Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231242/2/Gf/Mu

Linz, 13.04.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. März 2011, Zl. Sich96-1067-2010, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 18. März 2011, Zl. Sich96-1067-2010, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geld­strafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag 100 Euro) verhängt, weil sie sich als passpflichtige Fremde vom 25. bis zum 28. Oktober 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten
habe. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG) begangen, weshalb sie gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zu bestrafen
gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass ihr Asylantrag mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25. Oktober 2010, Zl. C14301035-1/2008/6E, rechtskräftig abgewiesen und gleichzeitig ihre Ausweisung in die Mongolei angeordnet worden sei sowie, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich als legal anzusehen.

Weiters weist die belangte Behörde darauf hin, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/1, lediglich auf das fremdenpolizeiliche Ausweisungsverfahren und die in Art. 8 EMRK festgelegten Familien- und Privatrechte Bezug nehme; im gegenständlichen Strafverfahren sei hingegen die Ordnungswidrigkeit des unrechtmäßigen Aufenthaltes zu ahnden und daher über die diesbezügliche Schuld sowie Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe abzusprechen gewesen, sodass durch die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nicht in Privat- und Familienrecht i.S.d. 8 EMRK eingegriffen worden sei.

1.2. Gegen dieses ihr am 18. März 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 1. April 2011 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass sie durch Entsprechung der ihr auferlegten Verpflichtung, in Attnang-Puchheim ihren Wohnsitz und sich darüber hinaus periodisch bei der Polizeiinspektion zu melden, ohnehin mit der belangten Behörde kooperiert habe. Daher habe sie auch am 9. Dezember 2010 bei der Konsularabteilung der Botschaft der Äußeren Mongolei wegen der Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorgesprochen und die Polizeiinspektion Attnang-Puchheim darüber in Kenntnis gesetzt. Außerdem lebe sie schon seit August 2005 in Österreich, sodass sie einen hohen Grad an Integration aufweise. Dies zeige sich insbesondere auch daran, dass sie mittlerweile einen mongolischen Studenten geheiratet habe und mit ihm gemeinsam in Salzburg lebe; ihre Ausweisung widerspreche daher Art. 8 EMRK, sodass insoweit auch vom Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes i.S.d. § 6 VStG auszugehen sei. Weiters wird darauf hingewiesen, dass sie bereits am 29. November 2010 und in der Folge auch am 21. Dezember 2010 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Bleiberechts gemäß § 44 Abs. 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: NAG) gestellt habe. Die unangemessen lange Dauer des Asylverfahrens könne jedenfalls nicht ihr zur Last gelegt werden und selbst wenn, dann sei ihr Verschulden so gering, dass – wie dies auch der Oö. Verwaltungssenat in einer Entscheidung vom 19. Jänner 2011, Zl. VwSen-231202/4/Gf/Mu, angeregt habe – die Heranziehung des § 21 VStG geboten scheine. Zudem habe die belangte Behörde entgegen des Auftrages des Oö. Verwaltungssenates keine ergänzenden Erhebungen durchgeführt, weshalb sich das gegenständliche Verfahren als mangelhaft erweise.

Bezüglich des Strafausmaßes wird abschließend eingewendet, dass dieses jedenfalls überhöht sei und im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb eine Ermahnung ausgereicht hätte, weil sie weder jemanden täuschen noch sich dem Zugriff der belangten Behörde entziehen habe wollen, im Gegenteil: Mittlerweile spreche sie perfekt Deutsch und seit dem Vorliegen der Asylentscheidung habe sie sich umgehend um einen legalen Aufenthalt in Österreich bemüht.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer Ermahnung bzw. eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich96-1067-2010; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Hierzu hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt hat, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B-VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu.  Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generelle Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

3.1.2. Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

3.2.1. Im gegenständlichen Fall hat der Oö. Verwaltungssenat bereits mit Entscheidung vom 19. Jänner 2011, Zl. VwSen-231202/4/Gf/Mu, festgestellt, dass die Strafbarkeit der Berufungswerberin zwar gegeben ist; allerdings wurde mit Bezug auf die Verschuldensebene auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, hingewiesen, mit dem dieser ausgesprochen hat, dass die Ausweisung eines Fremden – selbst wenn sich dieser rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält – dennoch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt, wenn er infolge seiner langen faktischen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits einen hohen Grad an sozialer Integration aufweist und nicht er das Asylverfahren mutwillig verschleppt hat, sondern dessen unangemessen lange Dauer ausschließlich auf die Ineffizienz der staatlichen Behörden zurückzuführen ist.

Liegen solche Voraussetzungen vor, so kann dem Fremden aber unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG insgesamt auch kein bzw. allenfalls lediglich ein derart geringes Verschulden angelastet werden, dass in der Folge eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG geboten ist.

Ob solche Umstände hier gegeben waren, habe dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt aber nicht einmal ansatzweise entnommen werden können, weil diese – offensichtlich in (unverschuldeter) Unkenntnis der vorgenannten Entscheidung des VfGH – keinerlei in diese Richtung weisenden Erhebungen durchgeführt hatte.

Vom Oö. Verwaltungssenat konnten diese fehlenden Ermittlungen jedoch schon deshalb nicht substituiert werden, weil diesem nicht die Funktion einer Strafverfolgungsbehörde zukommt.

In diesem Zusammenhang verwies der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall auch auf die ständige Rechtssprechung des VwGH, der davon ausgeht, dass dem aus § 44 Z. 1 VStG resultierenden Konkretisierungsgebot nur dann entsprochen ist, wenn im Spruch des Straferkenntnisses sämtliche der in § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 7 FPG angeführten Alternativen – in verneinender Weise – angeführt sind; vgl. z.B. statt vieler VwGH v. 30. Mai 2001, Zl. 2000/21/0009, m.w.N.).

Aus diesen Gründen wurde das damals angefochtene Straferkenntnis vom 29. Dezember 2010, Zl. Sich96-1067-2010, zur Gänze aufgehoben und das Strafverfahren zum angelasteten Spruchpunkt 2) eingestellt, im Hinblick auf die noch offene Verfolgungsverjährungsfrist jedoch hinsichtlich des Spruchpunktes 1) keine Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

3.2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis verkennt die belangte Behörde zum einen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, auf der Verschuldensebene fraglos insoweit Berücksichtigung zu finden hat, als einem Asylwerber die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Asylantrag fraglos keinesfalls angelastet werden kann. Gleiches gilt aber auch für jenen Zeitraum, der nach dem Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Asylentscheidung liegt und jene Phase umfasst, die dem Fremden zugebilligt werden muss, um seine Ausreise vorzubereiten. Sollte sich zudem herausstellen, dass der Fremde zwischenzeitlich jene Kriterien erfüllt, die der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, Zl. B 950/10, dafür aufgestellt hat, dass ihm ein humanitäres Aufenthaltsrecht zukommt bzw. seine Außerlandesschaffung nicht in Betracht kommt, so läge im Ergebnis überhaupt kein strafbares Verhalten vor bzw. umgekehrt gewendet: Bei einem langdauernden (mehrjährigen) faktischen Aufenthalt kommt eine Bestrafung nur dann in Betracht, wenn keine soziale Integration des Fremden gegeben ist, was durch entsprechende Ermittlungen zu belegen ist. 

3.2.3. Dazu kommt, dass im Spruch des angesprochenen Straferkenntnisses nicht sämtliche der in § 31 Abs. 1 Z. 1 bis 7 FPG angeführten Alternativen – in verneinender Weise – angeführt sind, weshalb dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44 Z. 1 VStG nicht entsprochen wurde.

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher – und ganz abgesehen davon, dass mittlerweile gemäß BGBl.Nr. I 17/2011 jedenfalls für das erstinstanzliche Verfahren ein anderer Strafrahmen maßgeblich ist – schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben; eine Einstellung  des Verwaltungsstrafverfahren hatte jedoch im Hinblick auf die teilweise noch offene Verfolgsverjährungsfrist nicht zu erfolgen; ob und bejahendenfalls in welchem Umfang dieses weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu entscheiden.

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

VwSen-231242/2/Gf/Mu vom 13. April 2011

 

Erkenntnis

 

VStG §1 Abs2;

FPG 2005 §120 Abs1;

B-VG Art140 Abs7

 

Rechtssatz 1

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art 140 Abs 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art 140 Abs 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl Art 140 Abs 5 dritter Satz B-VG) nach Art 140 Abs 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art 138 Abs 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art 140 Abs 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs 1 FPG zu Grunde zu legen.

 

Rechtssatz 2

Die belangte Behörde hat zum einen verkannt, dass das Erkenntnis des VfGH vom 7. Oktober 2010, B 950/10, auf der Verschuldensebene insoweit Berücksichtigung zu finden hat, als einem Asylwerber die Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Asylantrag fraglos keinesfalls angelastet werden kann. Gleiches gilt aber auch für jenen Zeitraum, der nach dem Eintritt der Rechtskraft der abweisenden Asylentscheidung liegt und jene Phase umfasst, die dem Fremden zugebilligt werden muss, um seine Ausreise vorzubereiten und durchzuführen. Sollte sich zudem herausstellen, dass der Fremde zwischenzeitlich jene Kriterien erfüllt, die der VfGH im Erkenntnis vom 7. Oktober 2010, B 950/10, dafür aufgestellt hat, dass ihm ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu- bzw. seine Außerlandesschaffung nicht in Betracht kommt, so läge im Ergebnis aber überhaupt kein strafbares Verhalten vor bzw. umgekehrt gewendet: Bei einem lang dauernden (mehrjährigen) faktischen Aufenthalt kommt eine Bestrafung nur dann in Betracht, wenn keine soziale Integration des Fremden gegeben ist, was durch entsprechende Tatsachenermittlungen zu belegen ist.

 

 

 

 

 

 

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