Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231241/2/Gf/Mu

Linz, 14.04.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. März 2011, Zl. Sich96-1068-2010, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. März 2011, Zl. Sich96-1068-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag 100 Euro) verhängt, weil er sich als passpflichtiger Fremder vom 25. bis zum 28. Oktober 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), begangen, weshalb er gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sein Asylantrag mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25. Oktober 2010, Zl. C14300716-1/2008/5E, rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig seine Ausweisung angeordnet worden sei sowie, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als legal anzusehen.

Weiters weist die Erstbehörde darauf hin, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/1, lediglich auf das fremdenpolizeiliche Ausweisungsverfahren und die in Art. 8 EMRK festgelegten Familien- und Privatrechte Bezug nehme; im gegenständlichen Strafverfahren sei hingegen die Ordnungswidrigkeit des unrechtmäßigen Aufenthaltes zu ahnden und daher über die diesbezügliche Schuld sowie Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe abzusprechen gewesen, sodass durch die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nicht in Privat- und Familienrecht i.S.d. 8 EMRK eingegriffen worden sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 18. März 2011 und 22. März 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 1. April 2011 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass es zwar zutreffe, dass sein Reisepass am 12. Oktober 2010 ausgestellt wurde, allerdings hätte er dieses Dokument erst am 16. November 2010 erhalten. Zudem bringt der Beschwerdeführer vor, dass bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 28. Oktober 2010 eine nicht gerichtlich beeidete Dolmetscherin beigezogen worden sei; deren Deutschkenntnisse seien aber derart mangelhaft gewesen, dass er das ihm vorgelegte Formular nicht ausgefüllt habe, weil er der Ansicht gewesen sei, dass noch weitere Erhebungen durchzuführen wären. Sohin liege auch kein tatbildmäßiges Verhalten vor. Auf der Verschuldensebene sei zudem zu berücksichtigen, dass er bereits im Jahr 2005 in Österreich eingereist sei und auch umgehend einen Asylantrag gestellt habe. Im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010 könne die unangemessen lange Dauer seines Asylverfahrens jedenfalls nicht ihm zur Last gelegt werden und selbst wenn, sei sein Verschulden so gering, dass eine Heranziehung des § 21 VStG geboten scheine. Zudem habe die belangte Behörde entgegen des Auftrages des Oö. Verwaltungssenates keine ergänzenden Erhebungen durchgeführt, weshalb sich das gegenständliche Verfahren als mangelhaft erweise.

Bezüglich der Geldstrafe wird abschließend eingewendet, dass deren Ausmaß angesichts des Umstandes, dass im vorliegenden Fall auf Grund der hervorgekommenen Umstände nur ein geringes Verschulden vorliege, offensichtlich überhöht sei.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich96-1068-2010; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Hierzu hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B-VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu.  Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

3.2.1. Im gegenständlichen Fall hat der Oö. Verwaltungssenat bereits mit Entscheidung vom 21. Jänner 2011, Zl. VwSen-231217/2/Gf/Mu, festgestellt, dass die Strafbarkeit des Berufungswerbers zwar gegeben ist; allerdings wurde bezüglich der Verschuldensebene auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, hingewiesen, mit dem dieser ausgesprochen hat, dass die Ausweisung eines Fremden – selbst wenn sich dieser rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält – dennoch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt, wenn er infolge seiner langen faktischen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits einen hohen Grad an sozialer Integration aufweist und nicht er das Asylverfahren mutwillig verschleppt hat, sondern dessen unangemessen lange Dauer ausschließlich auf die Ineffizienz der staatlichen Behörden zurückzuführen ist.

Liegen solche Voraussetzungen vor, so kann dem Fremden aber unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG insgesamt auch kein bzw. allenfalls lediglich ein derart geringes Verschulden angelastet werden, dass in der Folge eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG geboten ist.

Ob solche Umstände hier gegeben waren, habe dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt aber nicht einmal ansatzweise entnommen werden können, weil diese – offensichtlich in (unverschuldeter) Unkenntnis der vorgenannten Entscheidung des VfGH – keinerlei in diese Richtung weisenden Erhebungen durchgeführt hatte.

Vom Oö. Verwaltungssenat konnten diese fehlenden Ermittlungen jedoch schon deshalb nicht substituiert werden, weil diesem als einem bloßen Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. Art. 129 ff B-VG) nicht zugleich auch die verwaltungsführende Funktion einer Strafverfolgungsbehörde zukommen kann (vgl. z.B. VfSlg 15427/1999 und 16189/2001).

In diesem Zusammenhang verwies der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall auch auf die ständige Rechtssprechung des VwGH, die davon ausgeht, dass dem aus § 44 Z. 1 VStG resultierenden Konkretisierungsgebot nur dann entsprochen ist, wenn im Spruch des Straferkenntnisses sämtliche der in § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 7 FPG angeführten Alternativen – in verneinender Weise – angeführt sind (vgl. z.B. statt vieler VwGH v. 30. Mai 2001, Zl. 2000/21/0009, m.w.N.).

Aus diesen Gründen wurde das damals angefochtene Straferkenntnis vom 29. Dezember 2010, Zl. Sich96-1067-2010, zur Gänze aufgehoben und das Strafverfahren zum angelasteten Spruchpunkt 2) eingestellt, im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist jedoch hinsichtlich des Spruchpunktes 1) keine Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

3.2.2. In dem im fortgesetzten Verfahren erlassenen und nunmehr angefochtenen Straferkenntnis verkennt die belangte Behörde zum einen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, auf der Verschuldensebene insoweit Berücksichtigung zu finden hat, als einem Asylwerber die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Asylantrag fraglos keinesfalls angelastet werden kann. Gleiches gilt aber auch für jenen Zeitraum, der nach dem Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Asylentscheidung liegt und jene Phase umfasst, die dem Fremden zugebilligt werden muss, um seine Ausreise faktisch vorzubereiten und durchzuführen. Sollte sich zudem herausstellen, dass der Fremde zwischenzeitlich jene Kriterien erfüllt, die der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, dafür aufgestellt hat, dass ihm ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu- bzw. seine Außerlandesschaffung nicht in Betracht kommt, so läge im Ergebnis überhaupt kein strafbares Verhalten vor bzw. umgekehrt gewendet: Bei einem lang dauernden (mehrjährigen) faktischen Aufenthalt kommt eine Bestrafung nur dann in Betracht, wenn keine soziale Integration des Fremden gegeben ist, was durch entsprechende Tatsachenermittlungen zu belegen ist. 

3.2.3. Dazu kommt, dass im Spruch des angesprochenen Straferkenntnisses nicht sämtliche der in § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 7 FPG angeführten Alternativen – in verneinender Weise – angeführt sind, weshalb im Ergebnis auch dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44 Z. 1 VStG nicht entsprochen wurde.

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher – und ganz abgesehen davon, dass mittlerweile gemäß BGBl.Nr. I 17/2011 jedenfalls für das erstinstanzliche Verfahren ein anderer Strafrahmen maßgeblich ist (s.a. oben, 3.1.) – schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben; eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte jedoch im Hinblick auf die teilweise noch offene Verfolgsverjährungsfrist nicht zu erfolgen; ob und bejahendenfalls in welchem Umfang dieses weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu entscheiden.

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

VwSen-231241/2/Gf/Mu vom 14. April 2011

 

Erkenntnis

VStG §1 Abs2;

FPG 2005 §120 Abs1;

B-VG Art140 Abs7

 

Rechtssatz 1

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art 140 Abs 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art 140 Abs 5 dritter Satz B-VG) nach Art 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art 138 Abs 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs 1 FPG zu Grunde zu legen.

 

Rechtssatz 2

Die belangte Behörde hat zum einen verkannt, dass das Erkenntnis des VfGH vom 7. Oktober 2010, B 950/10, auf der Verschuldensebene insoweit Berücksichtigung zu finden hat, als einem Asylwerber die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Asylantrag fraglos keinesfalls angelastet werden kann. Gleiches gilt aber auch für jenen Zeitraum, der nach dem Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Asylentscheidung liegt und jene Phase umfasst, die dem Fremden zugebilligt werden muss, um seine Ausreise vorzubereiten und durchzuführen. Sollte sich zudem herausstellen, dass der Fremde zwischenzeitlich jene Kriterien erfüllt, die der VfGH im Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, B 950/10, dafür aufgestellt hat, dass ihm ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu- bzw. seine Außerlandesschaffung nicht in Betracht kommt, so läge im Ergebnis aber überhaupt kein strafbares Verhalten vor bzw. umgekehrt gewendet: Bei einem lang dauernden (mehrjährigen) faktischen Aufenthalt kommt eine Bestrafung nur dann in Betracht, wenn keine soziale Integration des Fremden gegeben ist, was durch entsprechende Tatsachenermittlungen zu belegen ist.

 

 

 

 

 

 

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