durchaus möglich, dass der Berufungswerber aufgrund der Einblendung im Display erkennen konnte, dass es sich um ein Telefonat im Zusammenhang mit einem Scheidungsfall gehandelt hat und dass dem Berufungswerber auch die außergewöhnliche psychische Belastung des Anrufers bekannt war. Es ist jedoch nur noch schwer nachvollziehbar, warum der Berufungswerber bereits vor Annahme des Telefonates wissen konnte, dass dem Anrufer ein unmittelbarer schwerer Nachteil drohen würde, wenn er das Telefonat nicht sofort annehmen würde.

 

Jedenfalls wäre es dem Berufungswerber – auch bei Kenntnis der Dringlichkeit des Telefonates – zumutbar gewesen, einen Parkplatz oder zumindest eine Straßenstelle anzufahren, an welcher er das Fahrzeug kurz hätte anhalten und den Anrufer zurückrufen können. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse wären solche Stellen im Bereich der Unteren Donaulände sowie der Nebenstraßen  innerhalb kürzester Zeit zu erreichen gewesen. Der Berufungswerber hätte daher das Telefonat nicht annehmen dürfen sondern einen Parkplatz suchen und den Anrufer dann zurückrufen können. Dies wäre innerhalb weniger Minuten möglich gewesen. Es liegt daher weder ein Rechtfertigungsgrund noch ein entschuldigender Notstand vor, weshalb der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten hat.

 

Die Erstinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich um ein Ungehorsamsdelikt handelt und der Berufungswerber verpflichtet war, von sich aus alle Umstände glaubhaft zu machen, welche sein Verschulden ausschließen könnten. Der Berufungswerber darf sich dazu nicht bloß auf seine anwaltliche Schweigepflicht berufen sondern hätte zumindest darlegen müssen, dass er sich um eine Entbindung von dieser Schweigepflicht für das konkrete Verfahren bemüht habe und warum er von seinem Mandanten nicht von der Schweigepflicht entbunden wurde.

 

5.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Gemäß § 134 Abs.3c KFG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs.3 fünfter Satz KFG angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt wird, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu Euro 72, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden zu verhängen.

 

Der Berufungswerber macht zutreffend geltend, dass die Übertretung keine tatsächlichen negativen Folgen nach sich gezogen hat. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht zwangsweise ein Anspruch auf die Anwendung des § 21 VStG, weil mit bloßen Ungehorsamsdelikten typischerweise keine negativen Folgen verbunden sind. Es darf nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber im Bereich der Kreuzung der Unteren Donaulände mit der Rechten X telefonierte, wobei es sich um eine stark befahrene Straßenstelle mit mehreren Fahrstreifen und Schutzwegen handelt, an welcher eine hohe Aufmerksamkeit erforderlich ist, um das gesamte Verkehrsgeschehen ausreichend zu überblicken. Der Unrechtsgehalt dieser Übertretung ist daher keinesfalls untypisch niedrig, weshalb auch die Anwendung des § 21 VStG ausscheidet.

 

Im Hinblick auf die besondere Situation konnte mit einer Geldstrafe in Höhe der gesetzlich vorgesehenen Organstrafverfügung das Auslangen gefunden werden. Bereits diese schöpft den gesetzlichen Strafrahmen zu ca. 70 % aus und erscheint ausreichend, um den Berufungswerber in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Über den Berufungswerber scheinen mehrere geringfügige verkehrsrechtliche Vormerkungen auf, weshalb ihm der Strafmilderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit nicht zugute kommt. Diese dürfen jedoch auch nicht als straferschwerend gewertet werden, weil es sich um keine einschlägigen Delikte handelt.

 

Die Strafe entspricht auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, wobei die erstinstanzliche Einschätzung (monatliches Einkommen von 2.000 Euro bei keinen ins Gewicht fallenden Sorgepflichten und keinem Vermögen) zugrunde gelegt wird, weil der Berufungswerber dieser nicht widersprochen hat.

 

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l


 

VwSen-165826/2/Zo/Jo vom 30. März 2011

 

Erkenntnis

 

KFG 1967 §102 Abs3;

VStG §§6, 21

 

Rechtssatz 1

Das verbotene Telefonieren am Steuer ohne Benutzung einer Freisprecheinrichtung beginnt bereits mit der Annahme des Telefonates. Der Angerufene kann sich deshalb nur dann auf eine Notstandssituation iSd §6 VStG berufen, wenn ihm bereits zum Zeitpunkt der Annahme des Telefonates bekannt sein konnte, dass das Nichtannehmen des Telefonates einen schwerwiegenden (Notstand begründenden) Nachteil bewirken würde. Selbst in einem solchen Fall wird es aber in aller Regel ausreichend sein, das Fahrzeug bei nächster Gelegenheit anzuhalten und den Anrufer zurückzurufen.

 

Rechtssatz 2

Das Fehlen negativer Folgen der Übertretung führt auch bei einem bloß geringfügigen Verschulden nicht zur Anwendung des §21 VStG, weil bei Ungehorsamsdelikten typischerweise keine negativen Folgen auftreten. Wenn – so wie im konkreten Fall – das Telefonat im Bereich einer relativ stark befahrenen Kreuzung im innerstädtischen Verkehr geführt wird, bleibt für die Anwendung des §21 VStG kein Platz.

 

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