Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200313/21/WEI/Ba

Linz, 09.05.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Mag. X X, X, , vertreten Dr. X X, Rechtsanwalt in X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 9. Juni 2008, Zl. Agrar96-59-2006/Pl, wegen einer Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes nach Aufhebung der im ersten Rechtsgang erlassenen h. Entscheidung vom 30. Oktober 2008 durch den Verwaltungsgerichtshof und Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5. April 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 6 GESG, § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 9. Juni 2008, GZ Agrar96-59-2006/Pl, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Firma X Agrarhandel GmbH, X, X, zu vertreten habe, dass am 7. Juni 2006 – wie von einem Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 7. Juni 2006 festgestellt worden sei – 1 x 5 Liter des Präparates Bamper Star mit der Pfl.Reg.Nr. 2723, dessen Zulassung mit 1. Oktober 2001 aufgehoben worden sei und dessen Abverkaufsfrist mit 30. Juni 2002 geendete habe, im PSM-Lager/LKW-Werkstätte am Standort des Unternehmens zum Verkauf vorrätig gehalten worden seien und somit 1 x 5 Liter des nicht mehr zugelassenen Präparates Bamper Star mit der Pfl.Reg.Nr. 2723 in verbotener Weise in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Pflanzenschutzmit­telgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idgF. begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Bw angelastete Tat auf Grund einer amtlichen Kontrolle durch Organe des Bundesamtes für Ernährungssicherheit und den in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass für ein Vorrätighalten zum Verkauf bereits alle für die Effektuierung des Geschäfts notwendigen Voraussetzungen (wie z.B. Zulassung, Etikettierung) vorliegen; auch könne es insoweit auch nicht darauf ankommen, ob die Lagerung in einer versperrten oder unversperrten Räumlichkeit vorgenommen wurde bzw. ob die Abgabe im Inland oder in einem anderen Mitgliedsland oder Drittstaat erfolgt.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien Milderungsgründe nicht hervorgekommen, während eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen sei. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien infolge unterlassener Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses dem Bw am 12. Juni 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 26. Juni 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird ausgeführt, dass sich im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs aus der ständigen Judikatur des EuGH und des VwGH ergebe, dass die im öffentlichen Interesse allenfalls zulässigen Importbeschränkungen – wie z.B. ein Verbot des Inverkehrbringens vor der behördlichen Anmeldung – nicht dazu führen dürfen, dass die in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Pflanzenschutzmittel nicht dorthin verkauft und zu diesem Zweck zuvor im Inland zwischengelagert werden dürfen. In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde insbesondere nicht belegen können, dass die beanstandeten Produkte für einen Abnehmer im Inland bestimmt gewesen seien, zumal diese auch entsprechend gekennzeichnet gewesen seien; eine bloße Lagerung sowie eine Lagerung zum Weiterverkauf einer dort – unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung – verkehrsfähigen Ware ins (EU‑)Ausland könne jedoch weder zulassungspflichtig noch strafbar sein.

 

Daher und insbesondere deshalb, weil ihm ein allfälliger Rechtsirrtum nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Strafe und stattdessen bloß die Erteilung einer Ermahnung oder zumindest eine deutliche Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

 

1.3. Mit Schreiben vom 5. September 2008, Zlen. 28003/46/06 und 28003/33/06, und vom 17. September 2008, Zl. 28003/09/06, hat das Bundesamt für Ernährungssicherheit (im Folgenden: BES) als Amtspartei gemäß § 34 Abs. 4 PMG jeweils eine Stellungnahme zu den Argumenten des Bw erstattet.

 

Darin wird ergänzend zu den bereits in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses von der belangten Behörde übernommenen Argumenten des BES (vgl. oben, 1.1.) darauf hingewiesen, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe, hinsichtlich der von ihm behaupteten Produktidentität eine Meldung nach § 3 Abs. 4 Pflanzenschutzmittelgesetz zu erstatten, wobei eine solche Meldepflicht nach der Rechtsprechung des EuGH auch für ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Pflanzenschutzmittel gelte. Außerdem obliege der Nachweis, dass die verfahrensgegenständlichen Produkte lediglich zum Weiterverkauf in einen anderen Mitgliedstaat zwischengelagert gewesen seien, gemäß § 3 Z. 2 Pflanzenschutzmittelgesetz dem Rechtsmittelwerber; ansonsten bzw. im Zweifel darüber bestehe nach der Judikatur des VwGH eben auch für solche Pflanzenschutzmittel eine Zulassungspflicht.

1.4. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 30. Oktober 2008, VwSen-200313/7/WEI/Mu/Ga, wurde der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Begründend wurde dazu im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

 

"3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl. Nr. I 60/1997 in der zum Vorfallszeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. I 83/2004 (im Folgenden: PMG) durften nur jene Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen waren, in Verkehr gebracht werden.

 

In diesem Zusammenhang normierte § 12 Abs. 10 PMG im Besonderen, dass Pflanzenschutzmittel, die in einem Mitgliedstaat, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gemäß § 12 Abs. 9 PMG angeführt ist, zum Inverkehrbringen zugelassen sind, zugleich als zugelassene Pflanzenschutzmittel nach diesem Bundesgesetz gelten, wenn und soweit sie in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht wurden.

 

Wer beabsichtigte, nach § 12 Abs. 10 PMG zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe in Verkehr zu bringen, hatte dies gemäß § 3 Abs. 4 PMG vor der Aufnahme dieser Tätigkeit dem BES unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen Inverkehrbringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterlag den Meldepflichten gemäß § 25 PMG. Das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln war unzulässig, wenn der begründete Verdacht bestand, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annexes I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben war, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

Dem gegenüber bedurfte gemäß § 3 Abs. 2 PMG die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft einerseits sowie die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen waren, keiner Zulassung.

 

Nach § 34 Abs. 1 Z. 1 lit c PMG beging derjenige eine Verwaltungsübertretung und war mit Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 29.070 Euro zu bestrafen, der Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen der Kennzeichnungspflicht des § 20 PMG oder den Vorschriften für Fertigpackungen in § 21 PMG in Verkehr brachte.

 

.............

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist allseits unbestritten, dass der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt der nach außen vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens war und dass in der LKW-Werkstätte dieses Unternehmens bei einer amtlichen Kontrolle das oben unter 1.1. angeführten Pflanzenschutzmittel vorgefunden wurde.

3.2.2. Strittig ist jedoch, ob überhaupt ein "Inverkehrbringen" dieses Pflanzenschutzmittels vorliegt. Dazu ist es zunächst erforderlich, den Inhalt dieses in § 3 Abs. 1 PMG verwendeten Gesetzesbegriffes zu ermitteln.

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 10 PMG in der nunmehrigen Fassung BGBl. Nr. I 55/2007 ist unter „Inverkehrbringen” das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere – insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder – sowie die Einfuhr aus Drittländern zu verstehen.

In der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. I 83/2004 fand sich jedoch anstelle der nunmehrigen Wortfolge "Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere" damals nur die Wendung "Vorrätighalten zum Verkauf".

Nachdem bei der Beurteilung des vorliegenden Falles die zum Vorfallszeitpunkt (7. Juni 2006) geltende Rechtslage anzuwenden ist, ist hier somit noch die Legaldefinition vor der vorerwähnten Novelle des PMG im Jahr 2007 heranzuziehen. Daraus folgt, dass in der hier relevanten Fassung das allgemeine Lagern von Pflanzenschutzmitteln nicht explizit von der Begriffsbestimmung des Inverkehrbringens umfasst war, sondern lediglich ein Vorrätighalten zum Verkauf.

Aus der Tatsache, dass mit der Novelle 2007 die Lagerung nunmehr ausdrücklich in die Legaldefinition eingebunden wurde, kann grundsätzlich e contrario gefolgert werden, dass der frühere, hier relevante Text das bloße Lagern an sich gerade nicht mit umfasst hatte und somit zwischen der bloßen Lagerung einerseits und einem spezifischen Vorrätighalten zum Verkauf andererseits ein Unterschied sowohl im Wesenskern als auch hinsichtlich der Wesenschranke bestand.

In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen zu § 2 Abs. 10 PMG i.d.F. der Novelle 2007 aus, dass die Aufnahme des "Lagerns" in die Begriffsbestimmungen nunmehr jede Art der Lagerung bzw. der Innehabung umfassen soll. Unter "Lagern" ist insbesondere auch die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln, die zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber bestimmt sind, zu verstehen. Weiters sah sich der Gesetzgeber offensichtlich auch veranlasst, korrespondierend dazu den Begriff des "Vorrätighaltens zum Verkauf" neu zu umschreiben (vgl. dazu 37 BlgNR, 23. GP, S. 32).

3.2.3. Daraus folgt zunächst, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die bloße Lagerung von Pflanzenschutzmitteln nicht unter den Begriff des "Inverkehrbringens" zu subsumieren war. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der von der belangten Behörde hiezu begründend herangezogene Erlass eines Bundesministeriums bloß einen generellen Rechtsakt mit Innenwirkung darstellt – also lediglich untergeordnete Verwaltungsbehörden zu verpflichten vermag – und somit nicht geeignet ist, darüber hinaus auch eine Bindungswirkung für Dritte, insbesondere auch nicht für den Oö. Verwaltungssenat, zu entfalten.

Ein Vorrätighalten zum Verkauf musste daher noch weitere, über ein bloßes Lagern hinausgehende Kriterien aufweisen. In erster Linie musste sowohl in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der Konkretheit des zu erwartenden Rechtsgeschäfts, hier des Verkaufs, eine verdichtete Annahme von dessen Realisierung gegeben sein. Davon ausgehend ist fraglos die Präsentation von Produkten in Verkaufsräumen als ein Vorrätighalten zum Verkauf zu verstehen. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Ware, deren zukünftiger Abnehmer schon bekannt oder zumindest konkret avisierbar ist, bis zur Realisierung des Verkaufs oder bis zu deren Übergabe an den Käufer noch in Räumlichkeiten des Verkäufers gelagert wird. Essentiell ist somit, dass der Bestimmungszweck des Produkts konkretisiert sein muss. In diesem Sinn äußerte sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. März 2008, Zlen. 2007/07/0033 u. 0034, in dem er das Vorrätighalten zum Verkauf hinsichtlich eines Exports von Pflanzenschutzmitteln an ein konkretes Unternehmen in Luxemburg bejahte; zudem wurden in dieser Entscheidung auch "Lagern" und "Vorrätighalten zum Verkauf" keineswegs gleichgesetzt.

 

Das bloße Lagern einer Ware, deren Bestimmung aus der Sicht des Lagernden noch nicht konkret absehbar ist, kann daher – noch dazu, wenn die Lagerung nicht in den dafür vorgesehenen Verkaufs- oder Lagerräumen erfolgt – grundsätzlich nicht als ein "Vorrätighalten zum Verkauf" angesehen werden.

 

.................

 

3.2.4. Im hier vorliegenden Fall wurde das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in einer LKW-Werkstätte gelagert – noch dazu in einer geringen Menge. Aus letzterem Umstand kann insbesondere auch darauf geschlossen werden, dass der Verkauf dieses offensichtlichen Restpostens noch nicht avisiert und schon gar nicht konkretisiert war.

 

Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Rechtsmittelwerber zu dem – von der belangten Behörde angenommenen – Tatzeitpunkt im Juni 2006 auf Grund der vorangegangenen Kontrolle am 31. Mai 2006 wohl kaum noch einen späteren Verkauf ins Auge gefasst hätte, selbst wenn er Derartiges zuvor allenfalls noch beabsichtigt gehabt hätte.

 

Nachdem die belangte Behörde – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – selbst in zutreffender Weise davon ausgeht, dass im gegenständlichen Fall bzw. in den zahlreich vorliegenden ähnlich gelagerten Fällen nicht von einer Tateinheit ausgegangen werden kann, hätte sie in ihrer Entscheidung die Intention des Rechtsmittelwerbers zu einem "Vorrätighalten zum Verkauf" zum jeweils konkreten Vorfallszeitpunkt überprüfen und entsprechend nachweisen müssen, was sie jedoch unterlassen hat.

 

Der Umstand, dass an jenem Tag während der Kontrolle seitens des Unternehmens ein Schild angebracht gewesen sein soll, dem zu Folge ein Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel in Österreich ausgeschlossen sein sollte, konnte zum damaligen Zeitpunkt zwar allenfalls als ein unzureichender Beleg für eine tatsächlich in diese Richtung zielende Intention des Beschwerdeführers gewertet werden; daraus lässt sich aber jedenfalls nicht per se der gegenteilige Schluss ziehen, dass die in der LKW-Werkstätte gelagerten Produkte tatsächlich in Verkehr gebracht werden hätten sollen. Auch der dem in Rede stehenden Schild beigefügte Vermerk "EU-Export-Ware" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass ein "Vorrätighalten zum Verkauf" eines oder mehrerer jener zahlreichen, jedoch allesamt in relativ geringen Mengen vorgefundenen Pflanzenschutzmittel unterschiedlicher Art im oben beschriebenen Sinn und im Hinblick auf die zitierte jüngste Judikatur des VwGH vorlag. Es hätte vielmehr seitens der Erstbehörde konkret nachgewiesen werden müssen, welches Produkt jeweils zum Verkauf vorrätig gehalten wurde.

 

3.3. Die hier zu beurteilende Problematik der Auslegung des Begriffes des "Inverkehrbringens" ist darüber hinaus auch im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Normen zu betrachten.

 

Primär ist somit in diesem Zusammenhang die Richtlinie 91/414 EWG zu beachten. Deren Art 1 Abs. 1 betrifft die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Anwendung und die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln in handelsüblicher Form sowie das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Wirkstoffen für einen der in ABl.Nr. L 358 vom 18. 12. 1986, S. 1, oder in ABl.Nr. L 117 vom 8. 5. 1990, S. 15, und in Art 2 Nr. 1 der RL 91/414 EWG genannten Zwecke innerhalb der Gemeinschaft.

 

Gemäß Art. 2 Z. 10 dieser Richtlinie ist unter "Inverkehrbringen" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe – ausgenommen die Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft – zu verstehen. Auch die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in das Gebiet der Gemeinschaft wird als ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Richtlinie angesehen.

 

Die Mitgliedstaaten schreiben gemäß Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG vor, dass in ihrem Gebiet nur solche Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen haben, es sei denn, dass der Anwendungszweck unter Art. 22 RL 91/414 EWG fällt.

 

Wenn ein Pflanzenschutzmittel nicht zur Anwendung in ihrem Gebiet zugelassen worden ist, dürfen die Mitgliedstaaten dies gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht zum Anlass nehmen, die Herstellung, die Lagerung und den Verkehr von Pflanzenschutzmitteln zu behindern, die zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, sofern dieses Mittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist und die vom Mitgliedstaat zur Einhaltung von Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG erlassenen Kontrollbedingungen erfüllt sind.

 

3.4. Die Anordnung des Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie bestätigt daher schon seinem Wortlaut nach – und in Entsprechung zu den zuvor angeführten national-rechtlichen Überlegungen –, dass auch das Gemeinschaftsrecht prinzipiell zwischen Herstellung, Lagerung und Inverkehrbringen differenziert. Vor allem ist augenscheinlich, dass die Legaldefinition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG explizit das Tatbestandselement der "Abgabe" normiert. Diese bedingt schon nach grammatikalischer Interpretation die Existenz eines Abgebers einerseits und eines Abnehmers auf der anderen Seite.

 

Um Interpretationsfragen letztgültig abklären zu können, ist nach der Judikatur des EuGH ein Sprachenvergleich hinsichtlich der einschlägigen Rechtsvorschrift mit anderen Amtssprachen (wobei jede für sich gleichwertig authentisch und verbindlich ist) vorzunehmen.

 

Seitens des Oö. Verwaltungssenates wurde ein derartiger Vergleich der deutschen Fassung mit ihrem jeweiligen englischen, französischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und spanischen Pendant angestellt. Demnach wird für "Abgabe" in der englischen Fassung das Wort "supply", in der französischen Fassung "remise", in der niederländischen "levering" sowie in der portugiesischen und spanischen "entrega" gebraucht. Auch letztere Begriffe bedingen durchwegs die der deutschen Fassung zu Grunde liegende Dynamik. Absolut keinen Zweifel hinsichtlich dieser Interpretation lässt jedenfalls die italienische Fassung offen, die wortwörtlich lautet "consegna a terzi", somit Abgabe, Lieferung, Übergabe und Zuweisung an Dritte. Die Legaldefinition der Richtlinie ist somit nach den verschiedensten Sprachen ohne jeden Zweifel als ein Vorgang zwischen einem Abgeber und einem Abnehmer zu verstehen, was z.B. eine nach der deutschen Fassung allenfalls denkmögliche, EU-rechtlich aber offensichtlich nicht beabsichtigte Abgabe von Pflanzenschutzmitteln an zB. ein eigenes Lager (= Abgeber und Abnehmer in Personalunion) ausschließt. Die europarechtliche Begriffsbestimmung ist demnach also noch wesentlich enger als die der nationalen Regelung.

 

Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall keine Abgabe des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels erfolgte bzw. dass eine solche dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde auch nicht vorgeworfen (sondern allenfalls bloß eine nicht näher konkretisierte Absicht hiezu unterstellt) wurde. Somit kann der zu beurteilende Sachverhalt im Sinne der RL 91/414 EWG nicht unter deren Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 1 subsumiert werden, da die dort geforderte "Abgabe" nicht gegeben ist.

 

Auch wenn eine Richtlinie – im Gegensatz zu einer Verordnung der Gemeinschaft – grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern lediglich den rechtlichen Rahmen in Form von Zielsetzungen, hinsichtlich derer sie allerdings verbindlich ist, absteckt, so sind die Mitgliedstaaten doch gehalten, gerade Begriffsbestimmungen nicht primär aus nationaler Perspektive, sondern aus jener der Gemeinschaft zu betrachten. Droht ein nationaler Rechtsakt grundlegende Gemeinschafts­interessen zu beeinträchtigen, so ist nach der ständigen Judikatur des EuGH einer die Gemeinschaftsinteressen verfolgenden richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts der Vorrang zu geben.

 

3.5. Würde man der Auffassung anhängen, dass die in Rede stehende Richtlinie die vorliegenden Fälle nicht umfasst, wären diese aber – mangels einschlägigem Sekundärrecht – selbst dann nicht alleine nach nationalem Recht, sondern unter der Prämisse primärrechtlicher Bestimmungen zu lösen – hier unter jener der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EGV. Das in jenem Zusammenhang vom EuGH anerkannte und in ständiger Rechtsprechung judizierte Beschränkungsverbot würde – ohne hier eine detaillierte Prüfung aller gebotenen Kriterien darzustellen – im Ergebnis, weil binnenmarktsbeschränkend, mit Rückgriff auf die gemeinschaftsrechtliche Definition des "Inverkehrbringens" im Sinne der Verhältnismäßigkeit keine Begriffsausweitung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" zulassen. Im Sinne der sog. "Dassonville"-Formel (vgl. Rs. C-8/74, Slg. 1974, S. 837 ff – Urteil vom 11. Juli 1974) ist nämlich auch jede potenzielle Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit (mit Ausnahme bloßer Verkaufsmodalitäten – vgl. die sog. "Keck"-Formel, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993, S. I-6097 ff., Urteil vom 24. November 1993) verboten.

 

Im vorliegenden Fall ist ein gemeinschaftsinternes Verbringen der Ware zumindest potenziell fraglos gegeben, weshalb der Sachverhalt unter den Anwendungsbereich des EGV zu subsumieren ist.

 

Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Legaldefinition des o.a. § 2 Abs. 10 PMG nicht unberührt von der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG, sei es in Anwendung dieser Richtlinie, sei es als Interpretationshilfe für primärrechtliche Regelungen, bleiben kann. Die Konkretisierung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" erfährt somit ihre spezifische Ausrichtung auf die in Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG postulierte "Abgabe".

 

3.6. Da im Verwaltungsstrafverfahren – anders als bei bloßen Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Verschuldens – hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite keine Beweislastumkehr besteht, war der Rechtsmittelwerber sohin auch nicht gehalten, nachzuweisen, dass er das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel nicht für den Verkauf vorrätig gehalten hatte. Vielmehr muss die Erfüllung des objektiven Tatbestandes i.S.d. § 5 Abs. 1 VStG von der Behörde nachgewiesen werden. Allfällige Überlegungen hinsichtlich der Beweisumkehr könnten sich bloß auf die subjektive Tatseite beschränken (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 20. Juni 1994, B 1908 u. 1971/93 = VfSlg 13790/1994), spielen jedoch bei der Beurteilung des hier in Rede stehenden Falls keine Rolle.

 

In ihrer Beweisführung hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite, im Besonderen der Erfüllung des Tatbestandselementes des "Inverkehrbringens", ging die belangte Behörde – unter Zugrundelegung einer anderen, ho. aus den vorangeführten Gründen nicht geteilten Rechtsauffassung – nicht von den unter Punkt 3.2. dieser Entscheidung ausgeführten rechtlichen Vorbedingungen aus. Somit ist es aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenates letztlich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit i.S.d. Art. 6 Abs. 2 EMRK als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in der LKW-Werkstätte seines Unternehmens zum Zweck des Verkaufes vorrätig hielt."

 

1.5. Dagegen erhob das BES rechtzeitig Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zl. 2008/07/0221 bis 0224-7, der Beschwerde stattgab und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.

 

1.5.1. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen dazu aus, dass es zutreffe, dass ein bloßes Lagern noch kein Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG darstelle. Unter dem Begriff des Vorrätighaltens zum Verkauf im Sinne dieser Bestimmung falle nur ein solches Lagern von Pflanzenschutzmitteln, soweit sie dem späteren Verkauf in einen anderen EU-Mitgliedstaat oder in einen Drittstaat zugeführt werden sollten.

 

Allerdings hätte im Wege einer Verhandlung ermittelt werden müssen, zu welchem Zweck die in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel tatsächlich gelagert worden seien, da der Bw einerseits im Rahmen der Beschuldigteneinvernahme angegeben habe, er wolle das verfahrensgegenständliche Pflanzenschutzmittel nicht in Österreich verkaufen und andererseits in der Berufung ausgeführt habe, dass dieses im bezeichneten EU-Mitgliedsstaat zugelassen sei und dorthin verkauft werden könnte.

 

1.5.2. An diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist der Oö. Verwaltungssenat gebunden.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Agrar96-47-2006/Pl sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5. April 2011, zu der als Parteien der Bw und dessen Rechtsvertreter Dr. X X sowie X X als Vertreterin der Amtspartei (Bundesamt für Ernährungssicherheit) erschienen sind.

 

2.1. Der Bw war zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens.

 

Am 31. Mai 2006 begannen Kontrollen nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz durch Organe des Bundesamtes für Ernährungssicherheit im Betrieb des in Rede stehenden Unternehmens. Bei der Kontrolle am 7. Juni 2006 wurde in der LKW-Werkstätte das Pflanzenschutzmittel 1 x 5 Liter Bamper Star, Pfl.Reg.Nr. 2723, vorgefunden und vorläufig gemäß § 29 PMG  beschlagnahmt. In der Anzeige vom 14. Juni 2006 wurde der Verdacht einer Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes ausschließlich damit begründet, dass das genannte Präparat, dessen Zulassung mit 1. Oktober 2001 aufgehoben worden war und dessen Abverkaufsfrist am 30. Juni 2002 endete, im Betrieb des Bw vorgefunden wurde.

 

Zum Zeitpunkt der Kontrolle war das gegenständliche Pflanzenschutzmittel in einem als "Kfz-Werkstätte" bezeichneten Gebäude auf dem Betriebsgelände auf einer Palette, zusammen mit anderen, teilweise verschmutzen Produkten (Restposten) unsortiert gelagert. Die auf den beiden Paletten gelagerten Restposten waren teilweise mit Folien umhüllt. Der Hinweis "Achtung Sperrlager – EU-Exportware – Ware nicht zum Verkauf in Österreich bestimmt" wurde zu Beginn der Kontrolle von den einschreitenden Organen nicht wahrgenommen, im Zuge der Kontrolle wurde die Lkw-Werkstatt als Sperrlager deklariert. Das Gebäude befand sich ca. 300 Meter von den Verkaufsräumen bzw. –hallen entfernt, war versperrt und Zutritt hatten nur der Bw, die Mitglieder seiner Familie und die Angestellten der GmbH, die an Firmen-Lkw´s Reparatur- oder Wartungsarbeiten durchzuführen hatten.

 

Der Bw beabsichtigte nicht, den Restposten des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels zu verkaufen.

 

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Beschlagnahme mit Erkenntnis vom 19. November 2009, Zl. 2008/07/0137, als rechtswidrig festgestellt hatte, wurden die verfahrensgegenständlichen Pflanzenschutzmittel am 26. November 2009 an den Lieferanten retourniert bzw. abfallrechtlich entsorgt.

 

2.2. Abgesehen davon, zu welchem Zweck das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel gelagert und welcher Bestimmung es der Bw zuführen wollte, sind die Sachverhaltsfeststellungen unstrittig.

 

Hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Frage, ob der Bw zum Tatzeitpunkt beabsichtigt hatte, dieses Produkt in Österreich oder im EU-Ausland zu verkaufen, hat er glaubwürdig und widerspruchsfrei angegeben, dass nie die Absicht bestanden hat, die Restmenge zu verkaufen.

 

Für ein "bloßes Lagern" und kein "Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs" sprechen mehrere Faktoren. So liegt die LKW-Werkstätte, in der ein Teil als Lagerraum für Restposten genutzt wurde, rund 300 Meter von den Verkaufsräumen bzw. –hallen entfernt und ihr Bestimmungszweck war zum Tatzeitpunkt primär den Reparaturen von LKWs gewidmet. Der Werkstättenbereich, der im Übrigen außer von Berechtigten (Bw, Familienangehörige und Mechaniker) nicht betreten wurde, war grundsätzlich verschlossen. Glaubhaft schilderte der Bw, dass die – nicht mehr für den Verkauf vorgesehenen – Produkte gerade deshalb in der LKW-Werkstätte gelagert wurden, weil Kunden kein Zutritt möglich war.

 

Das BES führte zwar bereits in dem erstinstanzlich eingebrachten Schriftsatz vom 14. März 2007 aus, dass es für die Beurteilung der rechtmäßigen Inverkehrbringung unerheblich sei, ob die gegenständlichen Pflanzenschutzmittel versperrt oder unversperrt gelagert worden sind, oder welche Personen Zutritt zum Lager hatten. Wie die weiteren Ausführungen zeigen, hat das BES dabei immer nur auf ein "bloßes Lagern" abgestellt. So hielt es im zitierten Schreiben (Seite 1) fest, dass Pflanzenschutzmittel, die nicht den Bestimmungen des Pflanzenschutzmittelgesetzes entsprechen würden, nicht durch "gesonderte Lagerung" der Kontrolle entzogen werden können. "Mit der Lagerung der gegenständlichen Pflanzenschutzmittel" sei der Tatbestand der Inverkehrbringung gemäß § 2 Abs. 10 PMG gesetzt worden. Diese unzutreffende rechtliche Sichtweise des BES führte zu unzureichenden Sachverhaltserhebungen. Ermittlungen, die auf ein Inverkehrbringen (Vorrätig halten zum Zwecke des Verkaufs, Verkaufsbelege, Rechnungen, Verkaufslisten, Restpostenabverkauf, ...) hindeuten würden, wurden nicht vorgenommen, da für das BES und die einschreitenden Kontrollorgane das "bloße Lagern" bereits ein "Inverkehrbringen" darstellte (vgl Stellungnahme vom 19. September 2008, Seite 4: "Mit der Lagerung der gegenständlichen Pflanzenschutzmittel wurde der Tatbestand der Inverkehrbringung gemäß § 2 Abs. 10 PMG 1997 gesetzt").

 

Dass das Produkt nicht für den Verkauf bestimmt war, ergibt sich auch daraus, dass es nicht - wie sonst im Handelsverkehr der Lebenserfahrung nach üblich – in ansprechender und geordneter Weise präsentiert wurde, sondern lediglich verschiedenen Restposten auf zwei Paletten deponiert waren. Inwieweit die jeweiligen Pflanzenschutzmittelverpackungen verschmutzt bzw. staubig waren, wurde in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich unterschiedlich bewertet. Klar ist jedoch, dass die Produkte unsystematisch und der Größe nach gestapelt, mit Folie umwickelt und zumindest teilweise Verschmutzungen aufgewiesen haben.

 

Bei der Verhandlung wurde auch thematisiert, dass erst nach der ersten Kontrolle Zettel mit dem Hinweis "Achtung Sperrlager EU-Exportware Ware nicht zum Verkauf in Österreich" auf den Paletten vorgefunden bzw. angebracht worden seien. Diesem Umstand kommt aber nur wenig Beweiskraft zu. Zum Einen war nicht geklärt, wann erstmalig derartige Zettel angebracht worden sind, zum Anderen lässt sich daraus kein letztgültiger Schluss ziehen. Weder kann daraus geschlossen werden, dass der Bw beabsichtigte, die Pflanzenschutzmittel nicht in Österreich zu verkaufen noch, dass er einen Verkauf im EU-Raum vor hatte.

 

Durchgängig hatte der Bw im gesamten Verfahren (insbesondere auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung) ausgeführt, dass er die in Rede stehenden Pflanzenschutzmittel retournieren bzw. entsorgen wollte. Dabei sah der Bw die Retournierung als eine besondere Art des Entsorgens an. Der Bw räumte (im Übrigen glaubhaft ein), dass er hinsichtlich der Entsorgung von nicht mehr zugelassenen Pflanzenschutzmitteln fraglos nicht ausreichend sensibilisiert war, wodurch er ein zeitgerechtes Handeln vermissen ließ. Gerade aber aus diesem Umstand wird deutlich, dass der Bw tatsächlich keinen Verkauf im Sinne hatte, sondern lediglich in der für sein Unternehmen (aufgrund der geringen Mengen der jeweiligen Pflanzenschutzmittel) nicht wirtschaftlichen Entsorgung säumig war (dies in durchaus beträchtlichem Maß).

 

Selbst ein Kontrollorgan des BES hat als Zeuge am 24. November 2008 (im h. Verfahren VwSen-200315, das ebenfalls den gegenständlichen Beschwerdeführer und den hier maßgeblichen Kontrollzeitraum betraf) angegeben, dass "auf Grund des Alters der Gebinde, der Verschmutzung und der darin aufbewahrten Produkte klar war, dass dies nicht ein Lager ist, wo die Produkte zum Verkauf vorrätig gehalten wurden".

 

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass aus den Umständen des Falles, insbesondere aus der Art und Weise der Lagerung des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels eindeutig anzunehmen ist, dass der Bw das Produkt nicht für den Verkauf bereitgehalten hat, sondern dieses (bei wirtschaftlich adäquater Gelegenheit) als Abfall entsorgen oder an den Lieferanten retournieren wollte. Die Tatsache, dass er allenfalls dieses Produkt in einem anderen EU-Mitgliedstaat noch hätte verkaufen können, war für ihn kein Motiv, einen Verkauf ins Auge zu fassen, zumal der logistische Aufwand eines derartigen Transfers angesichts der so geringen Menge des noch zur Verfügung stehenden Restpostens jedenfalls unwirtschaftlich gewesen wäre.

 

2.3. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl. Nr. I 60/1997 in der zum Vorfallszeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. I 83/2004 (im Folgenden: PMG) dürfen nur jene Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

 

In diesem Zusammenhang normiert § 12 Abs. 10 PMG im Besonderen, dass Pflanzenschutzmittel, die in einem Mitgliedstaat, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gemäß § 12 Abs. 9 PMG angeführt ist, zum Inverkehrbringen zugelassen sind, zugleich als zugelassene Pflanzenschutzmittel nach diesem Bundesgesetz gelten, wenn und soweit sie in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht werden.

 

Wer beabsichtigt, nach § 12 Abs. 10 PMG zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe in Verkehr zu bringen, hat dies gemäß § 3 Abs. 4 PMG vor Aufnahme dieser Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutz­mittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen Inverkehrbringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterliegt den Meldepflichten gemäß § 25 PMG. Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist unzulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annexes I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben ist, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

Dem gegenüber bedarf gemäß § 3 Abs. 2 PMG die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft einerseits sowie die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen sind, keiner Zulassung.

 

Nach § 34 Abs. 1 Z. 1 lit c PMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 29.070 Euro zu bestrafen, der Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen der Kennzeichnungspflicht des § 20 PMG oder den Vorschriften für Fertigpackungen in § 21 PMG in Verkehr bringt.

 

Unter "Inverkehrbringen" war nach § 2 Abs. 10 PMG (nur) das Vorrätighalten zum Verkauf und nicht das "bloße Lagern" zu verstehen (vgl. VwGH vom 26. Jänner 2011, Zl. 2008/07/0221 bis 0224).

 

3.2. Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall keine Abgabe des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels erfolgte bzw. dass eine solche dem Bw seitens der belangten Behörde auch nicht vorgeworfen (sondern allenfalls bloß eine nicht näher konkretisierte Absicht hiezu unterstellt) wurde.

 

Das gegenständliche Produkt wurde in einer relativ geringen Menge in einer LKW-Werkstätte gelagert. Aus dem Umstand kann insbesondere auch darauf geschlossen werden, dass der Verkauf dieses offensichtlichen Restpostens noch nicht avisiert und schon gar nicht konkretisiert war.

 

Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, dass sich die LKW-Werkstätte ca. 300 Meter entfernt von den Verkaufsräumen am Betriebsgelände befand und grundsätzlich außer von Familienangehörigen nur von den KFZ-Mechanikern betreten wurde. Dass im vorliegenden Fall kein Verkaufsraum anzunehmen ist, gründet sich auch darauf, dass die vorgefundenen 2 Paletten lediglich in einem Teilbereich der LKW-Werkstätte deponiert waren und fraglos – aufgrund mangelnder Ordnung bzw. Sortierung und auch aufgrund der Aufmachung – nicht als für das Anbieten von Produkten vorgesehen waren. Denn die in Rede stehenden Produkte befanden sich teils verstaubt bzw. verschmutzt und ungeordnet auf den Paletten gestapelt, was keinerlei Verkaufsabsicht erkennen lässt. Im Gegenteil macht das Erscheinungsbild den Eindruck, dass hier Restbestände, die eben nicht mehr für den Verkauf vorgesehen waren, gelagert wurden. Die Nachlässigkeit bei der Lagerung lässt auch den Schluss zu, dass der Bw hinsichtlich der Entsorgung bzw. Retournierung durchaus säumig war, nicht jedoch den Schluss, dass er die dort gelagerten Pflanzenschutzmittel tatsächlich noch zu verkaufen beabsichtigte.

 

Hinsichtlich des konkreten Pflanzenschutzmittels hatte der Bw im Übrigen durchgängig – auch schon im erstinstanzlichen Verfahren – angegeben, dass er dieses hätte entsorgen oder retournieren wollen. Diese Aussage bekräftigte er glaubhaft auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat. Wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt, ergaben sich keinerlei Umstände, die geeignet sein könnten, diese Aussage zu widerlegen.

 

Der Umstand, dass an jenem Tag während der Kontrolle seitens des Unternehmens ein Schild angebracht wurde, dem zu Folge ein Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel in Österreich ausgeschlossen sein sollte, konnte zum damaligen Zeitpunkt zwar als ein unzureichender Beleg für eine tatsächlich in diese Richtung zielende Intention des Bw gewertet werden; daraus lässt sich aber noch nicht per se der gegenteilige Schluss ziehen, dass die in der LKW-Werkstätte gelagerten Produkte tatsächlich in Verkehr gebracht werden hätten sollen. Auch der dem in Rede stehenden Schild beigefügte Vermerk "EU-Export-Ware" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass ein "Vorrätighalten zum Verkauf" eines in relativ geringer Menge vorgefundenen Pflanzenschutzmittels im oben beschriebenen Sinn der zitierten Judikatur des VwGH vorlag.

 

Angesichts der so geringen Menge des hier relevanten Pflanzenschutzmittels ist es vielmehr nicht glaubhaft, dass ein Verkauf überhaupt beabsichtigt war, da ein Agrarmittel-Handelsunternehmen im Hinblick auf logistische Überlegungen einen solchen als wohl nicht wirtschaftlich ansehen würde. Die wirtschaftlichen Überlegungen mögen auch Grund für die Nachlässigkeit bei der Retournierung gewesen sein.

 

Aus der Gesamtbetrachtung des Falls ergibt sich somit zweifelsfrei, dass der Bw das Pflanzenschutzmittel zwar gelagert hat; Zweck des Lagern war jedoch nicht ein Vorrätighalten zum Verkauf, sondern die Retournierung an den Hersteller bzw. die abfallrechtliche Entsorgung (siehe Punkt 2.2.). Damit hat der Bw den Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung nicht erfüllt.

 

3.3. Da die angelastete Verwaltungsübertretung nicht vorlag, war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach dem § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4.1. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz, noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

4.2. Nach § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl. Nr. I 63/2002, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I Nr. 49/2008 (im Folgenden: GESG), ist für Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit anlässlich der Vollziehung der in § 6 Abs. 1 GESG angeführten hoheitlichen Aufgaben – dazu gehört u.a. gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 GESG die Vollziehung des PMG – eine Gebühr nach Maßgabe des Tarifs zu entrichten, den das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Finanzen kostendeckend festzusetzen hat.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren sind diese Gebühren den Beschuldigten im Straferkenntnis zusätzlich zu einer Verwaltungsstrafe vorzuschreiben und unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu entrichten.

 

Da aber der Rechtsmittelwerber die ihm angelastete Übertretung des PMG nicht begangen hat und das Straferkenntnis aufzuheben war, hatte auch keine Kostenvorschreibung nach dem GESG zu erfolgen bzw. war die dementsprechende, durch die belangte Behörde erfolgte Vorschreibung aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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