Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165997/2/Fra/Bb/Gr

Linz, 12.05.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 31. März 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, betreffend Berichtigung des Straferkenntnisses vom 13. Jänner 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, in Angelegenheit einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.  

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 62 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991- AVG iVm

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat mit Bescheid vom 31. März 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, das von ihr gegen Herrn X (den Berufungswerber) erlassene Straferkenntnis vom 13. Jänner 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, mit welchem der Berufungswerber einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO rechtskräftig für schuldig befunden wurde, gemäß § 62 Abs.4 AVG insofern berichtigt, als die anzuwendende Strafbestimmung von § 99 Abs.1b StVO auf § 99 Abs.1a StVO richtiggestellt wurde.

 

2. Gegen diesen Berichtigungsbescheid vom 31. März 2011, nach dem aktenkundigen Zustellrückschein am 7. April 2011 nachweislich zugestellt, hat der anwaltlich vertretene Berufungswerber - mit Schriftsatz vom 14. April 2011 -fristgerecht Berufung erhoben.   

 

Im Einzelnen führt er dabei aus, dass die Berichtigung des rechtskräftigen Straferkenntnisses nicht dem Gesetz entspreche, weil die nunmehrige Anwendung einer strengeren Strafnorm einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius darstelle. Dabei komme es nicht darauf an, ob die nunmehrige Anwendung der schärferen Strafbestimmung einer höheren Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe einhergehe; allein die Heranziehung eines höheren Strafrahmens verletze diesen strafverfahrensrechtlichen Grundsatz und somit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK.

 

Die gegenständliche Berichtigungsentscheidung sei geeignet negative Auswirkungen auch in Bezug auf das Administrativverfahren (Lenkberechtigungsentzug) nach sich zu ziehen, was auch tatsächlich der Fall sei, weil die erstinstanzliche Behörde dem Wiederaufnahmeantrag vom 18. März 2011 nur teilweise stattgegeben und die Entzugsdauer nicht mit drei sondern mit acht Monaten bemessen habe.

 

Überdies ist der Berufungswerber der Auffassung, dass gegenständlich gar kein Anwendungsfall des § 62 Abs.4 AVG vorliege, weil diese Bestimmung nicht dafür da sei, Subsumtionsirrtümer zu berichtigen. Er verweist an dieser Stelle auf ein Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich vom 28. Juli 2009, GZ VwSen-164192, und die darin zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

 

Das Verbot der reformatio in peius sei ein im (Verwaltungs)strafrecht anerkannter Rechtsgrundsatz, dessen Verletzung das Recht auf ein faires Verfahren verletze. Dazu komme, dass im Sinne des § 52a VStG im Verwaltungsstrafverfahren Bescheide von Amts wegen nur dann aufgehoben oder abgeändert werden dürften, wenn der Strafbescheid das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletze; andere Abänderungen bzw. Berichtigungen zu Lasten des Beschuldigten seien nicht zulässig.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufung samt Verwaltungsstrafakt mit Vorlageschreiben vom 14. April 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.  Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und in die Berufung.

 

Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb sich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als nicht erforderlich erwies. Im Übrigen wurde eine solche weder vom anwaltlich vertretenen Berufungswerber noch von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als Verfahrenspartei beantragt.

 

4.1. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ergibt sich folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Der Berufungswerber wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13. Jänner 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemluftalkoholgehalt von 0,66 mg/l) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr rechtskräftig bestraft. Als verletzte Verwaltungsvorschrift wurde im Spruch des Straferkenntnisses § 99 Abs.1a iVm mit § 5 Abs.1 StVO genannt. Als Strafnorm wurde jedoch § 99 Abs.1b StVO zitiert. In der Begründung des Straferkenntnisses wurde - im Rahmen der Strafbemessung - wiederum auf § 99 Abs.1a StVO und dem dieser Norm zu Grunde liegenden Strafrahmen von 1.200 bis 4.400 Euro verwiesen.

 

Unter dem Datum des 31. März 2011 erließ die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn den nunmehr angefochtenen Bescheid und berichtigte gemäß § 62 Abs.4 AVG die anzuwendende Strafsanktionsnorm auf § 99 Abs.1a StVO, wobei die Berichtigung mit einem offenkundigen Schreibfehler begründet wurde.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht darüber Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 62 Abs.4 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

 

5.2. Die Anwendbarkeit der Vorschrift über die Berichtung nach § 62 Abs.4 AVG setzt nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, das eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist.

 

Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit von Bescheiden eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist. Dabei ist es ausreichend, dass die Unrichtigkeit von der Behörde – bei entsprechender Aufmerksamkeit – bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können und dass die Personen, für welche der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können (VwGH 13. September 1991, 90/18/0248).

 

Entscheidend ist die "klare Erkennbarkeit" des Versehens. Nur dann darf ein Berichtigungsbescheid ergehen. Hingegen sind Fehler in der Beweiswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder der Begründung eines Bescheides im Sinne eines Begründungsmangels einer Berichtigung nicht zugänglich.

 

In diesem Sinne kann auch die unrichtige Zitierung einer Strafsanktionsnorm Gegenstand der Berichtigung sein. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1988, 88/02/0162, wurde die fehlerhafte Anführung des § 99 Abs.3 lit.a StVO bei der verletzten Verwaltungsvorschrift des § 5 Abs.1 StVO – statt richtig § 99 Abs.1 lit.a StVO - ausdrücklich als berichtungsfähig im Sinne des § 62 Abs.4 AVG erachtet.

 

Angesichts dieser zu Grunde liegenden Judikatur vermag der angefochtene Berichtigungsbescheid nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat in der Begründung ihres Bescheides zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei der Zitierung der Strafnorm des § 99 Abs.1b StVO im Straferkenntnis vom 13. Jänner 2011, GZ VerkR96-7434-2010-Dg, um einen offensichtlichen Schreibfehler gehandelt habe, zumal im Tatvorwurf des Erkenntnisses und auch in dessen Begründung ausdrücklich auf § 99 Abs.1a StVO verwiesen wurde. Es musste daher auch für den Berufungswerber bei entsprechender Aufmerksamkeit durchaus erkennbar sein, dass es sich in Hinsicht auf die Zitierung des § 99 Abs.1b StVO um eine offenkundige Unrichtigkeit (einen Schreibfehler) im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung und um keinen Subsumtionsirrtum handelt.

Es liegt nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates gegenständlich eine Berichtigung in dem Sinn vor, dass die ursprüngliche Entscheidung dem Willen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn offensichtlich nicht entsprochen hat, sodass daher von einer auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeit gesprochen werden kann.

 

Zu Unrecht beruft sich der Berufungswerber auf das Verbot der reformatio in peius und auch der Hinweis auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich vom 28. Juli 2009, GZ VwSen-164192, ist vom Ansatzpunkt verfehlt, zumal Gegenstand der zitierten UVS-Entscheidung lediglich die Berichtigung einer Einstellungsmitteilung eines Verwaltungsstrafverfahrens war.

 

Zum Verbot der reformatio in peius hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass die Richtigstellung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift und der angewendeten Strafnorm nicht gegen das Verbot der reformatio in peius verstößt, und zwar auch dann nicht, wenn die nunmehr angewendete Strafnorm eine höhere Strafdrohung enthält als die ursprünglich angeführte Bestimmung, nach der die Strafe verhängt worden ist.

 

Selbst wenn die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafnorm in anderen Straf- und Administrativverfahren Auswirkungen haben könnte, so liegt jedenfalls dann kein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius vor, wenn keine höhere Strafe verhängt wurde (VwGH 10. September 1991, 88/04/0311; 14. November 1989, 88/04/0243; 25. November 1997,  97/02/0399).

 

Auch die Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs.1 und 2 VStG steht der Berichtigung bzw. Ergänzung einer Strafsanktionsnorm nicht entgegen, weil es sich bei der Zitierung der Strafnorm nicht um ein innerhalb der Verjährungsfrist zu verfolgendes Sachverhaltselement handelt. Hinsichtlich einer rechtlichen Qualifikation kann keine Verfolgungsverjährung eintreten (VwGH 27. Jänner 1995, 94/02/0407; 3. März 1984, 83/02/0159).  

 

Vor dem Hintergrund der dargestellten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt damit gegenständlich zweifellos ein Fall einer zulässigen Berichtigung nach  § 62 Abs.4 AVG vor, zumal es sich tatsächlich um eine bloße Korrektur eines Schreibfehlers gehandelt hat. Dem Berufungswerber ist durch die Berichtigung kein wie immer gearteter Rechtsnachteil entstanden. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.


 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

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