Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252544/3/Kü/Ba

Linz, 06.05.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn X X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X X, Dr. X X, X, X, vom 5. August 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Juli 2010, SV96-174-2009, wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF            iVm §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991            idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Juli 2010, SV96-174-2009, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Übertretung nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z 1 lit.a Ausländerbe­schäftigungsgesetz (AuslBG) iVm § 9 Abs.1 VStG eine Geldstrafe von 2.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Laut Anzeige des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding vom 9.3.2009, FA-GZ. 050/73030/05/2009, hat die Firma X GmbH, X, X, als Arbeitgeber die rumänische Staatsbürgerin

 

X X-X, geb. X,

 

und sohin eine Ausländerin im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der Zeit von 01.12.2008 bis 20.12.2008 im Bordell - 'X' in X, X, als Prostituierte beschäftigt, obwohl der Firma X GmbH, X, für diese Ausländerin weder eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Zulassung als Schlüsselkraft erteilt, noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde und auch die Ausländerin selbst keine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine Niederlassungsbewilligung 'unbeschränkt' oder einen Aufenthaltstitel 'Dauer­aufenthalt-EG' oder einen Niederlassungsnachweis besaß.

 

Sie haben dadurch als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma X GmbH, X, X, folgende Rechtsvorschrift verletzt:

 

§ 3 Abs. 1 iVm. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr. 218/1975 idgF. iVm. § 9 Abs. 1 VStG. 1991."

 

Begründend wurde festgehalten, dass die zur Last gelegte Verwaltungsüber­tretung durch die Anzeige des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 09.03.2009 als erwiesen anzusehen sei. Die Tatsache, dass der Beschuldigte der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.3.2009 keine Folge geleistet habe und sich bis zum 1.7.2010 nicht gerechtfertigt habe, werte die Behörde gemäß § 45 Abs.2 AVG (§ 24 VStG) als Beweis dafür, dass der zur Last gelegten Verwal­tungsübertretung nichts entgegenzuhalten sei.                            

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Rechtsvertretung des Bw eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und damit eine Verfahrensbeendigung vorzunehmen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Annahme der erstinstanzlichen Behörde, dass infolge Nichtrechtfertigung der Verwaltungsübertretung nichts entgegen­zuhalten wäre, entgegengetreten würde. Es sei verfahrensmäßig davon auszugehen, dass die Behörde den Beweis einer Verwaltungsübertretung zu erbringen habe, sohin ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen sei und lediglich der Verweis auf die Anzeigeerstattung keine Begründung sei und diese Verfahrensführung bereits Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle.

 

Das angefochtene Straferkenntnis sei unbegründet, da lediglich auf die Anzeige des Finanzamtes verwiesen würde und keine inhaltliche Begründung des strafbaren Vorwurfs vorliege. Die genannte Ausländerin sei in selbstständiger, eigenverantwortlicher Unternehmens-/Gewerbeausübung tätig gewesen und weder die X GmbH noch deren Geschäftsführer wären gesetzlich verpflichtet, für diese eine Beschäftigungsbewilligung beizubringen. Die Betroffene habe sämtliche behördlichen Berechtigungen für ihre eigenständige und eigenverantwortliche Tätigkeit gehabt und sei zum vorgeworfenen Tatzeit­raum nicht den angeführten Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungs­gesetzes unterlegen. Bei richtiger Beweiswürdigung, Durchführung eines mängelfreien Verfahrens insbesondere in Vernehmung der dem Straferkenntnis zugrunde liegenden und eingebundenen X-X X hätte die erstinstanzliche Behörde das Verfahren nachweislich einzustellen gehabt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Schreiben vom 11. August 2010 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

4.1. Die rumänische Staatsangehörige X X-X wurde im Verfahren betreffend Ausstellung einer Anmeldebescheinigung von der Bezirkshaupt­mannschaft Braunau am Inn vom 19. Februar 2009 einvernommen. Zu ihrer Tätigkeit in Österreich hat sie im Zuge der Einvernahme angegeben, dass sie im Nachtclub X arbeitet und selbstständig ist. Sie hat keine vorgegebene Arbeitszeit und kann immer, wenn sie will, arbeiten, muss aber nicht arbeiten. Für den Konsum von Getränken durch Kunden bekommt sie keine Provision. Für die sexuellen Dienstleistungen verlangt sie für die halbe Stunde 90 Euro, für die ganze Stunde 150 Euro. Sie bekommt das ganze Geld vom Kunden, der bei ihr bar bezahlt. Der Kunde kann nur mit Bargeld bezahlen, es gibt kein Kartengerät. Für die Benützung des Zimmers bezahlt sie 350 Euro pro Monat. In diesem Preis ist auch die Benützung von Wäsche und Handtüchern inbegriffen. Der Preis für die Zimmerstunde ist vorgegeben.

 

Diese Befragung der Ausländerin bei der Fremdenbehörde nahm das Finanzamt Braunau Ried Schärding unter Hinweis auf die höchstgerichtliche Judikatur, wonach aufgrund der wirtschaftlichen Gestaltung der Ausübung der Prostitution davon auszugehen ist, dass die Durchführung der Tätigkeit unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt wird, zum Anlass, einen Strafantrag gegen den Bw wegen unerlaubter Beschäftigung der Ausländerin in der X GmbH zu stellen.

 

Weitere Erhebungen wurden im erstinstanzlichen Verfahren nicht geführt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt"  oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a) in einem Arbeitsverhältnis,

b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs.5 leg.cit.

d) nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfte­überlassungsgesetzes, BGBl.Nr. 196/1988.

 

Gemäß § 2 Abs.4 erster Satz AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs.2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 16.9.2010, Zl. 2010/09/0069-0070, folgendes aus:

"Eine Tätigkeit als Animierdame und Prostituierte in einem Bordell wird in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit erbracht wie in einem Arbeitsverhältnis (wie dies schon hinsichtlich der Tätigkeiten einer Kellnerin, einer Animierdame oder einer sog. "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb ausgesprochen wurde; vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2004/09/0114). In einem solchen Fall ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis oder von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, somit von einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2007, Zl. 2007/09/0231).

 

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde als Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen auf Grundlage der Angaben der Beschwerdeführerin zu den oben wiedergegebenen Feststellungen über die Merkmale der Tätigkeit der Ausländerinnen gelangt. Wenngleich bei dieser Sachlage zweifelsohne die Attraktivität des von der Beschwerdeführerin betriebenen Lokals aus der Anwesenheit der Prostituierten resultierte, verkennt die belangte Behörde, dass die Prostituierten demnach insbesondere weder Vorgaben hatten, die Kunden zur Getränkekonsumation zu animieren, noch Provisionen dafür erhalten haben, wie auch - mit Ausnahme der Kontrolle der Gesundheitsbücher der Prostituierten und der Festlegung der abzuführenden Zimmermieten - keinerlei Weisungs-, Zeit- und Arbeitsplatzgebundenheit der Ausländerinnen vorgelegen hat und es eine strikte wirtschaftliche Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber denjenigen der Beschwerdeführerin gab. Der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, wenn sie angesichts der festgestellten Beschäftigungsmerkmale das Vorliegen jener atypischen Umstände, die gegen eine wirtschaftliche und organisatorische Verknüpfung der Tätigkeit der Prostituierten mit dem Betrieb der Beschwerdeführerin sprechen, verneint und zum Ergebnis des Vorliegens einer unselbständigen Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 2 AuslBG gelangt."

 

5.3. Im gegenständlichen Fall gibt die Ausländerin anlässlich ihrer Einvernahme vor der Fremdenbehörde an, dass es im Lokal X keinen Dienstplan oder eine Diensteinteilung gegeben hat, sie selbst die Tarife für die sexuellen Dienstleistun­gen am Kunden festgesetzt hat und der Kunde bei ihr in bar bezahlt hat, ohne dass sie einen Betrag an den Betreiber des Lokals abzuliefern hatte. Auch für Betriebsmittel wie Kondome und Arbeitskleidung kam sie selbst auf. Wesentlich ist auch, dass sie am Getränkeumsatz nicht beteiligt war und keine Provisionen dafür erhalten hat, wenn ein Kunde ein Getränk an der Bar gekauft hat. Diese Ausführungen der Ausländerin zeigen in Anlehnung an die Judikatur des Ver­waltungsgerichtshofes, obwohl eine vorgegebene monatliche Miete für die Zimmernutzung von 350 Euro zu zahlen gewesen ist, ansonsten keine Weisungs- Zeit- oder Arbeitsplatzbindung vorlag und hinsichtlich der sexuellen Dienstleistungen am Kunden sowie dem Getränkeumsatz eine strikte Trennung der Einnahmen der Prostituierten gegenüber dem Lokalbetrieb bestanden hat. Die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss auch im gegenständlichen Fall zur Annahme führen, dass – durch die Aussagen der Ausländerin vor der Fremdenbehörde belegt – jene atypischen Umstände vorliegen, die es im konkreten Fall nicht erlauben eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit wie in einem Arbeitsverhältnis festzustellen. Die beschriebene Art und Weise der Ausübung der Prostitution kann daher nicht eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.2 AuslBG begründen, weshalb bei der gegebenen Sachlage der Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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