Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252770/5/Py/Hu

Linz, 12.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 2011, GZ: SV96-201-2010, wegen Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz (AuslBG), zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7. März 2011, GZ: SV96-201-2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs.1 Z1 lit.a iVm § 3 Abs.1 Ausländerbeschäftigungsgesetz eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 66 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 200 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma x in x, Oberösterreich, zu verantworten, dass die Firma nachstehende(n) ausländische(n) StaatsbürgerIn beschäftigt hat, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt, noch eine Anzeigenbestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder eine Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt oder ein Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EG oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde, obwohl ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine(n) AusländerIn nur beschäftigen darf, wenn ihm für diese(n) eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine Niederlassungsbewilligung unbeschränkt oder einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EG oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

Namen und Geburtsdatum des Ausländers: x, geb. x, Staatsangehörigkeit: Türkei

Beschäftigungszeitraum: 9.8.2010 bis 6.10.2010

Tatort: x

Tatzeit: 27.10.2010"

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes Grieskirchen Wels und der Stellungnahme des Bw von einer Beschäftigung ausgegangen wird. Zum Verschulden wird ausgeführt, dass sich der Arbeitgeber nicht auf die Angaben des Ausländers verlassen kann, dass alle Unterlagen und Genehmigungen vorliegen, sondern entsprechende Überprüfungen und Kontrollen durchzuführen hat.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als erschwerend die wiederholte Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gewertet wird, was zur Anwendung des qualifizierten Strafausmaßes führt. Ein Milderungsgrund ist nicht ersichtlich.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und vorgebracht, dass der Beschäftigte x bereits vor den hier genannten Zeiträumen bei der Firma x beschäftigt war. Zu Beginn dieses ersten Beschäftigungsverhältnisses (20.1.2009 bis 18.12.2009) wurden die entsprechenden Erkundigungen über die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung eingeholt und seinerzeit festgestellt, dass der Beschäftigte mit einer Österreicherin verheiratet ist (bzw. nunmehr war) und somit sämtliche Voraussetzungen für die Beschäftigung dieses Arbeitnehmers zulässig sind. Der vom Arbeitnehmer vorgelegte Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" hat eine Gültigkeitsdauer bis 12. Jänner 2011, weshalb er freien Zugang zum Arbeitsmarkt hat und keine weiteren Bewilligungen benötigt.

 

Bei der jeweils neuerlichen Beschäftigung hat der genannte Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nicht erwähnt, dass er zwischenzeitig geschieden ist und somit eine (weitere bzw. andere) Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erforderlich ist. Aufgrund des vorgelegten Aufenthaltstitels (befristet bis zumindest 12. Jänner 2011) konnte der Bw davon ausgehen, dass er Beschäftigte einen gültigen Aufenthaltstitel hat und daher die Einholung einer Bewilligung nicht erforderlich ist. Auch trifft den Bw im gegenständlichen Fall kein Verschulden und bilden die Ausführungen der Erstbehörde nur eine Scheinbegründung. Die belangte Behörde habe es zudem unterlassen zu überprüfen, ob die Beschäftigung des genannten Arbeitnehmers nach anderen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, insbesondere im Hinblick auf § 14a Ausländerbeschäftigungsgesetz, zulässig war. Auch ist auf die Bestimmung des § 4c Ausländerbeschäftigungsgesetz hinzuweisen, da es sich im gegenständlichen Fall bei dem beschäftigten Arbeitnehmer um einen türkischen Staatsangehörigen handelt, weshalb die Behebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, in eventu eine Herabsetzung der verhängten Strafhöhe beantragt wird.

 

3. Mit Schreiben vom 28. März 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der gegenständliche Bescheid zu beheben ist, konnte die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen. Dem Finanzamt Grieskirchen Wels als am Verfahren beteiligte Organpartei wurde im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 20. April 2011 stimmte das Finanzamt Grieskirchen Wels einer Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)    in einem Arbeitsverhältnis,

b)    in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)     in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeit nach § 3 Abs.5 leg.cit,

d)    nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e)    überlassener Arbeitskräfte im Sinn des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idgF darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt. 

 

Gemäß § 4c Abs.1 AuslBG ist für türkische Staatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs.1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Art. 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei – ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

 

Gemäß § 4c Abs.2 AuslBG ist türkischen Staatsangehörigen von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs.1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

 

Art. 6 Abs.1 des Beschlusses Nr. 1/1980 des Assoziationsrates über die Entwicklung der Assoziation vom 19.9.1980 (Assoziationsratsbeschluss EWR – Türkei – ARB 1/1980) lautet:

Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört, in diesem Mitgliedsstaat

-         nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Aufenthaltserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-         nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedsstaates eingetragenes Stellenangebot zu bewerben;

-         nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

 

Art. 7 Assoziationsratsbeschluss EWR – Türkei – ARB 1/1980 lautet:

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

-         haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

-         haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung in Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens 5 Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.

 

Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedsstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedsstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.

 

5.2. Im gegenständlichen Straferkenntnis wird dem Bw die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen, Herrn x, geb. am x, in der Zeit vom 9. August 2010 bis 6. Oktober 2010 zur Last gelegt. Wie dazu aus dem im Akt einliegenden Schreiben des AMS Grieskirchen vom 11. Oktober 2010 hervorgeht, lag für Herrn x bereits ab 3. Dezember 2009 ein Anspruch auf Ausstellung eines Befreiungsscheines vor.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet für die Ausübung der türkischen Staatsangehörigen im Assoziationsratsbeschluss EWR-Türkei – ARB 1/1980 in Art. 6 und 7 eingeräumten Rechte die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4c Abs.1 AuslBG oder eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs.2 AuslBG keine Voraussetzung. Vielmehr kommt den im Assoziationsratsbeschluss eingeräumten Rechten unmittelbare Wirkung zu und werden die daraus erfließenden subjektiven Rechte nicht erst durch die Ausstellung einer behördlichen Erlaubnis begründet. Daher kommt auch eine Bestrafung eines Arbeitgebers wegen Beschäftigung eines nach Art. 6 ARB 1/1980 oder Art. 7 ARB 1/1980 berechtigten türkischen Arbeitnehmers noch vor der (amtswegigen) Ausstellung einer Bewilligung nicht in Betracht (vgl. VwGH vom 23. Mai 2002, Zl. 2009/09/0212; vom 18. Oktober 2007, Zl. 2006/09/0032).

 

5.3. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Aufgrund der türkischen Staatsangehörigen im Assoziationsratsbeschluss EWR – Türkei eingeräumten Rechte lagen im gegenständlichen Tatzeitraum für Herrn x die Voraussetzungen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt vor, weshalb eine Bestrafung des Bw – auch vor Ausstellung des Befreiungsscheines – nicht in Betracht zu ziehen ist. Da die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen x durch den Bw somit keine Verwaltungsübertretung bildet, war das gegenständliche Straferkenntnis somit zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Bei diesem Ergebnis entfällt gem. § 66 Abs.1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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