Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240798/3/Sr/Mb/Ba

Linz, 26.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des Herrn x, geb. x, x als außenvertretungsbefugtes Organ der x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 11.3.2011, GZ: SanRB96-55-2010, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 21, 24, 45 Abs. 1 Z. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: §  66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 11. März 2011, GZ: SanRB96-55-2010, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

Im Zuge einer amtlichen Kontrolle gemäß dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz wurde am 18.5.2010 um 08.30 Uhr in Ihrem Fleischereibetrieb, der x in x, x, eine amtliche Probe des von Ihrem Betrieb erzeugten Produktes "Schweinebratwürstel" entnommen und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz, zur Begutachtung übermittelt.

 

Laut dem amtlichen Untersuchungszeugnis (Auftragsnummer: 10047184 vom 1.7.2010) wurde ein Lagerversuch bei +4 Grad C durchgeführt, dabei wurde eine Teilprobe nach dem Probeneingang und einer Teilprobe am Ende des empfohlenen Mindesthaltbarkeitsdatums (1.6.2010) untersucht.

Die Probe/das Erzeugnis weist jedoch am Ende der empfohlenen Mindesthaltbarkeit Geruchs- und Geschmackfehler sowie einen erhöhten Keimgehalt (mesophile aerobe Gesamtkeimzahl von 44 000 000 KBE/g und Milchsäurebakterien von 35 000 000 KBE/g) auf, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit ausgeschlossen wird.

Die Probe/das Erzeugnis ist somit bis zum angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht lagerfähig und für den menschlichen Genuss nicht mehr geeignet.

Da die Probe nach Lagerung bis zur empfohlenen Mindesthaltbarkeit nicht lagerfähig ist, ist die Angabe der Mindesthaltbarkeit unrichtig, vom Hersteller zu lange bemessen.

Die Probe/das Erzeugnis beinhaltet daher nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zur Täuschung geeignete Angaben.

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x mit Sitz in x, diese ist wiederum persönlich haftender Gesellschafter der x, sind Sie für die Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz verantwortlich.

Der Bw habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Z. 1 iVm § 90 Abs. 1 Z. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG eine Geldstrafe von 50 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die gezogenen Schweinsbratwürstel "erst nach dem Ende der angegebenen Mindesthaltbarkeit zu hohe Keimwerte, Geruchs- und Geschmackfehler aufwiesen und nicht mehr für den menschlichen Genuss geeignet waren". Die Handlungsweise des beschäftigten Mitarbeiters und des Bw betreffend Lagerung von Produkten für den privaten Gebrauch sei für die belangte Behörde "nicht eindeutig nachvollziehbar". Das "nach Ende der angegebenen Mindesthaltbarkeit nicht mehr genussfähige Produkt" sei ohne Kennzeichnung gewesen, wonach dieses für den privaten Gebrauch bestimmt und nicht für den Verkauf an Kunden/Verbraucher geeignet sei. Der Bw habe daher schuldhaft gehandelt. Straferschwerende Gründe seien nicht hervorgekommen.

2. Gegen dieses einem Arbeitnehmer des Bw am 15. März 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. März 2011 – und damit rechtzeitig – direkt bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

In der Begründung führte der Bw im Wesentlichen aus, dass das Lebensmittelaufsichtsorgan neben zwei weiteren Proben auch eine Probe von Schweinsbratwürsteln ziehen wollte. Zum Kontrollzeitpunkt seien keine für den Verkauf bestimmten Schweinsbratwürstel vorrätig gewesen. Lediglich eine geringe Menge für das Personal zur freien Entnahme habe sich im Kühlraum in einer Kiste befunden. Aufgrund der geringen Menge habe sein Mitarbeiter auch keine Gegenprobe weggelegt. Von den in der Kühlvitrine gelagerten verpackten und ausgezeichneten Wurstwaren habe das Lebensmittelaufsichtsorgan keine Probe nehmen wollen. Hätte das Organ im Zuge der Kontrolle (ich stand damals mit meinem Mitarbeiter in telefonischen Kontakt) bekannt gegeben, eine weitere Probe (Schweinsbratwürstel) ziehen zu wollen, hätte ich ihr gesagt, dass diese nicht für den Verkauf bestimmt sind.

Abschließend beantragte der Bw die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat den Verwaltungsstrafakt, GZ. SanRB96-55-2010, samt Berufungsschrift vorgelegt.

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.3. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Am 18. Mai 2010 um ca. 08.30 Uhr nahm ein Organ der Lebensmittelaufsicht bei der x in der Fleischhauerei in x, eine Probenziehung gemäß § 36 LMSVG vor.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle waren die Schweinsbratwürstel in Kunststofffolien eingeschweißt und wurden in einer roten Kiste im Kühlraum gelagert. Kein Einziges so gelagerten Schweinsbratwürstelpackungen wies ein Etikett auf. Über Ersuchen des Aufsichtsorgans versah ein Mitarbeiter des abwesenden Bw die zu Untersuchungszwecken entnommenen Packungen mit einem Etikett und brachte dabei das Mindesthaltbarkeitsdatum "1. Juni 2010" an. Ausgehend davon, dass die Schweinsbratwürstel am 15. Mai 2010 hergestellt worden sind, hat er das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum errechnet und aufgedruckt.

Laut Probenbegleitschreiben vom 18. Mai 2010, Probenzeichen 4004ABER0077/10, wurde die Ware im Kühlraum für den Verkauf in einer roten Kiste gelagert, betrug der verbleibende Vorrat 3 Packungen und wurde auf eine Gegenprobe verzichtet.

Das Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz (AGES) hat die Proben (Probenummer 10047184-001) in der Zeit 18. Mai 2010 bis 30. Juni 2010 untersucht und im anschließenden Gutachten ausgeführt, dass die Teilprobe am Ende des empfohlenen Mindesthaltbarkeitsdatums (1. Juni 2010) Geruchs- und Geschmackfehler sowie einen erhöhten Keimgehalt (mesophile aerobe Gesamtkeimzahl, Milchsäurebakterien) aufgewiesen haben, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit ausgeschlossen wird. Die Probe ist bis zum angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht lagerfähig, für den menschlichen Genuss nicht mehr geeignet, die Angabe der Mindesthaltbarkeit unrichtig und somit vom Hersteller zu lange bemessen.

Mit Strafverfügung vom 9. August 2010 zu GZ. SanRB96-55-2010, zugestellt am 11. August 2010, wurde dem Bw von der belangten Behörde folgender Tatvorwurf eröffnet:

Im Zuge einer amtlichen Kontrolle gemäß dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz wurde am 18.5.2010 um 08.30 Uhr in Ihrem Fleischereibetrieb, der x in x, eine amtliche Probe des von Ihrem Betrieb erzeugten Produktes "Schweinebratwürstel" entnommen und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz, zur Begutachtung übermittelt.

1. "Schweinsbratwürstel":

Laut dem amtlichen Untersuchungszeugnis (Auftragsnummer: 10047184 vom 1.7.2010) wurde ein Lagerversuch bei +4 Grad C durchgeführt, dabei wurde eine Teilprobe nach dem Probeneingang und einer Teilprobe am Ende des empfohlenen Mindesthaltbarkeitsdatums (1.6.2010) untersucht.

Die Probe/das Erzeugnis weist jedoch am Ende der empfohlenen Mindesthaltbarkeit Geruchs- und Geschmackfehler sowie einen erhöhten Keimgehalt (mesophile aerobe Gesamtkeimzahl von 44 000 000 KBE/g und Milchsäurebakterien von 35 000 000 KBE/g) auf, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit ausgeschlossen wird.

Die Probe/das Erzeugnis ist somit bis zum angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht lagerfähig und für den menschlichen Genuss nicht mehr geeignet.

Da die Probe nach Lagerung bis zur empfohlenen Mindesthaltbarkeit nicht lagerfähig ist, ist die Angabe der Mindesthaltbarkeit unrichtig, vom Hersteller zu lange bemessen.

Die Probe/das Erzeugnis beinhaltet daher nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz zur Täuschung geeignete Angaben.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw am 23. August 2010, somit innerhalb offener Frist, Einspruch. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 24. August 2010 führte der Bw gegenüber der belangten Behörde aus, dass er zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht im Betrieb anwesend war und um eine Verschiebung der Kontrolle ersucht hat. Das Lebensmittelaufsichtsorgan ist diesem Wunsch nicht nachgekommen. Nach telefonischer Mitteilung des Mitarbeiters, dass Wurstproben gezogen werden müssen, teilte der Bw seinem Mitarbeiter mit, welche Produkte dahingehend in Frage kämen. Da das Aufsichtsorgan aber den telefonisch durch den Mitarbeiter mitgeteilten Probenwunsch erweiterte, wurden daraufhin versehentlich durch den Mitarbeiter (welcher im Akt als QM-Beauftragter bezeichnet wird; siehe GZ: SanLA0406/0014-0034-2010/ABER vom 13. Juli 2010) dem Aufsichtsorgan Schweinsbratwürstel ausgefolgt, die nicht für den Verkauf bzw. den Verbraucher vorgesehen waren. Die Etikettierung der Schweinebratwürstel erfolgte über Ersuchen des Lebensmittelaufsichtsorgans, da dieses unbedingt verpackte Schweinebratwürstel untersuchen lassen wollte und andere Schweinebratwürstel nicht vorhanden waren. Der zum Kontrollzeitpunkt bereits gekündigte Mitarbeiter hat bei der Etikettierung versehentlich ein falsches Ablaufdatum vorgesehen.

Im Zuge des ordentlichen Verfahrens führte der Bw im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 20. Oktober 2010 um 10.15 Uhr weiter aus, dass am 15. Mai 2010 (Samstag) kein Produktionstag war. Es wird weder an Freitagen noch an Samstagen produziert. Betreffend der im Kühllagerraum in der roten Kiste aufbewahrten, verpackten Schweinebratwürstel wird vom Bw konkretisiert, dass in einer solchen roten Kiste unter anderem Lebensmittel kurzfristig gelagert werden, die auch für den privaten Gebrauch/Verzehr von Mitarbeitern der x bestimmt sind – genauer: die auch von Mitarbeitern genommen werden können!

Aufgrund des Vorbringens des Bw wurde das Lebensmittelaufsichtsorgan am 13. Oktober 2010 niederschriftlich einvernommen. Über Befragen führte dieses an, dass die gegenständlichen Schweinebratwürstel verpackt und unetikettiert im Kühlraum in einer roten Kiste gelagert waren. Über ihr Ersuchen hat der Mitarbeiter des Bw die Packungen mit Etiketten versehen und das Ablaufdatum angebracht. Das Ablaufdatum hat der Mitarbeiter selbst festgelegt und der Berechnung den Produktionstag mit drei Tage vor der gegenständlichen Kontrolle zugrunde gelegt.

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x und ist diese wiederum persönlich haftender Gesellschafter der x ist. Sohin ist der Bw als außenvertretungsbefugtes Organ anzusehen.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgeblichen Rechtsvorschriften des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl I 13/2006, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 52/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Jänner 2002, ABl L 31/1 vom 1.2.2002 lauten:

 

4.1.1. LMSVG:

Begriffsbestimmungen

 

§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

[...]

9.     Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß auch für Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel. Für Wasser für den menschlichen Gebrauch gilt auch die Abgabe zum Zweck der Gemeinschaftsversorgung als Inverkehrbringen, sofern diese nicht im Rahmen des familiären Verbandes erfolgt. Davon abweichend ist als Inverkehrbringen bei ursprünglich auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 – LMG 1975, BGBl. Nr. 86, erlassenen Verordnungen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften gemäß Z 13 nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 bleiben davon unberührt.

[...]

2. Abschnitt

Lebensmittel

Allgemeine Anforderungen

§ 5. (1) [...]

 

(2) Es ist verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

[...]

2. Abschnitt

Verwaltungsstrafbestimmungen

Tatbestände

§ 90. (1) Wer

1.      Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung, [...]

in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

4.1.2. Verordnung (EG) Nr. 178/2002:

Kapitel 1

Artikel 3

In Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

[...]

8. "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst;

[...]

4.2.  Eine gemäß § 32 Abs. 2 VStG geforderte Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben (siehe Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht4 468). Diese Amtshandlung muss sich insofern auf alle einer späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (VwGH 19.12.2005, 2001/03/0162). Diese Präzisierung lässt zwei Zielrichtungen erkennen: Einerseits muss der Beschuldigte auf den konkreten Tatvorwurf bezogen in die Lage versetzt werden, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und andererseits soll er davor geschützt werden, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Hengstschläger, Verwaltungsverfahren4 Rz 801 mwN). Die rechtliche Beurteilung selbst hat dahingehend keine Relevanz (K.Stöger in N.Raschauer/W.Wessely, VStG § 31 Rz 4).

Die unter Punkt 3.3. im Wortlaut angeführte Strafverfügung beinhaltet selbst lediglich den Vorwurf, dass die entnommene Probe nicht bis zum angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum lagerfähig sei, für den menschlichen Genuss nicht mehr als geeignet betrachtet werden könne und daher das auf der Verpackung angebrachte Mindesthaltbarkeitsdatum unrichtig sei. Daraus resultiere, dass die Probe (Schweinebratwürstel) mit zur Täuschung geeigneten Angaben versehen sind. Die Verfolgungshandlung bezieht sich somit nicht auch auf jene Sachverhaltselemente, welche die grundlegende Voraussetzung für das – durch die Strafverfügung angesprochene – in § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG und § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG normierte Verbot bilden.

§ 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG verbietet Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Selbiges setzt § 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG voraus. Auch dieser stellt auf das "Inverkehrbringen" als Tatbestandselement ab. Grundvoraussetzung ist dementsprechend jener Lebenssachverhalt, der hinter dem Tatbestandsmerkmal des "Inverkehrbringens" steht. Die mit der Strafverfügung getätigte Verfolgungshandlung bezieht sich daher nicht auf alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente, da lediglich auf die falsche Etikettierung der Lebensmittel Bezug genommen wird und die grundlegende Voraussetzung des "Inverkehrbringens" dem Bw nicht vorgeworfen wurde. Es findet sich lediglich die Vorhaltung, dass die Schweinebratwürstel im Betrieb des Bw produziert wurden.

Ergibt sich jedoch aus den Verwaltungsakten, dass dem Bw innerhalb der Verjährungsfrist, wenn auch nur mündlich, bei einer Vernehmung die ihm zur Last gelegte Tat konkret vorgehalten wurde und er mehrmals zu den einzelnen Vorwürfen Stellung bezieht, so liegt darin eine taugliche Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG (siehe VwGH vom 13.5.1981, 3245/80); ebensolches gilt für das Vorhalten im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (siehe VwGH 30.1.2001, 99/05/116).

Mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 19. Oktober 2010, mit der als Beilage auch die Niederschrift (Einvernahme des Aufsichtsorgans gemäß § 24 LMSVG; Erörterung, wo die gezogene Probe zum Kontrollzeitpunkt gelagert war) übermittelt wurde, ist eine, sämtliche Sachverhaltselemente umfassende Verfolgungshandlung gesetzt worden. Insofern wird der Lebenssachverhalt, der sich hinter dem Tatbestandsmerkmal des "In-Verkehr-bringens" gemäß § 3 Abs. 1 Z. 9 VStG iVm der VO (EG) Nr. 178/2002 verbirgt, von dieser auf den Tatvorwurf der Strafverfügung vom 9. August 2010 aufbauenden Verfolgungshandlung abgedeckt und die Verfolgungshandlung im Hinblick auf die gegenständliche Strafbarkeit innerhalb der Verfolgungsverjährungfrist (§ 31 Abs. 2 VStG iVm § 71 LMSVG) vervollständigt.

4.3. Gemäß §§ 5 Abs. 2 iVm 90 Abs. 1 Z. 1 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen.

Nach § 3 Z. 9 LMSVG iVm Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (siehe hier die Definition in Art. 3 Z. 8 der Verordnung) ist unter "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst, zu verstehen. Das "Inverkehrbringen" umfasst somit auch das Bereithalten von Lebensmitteln für jede andere Form der Weitergabe als den Verkauf im eigentlichen Sinn. Die Angabe, dass die in der roten Kiste im Kühlraum gelagerten Schweinebratwürstel nicht für den Verkauf bzw. den Verbraucher vorgesehen waren, schließt eben nicht aus, dass sie zur Weitergabe in der oben ausgeführten Form bereitgehalten wurden. Bestätigt wird dies dadurch, dass der Bw angibt, dass in dieser roten Kiste Lebensmittel kurzfristig gelagert werden, die auch von Mitarbeitern genommen werden können (aktiv!). Dies stellt ebenso ein Bereithalten für die unentgeltliche Weitergabe dar und ist als "Inverkehrbringen" zu verstehen (in diese Richtung VwGH 29.10.2007, 2007/10/0204).

Zur Irreführung geeignete Angaben sind insb. nach § 5 Abs. 2 Z. 1 LMSVG zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart. Irreführend ist eine Angabe im Sinne des § 5 Abs. 2 LMSVG, wenn die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über ihre Bedeutung mit den wahren Verhältnissen nicht im Einklang steht (Blass et al, LMSVG § 5 Rz 10).

Das – unbestritten gebliebene – Gutachten der AGES hat ergeben, dass die Teilprobe betreffend die Schweinebratwürste am Ende des über Ersuchen des Aufsichtsorgans angebrachten Mindesthaltbarkeitsdatums (1. Juni 2010) Geruchs- und Geschmackfehler sowie einen erhöhten Keimgehalt (mesophile aerobe Gesamtkeimzahl, Milchsäurebakterien) aufgewiesen hat, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit ausgeschlossen war. Die Probe war bis zum angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht lagerfähig, für den menschlichen Genuss nicht mehr geeignet, die Angabe der Mindesthaltbarkeit unrichtig und somit vom Hersteller zu lange bemessen.

4.4. Trotz der Sanierbarkeit der Tatanlastung und des vorliegenden Gutachtens der AGES kann dem Bw nicht der von der belangten Behörde beabsichtigte Vorwurf gemacht werden.

Im Hinblick auf die besonderen Lagerungsumstände ist davon auszugehen, dass die gegenständlichen Schweinsbratwürstelpackungen zum Zeitpunkt des Kontrollbeginns im Sinne des LMSVG in Verkehr gebracht worden sind. Auch wenn der Bw darzustellen versucht, dass die Packungen nur zur sonstigen Weitergabe bereitgehalten wurden (Abgabe an Bedienstete) bedarf es, wie nachfolgend ausgeführt, im vorliegenden Fall keiner näheren Klärung des Lagerungszweckes.

Unstrittig steht fest, dass die in Verkehr gebrachten Schweinsbratwürstelpackungen zu Kontrollbeginn nicht der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprochen haben und der Bw somit gegen §§ 90 Abs. 3 Z. 3 LMSVG iVm §§ 3 ff LMKV (Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 idF BGBl II 165/2008) verstoßen hat. Nicht nachvollziehbar ist daher, warum diese Verwaltungsübertretung dem Bw nicht angelastet und warum diesbezüglich keine Verfolgungshandlung gesetzt worden ist.

Da die Kennzeichnung (Etikettierung) der Packungen nachweislich erst über Ersuchen des Aufsichtsorgans vorgenommen worden ist und darüber hinaus nur jene Packungen betroffen hat, die der Untersuchung zugeführt werden sollten, kann von einem Inverkehrbringen im Sinne des § 3 Z. 9 LMSVG nicht mehr gesprochen werden. Die gekennzeichneten Produkte waren ausschließlich für die Untersuchung bestimmt und es war schon dadurch sichergestellt, dass diese, in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit, nicht zum Verbraucher gelangen.

Der Bw hat daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen und es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

5.1. Bei diesem Ergebnis waren dem Bw gemäß § 66 VStG keine Kosten aufzuerlegen.

 

5.2. Im Hinblick auf § 71 Abs. 3 LMSVG war dem Bw auch nicht der Ersatz der Kosten der AGES vorzuschreiben. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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