Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100792/16/Weg/Ri

Linz, 22.06.1993

VwSen - 100792/16/Weg/Ri Linz, am 22. Juni 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt über die Berufung des Dr. H O, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. F H und Dr. O U, vom 7. August 1992 gegen das Faktum 2 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 16. Juli 1992, VerkR96-490/1992, nach der am 7. Juni 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I.: Die Berufung wird a b g e w i e s e n und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich des Faktums 2 bestätigt.

II.: Zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz hat der Berufungswerber als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren binnen zwei Wochen den Betrag von 300 S (20% der verhängten Strafe) zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 (AVG), iVm § 24, § 51 Abs.1, § 51i, § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl.Nr. 867/1992 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis unter Punkt 2 über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil dieser am 30. September 1991 gegen 17.45 Uhr den PKW auf der W A im Gemeindegebiet A in Richtung W gelenkt hat, wobei er auf Höhe des Straßenkilometers 184,0 im Zuge eines auf dem rechten Fahrstreifen durchgeführten Überholmanövers vom rechten auf den linken Fahrstreifen wechselte, ohne sich davon zu überzeugen, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist, sodaß der Lenker des überholten PKWs zum Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt wurde. Außerdem wurde hinsichtlich des Faktums 2. ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 150 S in Vorschreibung gebracht.

Mit dem selben Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden unter Faktum 1. wegen der Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs.1 StVO 1960 (vorschriftswidriges Rechtsüberholen) eine Geldstrafe verhängt. Diesbezüglich jedoch wurde anläßlich der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 1993 die ohnehin nicht begründete Berufung zurückgezogen, sodaß das Faktum 1. in Rechtskraft erwachsen ist.

2. Gegen das Faktum 2. wendet der Berufungswerber im wesentlichen ein, daß ein Fahrstreifenwechsel bei einem hiefür vorhandenen Platz von lediglich zwei Fahrzeuglängen am rechten Fahrstreifen technisch nicht möglich sei. Daß die Strafbehörde einen technisch völlig unmöglichen Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrundegelegt habe, begründe die Mangelhaftigkeit des gesamten Verfahrens.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Zeugen H K, sowie durch Verlesung des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigengutachtens vom 1. Dezember 1992 samt Beilagen im Rahmen der am 7. Juni 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der der Beschuldigte selbst nicht erschienen ist.

Demnach steht fest, daß der Beschuldigte nach einem auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn durchgeführten Überholmanöver auf den linken Fahrstreifen wechselte, ohne sich davon zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, im gegenständlichen Fall des PKW-Lenkers H K, der den linken Fahrstreifen benützte, möglich ist, zumal H K als Folge dieses Fahrstreifenwechsels seinen PKW abbremsen mußte, um eine Kollision mit dem Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden.

Zum Einwand des Berufungswerbers, daß es aus technischer Sicht vollkommen unmöglich sei, bei einem Freiraum von nur zwei Autolängen den inkriminierten Fahrstreifenwechsel durchführen zu können, wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, welches mit Zustimmung der Parteien bei der mündlichen Verhandlung verlesen wurde.

Diese gutächtliche Stellungnahme wird im nachfolgenden auszugsweise wiedergegeben: "Aufgrund der Privatanzeige des H Kr vom 30.9.1991 hat der Lenker des PKW Alfa Romeo 164, silbermetallic, Kennzeichen sein Fahrzeug am 30.9.1991 gegen 17.45 Uhr auf der A W in Richtung W gelenkt. Ca. bei km 184,0 Gemeindegebiet A, Bezirk, überholte er den auf der Überholspur mit ca. 130-140 km/h laut Tacho fahrenden PKW Audi 100, Kennzeichen rechts und schnitt nach diesem Überholvorgang derart wieder nach links, daß der Audi 100 stark abgebremst werden mußte, um eine Kollision zu vermeiden. Bei dem PKW Alfa Romeo 164 handelt es sich um einen PKW, der für die Firma H & Co AG, E, V zugelassen war. Dieses Fahrzeug hat eine Fahrgestell-Nr. 0, eine Motornummer 0, ein Eigengewicht von 1300 kg, ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 1725 kg, einen Hubraum von 29,59 cm3 und eine Leistung von 135 kW (184 PS). Das Datum der erstmaligen Zulassung ist der 13.7.1989. Aufgrund von Testergebnissen bei Fabrikaten Alfa Romeo Type 164, 135 kW, liegen Beschleunigungsergebnisse vor, von 0 - 60 km/h kann in 4,2 s beschleunigt werden, von 0 80 km/h 5,9 s, von 0 - 100 km/h in 8,2 s (Werksangabe 7,9 s) von 0 - 120 km/h in 11,7 s. Legt man diese Werte einem Computerprogramm zugrunde, welches aufgrund von 3 Angaben eine kubische Parabel erzeugt, so ist eindeutig feststellbar, daß der PKW Alfa Romeo 164 von 130 - 160 km/h in einer Zeit von 9,6 s beschleunigen kann, dabei eine Strecke von 390 m zurücklegt, die mittlere Beschleunigung errechnet sich mit 0,87 m/s2. Versucht man nun einen Minimal-Überholvorgang zu errechnen und nimmt man die Fahrzeuglängen mit durchschnittlich 5 m an, setzt man weiters den Sicherheitsabstand vor dem Überholen mit 20 m und nach dem Überholen mit 5 m an, so ist bei einer Beschleunigung von 0,87 m/s2 von einer Ausgangsgeschwindigkeit von 130 km/h errechnet, ein Überholweg von 358,9 m, ein Minimum. Die Zeit des Überholvorganges liegt bei 8,96 s, die dabei erreichte Endgeschwindigkeit des Überholers liegt bei 158 km/h. Aus zahlreichen Verkehrsverhandlungen auf Autobahnen ist bekannt, daß der Querschnitt der Richtungsfahrbahn Wien, etwa bei km 184 folgende Abmessungen aufweist: Der Abstand der linken Randlinie zum Mittelstreifen beträgt 0,75 m. Die Breite des ersten und des zweiten Fahrstreifens beträgt je 3,75 m und die Breite des Pannenstreifens beträgt 3,25 m. Wenn sich nun der Privatanzeiger mit seinem Fahrzeug und das am rechten Fahrstreifen vor ihm fahrende Fahrzeug mit ihrer Längsmittelebene jeweils in der Mitte des Fahrstreifens befunden haben, so beträgt der Abstand der Längsmittelebene beider Fahrzeuge 3,75 m. Es wurde nun ein Bewegungsablauf festgelegt, der bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 130 km/h beginnt. Somit kann aufgrund der Tatsache, daß das Ausscheren vom linken Fahrstreifen auf den rechten Fahrstreifen für den Überholer aus zwei Bögen besteht, deren Radius entsprechend der seitlichen Querbeschleunigung von 5 m/s2 errechnet werden. Der Radius beträgt für diesen Bogen 266 m. Die Sehnenlänge beider Bögen (Rechtsbogen anschließend Linksbogen) beträgt 63 m, die gesamte Bogenlänge 63,2 m. Wurde vom Überholer diese Länge mit einer Beschleunigung von 0,87 m/s2 durchfahren, so erreicht der Überholer dabei eine Endgeschwindigkeit von 135,38 km/h und legt diese Strecke in 1,72 s zurück. In der gleichen Zeit bewegt sich der Privatanzeiger mit seinem PKW um 62,11 m weiter, sodaß sich die Distanz Überholer zu Privatanzeiger auf 19,11 m verringert. Nunmehr erfolgt ein Einhol- und Überholvorgang, der insgesamt eine Zeit von etwa 7,5 s in Anspruch nimmt. Dabei legt der Überholer einen Weg von ca. 293 m zurück, der Überholte lediglich einen Weg von 269 m. Während der Überholte nach wie vor, mit 130 km/h unterwegs ist, erreicht nunmehr der Überholer eine Endgeschwindigkeit von fast 159 km/h. Beide Fahrzeuge sind auf gleicher Höhe angelangt. Nun kann der Überholer an das Einordnen auf den linken Fahrstreifen der Autobahn denken. Zur Folge der nunmehr höheren Geschwindigkeit ist ein Radius von etwa 396 m erforderlich, woraus sich eine Sehnenlänge, Linksbogen anschließend Rechtsbogen, von 77 m und eine gesamte Bogenlänge von 77,2 m ergibt. Am Schluß dieses Einordnungsvorganges auf den linken Fahrstreifen beträgt die Distanz zwischen Überholer und Überholten ca. 10,3 m.

Die kritische Bewegung findet jedoch in dem Augenblick statt, indem der Überholer allmählich auf den linken Fahrstreifen der Autobahn zu wechseln beginnt, es ist dies etwa 38,5 m nachdem beide Fahrzeuge auf gleicher Höhe waren. In diesem Augenblick besitzt der Überholer eine Geschwindigkeit von gut 161 km/h und befindet sich ca. 3 m mit seinem Heck vor der Frontpartie des überholten Fahrzeuges.

Betrachtet man nun diesen Bewegungsablauf, so kann festgestellt werden, daß es aus technischer Sicht, nicht unmöglich ist, bei einem Freiraum von zwei Autolängen einen PKW (natürlich eine Autolänge) rechts zu überholen und dann wieder nach links auszuscheren. Bei den Berechnungen wurde ein Freiraum von 10 m angenommen, sodaß sich im kritischen Augenblick des Fahrstreifenwechsels nach links ein Abstand zum auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug von etwa 2 m ergibt (rechte vordere Ecke des überholenden Fahrzeuges zur linken hinteren Ecke des am rechten Fahrstreifen fahrenden PKW's)." Aufgrund der glaubwürdigen Zeugenaussage des H K und des wiedergegebenen Gutachtens des straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. Austerhuber welches in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist, steht fest, daß der Berufungswerber den ihm angelasteten Sachverhalt verwirklicht hat.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges den Fahrstreifen nur wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fahrstreifenwechsel zu unterbleiben, wenn die bloße Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben ist. Eine Behinderung liegt insbesondere dann vor, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Bremsen oder Auslenken genötigt wird. Die Frage der Zeichengebung ist dabei von untergeordneter Bedeutung und stellt nur eine zusätzliche Verpflichtung für den Lenker dar, der die Fahrtrichtungsänderung oder den Fahrstreifenwechsel vornehmen will.

Der Berufungswerber hat durch sein Fahrverhalten dem Schutzzweck des § 11 Abs.1 StVO 1960 allein schon dadurch zuwidergehandelt, daß er durch den Fahrstreifenwechsel den PKW-L H K zum Abbremsen nötigte. Ob der Beschuldigte dies möglicherweise mit der Absicht der Bremsnötigung gemacht hat, oder lediglich, ohne sich überzeugt zu haben, daß dieser Fahrstreifenwechsel eine Gefährdung anderer Straßenbenützer darstellt, spielt für die Subsumtion des Sachverhaltes unter § 11 Abs.1 StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 keine maßgebliche Rolle.

Hinsichtlich der in der Berufung nicht gesondert angefochtenen Strafhöhe ergab die durch die Berufungsbehörde vorgenommene Überprüfung, daß schon allein aufgrund der mit der Tat verbundenen Gefährdung der Verkehrssicherheit bei Nichtvorliegen von Erschwerungsoder Milderungsgründen die von der Strafbehörde ausgesprochene Geldstrafe den Bestimmungen des § 19 VStG nicht zuwiderläuft.

5. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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