Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720295/2/Fi/Fl

Linz, 15.04.2011

 

 

 

B e s c h l u s s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, vertreten durch X, Rechtsanwalt, X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion der Stadt Linz vom 19. Juni 2009, GZ 1006663/FRB, wegen Erlassung eines auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Aufenthaltsverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bundespolizeidirektion der Stadt Linz zurückverwiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion der Stadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. Juni 2009, GZ 1006663/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führt die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhaltes und der maßgeblichen Rechtsgrundlagen – im Wesentlichen aus, dass auf den Bw die Sonderbestimmungen für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß § 86 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG 2005) keine Anwendung finden würden, weil eine Anfrage beim AMS ergeben habe, dass der Bw weder aus
Art. 6 noch aus Art. 7 des Assoziationsabkommens mit der Türkei Rechte ableiten könne. Ebenso wenig gebiete die Ehe des Bw mit einer rumänischen Staatsangehörigen die Anwendung des § 86 FPG, zumal seinen Angaben nicht entnommen werden könne, dass die Ehegattin des Bw ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Der Bw sei mehrmals von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden, wobei den beiden letzten Verurteilungen durch das Landesgericht Linz strafbare Handlungen mit der gleichen schädlichen Neigung – Delikte gegen fremdes Vermögen – zu Grunde gelegen seien, weshalb § 60 Abs. 2 Z 1 FPG 2005 erfüllt sei. Zudem weise der Bw zwei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen gemäß § 20 Abs. 2 StVO auf, weshalb ferner der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erfüllt sei.

Infolge des Gesamtverhaltens des Bw (Art und Häufigkeit der vom Bw gesetzten Delikte) könne es insgesamt keinem Zweifel unterliegen, dass das persönliche kriminelle Verhalten des Bw eine erhebliche Gefahr darstelle, die wesentliche Grundinteressen der Gesellschaft berühre. Dem Einwand des Bw, er habe sich zuletzt wohl verhalten, sei zu entgegnen, dass der Zeitraum seit der letzten Verurteilung – September 2007 – noch viel zu kurz sei, um eine zuverlässige Prognose für das zukünftige Wohlverhalten des Bw abgeben zu können. Weiters hätten die ersten Verurteilungen den Bw auch nicht von weiteren Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung abhalten können, vielmehr sei dem Bw bei seiner letzten Verurteilung u.a. sogar die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens als erschwerend angelastet worden.

Dem Bw sei zwar ein gewisses Maß an Integration in Österreich zuzubilligen (Bw lebte von 1998 bis 2007 offensichtlich durchgehend in Österreich und war in diesem Zeitraum bei verschiedenen Dienstgebern legal beschäftigt; Adoptivvater bzw. Bruder des Bw lebt in Österreich, gute Deutschkenntnisse), eine "Integration in sozialer Hinsicht" sei dem Bw in Anbetracht seiner zahlreichen Gesetzesübertretungen jedoch nicht gelungen. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben relativiere sich insofern, als der Bw nunmehr seit zwei Jahren mit seiner Ehegattin in Rumänien lebe, dort auch einer Erwerbstätigkeit nachgehe und mittlerweile Volljährigkeit eingetreten sei, sodass sich auch die Beziehung zu seinem österreichischen Adoptivvater relativiere. Zudem könne der Kontakt zu den Verwandten auch insofern aufrechterhalten werden, als diese den Bw in Rumänien besuchen. Nach einer umfassenden Interessensabwägung sei daher festzuhalten, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen der Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw. Die belangte Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Dauer des Aufenthaltsverbots.

Die belangte Behörde stützt sich bei ihren Ausführungen auf die §§ 60, 63 und 66 FPG 2005.

1.2 Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 23. Juni 2009 zugestellt wurde, erhob der Bw rechtzeitig – Postaufgabe am 7. Juli 2009 – das Rechtsmittel der Berufung.

Begründend führt der Bw darin aus, dass der Bescheid der belangten Behörde wegen unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werde. Die Feststellungen der belangten Behörde zu den in Österreich lebenden Verwandten seien unvollständig, zumal alle Brüder des Bw mit ihren Familien in Österreich leben würden. Gänzlich verfehlt sei ferner, dass der Bw als türkischer Staatsangehöriger keine Rechte aus Art. 6 und 7 des Assoziationsabkommen ableiten könne. Weiters werde die Ehegattin des Bw sehr wohl ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen, da diese ab 1. August 2009 in Österreich beschäftigt sei. Zum Beweis werde eine Bestätigung des neuen Dienstgebers der Ehegattin vorgelegt.

Im Übrigen sei die Begründung der belangten Behörde bloß schablonenhaft erfolgt. So wäre etwa bei Zweifeln am Vorbringen des Bw, er habe nunmehr ein gutfreundschaftliches Verhalten zu seiner Exgattin, der gegenüber er zuvor straffällig geworden war, eine Einvernahme der Exgattin durchzuführen gewesen anstatt dieses Vorbringen als bloße Behauptung zu werten. Ebenso wenig sei der Umstand ausreichend berücksichtigt worden, dass der Bw aus eigenem Antrieb nach Österreich zurückgekehrt sei, um sich den Strafbehörden zu stellen und "geordnete Verhältnisse" herbeizuführen.

Durch das überlange Aufenthaltsverbot werde erheblich in das Privat- und Familienleben des Bw eingegriffen. Der Bw würde von allen sozialen Kontakten abgeschnitten. Der Großteil seiner ihm sehr nahestehenden Familie sowie künftig auch seine Ehegattin würden in Österreich leben.

Abschließend beantragt der Bw zum Beweis seines Vorbringens die Einvernahme drei namentlich genannter Personen sowie die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde; in eventu das befristete Aufenthaltsverbot auf ein Jahr herabzusetzen.

1.3. Mit Schreiben der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich (im Folgenden: SID) vom 29. März 2011 wurde die Berufung des Bw vom 8. Juli 2009 gemäß "§ 51 Abs 2 FPG ... zuständigkeitshalber" unter Anschluss des betreffenden Verwaltungsaktes der Erstbehörde dem Unabhängigen Verwaltungssenat "zur ... weiteren Veranlassung" vorgelegt.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstbehörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien).

2.2. Aus den dargelegten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Der Bw ist türksicher Staatsbürger. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den Bw ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 2 iVm § 66 FPG 2005 verhängt. Der Bw sei mehrmals von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden, wobei den beiden letzten Verurteilungen durch das Landesgericht Linz strafbare Handlungen mit der gleichen schädlichen Neigung – Delikte gegen fremdes Vermögen – zu Grunde gelegen seien, und weise ferner zwei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen gemäß § 20 Abs. 2 StVO auf. Die Anwendung der Sonderbestimmungen für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß § 86 FPG 2005 wurde verneint, weil der Bw weder aus Art. 6 noch aus Art. 7 des Assoziationsabkommens mit der Türkei Rechte ableiten könne, noch Hinweise erkennbar seien, dass die rumänische Ehegattin des Bw ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Gegen diesen Bescheid wurde vom Bw rechtzeitig im Juli 2009 Berufung erhoben, mit der der Bescheid der belangten Behörde wegen unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wurde. Zum Beleg des Vorbringens beantragt der Bw die Einvernahme dreier näher bezeichneter Zeugen. Zudem bringt er vor, dass seine rumänische Ehegattin sehr wohl ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen werde.

Mit Schreiben der SID vom 29. März 2011 wurde die Berufung des Bw dem Unabhängigen Verwaltungssenat "zuständigkeitshalber ... zur ... weiteren Veranlassung" übermittelt. Dem Akt, der beinahe zwei Jahre nach Erhebung der Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt wurde, sind keine weiteren Ermittlungsschritte seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: AVG) hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes - FPG 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 17/2011 lauten wie folgt:

3.2.1.1. § 9 Abs. 1 FPG 2005 lautet wie folgt:

"§ 9 (1) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,

1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und

2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz."

3.2.1.2. § 60 FPG 2005 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 60 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, i.V.m. § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1a, 1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, oder gemäß den §§ 9 oder 14 in Verbindung mit § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

3. - 14. ...

(3) - (5) ...

(6) § 66 gilt."

3.2.1.3. § 63 lautet wie folgt:

"§ 63 (1) Ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot kann in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z 1, 5 und 12 bis 14 unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder des Rückkehrverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

3.2.1.4. § 66 lautet wie folgt:

"§ 66 (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

(3) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre."

3.2.1.5. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG 2005 § 86 FPG 2005 dient der Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (vgl. dazu Erläut. zur RV 952 BlgNR 22. GP 106f.) – ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Aufenthalt ununterbrochen seit 10 Jahren im Bundesgebiet haben, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthalts­verbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

3.2.1.6. § 2 Abs.4 Z 10 und 11 FPG 2005 lautet wie folgt:

"(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist ...

10. Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger ist;

11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr gemeinschaftsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;"

3.2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheids an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich scheint. Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen angenommen hat, ist es für die Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG unerheblich, ob die Feststellung des Sachverhalts eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erfordert (vgl. Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht³ [2005] Rz 523 und die dort verwiesene Judikatur).

3.3. Seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides – die Berufung erreichte den Unabhängigen Verwaltungssenat aus Anlass einer Weiterleitung am 4. April 2011 – sind nunmehr beinahe zwei Jahre vergangen und damit erhebliche Umstände eingetreten, welche von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung noch keine Berücksichtigung finden konnten. Aufgrund dieser Zeitspanne, die mögliche wesentliche Sachverhaltsänderungen bedingt, erweist es sich als unabdingbar, den Sachverhalt neu zu ermitteln und zu beurteilen. So wird etwa insbesondere die Frage zu klären sein, ob die rumänische Ehegattin des Bw ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Zum Beleg dieses Vorbringens legte der Bw der Berufung eine Bestätigung über ein Angestelltenverhältnis seiner Ehegattin bei einem Unternehmen mit Sitz in Österreich beginnend mit 1. August 2009 bei. Die Einvernahme der rumänischen Ehegattin wird sich daher ebenso notwendig erweisen, wie die Einvernahme der vom Bw beantragten Zeugen, die Auskünfte betreffend sein Privat- und Familienleben und damit zu seiner Integration in Österreich tätigen sollen. Darüber hinaus wird das Verhalten des Bw in den letzten beiden Jahren zu erheben und neu zu würdigen sein, zumal die letzte im Akt befindliche Gesetzesübertretung des Bw im Jahr 2007 erfolgte. Aus alledem wird ersichtlich, dass es unausweichlich scheint, den Sachverhalt neu zu erheben und eine mündliche Verhandlung, bei der die vom Bw beantragten Zeugen sowie seine rumänische Ehegattin einvernommen werden, vor der belangten Behörde durchzuführen. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Rechtmäßigkeit des betreffend den Bw verfügten auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbots beurteilt werden.

Letztlich ausschlaggebend für die Zurückverweisung ist insbesondere der Umstand, dass mit einer mündlichen Verhandlung und unmittelbaren Beweisaufnahme durch den Unab­hängigen Verwaltungssenat selbst keine Ersparnis an Zeit und Kosten im Sinn des komplementären Tatbestands des § 66 Abs. 3 AVG verbunden wäre. Im Gegenteil gebietet es die Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (vgl. § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG), die notwendigen ergänzenden Beweise durch die - mit dem vorliegenden Fall vertraute - belangte Behörde vornehmen zu lassen.

Zusätzlich würde bei einer Durchführung des zweifellos notwendigen ergänzenden Ermittlungsverfahrens durch den Unabhängigen Verwaltungssenat der der Bw nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­hofs generell zustehende gericht­liche Rechtsschutz insofern entzogen werden, als der (gemäß Art. 130 und 131 B-VG zur allfälligen Überprüfung zuständige) Verwaltungsgerichtshof - im Gegen­satz zum Unabhän­gigen Verwaltungssenat (vgl. Art. 129a B-VG iVm §§ 67a ff AVG) - im Wesentlichen nur als Revisionsinstanz und nicht als Tatsacheninstanz einge­richtet ist. Es ist daher davon auszugehen, dass die neuerliche Prüfung und Er­gänzung des Sachverhalts durch die Administrativbehörde zu erfolgen hat, sodass für den Bw eine allfällige nachfolgende (umfassende) Prüfungsmöglichkeit durch den Un­abhängigen Ver­waltungssenat gewahrt bleibt.

Der Bescheid war daher zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bundespolizeidirektion der Stadt Linz zurückzuverweisen.

3.4. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung wird durch die Einvernahme der beantragten Zeugen sowie der rumänischen Ehegattin des Bw insbesondere die Frage zu klären sein, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch nach derzeitiger Sach- und Rechtslage – der angefochtene Bescheid wurde etwa vor zwei Jahren erlassen – als rechtmäßig erweist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

 

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