Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231248/2/Gf/Mu

Linz, 10.05.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 29. März 2011, Zl. S-59270/10-2, wegen einer Übertretung des Fremden­polizeigesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 7 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 10 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 29. März 2011, Zl. S-59270/10-2, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen Staatsangehörigen von Ghana, eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage; Verfahrenskostenbeitrag: 100 Euro) verhängt, weil er sich seit dem 25. Juni 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG) i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und 6 FPG begangen, weshalb er nach § 120 Abs. 1  FPG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass das Asylverfahren negativ beendet und er mit Bescheid vom 30. November 2010 ausgewiesen worden sei sowie, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich als legal anzusehen.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten und davon auszugehen gewesen, dass er kein Einkommen beziehe und keine Sorgepflichten bestünden.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 4. April 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 12. April 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird zunächst vorgebracht, dass mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., die Wortfolge „von 1000 Euro“ in Abs. 1 und die Wendung „1“ in Abs. 4 des § 120 des Fremdenpolizeigesetzes einerseits als verfassungswidrig aufgehoben worden seien und anderseits ausgesprochen worden sei, dass die aufgehobene Bestimmung – auch für laufende Verwaltungsstrafverfahren – nicht mehr anzuwenden sei, weil sich die Festsetzung einer Mindeststrafe von 1.000 Euro als unsachlich erwiesen habe. Da die belangte Behörde diese Entscheidung noch nicht berücksichtigt habe, sei das gegenständliche Straferkenntnis sohin mit Rechtswidrigkeit behaftet. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass in § 120 Abs. 5 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes explizit angeordnet werde, dass eine Verwaltungsübertretung nicht vorliege, wenn der Aufenthalt des Fremden geduldet werde. Eine derartige Duldung liege hier vor, da das ghanaische Honorarkonsulat für längere Zeit nicht besetzt gewesen sei und ihm sohin eine freiwillige Ausreise mangels entsprechender Dokumente gar nicht möglich gewesen sei. Außerdem sei er gegenwärtig in medizinischer Behandlung und eine lückelose Fortführung seiner Therapie in Österreich lebensnotwendig. Insgesamt besehen liege damit jedenfalls eine entschuldigende Notstandssituation mit einem unauflöslichen Interessenskonflikt i.S.d. § 6 VStG vor bzw. sei sein Verschulden bloß geringfügig gewesen, sodass gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden müsse.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe  bzw. ein Absehen von einer Strafe beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. S-59270/10-2; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ und der Berufungswerber lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde behauptet, den von dieser ermittelten Sachverhalt aber unbestritten gelassen hat und die Verfahrensparteien auch einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wendet sich der Rechtsmittelwerber nicht gegen die Tatsache, dass er sich seit dem 25. Juni 2010 widerrechtlich in Österreich aufhält. Als Rechtfertigungsgrund hierfür bringt er allerdings vor, dass das ghanaische Honorarkonsulat für längere Zeit nicht besetzt gewesen sei und er daher mangels entsprechender Dokumente das Bundesgebiet nicht freiwillig habe verlassen können.

 

Dieser Einwand vermag jedoch schon deshalb nicht zu überzeugen, weil er seit dem negativen Abschluss seines Asylverfahren (16. Mai 2008) offenkundig mehr als ausreichend Zeit gehabt hätte, beim Konsulat seines Heimatstaates wegen seiner Reisedokumente vorstellig zu werden.

 

Zudem hat er im Zusammenhang mit seiner Rechtfertigung vom 1. Februar 2011, wonach er sich in medizinischer Behandlung befinde und eine lückelose Fortführung seiner Therapie lebensnotwendig sei, auch selbst gar nicht vorgebracht, einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung i.S.d. §§ 43 oder 44 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGB.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: NAG), gestellt zu haben (sog. „humanitäres Bleiberecht“). Davon abgesehen folgt aus § 44 Abs. 4 und § 44b Abs. 3 NAG ohnehin explizit, dass Anträge gemäß § 43 Abs. 2 und/oder § 44 Abs. 3 und/oder Abs. 4 NAG grundsätzlich kein Aufenthaltsrecht begründen. Gleiches gilt auch für Asylanträge dann, wenn das Verfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde.

 

3.3. Der Beschwerdeführer hat daher im vorliegenden Fall tatbestandsmäßig i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG und insoweit, als er es in Kauf genommen hat, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet tatsächlich nicht durch das Vorliegen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes gedeckt ist, auch fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.4.1. Im gegenständlichen Fall scheidet zudem auch eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG aus, und zwar deshalb, weil es der Rechtsmittelwerber während der gesamten Dauer des Asylverfahrens, dessen negativen Ausgang er jedenfalls auch hätte einkalkulieren müssen, unterlassen hat, sich über die für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erforderlichen Voraussetzungen bei der zuständigen Behörde zu erkundigen. Darin liegt jedenfalls ein (wenn nicht sogar absichtliches, so zumindest) grob fahrlässiges Verhalten, das insbesondere auch auf Grund seiner relativ langen Dauer keinesfalls als ein bloß geringfügiges Verschulden i.S.d. § 21 Abs. 1 VStG qualifiziert werden kann (vgl. dazu schon VwSen-231132 vom 16. September 2010).

3.4.2. Hinsichtlich der Strafbemessung ist allerdings zu beachten, dass der VfGH – wie der Beschwerdeführer zutreffend vorgebracht hat – mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt hat, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hat, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B-VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

3.4.3. Dem entsprechend findet es der Oö. Verwaltungssenat unter den Aspekten des konkret vorliegenden Falles – kein Milderungsgrund einerseits; tatbestandsmäßiges Verhalten von fast nahezu einem Jahr als erschwerend (und damit eine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 VStG ausschließend) anderseits – in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe mit 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe in Anlehnung an die durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebene Relation mit 7 Stunden festzusetzen.

 

3.4. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 10 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Berufungswerber hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-231248/2/Gf/Mu vom 10. Mai 2011:

 

Art. 140 Abs. 7 B-VG; § 1 Abs. 2 VStG; § 120 Abs. 1 FPG

 

Wie VwSen-231242 vom 13.4.2011

 

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