Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150853/5/Lg/Hue/Ba

Linz, 09.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 28. Februar 2011, Zl. BauR96-623-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.  

II.              Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
34 Stunden verhängt, weil er am 13. Juli 2009, 19.08 Uhr, als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen X die A7 bei km 000.853, Gemeinde Ansfelden, in Fahrtrichtung Knoten Linz benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Auf dem Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte der Bw vor, dass zu Jahresbeginn 2009 eine Mautvignette ordnungsgemäß angebracht und damit die vorgesehene Maut zeitgerecht entrichtet worden sei. Als beim Kfz eine defekte Windschutzscheibe getauscht worden sei, habe der Bw von der Werkstätte eine Kopie der Reparaturrechnung, die abgelöste Vignette und ein Formular für eine Ersatzvignette erhalten und diese im Kfz mitgeführt. Aufgrund dieser Unterlagen wäre es bei einer Anhaltung jederzeit möglich gewesen, die ordnungsgemäße Mautentrichtung nachzuweisen. Die Tatsache einer "optischen Erfassung" sei dem Bw bislang unbekannt gewesen. Da der Bw diese Unterlagen mit sich geführt habe, sei er zur Ansicht gelangt, damit Autobahnen benützen zu dürfen. Anderes erscheine dem Bw völlig unlogisch und lebensfremd. Deshalb werde auch ein sorgfältiger Mensch keine Veranlassung sehen, weitere Informationen einzuholen und anhand von weiteren rechtlichen Gegebenheiten zu überprüfen. Aus diesem Grund sei die entsprechende Stelle in der Mautordnung einer Prüfung zu unterziehen. Daher sei jedenfalls ein geringerer Verschuldensgrad als Fahrlässigkeit anzunehmen, da der gebotene Grad an Sorgfalt vom Bw nicht außer Acht gelassen worden sei, und § 21 VStG anzuwenden. Zudem stehe die verhängte Strafe in keiner Weise zum Unrechtsgehalt der Tat. Völlig absurd sei es in diesem Fall im vorgesehenen Strafrahmen sowie in der Begründung des Straferkenntnisses den Unrechtsgehalt der Tat abzuleiten. Dies würde bedeuten, dass die Gesellschaft dem Nichtentrichten der Maut denselben Unrechtsgehalt beimesse, wie etwa einer Übertretung von § 14 Abs.8 FSG, welche naturgemäß mit einer hohen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verbunden und mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 3.700 Euro bedroht sei. Nach diesem Vergleich sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber möglicherweise aus budgetären Gründen "übers Ziels hinausgeschossen" habe. Darüber hinaus sei anzumerken, dass für die Strafbemessung nach § 19 VStG niemand geschädigt worden sei, da auch bei rechtsrichtigem Verhalten nicht mehr Maut hätte bezahlt werden müssen. Es sei keinerlei Absicht bestanden, eine Schädigung herbeizuführen. Wenn schon die Behörde eine Strafbarkeit des Verhaltens erkenne und sich außerstande sehe, das Verfahren nach § 21 VStG einzustellen, hätte diese nach Maßgabe des Falles zumindest von einer Ermahnung Gebrauch machen müssen. Es stelle sich auch die Frage, worin die Behörde spezialpräventive Gründe erkenne, um den Bw hinkünftig von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten.

Die Notwendigkeit eines Windschutzscheibentausches sei doch eher selten, wobei ein rechtsrichtiges Verhalten – falls dieser Fall wieder einmal eintreten sollte – für den Bw mit keinerlei finanziellen oder sonstigen Mehraufwand verbunden sei. Die Vignette habe ohnedies besorgt werden müssen. Sohin sei es ein besonderer Fall von Dummheit, wenn der Bw nach einer Ermahnung und der Erwartung einer hohen Strafe im Wiederholungsfalle nochmals ein derartiges Delikt setze. Auch hier habe die Behörde die Relationen übersehen. Generell entstehe der Eindruck, dass die Behörde die Möglichkeit, den § 21 VStG a priori gar nicht in Erwägung ziehen wolle. So habe die Sachbearbeiterin wörtlich geäußert: "Do hot nu jeda zahlt". Darüber hinaus gehe schon jeder spezialpräventive Ansatz durch die unerträglich lange Verfahrensdauer in Leere. Der Bw werde in Hinkunft selbstverständlich die Bestimmungen der Mautordnung penibel einhalten, auch wenn dem Bw manche Bestimmungen fragwürdig erscheinen würden. Das Verhalten der "Vorbehörde" halte der Bw für Voreingenommen und damit § 21 VStG für ungenügend geprüft und zu eng ausgelegt. Daher möge der Oö. Verwaltungssenat den Sachverhalt erneut prüfen und dem Bw in einer Verhandlung neuerlich die Möglichkeit geben, seine Beweggründe darzulegen.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 14. September 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei dem Zulassungsbesitzer am 21. Juli 2009 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 24. September 2009 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in Teilen der später eingebrachten Berufung.

 

Die ASFINAG übermittelte am 18. November 2009 zwei Beweisfotos.

 

Dazu ist vom Bw – trotz eingeräumter Möglichkeit – kein Antwortschreiben im Verwaltungsakt enthalten.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat teilte dem Bw am 1. April 2011 mit, dass die Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht notwendig erscheint, da der vom Bw vorgebrachte Sachverhalt nicht angezweifelt wird bzw. lediglich reine Rechtsfragen vorgebracht wurden. Bei anderer Ansicht möge der Bw dies innerhalb Frist mitteilen.

 

In einem Telefonat am 12. April 2011 verzichtete der Bw auf eine Berufungsverhandlung und vertrat im Wesentlichen die Ansicht, dass sein Verschulden gering sei. Das Jahresentgelt für eine Autobahnbenützung sei ja entrichtet worden.   

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben ist, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen) ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs.4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

5.2. Unbestritten ist, dass zur Tatzeit keine gültige Vignette auf der Windschutzscheibe des Kfz aufgeklebt war. Dies wird auch durch die vorliegenden Beweisfotos belegt. Der Bw hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Wenn der Bw vorbringt, er habe eine Vignette nach einem Scheibenbruch nicht neuerlich gekauft und deshalb auf die Windschutzscheibe auch nicht aufgeklebt, ist entgegen zu halten, dass es nur darauf ankommt, dass auf der zum Zeitpunkt der Mautstreckenbenützung eingesetzten Windschutzscheibe des Kfz eine gültige Vignette ordnungsgemäß aufgeklebt ist. Mit der Meinung, dass dereinst der Kaufpreis für eine Vignette bezahlt (und diese auf eine andere Windschutzscheibe aufgeklebt) wurde und damit das Mitführen von Reparaturrechnungen, abgelösten Vignetten und Antragsformularen als Nachweis der Mautentrichtung ausreichen würde, ist der Bw im Irrtum.

Weshalb die Möglichkeit einer (hier nicht gegenständlichen) Anhaltung des Bw oder seine Unkenntnis einer automatischen Vignettenüberwachung an dieser Rechtslage etwas ändern könnte, ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht ersichtlich.

 

Die Tat ist daher dem Bw – da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Sollte der Verschuldensgrad auf Rechtsunkenntnis gestützt werden, ist der Bw darauf hinzuweisen, dass er als Lenker verpflichtet ist, sich vor Benützung von Mautstrecken mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung auf geeignete Weise vertraut zu machen. Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamkeitsdelikten" ausreicht.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe (und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde, sodass konkrete Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw unerheblich sind. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit und das im Hinblick auf die Beweislage (Fotos) wenig ins Gewicht fallende Tatsachengeständnis. Im Hinblick auf diese Situation sowie der bisher verstrichenen Verfahrensdauer erscheint die Verhängung der Mindeststrafe schon aus spezialpräventiven Gründen angemessen.

 

Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich, zumal – wie der Titel dieser Bestimmung schon sagt – es sich um eine "außerordentliche" Milderung der Strafe handelt. Eine solche "außerordentliche" Milderung ist aber im gegenständlichen Fall nicht gerechtfertigt, da Gründe behauptet werden, die sich geradezu regelmäßig geltend machen lassen ("keine Veranlassung gesehen, weitere Informationen einzuholen", den Kaufpreis bereits bezahlt zu haben etc.), sodass bei Anwendung des § 20 VStG in solchen Fällen die gesetzliche Mindeststrafe in der Praxis unterlaufen würde. Diese vom Bw vorgebrachten Gründe stellen keinesfalls ein Überwiegen von Milderungsgründen iSd § 20 VStG dar. Die fahrlässige Tatbegehung stellt eine gewöhnliche und ausreichende Schuldform dar (§ 5 Abs.1 VStG). Inwiefern die Ankündigung des Bw, künftig die Bestimmungen der Mautordnung "penibel einhalten zu werden", mildernd zum Tragen kommen könnte, ist nicht ersichtlich.

 

Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens), dafür nicht gegeben sind: Wegen der Tatsache, dass für eine Vignette einst der Kaufpreis bezahlt wurde, kann nicht auf unbedeutende Folgen der Übertretung geschlossen werden, da der Sinn  des BStMG auch die Kontrollierbarkeit bzw. die Hintanhaltung von Missbräuchen umfasst. Genau aus diesem Grund ist in der Mautordnung der einzuhaltende Vorgang zum Nachweis der Mautentrichtung genau beschrieben, so dass die Verletzung dieser Vorschriften eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen ist. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass er mit den einzelnen Rechtsvorschriften nicht vertraut war, was dazu führt, dass das Verhalten des Bw als fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs. Sollte das Vorbringen des Bw dahingehend zu verstehen sein, dass er, wenn auch aus besonderen Gründen (Windschutzscheibenbruch etc.), die ihm bekannte Rechtslage zu ignorieren sich berechtigt fühlte, so wäre von Vorsatz auszugehen, was die Anwendung des § 21 VStG von vornherein ausschlösse.

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

Wenn der Bw – vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht geteilte – Bedenken hinsichtlich der Höhe der gesetzlichen Mindeststrafe und des "windschutzscheiben- bzw. autobezogenen Vignettensystems" hegt, ist er auf den dafür vorgesehene Rechtsweg zu verweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

 

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