Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100779/20/Sch/Rd

Linz, 11.03.1993

VwSen - 100779/20/Sch/Rd Linz, am 11. März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des P S vom 21. August 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 10. August 1992, VerkR96/639/1992/Mi/Am, zu Recht:

I. Der Berufung wird teilweise insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 5.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 5 Tage herabgesetzt wird.

Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch wie folgt ergänzt wird: "... von R in Fahrtrichtung L bei ...".

II. Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 500 S. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlagen: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG. Zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 10. August 1992, VerkR96/639/1992/Mi/Am, über Herrn P S, nunmehr H, E, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 eine Geldstrafe von 6.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen verhängt, weil er am 5. November 1991, um 14.11 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der P A im Gemeindegebiet von R bei Strkm. 83,160 gelenkt und hiebei die von der Behörde verordnete und durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 75 km/h überschritten habe.

Überdies wurde er zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 600 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Der Berufungswerber bestreitet die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dem Grunde nach nicht, führt aber im wesentlichen aus, er sei zur Tatzeit krank gewesen. Er habe unter "Depressionen, Verfolgungswahn und ähnlichem" gelitten. Überdies sei er von einer mitfahrenden Person abgelenkt worden.

Am 3. März 1993 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt, im Rahmen derer eine medizinische Amtssachverständige zu der Frage ein Gutachten abgegeben hat, ob der Berufungswerber sich zur Tatzeit in einem Zustand befunden hat, der es ihm unmöglich machte, das Unerlaubte der Tat einzusehen bzw. dieser Einsicht gemäß zu handeln, oder ob zumindest eine in hohem Grad verminderte Einsichtsfähigkeit vorlag. Die Sachverständige führt in diesem Gutachten folgendes aus:

"Als Beurteilungsgrundlage kann im gegenständlichen Fall nur die aktenkundige Krankengeschichte der psychatrischen Abteilung des Krankenhauses Klagenfurt, wo sich der Genannte vom 2.10. bis 4.12.1992 in stationärer Behandlung befunden hat, herangezogen werden. Konkret auf die Tatzeit bezogene Zeugenaussagen bzw. Verhaltensbeobachtungen in bezug auf Herrn P S sind nicht vorhanden. Es gibt keine Anhaltspunkte, daß zur Tatzeit eine Störung von Orientierung, Merkfähigkeit, Denken oder Affekt vorgelegen wäre. Bei den geltend gemachten Krankheiten handelt es sich lediglich um emotionale Störungen, welche die Handlungsfähigkeit nicht herabsetzen und auch das Kritik- und Urteilsvermögen nicht einschränken. Laut Arztbrief vom stationären Aufenthalt an der psychatrischen Abteilung des Krankenhauses Klagenfurt leidet Herr P S an einer Anpassungsstörung mit depressiver Bestimmtheit, an einer Persönlichkeitsstörung und an Partnerkonflikten. Diese Diagnosen umfassen ein abnormes Verhalten bzw. eine Störung des Sozialverhaltens und äußern sich in Schwierigkeiten im Sozialverhalten und im emotionalen Bereich, wobei die abnorme Persönlichkeitsstruktur besonders bei äußeren Belastungen und speziellen Konfliktsituationen eskaliert. Es handelt sich um keine psychische Erkrankung im engeren Sinne. Die intelektuellen Fähigkeiten und die geistig-seelischen Funktionsabläufe, wie Orientierung, Auffassung, Kritik und Einsichtsvermögen, werden durch die vorliegende Persönlichkeitsstörung nicht relevant herabgesetzt. Dem Arztbrief können keine Hinweise auf das Vorliegen einer Geisteskrankheit, einer schweren seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, welche eventuell die Zurechnungsfähigkeit einschränken oder ausschließen würden, entnommen werden. Zusammenfassend ergibt sich, daß Herr P S zur Tatzeit zurechnungsfähig war. Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine in hohem Grad verminderte Einsichtsfähigkeit zum gegenständlichen Deliktzeitpunkt vorhanden." Da der Berufungswerber abgesehen von dem im Gutachten angeführten Arztbrief im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren keine weiteren Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, konnte die Behörde diesen in Verbindung mit dem entsprechenden Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen der Entscheidung zugrundelegen. Es war daher nicht von einem Schuldausschließungsgrund bzw. einer allenfalls beeinträchtigten Schuldfähigkeit des Berufungswerber zur Tatzeit auszugehen.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungswerbers zur (angeblichen) Ablenkung durch eine Mitfahrerin ist zu bemerken, daß diesem Umstand keine Bedeutung zukommt. Der Lenker eines Kraftfahrzeuges hat sein Verhalten bzw. seine Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr in einem solchen Ausmaß zu widmen, daß er die relevanten Vorgänge sicher wahrnehmen und sich darauf einstellen kann. Selbst wenn sich der Berufungswerber tatsächlich von seiner Mitfahrerin abgelenkt gefühlt hätte, vermag ihn dieser Umstand keinesfalls zu exkulpieren. Er wäre dann verpflichtet gewesen, allenfalls die Fahrt zu unterbrechen bzw. zu beenden.

Zu Punkt 4. der Berufung ist auszuführen, daß der hierin angeführten Rechtsansicht nicht beigepflichtet werden kann. Dem Verwaltungsstrafrecht ist eine Bestimmung fremd, derzufolge Verwaltungsstrafverfahren "der Reihe nach", also nach der zeitlichen Abfolge der Taten, durchgeführt und abgeschlossen werden müßten.

Im Hinblick auf die Strafzumessung ist festzuhalten, daß gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand ist, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im konkreten Fall wurde vom Berufungswerber die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um immerhin 75 km/h, also um wesentlich mehr als 100%, überschritten. Eine solche Übertretung kann keinesfalls als "Bagatelldelikt" angesehen werden. Geschwindigkeitsüberschreitungen, insbesonders in einem derartig beträchtlichen Ausmaß, führen immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen. Bei der Festsetzung einer Geldstrafe für ein entsprechendes Delikt ist daher insbesonders auch auf den generalpräventiven Aspekt einer Strafe Bedacht zu nehmen.

Dem Berufungswerber muß aber zugutegehalten werden, daß die Erstbehörde ohne Vorliegen einer einschlägigen Verwaltungsstrafvormerkung den Strafrahmen von bis zu 10.000 S um mehr als die Hälfte ausgeschöpft hat. Dem Berufungswerber kommt zwar der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit (formal) nicht mehr zugute, es kann aber nicht außer Betracht gelassen werden, daß die einzige aktenkundige Verwaltungsstrafvormerkung eine Übertretung des § 102 Abs.5 lit.a KFG 1967 betrifft, die (wegen relativer Geringfügigkeit) bei der Strafzumessung im vorliegenden Fall nur äußerst eingeschränkt zu berücksichtigen ist.

Einer weiteren Herabsetzung der verhängten Geldstrafe stand - wie oben dargelegt - das beträchtliche Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung entgegen.

Die Ergänzung des erstbehördlichen Bescheidspruches ist gesetzlich begründet.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h ö n

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum