Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165988/8/Br/Th

Linz, 30.05.2011

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, vertreten durch RAe GesbR X & X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 24. März 2011, Zl. VerkR96-55269-2010 Bru/Pos, nach der am 30. Mai 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.   Das Straferkenntnis wird zu Punkt 1.) im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h überschritten gilt und die Strafnorm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu lauten hat; die Geldstrafe wird auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden ermäßigt.

      Im Punkt 2.) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach
§ 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich dem zur Folge auf 5 (fünf) Euro; für das Berufungsverfahren entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.

Zu II    § 65 und 66 Abs.1 VStG.

 

 


 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der Übertretungen nach § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2e StVO und § 102 Abs.10 iVm § 134 Abs.1 KFG Geldstrafen in der Höhe von 400 Euro und 30 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 144 und 24 Stunden ausgesprochen, wobei ihm sinngemäß zur Last gelegt wurde, am 12.12.2010, um 22:35 Uhr, im Gemeindegebiet von Hörsching, auf der B 1, bei km 198.000 in Fahrtrichtung Wels, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen X

1) die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 57 km/h überschritten zu haben  und

2) kein zur Wundversorgung geeignetes und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpacktes und gegen Verschmutzung geschütztes Verbandszeug mitgeführt zu haben.

 

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus wie folgt:

"Aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion Traun vom 14.12.2010 wurden Ihnen mit Schreiben vom 03.01.2011 die umseits angeführten Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt und wurden Sie gleichzeitig aufgefordert sich diesbezüglich zu rechtfertigen.

Am 10.01.2011 erschienen Sie persönlich bei hs. Behörde und gaben folgenden Rechtfertigung ab:

Mir wurde die Anzeige zur Kenntnis gebracht. Ich stelle den Tatvorwurf der zur Anzeige gebrachten Geschwindigkeitsüberschreitung von 65 km/h in Abrede. Ich bin sicher nicht so schnell gefahren, meiner Meinung nach lediglich 100 km/h. Bei der Anhaltung sagte der Beamte zu mir, dass ich lt. Tacho des Zivilfahrzeuges 150 km/h gefahren bin und lt. dem do. Navy 135 km/h gefahren sei. Daraufhin frage ich ihn, welche Geschwindigkeit nun stimmen würde. Er antwortete mir, dass ich nicht frech sein solle.

Anschließend wurde eine Kontrolle durchgeführt, die Übertretung hinsichtlich des nicht geeigneten Verbandszeuges gebe ich zu.

 

Aufgrund Ihres Einspruchs wurden die beiden Polizeibeamten als Zeugen vorgeladen.

 

Herr Rev.lnsp. X machte anlässlich seiner Einvernahme am 18.01.2011 unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht sowie den Diensteid folgende Angaben:

Im Zuge des Nachtverkehrsdiensts mit dem Zivilfahrzeug VW Golf, BG mit Deckkennzeichen, fuhren mein Kollege GrInsp. X und ich auf der B1 aus Ri. Linz kommend in Fahrtrichtung Wels fahrend. Ich war der Lenker des Zivilfahrzeuges.

Der Beschuldigte überholte uns zwischen neuer und alter Traunerkreuzung. Da er mir mit ziemlich überhöhter Geschwindigkeit vorkam, begann ich mit dem Zivilfahrzeug aufzuschließen. Der Beschuldigte bremste sein Fahrzeug ab und fuhr mit der erlaubten Geschwindigkeit weiter. Ab Kilometer 196,000 beschleunigte der Beschuldigte sein Fahrzeug stark, sodass wir Mühe hatten, dem Fahrzeug zu folgen.

Zwischen km 198,000 und 198,400 fuhren wir mit gleichbleibendem Abstand dem Lenker nach, wobei lt. nicht geeichtem Tacho des Dienstfahrzeuges eine Geschwindigkeit von 150 km/h festgestellt wurde, obwohl dort eine höchst zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h erlaubt ist. Das mitgeführte Navigationsgerät zeigte 135 km/h an.

Der Lenker wurde von uns angehalten und die ggst. Amtshandlung wurde von mir durchgeführt. Dem Beschuldigten wurde die zur Anzeige gebrachte Geschwindigkeitsüberschreitung zur Kenntnis gebracht. Während der Amtshandlung verhielt er sich völlig unauffällig. Die Anzeige wird vollinhaltlich aufrecht gehalten.

Herr Gr.Insp. X machte anlässlich seiner Einvernahme am 21.01.2011 unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht sowie den Diensteid folgende Angaben:

Ich  war  der  Beifahrer   im   Dienstfahrzeug.  Aufgrund   der  augenscheinlich   überhöhten Geschwindigkeit des Lenkers des KFZ X nahm mein Kollege die Nachfahrt auf. Zwischen km 198,000 und 198,400 wurde von mir eindeutig wahrgenommen, dass It. Tacho des Dienstfahrzeuges der Beschuldigte das KFZ mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h lenkte. Dies wurde bei der Nachfahrt bei gleichbleibendem Abstand festgestellt.

 

Mit Schreiben vom 21.01.2011 wurden Ihnen diese Zeugenaussagen zur Kenntnis gebracht und es wurde Ihnen gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme abzugeben.

 

Am 03.02.2011 langte bei der hs. Behörde eine Vollmachtsbekanntgabe Ihres rechtsfreundlichen Vertreters ein und wurde gleichzeitig ein Antrag auf Aktenübersendung gestellt. Am 07.02.2011 wurde Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter der Akt in Kopie übermittelt

 

Mit Schriftsatz vom 16.02.2011 wurde wie folgt Stellung genommen:

Ich habe die mir in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.01.2011 zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in der dort unterstellten Art und Weise nicht begangen. Aus den übermittelten Beweisergebnissen ist nicht nachvollziehbar, auf welchen Grundlagen die Feststellung der überhöhten Fahrgeschwindigkeit nachvollziehbar basieren. Die von der einschlägigen Judikatur zur Ermittlung der Fahrgeschwindigkeit durch Nachfahren außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze sind im zugrundeliegenden Beweisverfahren nicht in ausreichender Weise berücksichtigt worden. Es fehlen die für die verlässliche Beurteilung der Richtigkeit der angegebenen Fahrgeschwindigkeiten notwendigen Parameter, sodass aufgrund der übermittelten Beweisergebnisse eine ansatzweise Überprüfung der Richtigkeit der von den Zeugen angegebenen Fahrgeschwindigkeiten nicht vorgenommen werden kann. Damit ist nicht sichergestellt, dass die gerade für das Nachfahren zur Nachtzeit erforderlichen hohen Anforderungen an die Geschwindigkeitsüberprüfung eingehalten wurden. Zusammenfassend zeigt sich daher, dass die übermittelten Beweisergebnisse in keiner Weise ausreichend die mir zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung nachvollziehbar dar tun und einem Straferkenntnis nicht zugrunde gelegt werden können.

 

Die Behörde hat Folgendes erwogen:

Die Ihnen unter Punkt 2) der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.01.2011 angelastete Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10 KFG haben Sie anlässlich Ihrer Vorsprache bei der hs. Behörde eingestanden, weshalb diese Übertretung als erwiesen anzusehen war.

 

Gemäß § 52 lit.a Zif.10a StVO wird durch das Verkehrszeichen „Geschwindigkeits-beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" angezeigt, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort dieses Zeichens verboten ist.

 

Wenn Sie die Ihnen angelastete Geschwindigkeitsüberschreitung bestreiten, wird Ihnen die Aussage des Meldungslegers entgegengehalten, der angibt, dass anlässlich einer Nachfahrt in gleichbleibendem Abstand zwischen km 198,000 und 198,400 am nicht geeichten Tacho des Dienstfahrzeuges eine Geschwindigkeit von 150 km/h festgestellt worden sei, obwohl dort eine höchst zulässige Geschwindigkeit von 70 km/h erlaubt sei.

Auch der zweite Polizeibeamte bestätigte anlässlich seiner Einvernahme diese Angaben.

 

Die Behörde sah keinerlei Veranlassung, an den glaubwürdigen und unbedenklichen Aussagen der fachlich geschulten, technisch versierten und unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen zu zweifeln, zumal diese wohl kaum das Risiko einer falschen Aussage, auf deren strafrechtliche Folgen die Zeugen anlässlich ihrer Einvernahme hingewiesen wurden, auf sich nehmen würden, während Sie als Beschuldigter einer solchen Wahrheitspflicht nicht unterliegen und sich in jede Richtung verantworten können.

Gemäß VwGH-Erkenntnis vom 28.06.1989, Zl. 89/02/0047, stellt das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung dar, wobei es ohne Bedeutung ist, dass der Tachometer nicht geeicht ist, insbesondere wenn es sich um eine beträchtliche Überschreitung handelt, bzw. mögliche Tachometer-Abweichungen zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden.

 

Wie der Anzeige zu entnehmen ist, wurde mit dem ungeeichten Tachometer des Dienstfahrzeuges eine Geschwindigkeit von ca. 150 km/h festgestellt. Diesbezüglich wird bemerkt, bei dieser Art der Geschwindigkeitsfeststellung eine Messtoleranz von 15 % abzuziehen ist, weshalb Ihnen korrekterweise eine Geschwindigkeit von 127 km/h anzulasten ist. Dieser Umstand wurde im Spruch des Straferkenntnisses berücksichtigt und wurde Ihnen nunmehr eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 57 km/h zur Last gelegt.

 

Aufgrund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses erscheint es für die Behörde zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen haben.

 

Im Sinne des § 19 Abs.1 VStG bildet Grundlage für die Bemessung der Strafhöhe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG 1991 sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Bei der Strafbemessung wurden Ihre bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt:

Einkommen: mtl. 1.500 Euro netto, Vermögen: keines, Sorgepflichten: keine.

 

Straferschwerend waren die gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung sowie eine einschlägige, rechtskräftige Verwaltungsvorstrafe zu werten. Strafmildernde Umstände waren nicht bekannt."

 

 

2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

In der außen bezeichneten Rechtssache wurde mir zu Handen meiner ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24.03.2011 am 05.04.2011 zugestellt. Innerhalb offener Frist erhebe ich gegen dieses Straferkenntnis nachstehende

 

 

B E R U F U N G :

 

Ich fechte das vorgenannte Straferkenntnis in seinem gesamten Umfange an und stelle an die zuständige Berufungsbehörde die

 

 

B E R U F U N G S A N T R Ä G E :

 

Die zuständige Berufungsbehörde möge nach Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung, Aufnahme der zu beantragenden Beweise und Durchführung eines Lokalaugenscheins der gegenständlichen Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben.

 

 

ad. 1) Geschwindigkeitsübertretung:

Wie ich bereits in meiner schriftlichen Stellungnahme dargestellt habe, gehe ich davon aus, dass die Art und Weise der dem gegenständlichen Straferkenntnis zugrunde gelegten Feststellung der Ermittlung der überhöhten Fahrgeschwindigkeit keine solche Methode ist, die bezogen auf den gegenständlichen Sachverhalt eine so verlässliche Geschwindigkeitsermittlung zulässt, die einem Straferkenntnis zugrunde zu legen ist.

 

Entscheidungsrelevant ist, dass nach Aussagen der einvernommenen Zeugen die Geschwindigkeit zwischen Straßenkilometer 198,000 und Straßenkilometer 198,400 dadurch ermittelt wurde, dass mit gleichbleibendem Abstand das von den Zeugen gelenkte Fahrzeug meinem Fahrzeug folgte. Dabei hätte die vom nicht geeichten Tacho des folgenden Fahrzeuges abgelesene Fahrgeschwindigkeit 150 km/h betragen.

 

Nähere Feststellungen zur Art und Weise der Geschwindigkeitsermittlung, insbesondere zur Frage, wie der konstante Abstand, der für die

Geschwindigkeitsermittlung unerlässlich ist, festgestellt wurde und welche Sicht zum gegenständlichen Zeitpunkt der Überprüfung herrschte, sind dem erstinstanzlichen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Es fehlen daher all jene Feststellungen, die eine objektive Überprüfung der zuverlässigen Schätzung einer Fahrgeschwindigkeit im festgestellten Ausmaß zu Nachtzeiten überhaupt erst ermöglichen würde. Gerade bei der Feststellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften sind den besonderen Kriterien der erhöhten Anforderungen an eine solche Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren Rechnung zu tragen. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Straferkenntnis grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren und ob diese überhaupt ein ausreichend deutliches Erkennen des Beschuldigtenfahrzeuges zugelassen haben. Es ist evident, dass außerhalb des Ortsgebietes im unbeleuchteten Freilandgebiet keine anderen Lichtquellen zur Verfügung stehen, die das Beschuldigtenfahrzeug erkennen ließen, als die Rücklichter des Beschuldigtenfahrzeuges selbst. Gerade diese sehr schlechten Sichtverhältnisse bei Nachtzeit machen aber eine verlässliche Einschätzung, ob der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug konstant bleibt oder sich verändert nicht nur schwierig, sondern zum Teil unmöglich. Diesbezüglich enthält das angefochtene Erkenntnis auch keine Feststellungen dazu, in welchem Abstand das Fahrzeug der Zeugen dem Beschuldigtenfahrzeug nachgefahren ist. Gerade die schlechten Beleuchtungsverhältnisse zur Nachtzeit hätten aber eine nähere Feststellung zum Nachfahrabstand bedurft, um eben einschätzen zu können, ob eine verlässliche Schätzung der Geschwindigkeit auf diese - nicht festgestellte -Nachfahrdistanz überhaupt möglich ist.

 

Es fehlen auch sämtliche Feststellungen, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch die Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeuges oder durch andere Lichtquellen erhellt bzw. ausreichend aufgehellt war und ob dadurch auch mit ausreichender Sicherheit das vorausfahrende Fahrzeug erkennbar war und die von diesem eingehaltene Fahrgeschwindigkeit mit ausreichender Sicherheit geschätzt werden konnte. Dies insbesondere, weil nicht sichergestellt ist, ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug trotz vorherrschender Dunkelheit ausreichende und erkennbare Orientierungspunkte vorhanden waren. Es fehlen sohin sämtliche Feststellungen, ob das vorausfahrende

Fahrzeug lediglich durch dessen Rücklichter erkennbar war oder ob das Fahrzeug auch in seinen Konturen sichtbar war.

 

Gerade die für die festgestellte Fahrgeschwindigkeit äußerst kurze Verfolgungsdistanz von 400 m, auf der die festgestellte Fahrgeschwindigkeit durch Nachfahren ermittelt worden ist, lässt zudem Zweifel aufkommen, ob tatsächlich die Fahrstrecke ausreichend war, um bei Nachtzeit und eingeschränkter Sichtbarkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges eine objektive Geschwindigkeitsermittlung durch Nachfahren zu ermöglichen. Wie unsicher die von den Zeugen angegebene Geschwindigkeitsschätzung war, zeigt alleine der Umstand, dass die Zeugen von einer vom Tacho abgelesenen Fahrgeschwindigkeit von 150 km/h ausgehen, das Navigationsgerät 135 km/h angegeben hätte und die festgestellte Fahrgeschwindigkeit nach Abzug der Toleranzen laut Spruch des angefochtenen Erkenntnis 125 km/h beträgt. Schon daraus zeigt sich, dass auch die Erstbehörde nicht von der Richtigkeit der durch das Nachfahren ermittelten Fahrgeschwindigkeiten und den diesbezüglichen Aussagen der einvernommenen Zeugen ausgeht.

 

Grundsätzlich ist die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren keine standartisierte Messmethode und unterliegt einer Vielzahl von möglichen Fehlerquellen. Dies setzt voraus, dass sich die erstinstanzliche Behörde für den Fall, dass sie die durch Nachfahren ermittelte Geschwindigkeit einem Straferkenntnis zugrunde legen will, im Einzelfall sehr konkret mit der Frage der Zuverlässigkeit der Messung auseinanderzusetzen hat. Die erstinstanzliche Behörde hätte daher die oben dargestellten Überlegungen zu den zum Tatzeitpunkt vorherrschenden schlechten Sichtverhältnissen wegen der Nachtzeit und der äußerst kurzen Messstrecke berücksichtigen müssen.

 

Gerade bei so hohen Fahrgeschwindigkeiten, wie von den Zeugen angegebenen, ist eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren auf einer Messstrecke von 400 m ungeeignet, eine ausreichend verlässliche Schätzung vorzunehmen. In einem diesbezüglich vom Oberlandesgericht Bamberg (DAR 2006 517-3SSOWI 1556/05) ergangenen Urteil zu Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren hat dieses OLG festgestellt, dass bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren die

Messstrecke bei Geschwindigkeiten von 100 km/h mindestens 500 m zu betragen hat. Bei Geschwindigkeitsschätzungen wie im vorliegenden Fall von 150 km/h hat die Messstrecke zumindest 700 bis 800 m zu betragen, um eine ausreichende Fahrgeschwindigkeitsschätzung vorzunehmen.

 

Diesem Messfehler und die durch eine nicht ausreichende Messstrecke bedingte Ungenauigkeit in der Schätzung der Fahrgeschwindigkeit kann auch nicht ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass höhere Sicherheitstoleranzen in Abzug gebracht werden, weil hiefür vorerst Voraussetzung ist, dass eine verlässliche Schätzmethode angewendet wird.

 

Zusammenfassend zeigt sich daher, dass die dem erstinstanzlichen Erkenntnis zugrunde gelegte Ermittlung der Fahrgeschwindigkeit keine ausreichende Basis für das angefochtene Erkenntnis darstellt.

 

 

ad. 2) Verbandszeug:

Dem angefochtenen Erkenntnis kann nicht entnommen werden, aufgrund welcher Umstände das im Fahrzeug vorgefundene Verbandszeug nicht den Voraussetzungen des § 102 Abs. 10 KFG entsprochen hat. Der Umstand, dass dieses Verbandszeug ein Ablaufdatum 2007 aufwies, mag zwar ein gewisses Indiz dafür sein, dass es sich um ein älteres Verbandszeug handelt. Daraus zu schließen, dass es nicht mehr den Kriterien des § 102 Abs. 10 KFG entspricht, ist aber unzulässig, weil die Frage des auf der Verpackung aufgedruckten Ablaufzeit keine aussagekräftige Aussage über den tatsächlichen Zustand des Verbandszeuges zulässt.

 

Diesbezüglich kann sich das Straferkenntnis auch nicht auf den von mir zugestandenen Umstand stützen, dass dieses Verbandsmaterial das Ablaufdatum aufwies. Feststellungen, ob das mitgeführte Verbandszeug zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt war, bleiben im angefochtenen Erkenntnis völlig unerörtert und ist diesbezüglich das Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

X"

 

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier antragsgemäß in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte zwingend (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einholung einer fachlichen Stellungnahme zur Frage der Geschwindigkeitsmessung im Wege des Amtssachverständigen X. Ebenfalls wurde das den Parteien zugestellte Gutachten mit dem Verfahrensakt im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verlesen.

Als Zeuge wurde der Meldungsleger GrInsp. X einvernommen. Der Sachverständige errechnete die sich aus den Angaben des Meldungslegers ableitenden Weg-Zeitabläufe, sowie die sich aus der vom Berufungswerber abgelesenen Tachoanzeige beweissicher ableitende (anlastbare) Fahrgeschwindigkeit.

 

 

4. Erwiesener Sachverhalt:

Der Berufungswerber erklärt im Rahmen der Berufungsverhandlung seine Fahrt von Traun nach Wels.

Damals herrschte tageszeitbedingt geringes Verkehrsaufkommen und trockene Fahrbahnverhältnisse.

Nach der Umfahrung Neubau habe er im Bereich der Fahrspurverengung von zwei auf eine Fahrspur noch zwei Fahrzeuge überholt. Dabei habe er am Tacho eine Geschwindigkeit von 110 km/h abgelesen und bei dieser Geschwindigkeit den Tempomat gesetzt. Der Berufungswerber vermeinte dabei auch das Dienstfahrzeug mit Zivilkennzeichen überholt zu haben. Nach einigen hundert Metern sei er dann angehalten worden.

Zum Verbandspackerl führte er aus, dass dieses verschlossen war und seiner Meinung zur Wundversorgung sehr wohl geeignet gewesen wäre.

 

 

4.1. Der Meldungsleger, der sich als Beifahrer des Dienstkraftfahrzeuges befunden hat, beschreibt die ohne Verwendung des Blaulichtes durchgeführte Nachfahrt – im Widerspruch zu der in der Anzeige bezeichneten Straßenkilometrierung – im Streckenbereich nach der sogenannten Traunerkreuzung bis Neubau. Laut Angaben des Meldungslegers wurden keine Handaufzeichnungen gemacht. Die Meldung dürfte der Meldungsleger zwei Tage nach dem Vorfall aus dem Gedächtnis verfasst haben, wobei ihm ein Fehler in der Darstellung der Vorfallsörtlichkeit und/oder auch der Nachfahrtstrecke unterlaufen sein muss. Tatsache ist, dass der vom Zeugen im Rahmen der Berufungsverhandlung geschilderte Nachfahrbereich um etwa sechs Kilometer von dessen Angaben in der zwei Tage nach dem Vorfall in das sogenannte VStV-System übertragenen Anzeige abweicht.

Unstrittig ist wiederum die Anhaltung des Berufungswerbers die nach dem Strkm 98,400 – bereits  in der Nähe der Ortschaft Marchtrenk – rechts der B1 erfolgte. Der Meldungsleger vermochte auch den Verlauf der Nachfahrt nicht schlüssig zu erklären, wobei sich zusammenfassend schlussfolgern lässt, dass unter Zugrundelegung der Beschleunigungsleistung laut Sachverständigen für die Aufholfahrt bis zum Erreichen des gleichbleibenden Abstandes eine Wegstrecke von etwa 3,5 km erforderlich gewesen wäre. Widersprüchlich sind auch die Angaben der Polizeibeamten vor der Behörde erster Instanz betreffend das Ablesen vom Tacho oder vom GPS. Auch die Umstände der Wahrnehmung des Berufungswerber wird von den Polizeiorganen sehr divergent dargestellt.

Das diese Wegstrecke mit der besagten Geschwindigkeit vom Polizeifahrzeug durchfahren werden hätte können, schloss nicht zuletzt der Sachverständige im Ergebnis aus. Dieser Auffassung schließt sich auch die Berufungsbehörde an, wobei bemerkt wird, dass der Berufungswerber seinen vermutlichen Überholvorgang des als solchen nicht erkennbaren Dienstkraftwagens und seine spätere Anhaltung durch die Besatzung dieses Pkw´s glaubhaft nach der Ortschaft Neubau darstellt.

So konnte der Meldungsleger anlässlich der Berufungsverhandlung auch nicht darstellen, wo und aus welcher Entfernung ihm das Vorderfahrzeug als zu schnell auffiel, wobei er die Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges, in welchem er sich als Beifahrer befunden hat, zu diesem Zeitpunkt mit etwa 70 km/h bezeichnete. Wenn letztlich der Berufungswerber von Traun gekommen ist, müsste er allenfalls beim Einbiegen in die B1 in Erinnerung geblieben sein.

Letztlich ist der Berufungswerber auch dahingehend glaubwürdig, weil er eine durchaus realistisch annehmbare Fahrgeschwindigkeit laut Tacho von 110 km/h angibt, welche letztlich vom Sachverständigen mit knapp über 90 km/h als beweissicher bezeichnet bzw. errechnet wurde.

Über dessen Tauglichkeit des Verbandszeugs zur Wundversorgung wurde vom Meldungsleger keine Feststellungen getroffen. Er ging offenbar nur vom vermeintlichen Ablaufdatum "2007" aus und schloss daraus auf die Nichteignung zur Wundversorgung. Das der Inhalt des Verbandzeuges des vom Berufungswerber gefahrenen Pkw´s  neueren Baujahrs (Mercedes 270 CDI) nicht den Zweck erfüllen würde ist schlichtweg unwahrscheinlich und wurde vom Meldungsleger auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zutreffend besteht im fraglichen Bereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit 70 km/h. Als Rechtsvorschrift kommt § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zur Anwendung.

Gemäß § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen.

Gemäß § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen (vgl. UVS-NÖ v. 12.2.1993, Senat-BN-92-002). Es kommt auch nicht auf den Inhalt des Verbandszeuges an, sondern ausschließlich ob dieser sich zur Wundversorgung und dem damit verbundenen Zweck eignet (VwGH vom 31.10.1990, 90/02/0084, mit Hinweis auf VwGH v 29.9.1989, Zl. 85/18/0153). Ein beschränkte Verwendungsdauer oder ein Ablaufdatum eines solchen Verbandszeuges lässt sich dem KFG jedenfalls nicht ableiten.

Das auf der Verpackung angebrachte Datum – falls es sich dabei überhaupt um ein Ablaufdatum handeln sollte -  ist aus h. Überzeugung jedenfalls kein strafwürdiges Indiz der Nichteignung.

Die wider den Berufungswerber erhobenen Tatvorwürfe können daher nur im Umfang des von ihm selbst abgelegten Geständnisses als erwiesen gelten.

 

 

6. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen  (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Was den objektiven Tatunwert betrifft ist auf das tageszeitbedingt kaum vorhandene Verkehrsaufkommen hinzuweisen, sodass als objektiver Tatunwert  keine an sich quantifizierbaren nachteiligen Tatfolgen, sondern lediglich der Ungehorsamstatbestand (die Ordnungswidrigkeit als Solche) übrig bleibt.

Der Berufungswerber bezieht ein Einkommen mit  1.500 Euro und hat Verbindlichkeiten von 9.000 Euro mit einer monatlichen Ratenzahlung von 250 Euro. Straferschwerend ist die bereits einschlägige Vormerkung, mildernd wiederum das Tatsachengeständnis, sodass die nunmehr ausgesprochene Geldstrafe als angemessen erachtet gelten kann.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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