Linz, 11.04.2011
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. am X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 23. Februar 2011, Zl. S-47712/10-4, nach der am 11. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II. § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wegen der Übertretung nach § 102 Abs.3 5. Satz des KFG iVm § 134 Abs.3c KFG eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro und 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er 20.8.2010 um 14:20 Uhr, in Schwanenstadt, B 135, bei km 26.600, FR Wels, als Lenker während der Fahrt ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung iSd VO vom 11. Mai 1999, BGBL. Nr. 11/152/1999 telefoniert habe, was bei einer Anhaltung gem. § 97 Abs 5 StVO festgestellt worden sei. Er habe die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert, obwohl ihm dies angeboten wurde.
Begründend führte die Behörde erster Instanz aus:
2. In der schwer lesbaren handschriftlich verfassten und fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber im Ergebnis die Lenkeigenschaft. Er benennt eine weibliche Lenkerin aus X. Ferner führt er aus diesen Betrag wegen Lohnpfändungen und eines Lohnes in Höhe von 810 Euro nicht bezahlen zu können.
Diese offenbar verfehlte Verantwortung begründet der Berufungswerber anlässlich der Berufungsverhandlung mit einer Verwechslung zu einem anderen Verfahren.
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung schien hier trotz der 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe im Sinne des im Ergebnis bestreitenden Berufungsvorbringens geboten (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des Inhaltes des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Der Meldungsleger RevInsp. X befolge wegen einer Fehleintragung im elektronischen Terminkalender den Zeugentermin nicht. Ebenso nahm auch kein Vertreter der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.
Der persönlich erscheinende Berufungswerber wurde als Beschuldigter zur Sache befragt.
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:
Wie bereits im Rahmen seiner Rechtfertigung, insbesondere in dem per E-Mail im vom 30.8.2010 der Behörde erster Instanz übermittelten Einspruch, bestreitet der Berufungswerber ein Telefonieren mit dem Handy. Dieses habe er wohl in der Hand gehalten weil er nach der Uhrzeit blickte, habe jedoch nicht telefoniert. Er habe dem Meldungsleger nach seiner etwa 200 m später erfolgten Anhaltung die Sichtung des Handy betreffend keiner zeitrelevanten Verbindung angeboten, was dieser aber abgelehnt habe. Den Meldungsleger habe er am rechten Straßenrand im Dienstfahrzeug im Bereich des Kreisverkehrs wahrgenommen gehabt. Da er damals an Zahnschmerzen litt, habe er die linke Gesichtshälfte in die Handfläche gestützt gehabt. Offenbar wurde dies vom Meldungsleger irrtümlich als Telefonieren mit dem Handy interpretiert.
Demgegenüber verweist die Anzeige auf die Feststellung des Telefonierens bei der Anhaltung, wobei diese offenkundig erst 200 bis 300 m nach dem Kreisverkehr erfolgt sein dürfte.
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen.
Gemäß § 102 Abs.3 KFG 1967 dritter Satz ist während des Fahrens dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten. Der bloße Blick auf das Handy oder dieses kurz in die Hand zu nehmen kann noch nicht als dem Schutzzweck dieser Norm zuwider gelten (Ausschussbericht (1334 BlgNR 20. GP).
Gemäß § 134 Abs.3c KFG 1967 begeht, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs. 3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.
Beweiswürdigend gilt es daher festzuhalten, dass hier von keinem ausreichend gesicherten Beweis für den Tatvorwurf ausgegangen werden kann.
Hier war von einer nur eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeit des Meldungslegers auszugehen, zumal dieser nur von der rechten Straßenseite und demnach die linke Körperseite des Berufungswerber nur als erschwert sichtbar angenommen werden kann. Der Meldungsleger könnte demnach durchaus auch einem Irrtum über seine Wahrnehmung unterlegen sein. Das auch noch nach der Anhaltung das Handy am Ohr gewesen wäre wurde selbst vom Meldungsleger in dessen Anzeige nicht behauptet. Durch einen Irrtum erschien er zur Verhandlung nicht, was jedoch erst nach Bescheidverkündung der Berufungsbehörde mitgeteilt worden war.
Abschließend ist zu bemerken, dass an die Würdigung von Beweisen nach § 45 Abs.2 AVG insbesondere in einem Strafverfahren vor dem Hintergrund eines fairen Verfahrens ein strengerer Maßstab und nicht bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen ist (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).
Letztlich ist schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122, VwGH 18.9.1991, 90/03/0266 mit Hinweis auf VwGH 8.3.1985, 85/18/0191).
II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r