Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522824/6/Fra/Gr

Linz, 30.05.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. März 2011, Zahl: FE-311/2011, betreffend der Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B mangels gesundheitlicher Eignung, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG 1991 iVm § 3 Abs.1 Z.3, § 8 und § 24 Abs.1 Z.1 Führerscheingesetz 1997 - FSG

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat gemäß § 24 Abs.1 FSG Herrn X (dem Berufungswerber, im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 21. März 2011, GZ: FE-311/2011, die mit Führerschein der Bundespolizeidirektion Wels vom 27. November 2008 unter Zahl: 08/167454, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung ab Verkündung des Bescheides (21. März 2011) mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bis zur behördlichen Feststellung, dass er wieder geeignet ist, entzogen. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

1.2. Dagegen richtet sich die bei der Bundespolizeidirektion Linz eingebrachte Berufung. Diese Behörde legte den Verwaltungsakt und die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vor. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenat (§ 35 Abs.1 FSG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

1.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

1.3.1. Zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels:

Der angefochtene Bescheid wurde am 21. März 2011 mündlich verkündet. Die Rechtsmittelfrist ist demnach am 4. April 2011 abgelaufen. Der Bw gab am 5. April 2011 – sohin verspätet – die Berufung gegen den o.a. Bescheid bei der Bundespolizeidirektion Linz ab. Laut Aktenvermerk der belangten Behörde vom 5. April 2011 gab der Bw an, dass er das Rechtsmittel bereits am 4. April 2011 (gegen 15 Uhr) abgegeben hätte, jedoch von der Kommandoüberwachung nicht mehr ins Gebäude gelassen worden sei. Der am 4. April 2011 bei der Kommandoüberwachung diensthabende Beamte könne weder bestätigen noch ausschließen, ob der Bw bei der Behörde war. Ein weiterer Kollege Schmidhuber gab an, es könnte sein, dass der Bw bei der Behörde war, könne es aber auch nicht sicher bestätigen.

 

Im Hinblick auf diese vagen Aussagen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw tatsächlich versucht hat, am 4. April 2011 sein Rechtsmittel bei Behörde abzugeben, weshalb der Oö. Verwaltungssenat von der rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels ausgeht. Der Oö. Verwaltungssenat hatte demnach das Rechtsmittel nicht zurückzuweisen, sondern in der Sache selbst zu entscheiden.

 

1.3.2. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Bescheid vom 9. September 2010 dem Bw die für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung für einen Zeitraum von einem Monat, beginnend ab 29. August, 2010 entzogen. Unter anderem wurde dem Bw auch aufgetragen, zusätzlich vor Ablauf der Entzugsdauer ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu erbringen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land davon aus, dass der Bw am 29. August 2010 um 13:25 Uhr im Stadtgebiet von Linz auf der Derfflingerstraße Höhe Nr.4, das KFZ mit dem polizeilichen Kennzeichen: X, in Betrieb genommen hat, obwohl er sich in suchtgiftbeeinträchtigtem Zustand befand. Die klinische Untersuchung – einschließlich eines freiwilligen Urintestes - ergab, dass er zum o.a. Zeitpunkt durch Drogen beeinträchtigt und fahrunfähig war.

 

In ihrem Gutachten vom 15. Oktober 2010 gemäß § 8 FSG kam die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, X, zum Ergebnis, dass der Bw für das Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klasse B nicht geeignet ist. Begründend führt sie aus, dass der Bw opiatabhängig und seit 15. Oktober 2010 in Substitutionsbehandlung ist. In der Einstellungsphase einer Substitutionstherapie bestehe keine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Sollte eine stabile Therapiephase ohne illegalen Beikonsum erreicht werden können, ist eine neue Bewertung möglich. Dann sind auch ausführliche Befunde vorzulegen.

 

Der Bw wurde aufgefordert, eine verkehrspsychologische Untersuchung und psychiatrische Stellungnahme vorzulegen.

 

Laut verkehrspsychologischer Stellungnahme der AAAV-Landestelle Oberösterreich und Salzburg, 4910 Ried im Innkreis, Konrad-Meindl-Straße 5, 5020 Salzburg, Zillnerstraße 18, vom 25. Februar 2011 wird unter der Rubrik "Zusammenfassung der Befunde/Gutachten" ausgeführt, dass beim Bw die psychischfunktionale Leistung der Zweihandkoordination (Auge-Hand-Koordination) in Teilbereichen deutlich unter der Normgrenze liegt. Die reaktive Belastbarkeit sowie Reaktionssicherheit sind unter Belastung reduziert gegeben. Aufmerksamkeit und Konzentration, Überblicksgewinnung sowie mentales und motorisches Reaktionszeitverhalten liegen im Normbereich. Die intellektuellen Möglichkeiten des Bw sind durchschnittlich gegeben. Ein ausreichendes Ausgleichspotenzial ist insbesondere im Hinblick auf die labile psychische Charakterstruktur des Bw nicht objektiviert. Die beim Bw festgestellten grenzwertunterschreitenden Minderleistungen stellen in Bezug auf sein Lebensalter unüblich ausgelegte Leistungsdefizite dar und sind diese eigungsausschließend.

 

Ein hinreichendes Maß an kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nicht festgestellt.

 

Unter der Rubrik

 

"Interpretation der Befunde zu Persönlichkeitsmerkmalen und Einstellungen aus Anamnese, Exploration, psychometrischen Daten und Verhaltensbeobachtung" wird ausgeführt, dass beim Bw eine psychosometrisch erfasste deutliche Tendenz sich unbekümmert zu verhalten besteht. In seiner Selbstorganisation verhält er sich undiszipliniert und zeigt sich gering strukturiert bei psychometrischer erfasster geringer Selbstkontrolle. Dabei vertraut er im Übermaß auf sich und seine Fähigkeiten, mit allem fertig zu werden. Misserfolge erscheinen in weniger zu berühren. Es besteht eine unreflektierte Selbstzufriedenheit. Das vom Bw berichtete Drogenkonsumverhalten ist in sich widersprüchlich und steht im deutlichen Widerspruch zur Aktenlage. Eine tiefergehende Auseinandersetzung des Bw mit seinem bisherigen Drogenkonsumverhalten ist nicht gegeben. Ursachen seines wiederholten massiven Drogenkonsums werden von ihm, auch auf direkte Nachfrage, konkret nicht benannt. Ein, unter entscheidenden Aspekten positiv zu wertender Veränderungsprozess des Bw seit der Delikthäufung ist nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Seinem bisherigen deliktischen Verhalten gegenüber zeigt er sich unkritisch und unreflexiv. Die von ihm berichtete begonnene Substitutionsbehandlung seit Oktober 2010 ist in ihrer Dauer, vor allem unter Berücksichtigung seines vormaligen markanten längeren Drogenmissbrauchs als ausreichend prognostisch befürwortendes Indiz, nicht geeignet.

 

Aufgrund der Ergebnisse der erhobenen Befunde und der aus verkehrspsychologischer Sicht zu beurteilenden Hinweise aus den explorativ gewonnenen Daten sowie der Verhaltensbeobachtung in der Untersuchungssituation, kann eine ausreichende kraftfahrspezfische Leistungsfähigkeit und eine Bereitschaft zur Verkehrsanpassung für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe I derzeit nicht festgestellt werden.

 

Herr A D ist daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe I derzeit nicht geeignet.

 

Die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land Frau X beurteilte den Bw u.a. unter Zugrundelegung der Feststellungen in der o.a. verkehrspsychologischen Stellungnahme im amtsärztlichen Gutachten vom 3. März 2011 als nicht geeignet, Kraftfahrzeuge der Gruppe 1, Klasse B, zu lenken.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet das amtsärztliche Gutachten gemäß § 8 FSG als auch die zugrundeliegende verkehrspsychologische Stellungnahme schlüssig und nachvollziehbar begründet.

 

Die verkehrspsychologische Untersuchung ergab, dass die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit in einem eignungsauschließendem Maß eingeschränkt ist. Zudem ist die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung derzeit nicht vorhanden.

 

Laut verwaltungsgerichtlicher Rechtssprechung kann derartigen Gutachten nur durch solche, die auf gleicher fachlicher Ebene erstellt wurden, entgegengetreten werden. Der Bw hat weder das amtsärztliche Gutachten noch die verkehrspsychologische Stellungnahme entkräftet. Die Gutachten waren daher dieser Entscheidung zugrunde zu legen.

 

1.3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z.2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

 

Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1.     um eine Entziehung gemäß § 24 Abs.3 achter Satz

2.     um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Eine der wesentlichen – im § 24 Abs.1 FSG genannten - Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 FSG die gesundheitliche Eignung.

 

Gemäß § 3 Abs.1 FSG – GV gilt zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

 

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2. die nötige Körpergröße besitzt,

3. ausreichend frei von Behinderungen ist und

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs.1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

Der Bw verfügt nach den amtsärztlichen Gutachten und der verkehrspsychologischen Stellungnahme derzeit nicht über die gesetzliche gebotene gesundheitliche Eignung um Kraftfahrzeuge der Gruppe 1, Führerscheinklasse B, eigenverantwortlich in Betrieb zu nehmen und zu lenken. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges erfordert ein Mindestmaß an gesundheitlicher Eignung, das der Bw nach den gutachtlichen ärztlichen und verkehrspsychologischen Beurteilungen derzeit jedoch nicht besitzt. Im Interesse der Verkehrssicherheit dürfen nur solche Personen Inhaber einer Lenkberechtigung sein, die gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen der jeweiligen Klasse ausreichend geeignet sind.

 

Mangels derzeitiger gesundheitlicher Eignung des Bw, welche gemäß § 3 Abs.1 Z.3 FSG einer der wesentlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung darstellt, musste ihm daher die Lenkberechtigung für die Führerscheinklasse B gemäß § 24 Abs. 1 Z.1 FSG zwingend entzogen und im Hinblick darauf seiner Berufung ein Erfolg versagt werden.

 

Berufliche, wirtschaftliche, persönliche oder auch familiäre Nachteile, welche mit der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, rechtfertigen nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung keine andere Beurteilung. Im Interesse der Verkehrssicherheit und damit des Schutzes der Allgemeinheit ist auf derartige Gründe nicht Bedacht zu nehmen.

 

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung ergibt sich aus § 64 Abs.2 AVG und erspricht der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Teilnahme am Straßenverkehr durch Kraftfahrzeuglenker, welche die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht erfüllen, stellt grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Verkehrssicherheit dar.

 

Es war somit Gefahr in Verzug gegeben, weshalb der Berufung zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

 

Abschließend wird der Berufungswerber im Hinblick auf seinen Antrag, das verkehrspsychologische Gutachten "frühzeitig noch mal wiederholen zu dürfen" auf die Bestimmung des § 18 Abs.5 FSG – Gesundheitsverordnung hingewiesen, wonach nach dessen zweiten Satz eine weitere verkehrspsychologische Untersuchung derselben Person innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nach der erstmaligen Untersuchung nur auf ausdrückliche Anordnung der Behörde erfolgen darf. Der Bw möge sich daher wegen einer allfälligen neuerlichen verkehrspsychologischen Untersuchung vor Ablauf dieses Zwölf-Monate-Zeitraumes an die Bundespolizeidirektion Linz als zuständige Behörde wenden.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Johann Fragner

 

 

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