Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590280/7/Fi/Fl

Linz, 18.04.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Gmunden vom 12. Oktober 2010, GZ SanRB1-43-2010, wegen Vorschreibung von Pflege-(Sonder)gebühren nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. April 2011 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Gmunden (im Folgenden: belangte Behörde) vom 12. Oktober 2010, GZ SanRB01-43-2010, wurde dem vom Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gegen die Pflegegebührenrechnungen vom 15. Jänner 2004, 3. November 2005, 1. Dezember 2005, 15. März 2006 und 19. Dezember 2006 betreffend seinen verstorbenen Vater erhobenen Einspruch keine Folge gegeben und der Bw verpflichtet, nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides an die rechnungslegende Krankenanstalt die angefallenen Pflege-(Sonder)gebühren in Höhe von 506,20 Euro zu entrichten.

Begründend führt die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und der maßgeblichen Rechtsvorschriften – im Wesentlichen aus, dass im Einspruch vom rechtsfreundlichen Vertreter des Bw eingewendet wurde, dass es nicht nachvollziehbar sei, weshalb der gesamte Betrag vom Bw eingefordert werde, zumal dieser mehrere Geschwister habe und bei mehreren Kindern der Unterhalt von diesen anteilig nach ihren Kräften zu tragen sei. Aufgrund mangelnder Alternativen im Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Familienverhältnisse des Bw würde es diesem obliegen, diesbezüglich initiativ alles darzulegen. Den Bw treffe im gegebenen Fall eine erhöhte "Behauptungspflicht". Der Bw sei um Bekanntgabe der Daten seiner Geschwister aufgefordert worden, sei seiner Mitwirkungspflicht jedoch nicht nachgekommen, sodass mangels Feststellbarkeit von mehreren Unterhaltspflichtigen eine Kostenteilung nicht möglich sei. Gleiches gelte für den Einwand des Bw, dessen Vater habe seine Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt, sowie die Behauptung, dass sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet wäre, weshalb ferner eine Unterhaltspflicht des Bw ausgeschlossen sei.

Betreffend die vom Bw eingewendete Verjährung der Forderungen sei diesem zu entgegnen, dass diese nicht der dreijährigen, sondern der dreißigjährigen Verjährungsfrist des ABGB unterliegen würden.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 9. November 2010 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, am 18. November 2010 per Mail übermittelte – und damit rechtzeitige – Berufung vom selben Tag, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 22. Februar 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt der Bw in seiner Berufung aus, dass er selbstverständlich gerne bereit sei, durch Bekanntgabe seiner Geschwister bzw. Besorgung der Unterlagen bezüglich der Vernachlässigung der Unterhaltspflicht aktiv mitzuarbeiten.

Mit E-Mail vom 20. Dezember 2010 bzw. 21. Jänner 2011 teilte der Bw die Namen und Adressen seiner vier Geschwister mit. Zudem übermittelte der Bw Unterlagen zum Beleg der von ihm behaupteten Vernachlässigung der Unterhaltspflicht durch seinen Vater.

1.3. Mit Schreiben vom 25. Jänner 2010 teilte die belangte Behörde der Gesundheits- und Spitals-AG (im Folgenden: gespag) die neuen Tatsachen im Sinne des § 65 AVG mit und räumte der gespag die Möglichkeit ein, binnen näher bezeichneter Frist eine Stellungnahme abzugeben.

1.4. Mit Schreiben vom 8. Februar 2011 teilte die gespag im Wesentlichen mit, dass ihr die vom Bw nunmehr vorgebrachten Tatsachen unbekannt gewesen seien. Der gespag sei es – anders als der belangten Behörde – nicht erlaubt, ein Beweisverfahren durchzuführen, um solche Daten zu ermitteln. Wenn die gespag die entsprechenden Informationen besitzt, werden offene Pflegegebührenrechnungen selbstverständlich an alle Schuldner anteilig übermittelt.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am
14. April 2011.

2.2. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Mit Schreiben der gespag vom 21. Juni 2010 wurde der Bw aufgefordert, für Behandlungen seines verstorbenen Vaters im Landeskrankenhaus X die noch ausstehenden Pflege-(Sonder)gebühren in Höhe von 506,20 Euro zu bezahlen, weil die Einbringung dieser Forderungen bei seinem Vater erfolglos geblieben ist.

Gegen diese Vorschreibung erhob der Bw durch einen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Einspruch und brachte vor, dass der Anspruch schon deshalb nicht bestehe, weil zum einen sein Vater ihm gegenüber die Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt habe, zum anderen der Bw mehrere Geschwister habe, die den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu tragen hätten, weiters durch die Bezahlung der Unterhalt des Bw gefährdet würde und darüber hinaus die Forderung bereits verjährt sei. Nähere Angaben zum Beleg dieser Vorbringen wurden nicht gemacht.

Mit Schreiben vom 17. September 2010 wurde der Bw aufgefordert, die Namen, Adressen und Geburtsdaten seiner ebenfalls der Unterhaltspflicht unterliegenden Geschwister binnen zweiwöchiger Frist bekannt zu geben. Dieses Schreiben beantwortete der rechtsfreundliche Vertreter des Bw dahingehend, dass ihm nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage er diese personenbezogenen höchstpersönlichen Daten bekannt zu geben habe.

Der Bw wurde daraufhin mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 2010, GZ SanRB01-43-2010, verpflichtet, nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides an die Krankenanstalt X die für seinen verstorbenen Vater angefallenen Pflege-(Sonder)gebühren in Höhe von 506,20 Euro zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid erhob der – mittlerweile unvertretene – Bw Berufung. Im Zuge des Berufungsverfahrens legte der Bw die Daten betreffend seiner vier Geschwister sowie Nachweise zum Beleg der gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht vor, welche die Vernachlässigung der Unterhaltspflicht anzeigten.

2.3.1. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) und aufgrund der am 14. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung. Im Zuge der mündlichen Verhandlung konnte anhand der vom Bw vorgelegten Unterlagen sowie seiner Aussagen festgestellt werden, dass der Bw vier weitere Geschwister hat. Ferner wurde es – auch von allen übrigen Verfahrensparteien – für glaubhaft empfunden, dass der Vater des Bw ihm sowie seinen vier Geschwistern gegenüber seine Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt hat.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2.1. § 55 und 56 Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 – Oö. KAG 1997, LGBl. 132 idF LGBl. 60/2010 lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 55

Pflegegebühren, Sondergebühren; Verpflichtete

(1) Zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren ist in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

(2) Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst oder bei den sonstigen im Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 gilt sinngemäß.

...

§ 56

Pflegegebühren, Sondergebühren; Einbringung

(1) Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Entlassungstag oder nach Bedarf mit dem letzten Tag des Monats abzurechnen und, soweit sie nicht im vorhinein entrichtet worden sind, ohne Verzug mittels Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben. Die Pflege-(Sonder-)gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig. Nach Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag sind Verzugszinsen in der Höhe von 8,5% zu berechnen. In der Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung ist der Verpflichtete aufzufordern, den ausgewiesenen Betrag binnen zwei Wochen zu bezahlen. Ferner ist ein Hinweis auf die Verzugszinsenregelung und auf die Regelung der Abs. 4 und 7 aufzunehmen.

...

(7) Gegen die Vorschreibung (Abs. 1) steht demjenigen, gegen den sie sich richtet, der Einspruch zu, der binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Stelle einzubringen ist, die die Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung ausgestellt hat. Wird innerhalb dieser Frist nicht Einspruch erhoben, so gilt die in der Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung festgehaltene Zahlungsverpflichtung als endgültig festgelegt. Ansuchen um Gewährung eines Zahlungsaufschubes oder von Teilzahlung (Abs. 3) gelten nicht als Einspruch. Falls dem Einspruch vom Rechtsträger der Krankenanstalt nicht voll Rechnung getragen wird, ist er vom Rechtsträger der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen, die die Pflege-(Sonder-)gebühren dem Verpflichteten mit Bescheid vorzuschreiben hat. Dem Rechtsträger der Krankenanstalt kommt im Verfahren Parteistellung zu. Ergibt sich bei der behördlichen Vorschreibung eine Differenz gegenüber dem mit der Pflege-(Sonder-)gebührenrechnung vom Rechtsträger der Krankenanstalt vorgeschriebenen Betrag und wurde ein Betrag bereits erlegt oder die Forderung gemäß Abs. 3 und 4 vollstreckt, so ist im Bescheid zwar die Höhe der Pflege-(Sonder-)gebühren zu bestimmen, jedoch lediglich die Differenz zur Zahlung vorzuschreiben.

(8) Gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß Abs. 7 kann Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden."

3.2.2. § 143 ABGB lautet wie folgt:

"§ 143. (1) Das Kind schuldet seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

(2) Die Unterhaltspflicht der Kinder steht der eines Ehegatten, eines früheren Ehegatten, von Vorfahren und von Nachkommen näheren Grades des Unterhaltsberechtigten im Rang nach. Mehrere Kinder haben den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten.

(3) Der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils mindert sich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist. Überdies hat ein Kind nur insoweit Unterhalt zu leisten, als es dadurch bei Berücksichtigung seiner sonstigen Sorgepflichten den eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet "

3.3. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Pflege-(Sonder-)gebühren, die gemäß § 55 Abs. 1 Oö. KAG 1997 grundsätzlich vom Patienten selbst zu tragen sind. Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Patienten selbst hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. Da das Oö. KAG 1997 den Unterhaltsbegriff nicht näher definiert bzw. diesbezüglich keine eigenen Regelungen enthält, sind zur Auslegung die Bestimmungen des ABGB heranzuziehen.

Wie das Ermittlungsverfahren ergab, hat der Bw vier Geschwister, sodass gemäß § 55 Abs. 2 Oö. KAG 1997 iVm § 143 Abs. 2 ABGB die Pflege-(Sonder-)gebühren vom Bw und seinen Geschwistern anteilig nach ihren Kräften zu tragen wären. Dem Bw gelang es nunmehr im Ermittlungsverfahren vor der Berufungsbehörde durch Vorlage von Unterlagen darzulegen, dass sein verstorbener Vater ihm gegenüber den Unterhalt gröblich vernachlässigte, sodass von einer Kostenersatzpflicht des Bw gänzlich abzusehen war (vgl. § 55 Abs. 2 Oö. KAG 1997 iVm § 143 Abs. 1 ABGB). Der Berufung war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

4. Im Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

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