Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522836/2/Bi/Eg

Linz, 12.05.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch Herrn RA x, x, vom 15. April 2011 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 11. April 2011, FE-1337/2009, wegen der Zurück­weisung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid in Angelegenheit der Entziehung der Lenkberechtigung vom 16. September 2009 als verspätet, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde die Vorstellung des Berufungs­werbers (Bw) vom 4. April 2011 gegen den Mandatsbescheid des Polizeidirektors von Linz vom 16. September 2009, FE-1337/2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, als verspätet zurückgewiesen.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 13. April 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Mandatsbescheid habe ihm an der damaligen Wohnanschrift x nicht zugestellt werden können, weil er sich von 14.9.2009 bis 28.2.2010 zu Studienzwecken in x aufgehalten habe. Dies habe seine Mutter x der BPD auch am 28.9.2010 (gemeint wohl: 2009) mitgeteilt, worauf die BPD Linz den Bescheid gemäß § 25 ZustellG durch öffentlichen Bekanntmachung zugestellt habe.

Die Voraussetzungen für eine solche Zustellung hätten aber nicht vorgelegen, weshalb der Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Die rechts­wirksame Zustellung sei erst am 28.3.2011 nach Vollmachtsanzeige des ausgewiesenen Vertreters erfolgt. Mit Eingabe von 4.4.2011 sei innerhalb der vorgesehenen zweiwöchigen Frist das Rechtsmittel der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid eingebracht worden. Die BPD Linz habe mit Bescheid vom 11.4.2011 die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 16.9.2009 als verspätet zurück­gewiesen, da nach ihrer Ansicht die Zustellung durch öffentliche Bekannt­machung rechtmäßig erfolgt und der Mandatsbescheid am 23.10.2009 in Rechtskraft erwachsen sei. Dagegen richte sich die Berufung.

Unter dem Titel unrichtiger rechtlicher Beurteilung wird weiters geltend gemacht, dass nach der Judikatur des VwGH zu § 25 ZustellG die Zustellung durch öffent­liche Bekanntmachung wegen der mit der Zustellung von behördlichen schrift­lichen Erledigungen für die Partei in der Regel weitreichenden Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, als Ausnahmefall zu betrachten und als "ultima ratio" ein strenger Maßstab anzulegen sei. Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung seien wegen des massiven Eingriffs in Lebensinteressen des Betroffenen ausdrücklich als "Sache von besonderer Wichtigkeit" eingestuft, weshalb hier die Bestellung eines Abwesenheitskurators erforderlich sei. Die Erst­behörde habe hier den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, die Zustellung des Mandatsbescheides vom 16.9.2009 durch öffentliche Bekannt­machung am 8.10.2009 statt einer Kurator­bestellung sei nicht wirksam gewesen.

Eine Zustellung durch öffentlichen Bekanntmachung setze auch voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung abgeschöpft habe. Der Erstbehörde sei nach Rückübermittlung des mit Rsa-Brief verschickten Entzugsbescheides am 21.9.2009 mit dem Vermerk "bis 28.2.2010 ortsabwesend" und der am 28.9.2009 erfolgten telefo­nischen Kontaktaufnahme mit der Mutter x bekannt gewesen, dass sich der Bw in x aufhalten würde, wobei der Mutter damals die vollständige Anschrift und damit die Abgabestelle ihres Sohnes in x im Wintersemester 2009/2010 noch nicht bekannt gewesen sei, da er an diesem Tag noch nicht über ein ständiges Quartier bei einer Gastfamilie verfügt habe.

Im Sinne des § 11 Abs.1 ZustellG bestehe ein Vertrag zwischen der Republik Österreich und der italienischen Republik über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahr­angele­gen­heiten, BGBl.Nr. 406/1990. Demnach seien Ersuchen an die italienische Republik um Zustellung behördlicher Schriftstücke bzw Vollstreckung der Entziehung von Lenkberechti­gungen an die örtlich zuständige Präfektur, Ersuchen über Auskünfte über Besitzer von Lenkberechtigungen an das italienische Verkehrsministerium, General­direktion für Kraftfahrangelegenheiten, Rechenzentrum, zu richten.

Auch sei absehbar gewesen, dass der Bw als Austauschstudent bald über eine Abgabestelle verfügen werde, weshalb die Erstbehörde mit der Verfügung einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung noch zuwarten hätte müssen. Diesbezüglich hätte sich die Erstbehörde mit der einmaligen Befragung der Mutter nicht begnügen dürfen, sondern Auskunft über seine Wohnanschrift in x über das italienische Verkehrsministerium einholen können.

Die Zustellung des Mandatsbescheides durch öffentliche Bekanntmachung sei sohin unwirksam gewesen, der Bescheid nicht am 23.10.2009 in Rechtskraft erwachsen sondern erst mit der Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter am 28.3.2011. Mit der Zurückweisung der Vorstellung vom 4.4.2011 als verspätet habe die Erstbehörde die Rechtslage verkannt und den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Beantragt wird Bescheidaufhebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw zur Anzeige gebracht wurde, weil er sich am 1.9.2009 um 0.40 Uhr in der PI x nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und behördlich ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er im Verdacht gestanden sei, am 31.8. 2009 von 23.00 Uhr bis 23.50 Uhr ein Fahrzeug, nämlich den auf D.E. zugelassenen Traktor x,  vor dem Haus x in x in einem vermutlich durch Alkohol beein­trächtigten Zustand gelenkt zu haben. Aus der Anzeige geht hervor, dass der Bw nach Anzeige durch einen Nachbarn schlafend auf dem Lenkersitz des Traktors, dessen Motor warm und dessen Fahrzeugschlüssel angesteckt gewesen seien, angetroffen worden sei, wobei der der Aufforderung sich auszuweisen nicht nachgekommen sei. Da der Bw einen stark alkoholisierten Eindruck erweckt habe (deutlicher Alkoholgeruch, schwankender Gang, lallende Sprache, reniten­tes Benehmen, extrem aufge­brachtes und beleidigendes Verhalten), wurde er von GI x zum Alkotest mittels Alkomat aufgefordert, was er ignorierte. Da er sich weigerte, vom Traktor abzusteigen, sei er heruntergezogen und festge­nommen worden, worauf er sich mit einem auf "x" lautenden Studenten­ausweis ausgewiesen habe. Um 00.40 Uhr habe er bei der PI x den Alko­test ohne Angabe von Gründen verweigert. Der Zulassungsbesitzer habe ange­geben, der Bw habe für ihn auf dem Feld gearbeitet, er selbst habe den Traktor wegen eines Brandes zum Haus x gelenkt und der Bw sei nach Konsumation großer Mengen Schnaps mitgefahren.

Da der Bw seit 6.7.2007 mit Hauptwohnsitz in x, gemeldet war, wurde die BPD Linz von der örtlich zuständigen BH Villach verständigt und auf der Grundlage dieser Anzeige erließ die Erstinstanz den Mandatsbescheid vom  16.9.2009, FE-1337/2009, mit dem die von der BPD Villach am 24.2.2006, F-275/2006, für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung  wegen mangelnder Verkehrs­zuverlässigkeit für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Bescheid­zustellung­, entzogen und für den gleichen Zeitraum ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs.1 FSG erteilt und das Recht, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt wurde. Weiters wurden eine Nachschulung für alkoholauf­fällige Lenker, die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme bis zum Ablauf der Ent­ziehungs­dauer und die unverzügliche Ablieferung des Führerscheins ange­ordnet. Der Bescheid wurde am 18.9.2009 an die Adresse des Hauptwohnsitzes abge­sendet, jedoch  von der Post mit dem Vermerk zurückgesendet, dass der Empfänger bis 28.2.2010 ortsabwesend sei.

 

Mit E-Mail vom 1.10.2009 wurde seitens der Erstinstanz in Angelegenheit des Führerscheinentzugsverfahrens x, FE 1337/2009, an die Rechtsan­walts­kanzlei x, die Anfrage gerichtet, ob der Bw dort rechts­freundlich vertreten werde, und um Vollmachtsbekanntgabe bzw Rückruf ersucht. Das Mail kam wegen Nichtzustellbarkeit zurück.

Die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG erfolgte durch Anschlag an der Amtstafel der BPD Linz von 8. bis 27.10.2009.

 

Der Bw war am 6.2.2010 immer noch mit der Adresse x als Hauptwohnsitz gemeldet.

Am 1.3.2010 wurde der Erstinstanz von der BH Villach das do Straferkenntnis vom 20.10.2009, Zl. VL9-STR-18738/2009, übermittelt, mit dem der Bw einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 99 Abs.1 lit.b iVm 5 Abs.2 StVO1960 – Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt am 1.9.2009, 00.40 Uhr, in der PI x – schuldig erkannt und bestraft wurde, mit der Mitteilung, dass das Berufungsverfahren beim UVS Kärnten anhängig sei. Das Straferkenntnis war an den Bw zHd des nunmehrigen Rechtsvertreters in Klagen­furt adressiert.

 

Nach Ladung vom 9.3.2010 in Angelegenheit eines "Verfahrens zur Überprüfung Ihre Verkehrszuverlässigkeit" meldete sich der Bw am 11.3.2010 telefonisch bei der Erstinstanz; nach entsprechender Information sagte er die Wahrnehmung des Termins 18.3.2010 zu, erschien aber unentschuldigt nicht; ebenso nach Ladung für den 31.3.2010. 

 

Seitens der Erstinstanz ergingen mehrfach Erkundigungen über den Stand des Berufungsverfahrens an die BH Villach; der Bw erschien nach Ladungen für den 21.12.2010 und 7.2.2011 – gerichtet an die seit 2.11.2010 in x, bestehende Adresse – unentschuldigt nicht.

Am 1.3.2011 wurde von der BH Villach die Berufungsentscheidung des UVS Kärnten vom 17.1.2011, KUVS-231/6/2010, übermittelt; der Berufung war lediglich hinsichtlich der Strafhöhe teilweise Folge gegeben worden. 

Mit Bescheid der Erstinstanz vom 2.3.2011, FE-1337-2009, wurde auf der Grundlage, dass der Bw nach Vollstreckbarkeit des Bescheides über die Ent­ziehung der Lenkberechtigung vom 16.9.2009 der Verpflichtung zur unverzüg­lichen Ablieferung des Führerscheins der BPD Villach von 24.2.2006, F-275/06, für die Klasse B, nicht nachgekommen sei, gemäß § 5 VVG die Verhängung einer Geldstrafe für den Fall angedroht, dass der Bw nicht binnen drei Tagen ab Zustellung der Anordnung den Führerschein bei der Behörde abliefere.

Die Zustellung der Anordnung erfolgte eigenhändig am 7.3.2011 über die PI Schubertstraße, wobei der amtshandelnde Polizeibeamte GI x berich­tete, der Bw habe sich mit einem Studentenausweis ausgewiesen und gesagt, er sei seit ca 5 Jahren nicht mehr im Besitz eines Fahrzeuges und lenke auch keines; seinen Führerschein habe er am Zweitwohnsitz in x. Sein Rechtsanwalt, der ihn in einem Gerichtsverfahren vertrete, habe ihm empfohlen, keine behördlichen Schriftstücke anzunehmen, "außer wenn es sich nicht um Angelegenheiten seines Verfahrens handle". Nach Mitteilung, dass der Rsa-Brief als zugestellt angesehen werde, übernahm er den Rsa-Brief.  

 

Mit Vollstreckungsverfügung der Erstinstanz vom 14.3.2011, FE-1337/2009, wurde gemäß § 5 VVG die Verhängung der angedrohten Geldstrafe von 363 Euro verfügt und eine Geldstrafe von 726 Euro für den Fall angedroht, dass der Bw wiederum nach drei Tagen ab Bescheidzustellung den Führerschein nicht der Behörde abliefere. Der an den Bw pA seines Hauptwohnsitzes gerichtete Rsa-Brief wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch mit Beginn der Abholfrist am 18.3.2011 bei der Zustellbasis 4020 hinterlegt, kam aber mit dem Vermerk "nicht behoben" zurück. Der Bw wurde wegen Übertretung gemäß § 29 Abs.3 FSG angezeigt.

Mit Schriftsatz vom 16.3.2011 trat im Führerscheinentziehungsverfahren erst­mals der nunmehrige Rechtsvertreter in Erscheinung, wobei er unter Vollmachts­anzeige den Antrag stellte, ihm den Bescheid über die Entziehung der Lenk­berechtigung vom 16.9.2009 zuzustellen, und eine Stellungnahme insofern erstattete, als ihn die Erstinstanz am 28.9.2009 informiert habe, dass dem Bw der Führerscheinent­ziehungs­bescheid nicht zugestellt werden habe können. Der Bw habe sich ab 14.9.2009 in Süditalien befunden und sei erst Mitte März 2010 nach Österreich zurückgekehrt, habe daher in dieser Zeit nicht an der damaligen Anschrift gewohnt, weshalb diese Adresse auch keine Abgabestelle gewesen sei und der Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt werden habe könne. Der Bw sei auch bei der Post abgemeldet gewesen, weshalb der Bescheid mangels Zustell­barkeit zurückgeschickt worden sei. 

 

Seitens der Erstinstanz wurde der Rechtsvertreter mit Schreiben vom 24.3.2011 informiert, dass Frau x, die Mutter des Bw, am 28.9.2009 mitgeteilt habe, dass sich der Bw ca ein halbes Jahr in x aufhalte bzw aufhalten werde; da sie aber keine konkrete Abgabestelle nennen und die Behörde keine Zustell­adresse eruieren habe können, sei die Zustellung durch öffentliche Bekannt­machung am 8.10.2009 erfolgt; der Bescheid sei daher in Rechtskraft erwachsen.

Dem Rechtsvertreter wurden seitens der Erstinstanz eine Kopie des Bescheides vom 16.9.2009 sowie eine Kopie der Bekanntmachung vom 8.10.2009 über­mittelt, worauf er mit Schriftsatz vom 4.4.2011 "Vorstellung gegen den Bescheid vom 16.9.2009, zugestellt am 28.3.2011" erhob. Diese wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.4.2011, FE-1337/2009, gemäß § 57 Abs.2 AVG als verspätet zurückgewiesen. Aus der Begründung geht hervor, dass die eigenhändige Zustellung des Mandats­bescheides misslang, weil der Bw "bis 28.2.2010 ortsabwesend" sei. Eruiert wurde, dass der Bw nicht in einer österreichischen Justizanstalt inhaftiert war, und mit der Mutter am 28.9.2009 telefonisch Kontakt aufgenommen, die den Aufenthalt des Bw in x bekanntgab. Weiters sei am selben Tag bei der Rechtsanwaltskanzlei x in x telefonisch angefragt worden, ob der Bw von dieser Kanzlei anwaltlich vertreten werde. Eine weitere derartige Nach­frage am 7.10.2009 habe ergeben, dass sich die Vertretung nur auf das Verwaltungsstrafverfahren beziehe, nicht auf das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung. Die Zustellung des Mandatsbescheides wurde daher durch öffentliche Bekanntmachung am 8.10.2009 durchgeführt, wobei diese mit 23.10.2009 als bewirkt gelte und nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist am 6.11.2009 rechtskräftig geworden sei. Seitens der Erstinstanz wurde auf­grund der Erhebungsergebnisse hinsichtlich der Abgabestelle kein rechtliches Hindernis an der Zustellung gemäß § 25 ZustellG erblickt. 

Dagegen richtet sich die nunmehrige Berufung vom 15.4.2011.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 25 Abs.1 ZustellG können ua Zustellungen an Personen, deren Abgabe­stelle unbekannt ist, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfang­nahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amts­tafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind. Gemäß Abs.2 leg.cit. kann die Behörde die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen.

Gemäß § 8 Abs.1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Gemäß Abs.2 leg.cit. ist, wenn diese Mitteilung unter­lassen wird, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zu­stellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzu­nehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

 

Der Bw hatte nach der Anzeige der PI Arnoldstein vom 6.9.2009 keine Kenntnis davon, dass von der BPD Linz ein Verfahren betreffend Entziehung seiner Lenk­berechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit eingeleitet wird; Gegen­teiliges wird nicht einmal behauptet. Die Mitteilung der nach dem Vorfall für ein Verwaltungsstraf­verfahren örtlich zuständigen BH Villach erfolgte am 9.9.2009 und langte laut Eingangsstempel der Erstinstanz am 14.9.2009 dort ein. Die Anwendung des § 8 ZustellG scheidet damit ohne jeden Zweifel aus.

 

Der Bw war weiterhin an der Adresse x mit Hauptwohn­sitz gemeldet, seitens der Mutter war ein längerer Aufenthalt mit unbekannter Adresse in x angekündigt worden, der Bw war ausdrücklich nicht rechts­freundlich vertreten, es war auch kein Zustellbevollmächtigter genannt worden und das ggst Verfahren ist kein Strafverfahren. Seitens der Erstinstanz wurde auch noch in Erfahrung gebracht, dass sich der Bw auch nicht in einer öster­reichischen Justizvollzugsanstalt befindet – in der Anzeige der PI x vom 6.9.2009 war auf weitere Anzeigen an die BH Villach und an die Staatsanwalt­schaft Klagenfurt verwiesen worden.

 

Das Ansinnen des Rechtsvertreters des Bw, man hätte die Mutter des Bw mehr­mals kontaktieren und bis zum Vorhandensein einer Zustelladresse des Bw zuwarten müssen oder diese über staatliche Stellen in x erfragen können, man hätte auch den Mandatsbescheid über staatliche Stellen in Italien zustellen können oder gemäß § 11 AVG einen Zustellkurator über das zuständige Gericht bestellen können, geht in mehrfacher Hinsicht völlig ins Leere.

Ein Mandatsbescheid, der die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG, ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs.1 FSG und die Aberkennung des Rechts gemäß § 30 Abs.1 FSG  zum Inhalt hat, ist ein Bescheid ohne vorausge­gangenes Ermittlungsver­fahren, der den Zweck verfolgt, eine konkrete Person, die eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 Z1 iVm Abs.3 Z1 FSG gesetzt hat und daher verkehrsunzulässig ist, von der Teilnahme am Straßenver­kehr als Lenker eines Kraftfahrzeugen auszuschließen, um die andern Verkehrs­teilnehmer zu schützen.   

Diese Maßnahme ist wegen Gefahr im Verzug ohne Zweifel unaufschiebbar, dh die Überlegung einer Zustellung über staatliche Stellen im Ausland, wobei auch noch eine Zustell­adresse zu erfragen wäre, völlig indiskutabel, am Zweck vorbei­gehend und fern jeder Realität.

Dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nur ausnahmsweise ("ultima ratio") erfolgt, liegt in der Natur der Sache und daher sind auch von der diese Zustell­form anwendenden Behörde die im Gesetz konkret genannten Voraussetzungen zu prüfen, um deren Zulässigkeit penibel abzu­klären – davon dass die Erstinstanz diese Prüfung nicht vorgenommen oder einen eingeräumten Ermessenspielraum überschritten hätte, kann im ggst Fall keine Rede sein.

 

Zur vom Bw eingewendeten Judikatur des VwGH ist zu sagen, dass es im E vom 20.9.2000, 2001/08/0564, nicht um die Zustellung eines Mandatsbescheides ging, sondern um ein Verwaltungsverfahren in einer Angelegenheit nach dem Behin­derten­einstellungsgesetz, in der die Notwendigkeit der Bestellung eines Kurators gemäß § 11 AVG bejaht wurde, weshalb die Zustellung nach § 25 ZustellG als nicht wirksam angesehen wurde. Der Fall ist mit dem ggst Fall nicht vergleichbar.

Das E des VwGH vom 26.2.2002, 2001/11/0305, betraf die Entziehung einer Lenkberechtigung nach Unzustellbarkeit der Aufforderung gemäß § 24 Abs.4 FSG bei unstetem Aufenthalt nach Anzeige wegen Verstößen gegen das Suchtmittel­gesetz. Die Wohnsitzerhebungen hatten zu keinem Ergebnis geführt, sodass die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung bei Nichtvorliegen der Voraus­setzungen des § 8 AVG als rechtmäßig erkannt wurde.

Im dem E des VwGH vom 28.10.2003, 2003/11/0056, zugrundeliegenden Fall scheiterte die Zustellung des Mandatsbescheid betreffend Entziehung der Lenk­berechtigung und die Meldeauskunft ergab, dass der Beschwerdeführer bereits seit zwei Monaten abgemeldet war mit dem Vermerk "nach Jugoslawien verzogen", worauf sofort eine Zustellung nach § 25 ZustellG erfolgte. Der VwGH stellte klar, dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraussetzt, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermitt­lungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat. Für die Erfüllung ihrer Ver­pflichtung, die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits aber auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen (zB Angehörige, Nachbarn) in Betracht. Sie hat in geeigneter Weise zu versuchen, Kenntnis von dessen Aufenthaltsort zu erlangen. Die in diesem Fall ohne weitere Ermittlungs­schritte verfügte Zustellung durch öffentliche Bekannt­machung bewirkte wegen Nichtvorliegens der Voraus­setzungen keine wirksame Bescheidzustellung.  

 

Im ggst Fall liegt aber ein derartiges Vorgehen der Erstinstanz nicht vor, weil sie die Mutter des Bw, von der wohl eine derartige Auskunft am ehesten zu erwarten war, kontaktierte, der allerdings eine Zustelladresse nicht bekannt war und die nach dem Akteninhalt auch später eine solche nicht mitgeteilt hat. Da dem offen­bar zu dieser Zeit mit dem Bw in Verbindung stehenden Rechtsvertreter eine Vertretungsvollmacht ausdrück­lich nur im Verwaltungsstraf­verfahren erteilt war, war die im Wege öffentlicher Bekannt­machung erfolgte Zustellung des Mandats­bescheides nach Auffassung des Unabhängigen Verwal­tungs­­senates zulässig und rechtswirksam.

  

Die Zustellung einer Kopie des Mandatsbescheides (samt einer Kopie der Bekannt­machung vom 8.10.2009) mit Schreiben der Erstinstanz vom 24.3.2011 an den Rechtsvertreter ist allerdings nur zur Information über dessen Inhalt erfolgt und stellt keine (nochmalige) Zustellung des Mandatsbescheides dar. Die  zweiwöchige Rechtsmittelfrist war bereits im Jahr 2009 abgelaufen – nach dem Anschlag an der Amtstafel 8.10.2009 wurde die Zustellung am 23.10.2009 rechtswirksam und die Rechtsmittelfrist endete daher am 6.11.2009. Die am 5.4.2011 vom nunmehrigen Rechtsvertreter zur Post gegebene "Vorstellung" war ohne jeden Zweifel verspätet und daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Zustellung eines Mandatsbescheides wegen Entziehung der Lenkberechtigung durch öffentliche Bekanntmachung – Vorstellung verspätet;

 

 

VwSen-522836/2/Bi/Eg vom 12. Mai 2011

 

 

Erkenntnis

 

ZustellG §8;

ZustellG §25;

FSG §7 Abs1 Z1;

FSG §7 Abs3 Z1

 

 

Die Zustellung eines Mandatsbescheides wegen Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 7 Abs1 Z1 iVm Abs3 Z1 FSG im Wege öffentlicher Bekanntmachung gemäß §25 ZustellG ist zulässig, wenn ein Zustellversuch an der Adresse des Hauptwohnsitzes des Bw ebenso erfolglos geblieben ist (Mitteilung der Post vom September 2009, dass der Empfänger bis März 2010 ortsabwesend sei) wie eine Anfrage in den österreichischen Justizvollzugsanstalten nach Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die Mutter des Bw mitteilte, dass dieser sich etwa ein halbes Jahr in Palermo/Italien befinde, ihr aber keine Zustelladresse bekannt sei und weiters der Rechtsvertreter des Bw mitteilte, dass sich seine Vollmacht nur auf das Verwaltungsstraf­verfahren beziehe, und darüber hinaus der Bw keine Kenntnis von der Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung hatte, sodass auch kein Fall des §8 ZustellG vorliegt (vgl VwGH 26.2.2002, 2001/11/0305; 28.10.2003, 2003/11/0056, ua).

 

Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setzt voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat. Von der Mutter eines Studenten ist am ehesten eine verbindliche Auskunft über eine Zustelladresse zu erwarten. Lang­wierige Erhebungen über staatliche Stellen in Italien (Vertrag zwischen der Republik Österreich und der italienischen Republik über die wechselseitige Amtshilfe in Kraftfahrangelegenheiten, BGBl 406/1990) sind hingegen unzumutbar, zumal ein solcher Mandatsbescheid den Zweck verfolgt, eine konkrete Person, die eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs1 Z1 iVm Abs3 Z1 FSG gesetzt hat und daher verkehrsunzulässig ist, von der Teilnahme am Straßenver­kehr als Lenker eines Kraftfahrzeugen auszuschließen, um andere Verkehrs­teilnehmer zu schützen.

 

 

 

 

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