Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150849/7/Lg/Hue/Ba

Linz, 03.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 13. April 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Be­rufung des Dr. X, vertreten durch Dr. X  Rechtsanwalt GmbH, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 31. Jänner 2011, Zl. BG-Bau-7171-2010e Ma, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt.

II.              Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf 15 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 20, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden verhängt, weil er am 31. Mai 2010 gegen 14.28 Uhr als Lenker des Kfz bis zu 3,5 Tonnen und dem amtlichen Kennzeichen X die A25, Mautabschnitt Wels ÖBB-Terminal Wels, bis zu km 14.58, benützt habe, ohne die für die Benützung von Autobahnen vorgeschriebene zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Die Vignette sei auf dem Armaturenbrett gelegen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass er zur Tatzeit im Besitz einer gültigen Vignette gewesen sei, wofür auch ein Betrag von 7,60 Euro entrichtet worden sei. Die zeitabhängige Maut sei bezahlt worden. Die Erstbehörde habe unterlassen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von § 21 oder § 20 VStG vorliegen. Das Verschulden des Bw sei als geringfügig zu qualifizieren, da von Beginn an völlig klar gewesen sei, dass der Bw zur Tatzeit im Besitz einer Mautvignette gewesen sei und diese auf das Armaturenbrett gelegt habe. Der Bw habe auf das ordnungemäße Anbringen der Vignette vergessen, wobei diese auch auf dem Armaturenbrett als störend empfunden worden sei. Aus diesem Grund hätte § 21 VStG zur Anwendung kommen müssen.

Wegen des Fehlens eines erschwerenden Umstands hätte man auch von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen gehabt. Auch auf die persönlichen Verhältnisse des Bw sei die Erstbehörde in keiner Weise eingegangen. Die Gattin des Bw sei zudem nicht als Zeugin einvernommen worden. Diese hätte bestätigen können, dass die Vignette ordnungsgemäß erworben und eine ordnungsgemäße Anbringung "beabsichtigt" worden sei.  

 

Beantragt wurde die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Zurückverweisung an die Erstbehörde, in eventu die Anwendung des § 20 VStG.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 27. September 2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 sei dem Zulassungsbesitzer am 27. Juli 2010 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (fristgerecht) entsprochen worden.

 

Anlässlich der Lenkererhebung teilte der Vertreter des Bw am 13. Oktober 2010 mit, dass der Bw die Autobahnmaut entrichtet hätte, im Besitz einer Vignette gewesen sei und dies die namentlich genannte Ehefrau als Zeugin bestätigen könne.

 

Auf Anforderung übermittelte die ASFINAG der Erstbehörde mehrere Beweisfotos.

 

Nach Strafverfügung vom 4. November 2010 brachte der Vertreter des Bw vor, dass der Bw eine 10-Tages-Vignette gekauft hätte und diese auch auf die Windschutzscheibe des PKW aufgeklebt habe. Möglicherweise habe sich die Vignette gelöst, weshalb sie sich auf dem Armaturenbrett befunden habe. Die Gattin des Bw könne bestätigen, dass die Vignette auf die Innenseite der Windschutzscheibe geklebt worden sei. Eine Strafbarkeit sei somit nicht gegeben, da diese nur eintrete, wenn das Mauentgelt nicht entrichtet worden sei. Eine Nichtanbringung der Vignette sei gem. der Strafbarkeitsbestimmung des § 10 Abs.1 BStMG genauso wenig erwähnt wie eine mögliche Ablösung der Vignette. Eine Bestrafung würde gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege scriba" bzw. gegen das Bestimmtheitserfordernis einer Strafnorm verstoßen. Zudem sei für einen Missbrauch überhaupt kein Raum, da der Bw die Vignette für die Rückfahrt aus Ungarn nach München selbst gebraucht und genutzt habe. Weiters stehe die verhängte Geldstrafe in keinem Verhältnis zum Vignettenpreis von 7,60 Euro.

 

Anlässlich einer Aufforderung zur Rechtfertigung brachte der Vertreter des Bw am 22. Dezember 2010 im Wesentlichen vor, dass sich der Bw nach Kauf einer 10-Tages-Vignette erst dann auf die Autobahn begeben hätte, als er die Vignette seiner Ansicht nach ordnungsgemäß an seinem Fahrzeug befestigt hatte. Nach Zustellung des Ersatzmautangebotes sei der Bw davon ausgegangen, dass es sich um ein Missverständnis handle, da er die Vignette ordnungsgemäß angebracht habe. Aufgrund des eingeleiteten Strafverfahrens sei dem Bw nunmehr klar geworden, dass er die Trägerfolie offenbar nicht wie vorgeschrieben von der Vignette entfernt habe und der Kauf oder der Besitz einer Vignette alleine als Nachweis für die ordnungsgemäße Mautentrichtung nicht ausreiche. Aus diesem Grund habe er sie auch nach besten Wissen und Gewissen an der Windschutzscheibe angebracht. An der Nichtentrichtung der Ersatzmaut (sic!) treffe ihn jedoch kein Verschulden. Schon aus diesem Grund sei das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs.1 Z2 VStG zur Einstellung zu bringen. Dem Bw sei es zu keiner Zeit darum gegangen, die Vignette wiederum zu entfernen und bei einem anderen Kfz anzubringen. Es handle sich um ein Ungehorsamkeitsdelikt, weshalb Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Der Bw habe aber glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, weshalb auch aus diesem Grund die Verfahrenseinstellung beantragt werde. Mildernd wären zudem die Schuldeinsicht, die Unbescholtenheit sowie das geringe Verschulden zu werten. Ein Erschwerungsgrund liege nicht vor. Allenfalls sei aufgrund des Überwiegens der Milderungsgründe eine Ermahnung zu erteilen. Zum Beweis des gesamten Vorbringens wurde die Einvernahme der namentlich genannten Gattin des Bw im Rechtshilfeweg beantragt.  

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung verwies die Vertreterin des Bw auf das bisherige Vorbringen, gab keine ergänzenden Bemerkungen ab und verzichtete auf die zeugenschaftliche Einvernahme der Gattin des Bw.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.   

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

5.2. Aufgrund des Ermittlungsergebnisses steht nunmehr fest, dass die gegenständliche 10-Tages-Vignette zur Tatzeit entgegen die Bestimmungen von Punkt 7.1 der Mautordnung nicht von der Trägerfolie abgezogen und deshalb auch nicht auf die Windschutzscheibe des Kfz aufgeklebt sondern lediglich auf dem Armaturenbrett abgelegt wurde. Dies ist nicht nur auf dem Beweisfoto klar und unzweifelhaft ersichtlich, sondern wurde in der Berufung auch nicht mehr bestritten.

 

Wenn der Bw vorbringt, er habe die Maut durch Kauf der Vignette entrichtet, ist er darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht auf den Erwerb sondern nur auf das ordnungsgemäße Aufkleben auf die Windschutzscheibe vor Befahren einer Mautstrecke ankommt. Die 10-Tages-Vignette war zur Tatzeit – wie oben näher ausgeführt wurde – nicht aufgeklebt, weshalb der Bw das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

 

Der Vertreter des Bw bringt vor, eine Bestrafung wegen der Nichtanbringung der Vignette sei im BStMG nicht vorgesehen. Dazu ist zu erwidern, dass § 11 Abs.3 BStMG das Mitführen der Vignette anstelle der Anbringung am Fahrzeug nur in genau definierten Ausnahmen (die gegenständlich nicht vorliegen) gestattet und zudem in Abs.5 normiert ist, dass die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der Mautvignetten, über ihre Anbringung an den Fahrzeugen und über das Mitführen der Mautvignetten anstelle der Anbringung in der Mautordnung zu treffen sind. Aus dieser Gesetzesstelle ergibt sich somit in einer für den Gesetzesanwender eindeutigen Weise, dass es weiterer Festlegungen über u.a. die Anbringung von Vignetten bedurfte und hierfür die Erlassung einer Mautordnung vorgesehen war, aus welcher ersehen werden kann, was unter einer "ordnungsgemäß" entrichteten Maut iSd § 20 BStMG zu verstehen ist. Sachlogisch ergibt sich daraus, dass sämtliche Verstöße gegen Bestimmungen der Mautordnung von der Strafnorm des BStMG erfasst sind.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend würde eine eventuelle Rechtsunkenntnis bzw. eine Unkenntnis der Anbringungsvorschriften für Vignetten wirken. Auch ausländische Lenker sind dazu verpflichtet, sich mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise vertraut zu machen. Es sei von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass der Bw verabsäumt hat, sich über die Notwendigkeit des Abziehens der Vignette von der Trägerfolie in Kenntnis zu setzen.

 

Zur Strafbemessung ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, weshalb die konkreten Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse des Bw ohne Relevanz sind. Mildernd sind die (bei ausländischen Lenkern häufig vorliegende) Unbescholtenheit und das (späte) Tatsachengeständnis, das aber im Hinblick auf die Beweislage (Fotos) gering wiegt, zu werten. Im Hinblick darauf, dass als weiterer Milderungsgrund der Besitz einer gültigen 10-Tages-Vignette zur Tatzeit kommt (und die Missbrauchsgefahr bei einer Tagesvignette – Mehrfachverwendung auf verschiedenen Kfz – aufgrund der kurzen Gültigkeitsdauer der Vignette wesentlich geringer als bei einer nicht angebrachten Jahresvignette ist), erscheint es vertretbar unter Ausschöpfung des außerordentlichen Milderungsrechts (§ 20 VStG) die Strafe auf die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Mindestmaßes herabzusetzen. Die Tat bleibt aber nicht  so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind: Die Nichtentrichtung der zeitabhängigen Maut vor Benützung einer Mautstrecke iS einer nicht ordnungsgemäßen Anbringung der Vignette ist eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass er mit den einzelnen Rechtsvorschriften nicht vertraut war, was dazu führt, dass das Verhalten des Bw zumindest als nicht unerheblich fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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