Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281278/10/Wim/Pe

Linz, 12.04.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X, Dr. X, Mag. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 13.9.2010, Ge96-23-2010, wegen einer Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25.1.2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch der Vorname des beschäftigten Arbeitnehmers von „X“ auf „X“ geändert wird.

 

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 140 Euro zu leisten, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.


Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wegen Übertretung des § 130 Abs.5 Z1 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von 700 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 32 Stunden sowie ein 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

„Sie haben es als selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliches Organ der Metallwerkstätten X GmbH mit dem Sitz in X, X, gemäß § 9 VStG zu verantworten, dass – wie durch das Arbeitsinspektorat Linz im Zuge einer Überprüfung festgestellt wurde – der im Schlosserbetrieb der Gesellschaft beschäftigte Arbeitnehmer X am 23.2.2010 auf der Baustelle in X, X, beschäftigt wurde, wobei die Lichtgitterroste auf der Balkonkonstruktion des Innenhofes, bei denen Absturzgefahr bestand, nicht unverschiebbar angebracht waren, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen unter anderem in der Form von tragsicheren und unverschiebbaren Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen anzubringen sind.“

 

2. Dagegen hat der Bw fristgerecht Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass eine örtliche Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vorliege, weil gemäß § 27 Abs.1 VStG die Verwaltungsübertretung in Sarleinsbach begangen worden sei und damit die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zuständig wäre.

 

Weiters sei das Prinzip der materiellen Wahrheit verletzt worden, da bei einer Einvernahme des beantragten Zeugen X dieser ausgeführt hätte, dass er und nicht wie von der Erstbehörde fälschlicherweise festgestellt, X einen Arbeitsunfall erlitten habe. Die Erstbehörde hätte weiters Feststellungen zu den Schutzvorkehrungen, die der Bw veranlasst habe, treffen müssen.

 

Weiters sei eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung erfolgt, da die Gitterroste sehr wohl unbeweglich verlegt worden seien und der Bw nicht damit rechnen konnte, dass einer seiner Arbeitnehmer entgegen bestehender Anweisungen und entgegen jeder Vernunft einen dieser Gitterroste entfernen würde und danach einen anderen Rost betreten würde, der naturgemäß beweglich gewesen war.

 

Weiters liege auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, da dem Bw keinerlei Vorwurf zu machen wäre, dass er kein geeignetes Kontrollsystem eingehalten hätte. So ergäbe sich bereits aus der vorgelegten Baustellenordnung in Punkt 10, dass grundsätzlich bestehende Absturzsicherungen nicht entfernt oder verändert werden dürften. Weiters habe sich persönliche Schutzausrüstung auf der Baustelle befunden.

Die exakte Überprüfungspflicht eines Arbeitgebers im Hinblick auf die Arbeitnehmerschutzbestimmungen dürfte jedoch nicht überstrapaziert werden. So sei es einem Arbeitgeber nicht zumutbar, jeden einzelnen Arbeitsschritt seiner Mitarbeiter exakt zu kontrollieren. Der gegenständliche Arbeitsunfall hätte auch dadurch nicht verhindert werden können, da der verletzte Arbeitnehmer einen Gitterrost entfernt habe und in unmittelbarer zeitlicher Folge auf einen somit verschiebbaren Gitterrost gestiegen sei, sodass hier ein Eingreifen nicht möglich gewesen wäre. Dem Beschuldigten sei damit nicht einmal ein fahrlässiges Handeln vorwerfbar. Eine Bestrafung sei daher nicht gerechtfertigt.

 

Sollte die Berufungsbehörde wider Erwarten von einem Verschulden des Bw ausgehen, so wäre mit einer Ermahnung im Sinne des § 21 VStG vorzugehen, da nach dem Arbeitsinspektorat das gute Unterweisungsprogramm, das den Bestimmungen des § 14 ASchG entspreche, sowie die Tatsache, dass sich persönliche Schutzausrüstung am Unfallort befunden habe, als sehr positiv zu beurteilen war. Eine gewisse Selbstverantwortung sei einem Arbeitnehmer nicht abzusprechen. Zumal das überwiegende Verschulden beim verletzten Arbeitnehmer liege, könne dem Bw allenfalls ein geringfügiges fahrlässiges Handeln zur Last gelegt werden, wodurch nach § 21 VStG mit einer Ermahnung vorzugehen gewesen wäre.

 

Zudem sei auch die verhängte Strafe zu hoch bemessen worden und sei für den Fall, dass auch die Berufungsbehörde wider Erwarten von einem Verschulden des Bw ausgehen sollte, diese tat-, schuld- und vermögensabhängig herabzusetzen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.1.2011 bei der neben dem Bw als Zeugen der verunfallte Arbeitnehmer sowie dessen Bruder, der ebenfalls auf der Baustelle gearbeitet hat, und der anzeigende Arbeitsinspektor einvernommen wurden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Metallwerkstätten X GmbH.

Bei der gegenständlichen Baustelle in X waren der Arbeitnehmer X sowie sein Bruder X und ein weiterer Mitarbeiter der Firma X am Unfallstag damit beschäftigt im Bereich der Fassade ein Glaselement auszuwechseln. Sie haben dazu auf einem bestehenden Balkon im Innenhof des Gebäudes, der mit Lichtgitterrosten abgedeckt war und ebenfalls von der Firma X errichtet wurde, ein Gitterelement entfernt, um diese Arbeiten besser durchführen zu können. Sämtliche Gitterelemente waren zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht endgültig gegen Verrutschen fixiert. Nach Abschluss der Glasarbeiten wollte Herr X das bestehende Gitterrostelement wieder einsetzen und es hat sich dabei ein zweites Gitterrostelement verschoben und der Arbeitnehmer ist mit diesen beiden Gitterrostelementen ca. 5 m abgestürzt. Die beiden anderen Arbeitnehmer waren zu diesem Zeitpunkt auf der Innenseite des Gebäudes beschäftigt.

 

Herr X hat als Vorarbeiter für diese Baustelle die konkreten Arbeiten eingeteilt. Er ist gelernter Schlosser und er hat mehrjährige Erfahrungen im Metallbau. Die Arbeitnehmer wurden vor ihrer Wegfahrt zum Auftrag im Firmengelände vom Bw noch dazu angehalten, dass neben den Glasbauarbeiten auch die Gitterroste zu fixieren sind. Weiters wurden sie generell sicherheitstechnisch belehrt und sie haben auch eine Baustellenordnung unterschrieben, die in Punkt 10 u.a. lautet: „Grundsätzlich dürfen bestehende Absturzsicherungen nicht entfernt oder verändert werden. Müssen jedoch Absturzsicherungen von einem Unternehmen aus arbeitstechnischen Gründen entfernt werden, so sind die betreffenden absturzgefährdeten Arbeitnehmer in geeigneter Weise zu sichern.“

 

Die Arbeitnehmer hatten eine persönliche Schutzausrüstung im Firmenbus mit und auch ein Gerüst. Sie wurden vom Bauleiter der Fa. X in der Früh auf die Baustelle gelassen. Dieser hat sich jedoch daran anschließend von der Baustelle wieder entfernt. Der Bauleiter hat die Baustelle so in etwa alle zwei Wochen besucht. Der Bw war längere Zeit vor dem Unfall nicht auf der Baustelle. Hinsichtlich der Baustelle gab es auch eine Kontrolle durch einen externen Baustellenkoordinator, die etwa wöchentlich erfolgt ist.

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Aussagen des Bw und der einvernommenen Zeugen, die im Rahmen der gemachten Feststellungen in sich widerspruchsfrei und glaubwürdig waren.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG beträgt die Geldstrafe für die gegenständliche Verwaltungsübertretung 150 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall 290 Euro bis 14.530 Euro.

 

Gemäß § 7 Abs.1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen. Im Sinne des § 8 Abs.1 BauV sind geeignete Absturzsicherungen u.a. tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen.

 

4.2. Dass die Gitterroste noch nicht mit dem Unterbau und gegeneinander so fixiert waren, dass sie unverschiebbar waren, wurde auch vom Bw und den einvernommenen Zeugen in keiner Phase des Verfahrens bestritten. Ebenso ist offenkundig, dass durch diese nicht gegebene Unverschiebbarkeit der Arbeitsunfall ausgelöst wurde. Der objektive Tatbestand ist somit als erfüllt anzusehen.

 

Der Umstand, dass nicht wie im erstinstanzlichen Straferkenntnis Herr X sondern sein Bruder, Herr X, die beide auf der Baustelle waren, abgestürzt ist, war im erstinstanzlichen Spruch des Straferkenntnisses zu berichtigen. Dies war deshalb zulässig, da nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes es grundsätzlich nicht erforderlich ist, den Arbeitnehmer, durch den eine Übertretung begangen wurde, namentlich anzuführen. Überdies wurde der Bw nicht in seinen Rechten eingeschränkt, da er bereits in seiner ersten Rechtfertigung am 30.4.2010 angegeben und zugestanden hat, dass der Arbeitnehmer X am Vorfallstag einige Meter tief abgestürzt ist. Nachdem es keine weiteren Verunfallten gegeben hat, musste ihm somit immer klar sein, dass sich das Handeln der Behörde auf diesen Arbeitnehmer bezieht. Er wurde somit nicht in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt.

 

4.3. Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs.1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Um ein Verschulden auszuschließen, muss der Bw ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat er initiativ von sich aus darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Im Unternehmen des Bw gibt es durchaus Kontrolleinrichtungen in Form der Sicherheitsbelehrungen und der Baustellenordnung sowie auch des Umstandes, dass hier der Bauleiter zumindest zweiwöchentlich die Baustelle in der Regel besucht hat. Weiters ist auch die Überwachung durch die Baustellenkoordination sowie der Umstand, dass die Arbeitnehmer noch in der Früh aufgefordert wurden, die Gitterroste zu fixieren und ihnen persönliche Schutzeinrichtungen sowie ein Gerüst mitgegeben war, zu berücksichtigen.

Angesichts der strengen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind jedoch damit die Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem nicht erfüllt, zumal der Bauleiter die Arbeitnehmer zwar in der Früh auf die Baustelle gelassen hat, er aber nicht mehr kontrolliert hat, ob die Arbeitnehmer mit der Sicherung der Gitterroste beginnen und sich nicht zuerst mit den Glaselementen beschäftigen. Dieser Umstand ist dem Bw zuzurechnen, sodass ihm deshalb ein Verschulden anzulasten ist. Dieses Verschulden ist keineswegs als geringfügig im Sinne der gängigen Judikatur anzusehen in der Form, als es weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleiben würde.

Der Bw hat daher die Übertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Zum übrigen Berufungsvorbringen ist auszuführen, dass allfällige Verfahrensverstöße durch das nunmehrige Berufungsverfahren saniert sind.

 

4.4. Zur Strafbemessung ist anzuführen, dass die verhängte Strafe angesichts des Umstandes, dass aus dem Sicherheitsverstoß ein schwerer Arbeitsunfall resultierte, keinesfalls – auch unter Berücksichtigung der angenommenen persönlichen Verhältnisse – im Sinne des § 19 VStG als zu hoch anzusehen ist. Die Erstbehörde ist bei dieser Strafbemessung mit 700 Euro sogar unter den Strafantrag des Arbeitsinspektorates, welcher auf 1.000 Euro lautete, gegangen. Weiters kommt dem Bw auch kein Milderungsgrund zu.

 

Es ist daher von einer schuld- und tatangemessenen Bestrafung auszugehen.

 

Die Voraussetzungen des § 21 VStG liegen schon mangels geringem Verschulden aber auch wegen nicht unbedeutenden Folgen aufgrund des konkreten Arbeitsunfalls nicht vor. Auch die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG liegen nicht vor, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht gegeben ist, da solche überhaupt nicht vorhanden sind.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Der vorgeschriebene zusätzliche Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungs­verfahren ergibt sich aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

 

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