Linz, 30.05.2011
E R K E N N T N I S
I. Das Straferkenntnis wird zu Punkt 1.) im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h überschritten gilt und die Strafnorm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zu lauten hat; die Geldstrafe wird auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden ermäßigt.
Im Punkt 2.) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach
§ 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich dem zur Folge auf 5 (fünf) Euro; für das Berufungsverfahren entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II § 65 und 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier antragsgemäß in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte zwingend (§ 51e Abs.1 VStG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einholung einer fachlichen Stellungnahme zur Frage der Geschwindigkeitsmessung im Wege des Amtssachverständigen X. Ebenfalls wurde das den Parteien zugestellte Gutachten mit dem Verfahrensakt im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verlesen.
Als Zeuge wurde der Meldungsleger GrInsp. X einvernommen. Der Sachverständige errechnete die sich aus den Angaben des Meldungslegers ableitenden Weg-Zeitabläufe, sowie die sich aus der vom Berufungswerber abgelesenen Tachoanzeige beweissicher ableitende (anlastbare) Fahrgeschwindigkeit.
4. Erwiesener Sachverhalt:
Der Berufungswerber erklärt im Rahmen der Berufungsverhandlung seine Fahrt von Traun nach Wels.
Damals herrschte tageszeitbedingt geringes Verkehrsaufkommen und trockene Fahrbahnverhältnisse.
Nach der Umfahrung Neubau habe er im Bereich der Fahrspurverengung von zwei auf eine Fahrspur noch zwei Fahrzeuge überholt. Dabei habe er am Tacho eine Geschwindigkeit von 110 km/h abgelesen und bei dieser Geschwindigkeit den Tempomat gesetzt. Der Berufungswerber vermeinte dabei auch das Dienstfahrzeug mit Zivilkennzeichen überholt zu haben. Nach einigen hundert Metern sei er dann angehalten worden.
Zum Verbandspackerl führte er aus, dass dieses verschlossen war und seiner Meinung zur Wundversorgung sehr wohl geeignet gewesen wäre.
4.1. Der Meldungsleger, der sich als Beifahrer des Dienstkraftfahrzeuges befunden hat, beschreibt die ohne Verwendung des Blaulichtes durchgeführte Nachfahrt – im Widerspruch zu der in der Anzeige bezeichneten Straßenkilometrierung – im Streckenbereich nach der sogenannten Traunerkreuzung bis Neubau. Laut Angaben des Meldungslegers wurden keine Handaufzeichnungen gemacht. Die Meldung dürfte der Meldungsleger zwei Tage nach dem Vorfall aus dem Gedächtnis verfasst haben, wobei ihm ein Fehler in der Darstellung der Vorfallsörtlichkeit und/oder auch der Nachfahrtstrecke unterlaufen sein muss. Tatsache ist, dass der vom Zeugen im Rahmen der Berufungsverhandlung geschilderte Nachfahrbereich um etwa sechs Kilometer von dessen Angaben in der zwei Tage nach dem Vorfall in das sogenannte VStV-System übertragenen Anzeige abweicht.
Unstrittig ist wiederum die Anhaltung des Berufungswerbers die nach dem Strkm 98,400 – bereits in der Nähe der Ortschaft Marchtrenk – rechts der B1 erfolgte. Der Meldungsleger vermochte auch den Verlauf der Nachfahrt nicht schlüssig zu erklären, wobei sich zusammenfassend schlussfolgern lässt, dass unter Zugrundelegung der Beschleunigungsleistung laut Sachverständigen für die Aufholfahrt bis zum Erreichen des gleichbleibenden Abstandes eine Wegstrecke von etwa 3,5 km erforderlich gewesen wäre. Widersprüchlich sind auch die Angaben der Polizeibeamten vor der Behörde erster Instanz betreffend das Ablesen vom Tacho oder vom GPS. Auch die Umstände der Wahrnehmung des Berufungswerber wird von den Polizeiorganen sehr divergent dargestellt.
Das diese Wegstrecke mit der besagten Geschwindigkeit vom Polizeifahrzeug durchfahren werden hätte können, schloss nicht zuletzt der Sachverständige im Ergebnis aus. Dieser Auffassung schließt sich auch die Berufungsbehörde an, wobei bemerkt wird, dass der Berufungswerber seinen vermutlichen Überholvorgang des als solchen nicht erkennbaren Dienstkraftwagens und seine spätere Anhaltung durch die Besatzung dieses Pkw´s glaubhaft nach der Ortschaft Neubau darstellt.
So konnte der Meldungsleger anlässlich der Berufungsverhandlung auch nicht darstellen, wo und aus welcher Entfernung ihm das Vorderfahrzeug als zu schnell auffiel, wobei er die Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges, in welchem er sich als Beifahrer befunden hat, zu diesem Zeitpunkt mit etwa 70 km/h bezeichnete. Wenn letztlich der Berufungswerber von Traun gekommen ist, müsste er allenfalls beim Einbiegen in die B1 in Erinnerung geblieben sein.
Letztlich ist der Berufungswerber auch dahingehend glaubwürdig, weil er eine durchaus realistisch annehmbare Fahrgeschwindigkeit laut Tacho von 110 km/h angibt, welche letztlich vom Sachverständigen mit knapp über 90 km/h als beweissicher bezeichnet bzw. errechnet wurde.
Über dessen Tauglichkeit des Verbandszeugs zur Wundversorgung wurde vom Meldungsleger keine Feststellungen getroffen. Er ging offenbar nur vom vermeintlichen Ablaufdatum "2007" aus und schloss daraus auf die Nichteignung zur Wundversorgung. Das der Inhalt des Verbandzeuges des vom Berufungswerber gefahrenen Pkw´s neueren Baujahrs (Mercedes 270 CDI) nicht den Zweck erfüllen würde ist schlichtweg unwahrscheinlich und wurde vom Meldungsleger auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Zutreffend besteht im fraglichen Bereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit 70 km/h. Als Rechtsvorschrift kommt § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zur Anwendung.
Gemäß § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen.
Gemäß § 102 Abs.10 KFG hat der Lenker auf Fahrten Verbandzeug, das zur Wundversorgung geeignet und in einem widerstandsfähigen Behälter staubdicht verpackt und gegen Verschmutzung geschützt ist, sowie bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen eine geeignete Warneinrichtung mitzuführen (vgl. UVS-NÖ v. 12.2.1993, Senat-BN-92-002). Es kommt auch nicht auf den Inhalt des Verbandszeuges an, sondern ausschließlich ob dieser sich zur Wundversorgung und dem damit verbundenen Zweck eignet (VwGH vom 31.10.1990, 90/02/0084, mit Hinweis auf VwGH v 29.9.1989, Zl. 85/18/0153). Ein beschränkte Verwendungsdauer oder ein Ablaufdatum eines solchen Verbandszeuges lässt sich dem KFG jedenfalls nicht ableiten.
Das auf der Verpackung angebrachte Datum – falls es sich dabei überhaupt um ein Ablaufdatum handeln sollte - ist aus h. Überzeugung jedenfalls kein strafwürdiges Indiz der Nichteignung.
Die wider den Berufungswerber erhobenen Tatvorwürfe können daher nur im Umfang des von ihm selbst abgelegten Geständnisses als erwiesen gelten.
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Was den objektiven Tatunwert betrifft ist auf das tageszeitbedingt kaum vorhandene Verkehrsaufkommen hinzuweisen, sodass als objektiver Tatunwert keine an sich quantifizierbaren nachteiligen Tatfolgen, sondern lediglich der Ungehorsamstatbestand (die Ordnungswidrigkeit als Solche) übrig bleibt.
Der Berufungswerber bezieht ein Einkommen mit 1.500 Euro und hat Verbindlichkeiten von 9.000 Euro mit einer monatlichen Ratenzahlung von 250 Euro. Straferschwerend ist die bereits einschlägige Vormerkung, mildernd wiederum das Tatsachengeständnis, sodass die nunmehr ausgesprochene Geldstrafe als angemessen erachtet gelten kann.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r