Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240732/2/WEI/Ba

Linz, 31.05.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, Straußenzüchter, X, X, vertreten durch Dr. X X, Rechtsanwalt in X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 4. März 2010, Zl. Vet 96-021-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Tiermaterialiengesetz und nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG iVm der Fleischuntersuchungsverordnung zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufgehoben und das Strafverfahren jeweils gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben am 17.7.2009 um 09:15 Uhr, in X, X,

a)           ... als Erzeuger tierischer Nebenprodukte, die bei der Aufarbeitung eines Straußes angefallenen Federn, Haut udgl.., nicht unverzüglich an einen geeigneten, zugelassenen Betrieb abgeliefert.

b)           ... trotz Anordnung des Amtstierarztes der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, genussuntaugliches Straußenfleisch, das nicht für den menschlichen Verzehr vorgesehen war, nicht ordnungsgemäß beseitigt bzw. beseitigen lassen, wie laut Rückfrage bei der AVE-Regau eruiert werden konnte.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu a):    § 10 Abs. 1 Ziff.2 Tiermaterialiengesetz, BGBl. I Nr. 141/2003 i.V.m. Artikel 6 Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte

zu b):    § 17 Abs. 1 Fleischuntersuchungsverordnung, BGBl. II Nr. 109/206 i.d.F. BGBl. II Nr. 250/2008"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde zu a) gemäß § 14 Z 9 Tiermaterialiengesetz und zu b) gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG je eine Geldstrafe von je 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden). Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens hat die belangte Behörde 20 Euro (10 % der Geldstrafen) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 16. März 2010 zu Händen seines Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die am 30 März 2010 noch rechtzeitig per Telefax eingebrachte Berufung gleichen Datums, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird. Die Berufung bestreitet die Tatanlastungen und verweist dazu auf die Begründung zum Einspruchs gegen die Strafverfügung.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Dem Aktenvermerk des Amtstierarztes vom 7. September 2009 über eine Kontrolle der Straußenhaltung des Bw am 17. Juli 2009 ist unter Punkt 7. folgender Anzeigesachverhalt zu entnehmen:

 

"... Der Schlachtraum war leer, jedoch im Kühlraum befanden sich mehrere Kisten und Wannen mit teils vakuumverpacktem, teils in Salzlacke eingelegtem Straußenfleisch. In drei Kisten (siehe Foto 38 und 39) war frisches Straußenfleisch portioniert und vakuumiert. In zwei weiteren Kisten und fünf übereinander gestapelten Plastikwannen (Foto 40 und 41) befand sich mehr oder weniger verdorbenes Fleisch. Auf die Frage, woher dieses Fleisch stamme, antwortete mir Herr X dass sich ein Strauss im Zaun aufgehängt hätte und er ihn gerade noch lebend erwischt hätte, und ihn durch einen Stich in die Hauptschlagader ausbluten konnte. Das ganze Fleisch werde hier als Katzenfutter gelagert und geht mich quasi nichts an, da es nur für den Eigenbedarf als Katzenfutter diene. Auf die Frage hin, was er mit den tierischen Abfällen gemacht hätte, antwortete er, das hätte sich ein Mann als Hundefutter geholt, den Namen könne er aber nicht nennen.

Da keine amtliche Fleischuntersuchung für dieses Straußenfleisch durchgeführt wurde, das Fleisch großteils vergammelt ist und es den Anschein erweckt, dass einige Kisten zum Verkauf vorbereitet waren, beauftragte ich Herrn X in Anwesenheit von Dr. X X, das gesamte im Kühlraum gelagerte Fleisch unverzüglich über die AVE-Regau entsorgen zu lassen. Die Abholbestätigung der AVE ist mit unverzüglich vorzulegen. Bis heute wurde diese Bestätigung von Herrn X nicht vorgelegt. Laut Rücksprache mit der AVE-Regau wurde von Herrn X zum letzten Mal am 13. Oktober 2008 ein Straußenkadaver abgeholt (Bestätigung liegt bei)."

 

Auf den Fotos 38 und 39 sind drei blaue Kisten aus Karton, wie sie für Obst oder Gemüse verwendet werden, mit verpacktem Straußenfleisch erkennbar, wobei eine der Kisten nur 2 vakuumverpackte Fleischportionen enthält. Auf den Packungen ist augenscheinlich nichts zu erkennen. Beschriftungen oder Etiketten fehlen auch.

 

Auf dem nur in Seitenansicht aufgenommenen Foto 41 sind an anderer Stelle 2 übereinander gestapelte weiße Obstkisten mit verpacktem Fleisch ersichtlich, wobei auf den Packungen ebenfalls nichts erkennbar ist.

 

Das Foto Nr. 40 zeigt offenbar an anderer Stelle im Kühlraum Plastikwannen, die aufeinander - mit Zwischenlagen - gestapelt sind und offenbar das Straußenfleisch in Salzlake enthalten. Das in der obersten Wanne ersichtliche Fleisch lässt schon deutlich helle Flecken erkennen, die auf eine Schimmelbildung hinweisen. Die Inhalte der weiteren Wannen sind nicht erkennbar.

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 15. September 2009 hat die belangte Behörde dem Bw die Verwaltungsübertretungen wie folgt angelastet:

 

"Sie haben am 17.7.20098 um 09:15 Uhr in X, X,

a)     im Kühlraum Ihrer Betriebsstätte die als genussuntauglich befundenen Schlachtkörper bis zur Abholung durch einen befugten Abnehmer nicht abgesondert von Lebensmitteln und unter Verschluss verwahrt. In zwei Kisten und fünf übereinander gestapelten Plastikwannen befand sich verdorbenes Fleisch neben mehreren Kisten und Wannen mit teils vakuumiertem, teils in Salzlacke eingelegtem Straußenfleisch, sowie drei Kisten mit frisch portioniertem und vakuumiertem Straußenfleisch.

b)     Weiters haben Sie bis dato, trotz Anordnung des Amtstierarztes der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, genussuntaugliches Straußenfleisch, das nicht für den menschlichen Verzehr vorgesehen war nicht ordnungsgemäß beseitigt bzw. beseitigen lassen, wie laut Rückfrage bei der AVE-Regau eruiert werden konnte."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde zu a) § 17 Abs 4 Fleischuntersuchungsverordnung und zu b) § 17 Abs 1 dieser Verordnung als verletzte Rechtsvorschriften.

 

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig zunächst den Einspruch vom 29. September 2009 ohne Begründung. Diese reichte er mit Schriftsatz vom 3. November 2009 nach. Der wesentliche Inhalt lautet:

 

" ...

Die Behörde hat keinerlei Untersuchung dahingehend vorgenommen, ob es sich bei den sogenannt genusstauglichen Schlachtkörpern tatsächlich um solche gehandelt hat. Der Schuldvorwurf basiert ausschließlich auf einer reinen Vermutung. Die Bestimmung des § 17 Abs. 4 der oben genannten Verordnung ist daher nicht anzuwenden.

 

Selbst wenn der Beschuldigte jedoch die ihm vorgeworfenen genussuntauglich befundenen Schlachtkörper gelagert hatte hat er dies in 2 Kisten und 5 übereinander gestapelten Plastikwannen vorgenommen, während sich in beträchtlicher Entfernung und gesondert so verpackt, dass keinerlei Bakterien oder Gefahren auftreten können, andere Kisten und Wannen mit Vakuum verpackten und zum kleinen Teil in Salzlake eingelegten Straußenfleisch befanden.

Selbst unter dieser Annahme waren allenfalls genussuntaugliche Schlachtkörper von den genusstauglichen dermaßen getrennt, dass in jedem Falle der oben genannten Verordnung durch abgesonderte Lagerung unter Verschluss Rechnung getragen wurde. Eine allenfalls verordnungswidrige Lagerung wäre nur dann gegeben gewesen, wenn der Beschuldigte unverpackte genusstaugliche mit genussuntauglichen Schlachtkörpern vermischt hätte. Im konkreten Falle jedoch war eine getrennte Lagerung laut Verordnungsvorschrift gegeben und bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer allfälligen Übertragung von Zersetzungsbakterien auf das genusstauglich gelagerte Fleisch. Bakterien können zwangsläufig weder in eine Vakuumverpackung eindringen noch wirksam ein in Salzlake gelagertes Fleisch beeinträchtigen.

 

Aus diesem Grunde war daher die vom Beschuldigten vorgenommene Lagerung Gesetzeskonform.

 

Des weiterem wird der Beschuldigte eines Verstoßes gemäß § 17 Abs. 1 derselben Verordnung für schuldig befunden. In diesem Zusammenhang wird wiederholt, dass weder durch Proben noch durch Sachverständigengutachten bescheinigt ist, dass der Beschuldigte allenfalls genussuntaugliches Fleisch gelagert habe, welches er verpflichtet wäre, unverzüglich abzutransportieren oder abtransportieren zu lassen. "

 

2.3. Die belangte Behörde hat zu dieser Begründung des Einspruchs die Stellungnahme des Amtstierarztes vom 16. November 2009 eingeholt, die wie folgt lautet:

 

"Zum Einspruch des Herrn X X über Rechtsanwalt Dr. X X wird wie folgt Stellung genommen:

 

1.            Herr X hat die bei der Aufarbeitung eines Straußes anfallenden Nebenprodukte (Federn, Haut, Knochen, Eingeweide, udgl.) nicht ordnungsgemäß entsorgt. Es handelt sich hier um einen eindeutigen Verstoß gegen das Tiermaterialiengesetz und der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002.

 

2.            Herr X hat es verabsäumt das vergammelte und genussuntaugliche Straußenfleisch über die AVE-Regau bzw. einen anderen Entsorgungsbetrieb entsorgen zu lassen. Verstoß gegen die Fleischuntersuchungsverordnung § 17, Absatz 1."

 

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11. Dezember 2009 übermittelte die belangte Behörde dem Rechtsvertreter des Bw diese Stellungnahme des Amtstierarztes und teilte einen neu formulierten Tatvorwurf wie im angefochtenen Straferkenntnis mit. Dabei wurde die Anlastung nach § 17 Abs 4 Fleischuntersuchungsverordnung wie im Punkt a) der Strafverfügung offenbar nicht aufrecht erhalten und durch den Vorwurf nach dem Tiermaterialiengesetz ersetzt. Von der eingeräumten Möglichkeit einer Stellungnahme machte der Bw keinen Gebrauch.

 

Die belangte Behörde hat in weiterer Folge das angefochtenen Straferkenntnis vom 4. März 2010 erlassen und zu den Einwänden des Bw ausgeführt, dass eine bakterielle Untersuchung nicht nötig gewesen sei. Wenn Fleisch dermaßen verdorben und vergammelt sei, wie in der Anzeige beschrieben, so sei dies ohne weiteres von einem Fachmann wie dem Amtstierarzt optisch wahrnehmbar, dass das Fleisch als für Menschen genussuntauglich zu beurteilen sei.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage auf Grund von rechtlichen Überlegungen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 95/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, und ist nach dem letzten Halbsatz mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

§ 4 Abs 3 und § 15 LMSVG enthalten Verordnungsermächtigungen für den Gesundheitsminister betreffend Vorschriften zur Durchführung der unmittelbar anwendbarer Rechtsakte (Verordnungen) der Europäischen Gemeinschaft.

 

Die Fleischuntersuchungsverordnung 2006 – FlUVO (BGBl II Nr. 109/2006, zuletzt geändert mit BGBl II Nr. 29/2010) dient der Durchführung und Ergänzung der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 betreffend Verfahrensvorschriften für die amtliche Untersuchung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs und der Verordnung (EG) 853/2004 über spezifische Hygienevorschriften sowie der Durchführungsbestimmungen und Leitlinien der Kommission hinsichtlich der Schlachtung von bestimmten Nutztieren und des Erlegens von Wild und des Fangens von Fischen und der Kontrolle von Schlacht-, Zerlegungs- und Wildbearbeitungsbetrieben (vgl § 1 Abs 1). Sie gilt nach ihrem § 1 Abs 2 nicht für die Untersuchung nach der Lebensmittel-Direktvermarktungsverordnung, BGBl II Nr. 108/2006. Die FlUVO wurde u.a. auch auf Basis der Verordnungsermächtigung des § 53 Abs 7 LMSVG erlassen, die nähere Bestimmungen über die Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung und die Beurteilung des Fleisches der in der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 genannten Tierarten betrifft.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gilt u.a. nicht für die Primärproduktion für den privaten häuslichen Gebrauch und für die häusliche Verarbeitung, Handhabung oder Lagerung von Lebensmitteln zum häuslichen privaten Verbrauch (vgl Art. 1 Abs 3 lit a und b). Die Schlachtung für den häuslichen Gebrauch erfolgt nicht als Lebensmittelunternehmer und das Fleisch wird nicht unter Verkehr gebracht. Sie fällt daher auch nicht unter die Verordnung (EG) 852/2004 betreffend Lebensmittelhygiene (vgl Blass et al., LMR3 [4. Erg.-Lfg.], VII B, Seite 39, Punkt 4.3.) Die Verordnung (EG) 854/2004 gilt nach ihrem Art 1 Abs 2 nur für Tätigkeiten von Personen, für welche die Verordnung (EG) 853/2004 Anwendung findet.

4.2.1. Gemäß § 14 begeht im Falle der Z 9 Tiermaterialiengesetz – TMG (BGBl I Nr. 141/2003 idF BGBl I Nr. 13/2006) eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht in gerichtliche Zuständigkeit fällt oder sonst mit strengerer Strafe bedroht wird, und ist mit Geldstrafe bis zu 15.000 Euro zu bestrafen,

 

wer entgegen § 10 Abs 1 die tierischen Nebenprodukte oder Materialien nicht abliefert oder die gemäß § 10 Abs 2 vorgesehene schriftliche Vereinbarung nicht abschließt oder auf Aufforderung nicht vorlegt.

 

Zur Ablieferungspflicht bestimmt § 10 Abs 1 TMG, dass die Erzeuger von

 

1.     tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 1 und 2 (ausgenommen Gülle, Magen- und Darminhalt) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002,

2.     tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 3, welche nicht gemäß Art 6 Abs 2 lit c bis e der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 anderweitig verwendet werden,

 

sowie sonstige Personen, die solche Nebenprodukte oder Materialien in Verwahrung haben, verpflichtet sind, diese unverzüglich an einen geeigneten, gemäß dem § 3 zugelassenen Betrieb oder, sofern hiefür die Zustimmung des Bestimmungsmitgliedsstaates vorliegt, an einen nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 zugelassenen Betrieb in einem anderen Mitgliedstaat abzuliefern.

 

Tierische Nebenprodukte sind nach Artikel 2 Abs 1 lit a) der Verordnung (EG) 1774/2002 ganze Tierkörper, Tierkörperteile oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs gemäß den Artikeln 4, 5 und 6 (Anm.: Materialien der Kategorie 1 bis 3), die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen.

 

Unter Material der Kategorie 3 fallen nach Artikel 6 Abs 1 lit k) der Verordnung (EG) 1774/2002 auch Blut, Häute, Hufe, Federn, Wolle, Hörner, Haare und Pelze von Tieren, die keine klinischen Anzeichen einer über diese Erzeugnisse auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten zeigten.

 

4.2.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

 

1.     die als erwiesen angenommene Tat;

2.     die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.     die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.     den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.  im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuord­nung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522).

 

4.2.3. Laut Anzeige des Amtstierarztes hat der Bw angegeben, die tierischen Abfälle bei der Aufarbeitung eines Straußes als Hundefutter weitergegeben zu haben. Grundsätzlich fallen tierische Nebenprodukte dieser Art (Abfälle) unter Material der Kategorie 3, das als Abfall zu beseitigen oder in einem zugelassenen Betrieb zu verarbeiten, aufzubereiten oder als Rohstoff zu verwenden ist. Den Erzeuger sowie den Verwahrer trifft gemäß § 10 Abs 1 TMG eine unverzügliche Ablieferungspflicht.

 

Im vorliegenden Fall wurde am 17. Juli 2009 um 09:15 Uhr die nicht unverzügliche Ablieferung der bei der Aufarbeitung eines Straußes angefallenen "Federn, Haut udgl." an einen geeigneten Betrieb angelastet. Dieser Tatvorwurf ist in Bezug auf die zeitliche Komponente unschlüssig und unrichtig. Die Schlachtung und Aufarbeitung des Straußes fand nämlich mit Sicherheit nicht am 17. Juli 2009 statt. An diesem Tag hatte der Amtstierarzt anlässlich der Kontrolle der Straußenfarm, bei der er auch den Kühlraum besichtigte, im Zusammenhang mit dort gelagertem und portioniertem Straußenfleisch vom Bw erfahren, dass er zu einem nicht genannten Zeitpunkt vor der Kontrolle einen Strauß notgeschlachtet hätte, der sich im Zaun aufgehängt hätte und den er gerade noch ausbluten hätte können. Nach Angabe des Bw lagerte er das Fleisch als Katzenfutter. Wann die Aufarbeitung des Straußes stattgefunden hatte, ist der Anzeige auch nicht ungefähr zu entnehmen. Zu den tierischen Abfällen (Federn, Knochen ...) habe der Bw auf einen Mann verwiesen, der sie sich als Hundefutter holte, den er aber namentlich nicht nannte.

 

Auf Grund dieses Anzeigesachverhaltes steht nicht fest, wann genau die Schlachtung und Aufarbeitung erfolgte. Ebenso wenig kann gesagt werden, wann welche Abfälle als Hundefutter weiter gegeben wurden. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass ein Hund sämtliche Schlachtabfälle wie beispielsweise auch Straußenfedern fressen würde. Schon im Hinblick auf die mittlerweile verstrichene Zeit ist nicht mehr zu erwarten, dass diese Umstände noch genau aufgeklärt werden könnten.

 

Die richtige Tatzeit ist ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, das für die Konkretisierung nach § 44a Z 1 VStG unerlässlich erscheint. Selbst wenn bei Angabe der Tatzeit nur ein Schreibfehler unterlaufen wäre, vermag dieser Umstand keine berichtigende Auslegung des Schuldspruches zu Lasten des Beschuldigten zu bewirken (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1526, Anm 8 zu § 44a VStG). Schon nach der Anzeige steht fest, dass die mit dem Kontrolltag bestimmte Tatzeitangabe im Spruch falsch sein muss. Die belangte Behörde hat nichts zur Aufklärung unternommen, obwohl auch das Merkmal der Pflicht zur "unverzüglichen Ablieferung" eine genauere zeitliche Orientierung erfordert hätte.

 

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht befugt den Tatvorwurf auszutauschen. Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur unzulässigen Anlastung einer anderen Tat (vgl etwa VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170). Deshalb darf der erkennende Verwaltungssenat wesentliche Tatmerkmale nicht nachträglich ergänzen und konkretisieren. Inzwischen ist die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs 2 VStG längst abgelaufen, innerhalb der keine geeignete Anlastung erfolgt war.

 

Der Tatvorwurf im Spruchpunkt a) war daher wegen wesentlichen Spruchmangels aufzuheben. Eine taugliche Verfolgungshandlung ist der Aktenlage nicht zu entnehmen, weshalb mittlerweile auch Verfolgungsverjährung iSd § 31 Abs 2 VStG eingetreten ist.

 

4.3.1. Der von der belangten Behörde zum Spruchpunkt b) herangezogene § 17 der Fleischuntersuchungsverordnung (im Folgenden nur FlUVO) findet sich im 3. Abschnitt "Untersuchung nach der Schlachtung (Fleischuntersuchung)" dieser Verordnung und betrifft die Verwertung von genussuntauglichem Fleisch und von Schlachtabfällen. Es geht demnach in dieser Bestimmung um die Fleischuntersuchung anlässlich einer Schlachtung und um die Beurteilung der Schlachtkörper und Nebenprodukte der Schlachtung.

 

Im vorliegenden Fall fand am 17. Juli 2009 keine Schlachtung im Straußenzuchtbetrieb des Bw statt, weshalb an diesem Tag auch keine Schlachtkörper und tierischen Nebenprodukte anfallen konnten. Der Amtstierarzt hat Derartiges auch nicht angezeigt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erscheint daher die Fleischuntersuchungsverordnung von vornherein nicht einschlägig. Allenfalls schlachtete der Bw irgendwann vor dem 17. Juli 2009 einen oder mehrere Strauße, deren Fleisch für den menschlichen Genuss verwendet werden sollte. Einen solchen Sachverhalt hat die belangte Behörde aber nicht erhoben und auch nicht angelastet. Außerdem wären dabei auch die Ausnahmeregelungen nach § 53 Abs 3 bis 5 LMSVG und nach Art 1 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 für den Eigenbedarf und für die direkte Abgabe zu beachten gewesen.

 

Nach der Anzeige des Amtstierarztes hatte dieser am 17. Juli 2009 nicht etwa Schlachtkörper, Schlachtabfälle oder tierische Nebenprodukte, sondern nur portioniertes Straußenfleisch in Vakuumverpackungen und in Salzlake vorgefunden. In welchem Umfang er genau von genussuntauglichem Fleisch ausging, hat der Amtstierarzt nicht klar und widerspruchsfrei dargelegt. Er sprach zunächst von drei Kisten mit frischem Straußenfleisch portioniert und vakuumiert, ohne dazu einen Hinweis auf Verderb oder eine Minderung der Qualität zu geben. Danach ist die Rede von "zwei weiteren Kisten und fünf übereinander gestapelten Plastikwannen", in denen sich "mehr oder weniger verdorbenes Fleisch" befunden hätte. Dieser Umstand wird nicht konkret ausgeführt, sondern auf die Fotos 40 und 41 verwiesen, aus denen aber nur wenig ersichtlich ist. Da keine amtliche Fleischuntersuchung durchgeführt worden und das Fleisch (welches genau?) "großteils vergammelt" gewesen und der Anschein der Vorbereitung zum Verkauf (inwiefern?, durch welche Umstände?) vorgelegen sei, beauftragte der Amtstierarzt den Bw mit der Entsorgung des gesamten (auch des unbeanstandeten Straußenfleisches in den zuerst erwähnten drei Kisten) im Kühlraum gelagerten Fleisches über die AVE-Regau.

 

Im Hinblick auf den vom Amttierarzt zwar behaupteten, aber nicht nachvollziehbar dargelegten Anschein, dass Kisten mit Straußenfleisch zum Verkauf vorbereitet gewesen wären, hätte sich die belangte Behörde im Strafverfahren eigentlich mit der Frage des Inverkehrbringens verdorbener oder wertgeminderte Lebensmittel entgegen § 5 Abs 1 LMSVG und den Strafbestimmungen des § 90 Abs 1 Z 1 oder Z 2 LMSVG befassen müssen. Dies hat die belangte Behörde von vornherein unterlassen, weil sie dafür offenbar selbst keine geeigneten Hinweise und Beweise der Anzeige des Amtstierarztes entnehmen konnte.

 

4.3.2. Wie bereits dargelegt, ist § 17 FlUVO vom Regelungsgegenstand im Zusammenhang mit amtlich kontrollierten Schlachtungen auf den gegebenen Sachverhalt nicht anzuwenden. Aber selbst wenn die Fleischuntersuchungsverordnung anzuwenden wäre, wäre zu beachten, dass sie im § 17 Abs 1 auf die Verordnung (EG) 1774/2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verkehr bestimmte tierische Nebenprodukte verweist. Diese Verordnung gilt nach ihrem Artikel 1 Abs 2 lit d) aber nicht für

 

"rohes Heimtierfutter zur Verwendung an Ort und Stelle, das nach Maßgabe, das nach Maßgabe von nationalen Rechtsvorschriften von Tieren gewonnen wurde, die im Herkunftsbetrieb hausgeschlachtet wurden und deren Fleisch ausschließlich im Haushalt des Landwirts verzehrt wird."

 

Die nationalen Vorschriften sehen im § 53 Abs 3 LMSVG bei Schlachtungen für den Eigenbedarf des Tierhalters gemäß Art 1 Abs 3 lit b) der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eine Ausnahme von der Untersuchungspflicht vor, wenn

 

  1. die Schlachtung

a)           nicht in gewerblichen oder industriellen Betrieben

b)           nicht gemeinsam mit anderen Tieren, die der Schlachttier- und Fleischuntersuchung unterliegen,

          erfolgt und

  1. das Fleisch dieser Tiere nicht mit Fleisch, das in Verkehr gebracht wird, bearbeitet oder gelagert wird und

3.      a)    beim Tier kein Seuchenverdacht gegeben ist und

     b)    das Tier keine Krankheitserscheinungen zeigt, die einen Einfluss auf die Verwendbarkeit als Lebensmittel haben, und

     c)     kein Verdacht auf höhere als erlaubte Rückstände gegeben ist.

 

 

Heimtiere sind nach Artikel 2 Abs 1 lit h) der Verordnung (EG) 1774/2002 Tiere von Arten, die normalerweise von Menschen zu anderen Zwecken als zu landwirtschaftlichen Nutzzwecken gefüttert und gehalten, jedoch nicht verzehrt werden.

 

Die oben zitierten Voraussetzungen für die Schlachtung zum Eigenbedarf liegen beim Bw grundsätzlich vor. Zumindest gibt es nach der Aktenlage keine tatsächlichen Hinweise für eine Fehlen der Voraussetzungen. Die belangte Behörde hat wegen unrichtiger Beurteilung der Rechtslage gar nicht erkannt, dass die in der Anzeige des Amtstierarztes geschilderte Einlassung des Bw, wonach er einen verunglückten Strauß quasi notschlachtete, indem er ihn ausbluten ließ und dann das Fleisch für den Eigenbedarf als Katzenfutter lagerte, sowohl mit der Ausnahmevorschrift des § 53 Abs 3 LMSVG als auch mit der Ausnahme vom Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 1774/2002 konform geht bzw vereinbar ist.

 

Das für den menschlichen Verzehr nicht mehr genusstaugliche Straußenfleisch durfte durchaus noch als Heimtierfutter an Ort und Stelle im Haushalt des Bw verwendet werden. Dass dieses Fleisch so schwer verdorben gewesen wäre, dass es auch nicht mehr an Heimtiere verfüttert hätte werden dürfen, hat der Amtstierarzt nicht behauptet. Dieser hat nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats, wie auch aus den unbestimmten Umschreibungen in der Anzeige ("mehr oder weniger verdorben", "vergammelt") zu schließen ist, allenfalls eine Beurteilung durch optische Wahrnehmung, nicht aber eine sorgfältige sensorische Untersuchung vorgenommen, zumal er über Geruch und Konsistenz des Fleisches keinerlei Angaben machte. Soweit das Straußenfleisch in Vakuumverpackungen war, konnte er gar keine sensorische Untersuchung vornehmen, ohne eine Packung zumindest zu öffnen. Darüber hat er aber nichts berichtet.

 

Was die zuerst in der Anzeige genannten drei Kisten mit frischem, nicht beanstandetem Straußenfleisch betrifft, scheint der Amtstierarzt im Hinblick darauf, dass keine Schlachttieruntersuchung stattfand und dass er einen vagen Verdacht in Bezug auf eine Verkaufsvorbereitung hegte, davon ausgegangen zu sein, dass auch dieses Fleisch im Zweifel zu entsorgen wäre. Dabei hat er die grundsätzlich zulässige Schlachtung für den Eigenbedarf und die dementsprechend mögliche Lagerung des portionierten Fleisches im Kühlraum offenbar völlig außer Acht gelassen. Da auch die insgesamt vorgefundene Menge an vakuumverpacktem Straußenfleisch nicht gegen einen Eigenbedarf sprach und keine Etikettierung zur Weitergabe an Dritte vorlag, kann der Oö. Verwaltungssenat den Verdacht des Amtstierarztes in keiner Weise nachvollziehen. Die vom Amtstierarzt gewählte Vorgangsweise beruhte wohl auf rechtlichen Irrtümern.

 

4.3.3. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der rechtlich relevante Sachverhalt weder vom Amtstierarzt, noch von der belangten Behörde aufgeklärt worden ist. Für den erkennenden Verwaltungssenat bedeutet dies, dass er im Zweifel zugunsten des beschuldigten Bw von einer irgendwann vor der Kontrolle am 17. Juli 2009 erfolgten Schlachtung zum Eigenbedarf des Bw ohne Untersuchungspflicht nach § 53 LMSVG und von der Lagerung von teils genusstauglichem frischem Straußenfleisch (3 Kisten) im Kühlraum und davon getrennt von für den menschlichen Verzehr genussuntauglichem Straußenfleisch, das aber noch als Katzenfutter im eigenen Haushalt Verwendung finden konnte, auszugehen hat.

 

Aus den dargelegten rechtlichen und tatsächlichen Gründen war der Tatvorwurf zu Spruchpunkt b) des angefochtenen Straferkenntnisses nicht haltbar und aufzuheben.

 

5. Aus Anlass der Berufung war das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufzuheben und das Strafverfahren jeweils mangels einer erwiesenen und rechtlich zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung sowie im Grund der eingetretenen Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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