Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100784/33/Weg/Ri

Linz, 07.09.1993

VwSen - 100784/33/Weg/Ri Linz, am 7. September 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine erste Kammer (Vorsitzender: Dr. Guschlbauer Berichter: Dr. Wegschaider; Beisitzer: Dr. Konrath) über die Berufung des H W, vertreten gewesen durch die Rechtsanwälte Dr. J B, Dr. J H, Dr. E K und Dr. A Z, vom 24. August 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 5. August 1992, VerkR-10.958/1992-Kü, nach der am 30. Juni 1993 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 (AVG), iVm § 3 Abs.1, § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl.Nr. 867/1992 (VStG).

Entscheidungsgründe:

I. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 und 2a StVO 1960 eine Geldstrafe von 12.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen verhängt, weil dieser am 17. März 1992 gegen 16.15 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen in W auf der M Ortschaftsstraße aus Richtung E kommend bis zu seinem Wohnhaus in M Nr.10 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und um 16.50 Uhr die von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht berechtigt verlangte Alkomatentestprobe verweigert hat, obwohl auf Grund der festgestellten Alkoholisierungssymptome, wie starker Alkoholgeruch der Atemluft, gerötete Augenbindehäute und einer undeutlichen Aussprache, vermutet werden konnte, daß er in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 1.200 S in Vorschreibung gebracht.

II. Der Berufungswerber wendet ua sinngemäß ein, er sei nach einem kurz vor der ihm angelasteten Alkotestverweigerung stattgehabten Suizidversuch (der Berufungswerber fügte sich an beiden Unterarmen tiefe Schnittwunden zu) nicht zurechnungsfähig gewesen und sei deshalb nicht strafbar.

III. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung der Zeugen Dr. M R, Frau M B und Rev.Insp. J H sowie durch Vernehmung des Beschuldigten anläßlich der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 1993 sowie durch die Einholung eines medizinischen Amtssachverständigengutachtens hinsichtlich der Frage der Zurechnungsfähigkeit.

Vorweg wird festgehalten, daß der Beschuldigte das Tatbild der Alkotestverweigerung objektiv gesetzt hat und daß die hinsichtlich der objektiven Tatseite von der Erstbehörde im Straferkenntnis getroffenen Feststellungen zutreffend sind.

Zur Frage der Zurechnungsfähigkeit gab die bei der mündlichen Verhandlung anwesend gewesene medizinische Amtssachverständige Dr. S H ein Gutachten ab, welches in der Folge auszugsweise wiedergegeben wird:

.... "Durch das Zusammenwirken mehrerer im folgenden angeführter Umstände muß aus medizinischer Sicht davon ausgegangen werden, daß sich Herr W zur Tatzeit (Aufforderung zur Alkomatuntersuchung) in einem derartigen seelischen Ausnahmezustand befunden hat, daß er nicht in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

1. Die Aufforderung zur Alkomatuntersuchung erfolgte unmittelbar nach vorangegangenen Suizidversuch (gegen 16.30 Uhr gab Herr W telefonisch am Gendarmerieposten seinen Selbstmordversuch bekannt, er hatte sich tiefe Schnittwunden an beiden Unterarmen zugefügt, gegen 16.40 Uhr traf die Gendarmerie ein und um etwa 16.50 Uhr wurde Herr W zur Alkomatuntersuchung aufgefordert). Vom medizinischen Standpunkt aus muß festgestellt werden, daß eine parasuizidale Geste immer mit einer akuten depressiven Verstimmung verbunden ist und dementsprechend die Hirnfunktionen wie Auffassungsvermögen, Aufmerksamkeit, Konzentrationsvermögen usw. beeinträchtigt sind. Diese eingeengten Bewußtseinsfunktionen wurden auch bei der Aufnahmeuntersuchung in der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg Linz bestätigt.

2. Herr W war zur Tatzeit gegen 16.50 Uhr des 17. März 1992 erheblich alkoholbeeinträchtigt. Der in der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg Linz gemessene Serum-Alkoholspiegel um etwa 20.00 Uhr betrug 1,6%o. Rechnet man von diesen gemessenen 1,6%o auf die Tatzeit um 16.50 Uhr zurück, so ergibt sich eine maximale Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 2,23 %o (zugunsten des Berufungswerbers wurde mit einer maximalen stündlichen Elimination von 0,2%o gerechnet).

3. Durch den genossenen Alkohol kann die zentral dämpfende Wirkung der eingenommenen Delpral-Tablette verstärkt werden (Sedierung, Somnolenz, Beeinträchtigung der Hirnfunktionen).

4. Laut Krankengeschichte der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg Linz besteht bei Herrn W eine Alkoholkrankheit. Damit verbunden ist eine Persönlichkeitsstörung mit Verminderung von Einsichtsund Kritikfähigkeit, im weiteren kommt es auf der Basis von Hirnveränderungen zu einem organischen Psychosyndrom mit Gedächtnis-, Auffassungs-, Konzentrations- und Urteilsstörungen.

Zusammenfassung: Es muß bei bestehender Alkoholkrankheit infolge akuter Depression (suizidale Einengung der Hirnfunktionen), erheblicher Alkoholbeeinträchtigung (2,23%o) und Einnahme eines zentral dämpfenden Medikaments davon ausgegangen werden, daß Herr W zur Tatzeit nicht dispositions- und diskretionsfähig war." Das für den Berufungswerber sprechende Gutachten wurde Herrn Hofrat Mag. V in den wesentlichen Zügen telefonisch vorgetragen und er darüber befragt, ob dieses zum Zwecke des Parteiengehörs übersendet werden sollte, was jener verneinte.

IV. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Auf Grund des auszugsweise wiedergegebenen Gutachtens der medizinischen Amtssachverständigen steht fest, daß der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Alkotestverweigerung nicht in der Lage war, das Unerlaubte der Tat einzusehen. Das Gutachten ist in jeder Weise schlüssig, berücksichtigte neben der aktenkundigen Krankheitsgeschichte auch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung und ist sohin als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.

Das bedeutet, daß im Sinne der obzitierten Gesetzesbestimmungen der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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