Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231131/2/BMa/Mu/Th

Linz, 11.05.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die auf die Strafhöhe beschränkte Berufung der X, geb. X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 23. August 2010, Sich96-170-2010, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 Stunden herabgesetzt werden.

 

II.           Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 5 Euro. Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem
Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – AVG iVm. §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – VStG

Zu II.:  § 64 und 65 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde die Berufungsweberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es zu verantworten, dass Sie sich seit dem rechtkräftigen Abschluss Ihres Asylverfahrens, somit seit 9.6.2010, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten, da Sie nicht im Besitz eines gültigen Aufenthalts- oder Einreisetitels für Österreich sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§ 31 Abs. 1 iVm. 120 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (iF: FPG), BGBl. 157/2005 idgF

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von               falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

1.) 1.000,00 Euro          100 Stunden                             § 120 Abs. 1 Z 2 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

100,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

1.100,00 Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die der Bwin angelastete Tat auf Grund des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen wird im Wesentlichen weiters vorgebracht, es stehe fest, dass sich die Bwin unrechtmäßig in Österreich aufhalte.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Erschwerend wurde kein Umstand gewertet. Die Verhängung der Mindeststrafe wurde als angemessen gesehen.

 

1.3. Gegen dieses der Bwin am 28. August 2010 durch Hinterlegung zugestellte  Straferkenntnis richtet sich die vorliegende am 6. September 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung, mit der nur die Strafhöhe bekämpft wird.

 

Darin führt die Bwin aus, dass in ihrem Fall die Milderungsgründe gemäß § 19 VStG iVm § 34 StGB, vor allem die Ziffer 2 und Ziffer 13, gegenüber den Erschwerungsgründen beträchtlich überwiegen würden. Zudem liege lediglich ein geringfügiges Verschulden vor, weil sie bereits eine Rückkehrhilfe in Anspruch genommen habe, weshalb gemäß § 20 VStG um eine Herabsetzung der Strafe auf die Hälfte ersucht wird.

 

2.1. Mit Schreiben vom 9. September 2010 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Sich96-170-2010. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.3 Z2 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.3. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem – unstrittigen – entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Die Bwin ist unbescholten und hat im Rahmen ihrer Berufung ein Tatsachen- und Schuldeingeständnis abgelegt. Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen. Die Erstbehörde hat bei der Straffestsetzung das Schuldeingeständnis nicht gewertet. Es wurde nicht berücksichtigt, dass die Bwin Rückkehrhilfe in Anspruch genommen hat.

 

2.5. Da sich die gegenständliche Berufung ausschließlich gegen das Strafausmaß richtet, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und unangreifbar.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs.1 Z2 des Fremdenpolizeigesetzes  BGBl. I Nr. 100/2005, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs.1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs.5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs.3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde von ihrem Ermessen insoweit Gebrauch gemacht, als sie die Mindeststrafe für dieses Delikt verhängt hat.

 

3.2. Gemäß § 21 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe und die Erteilung der Ermahnung liegen schon deshalb nicht vor, weil – wie die belangte Behörde richtig festgestellt hat – das tatbildmäßige Verhalten der Bwin nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben ist.

Der Umstand, dass es die Bwin während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens, mit dessen negativem Ausgang sie auch rechnen hätte müssen, unterlassen hat, sich über die für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erforderlichen Voraussetzungen bei der zuständigen Behörde zu erkundigen, ist als grob fahrlässiges Verhalten zu werten. Es kann daher nicht mehr als ein bloß geringfügigen Verschulden iSd § 21 Abs.1 VStG qualifiziert werden.

 

3.3. Nach § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Trotz des vorliegenden Milderungsgrundes der absoluten verwaltungsstraf­rechtlichen Unbescholtenheit  hatte die belangte Behörde die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses § 120 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009, anzuwenden und daher auf die vorgesehene Mindeststrafe von 1.000 Euro abzustellen.

 

Allerdings hat hiezu der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs.7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs.5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl. I Nr. 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs.5 dritter Satz B-VG) nach Art. 140 Abs.7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs.2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs.7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs.7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs.2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs.1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist.

Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungs­entscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs.1 FPG zu Grunde zu legen.

 

Bedingt durch die Aufhebung der Mindeststrafe von 1.000 Euro hatte sich der Unabhängige Verwaltungssenat bei der Strafbemessung am nunmehr geltenden Strafrahmen (Geldstrafe bis 5.000 Euro) zu orientieren.

Abstellend auf das schuldhafte Verhalten der Bwin und die vorliegenden Milderungsgründe der absoluten verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit  und des Schuldeingeständnisses erachtet der Oö. Verwaltungssenat die nunmehr verhängte Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden für angemessen und ausreichend, um die Bw zukünftig von einer gleichgelagerten Verwaltungsübertretung abzuhalten. Dies auch deshalb, weil die Bwin bereits Rückkehrhilfe in Anspruch genommen hat und damit spezialpräventive Gründe in den Hintergrund treten.

 

3.4. Der gegenständliche Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG insoweit stattzugeben, als die verhängte Geldstrafe auf 50 Euro und gemäß der durch § 16 Abs.2 VStG vorgegebenen Relation eine Ersatzfreiheitsstrafe auf das Ausmaß von 4 Stunden herabzusetzen war.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs.1 und 2 VStG auf 5 Euro. Für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war der Bwin hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

 

5. Anmerkung: In dem gleichgelagerten, vom Verwaltungssenat bereits mit Erkenntnis vom 16. September 2010 entschiedenen Fall, VwSen-231132/2/Gf/Mu, betreffend X (selbe Berufung vom 6. September 2010) war die Rechtslage vor dem Erkenntnis des VfGH vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., maßgebend.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

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