Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166033/4/Fra/Bb/Gr VwSen-166034/4/Fra/Bb/Gr VwSen-522875/2/Fra/Bb/Gr

Linz, 06.06.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufungen des Herrn X vertreten durch Rechtsanwalt X,

 

 

-          vom 25. März 2011, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 21. März 2011, GZ VerkR96-7964-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg, betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der mit Straferkenntnissen des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 18. Jänner 2010, GZ VerkR96-7964-2009-Dg (Tatzeit: 31. August 2009) und GZ VerkR96-10777-2009-Dg (Tatzeit: 9. September 2009), rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren jeweils wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs.3 iVm §§ 37 Abs.1 und 37 Abs.4 Z1 FSG und

 

-          vom 28. März 2011, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 22. März 2011, GZ VerkR21-380-2009/BR, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 18. Jänner 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR, rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von neun Monaten und sonstiger weiterer Anordnungen,

 

 

gemäß § 69 AVG, zu Recht erkannt:

 

Den Berufungen wird stattgegeben, die angefochtenen Abweisungsbescheide werden aufgehoben und die Wiederaufnahme der Verfahren wird bewilligt.

 

 

Aus Anlass der Wiederaufnahme werden die Verwaltungsstrafverfahren zu GZ VerkR96-7964-2009 und GZ VerkR96-10777-2009 gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG und das Verwaltungsverfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung zu GZ VerkR21-380-2009 eingestellt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a iVm § 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Anträge des Herrn X (des Berufungswerbers) vom 6. Oktober 2010 auf Wiederaufnahme  der mit Straferkenntnissen des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn zu GZ VerkR96-7964-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg vom 18. Jänner 2010, jeweils wegen einer Übertretung des § 1 Abs.3 iVm §§ 37 Abs.1 und 37 Abs.4 Z1 FSG und des mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 22. März 2011, GZ VerkR21-380-2009/BR, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B und sonstiger weiterer Anordnungen, rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungs(straf)verfahren(s)

-         mit Bescheid vom 21. März 2011, GZ VerkR96-7965-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg und

-         mit Bescheid vom 22. März 2011, GZ VerkR21-380-2009/BR,

gemäß § 69 AVG abgewiesen.

 

2. Gegen diese Bescheide hat der Berufungswerber anwaltlich vertreten – mit Schriftsatz vom 25. März 2011 und vom 28. März 2011 – fristgerecht Berufung erhoben und beantragt, seinen Wiederaufnahmeanträgen stattzugeben und die beiden Verwaltungsstrafverfahren und sowie das Verwaltungsverfahren einzustellen.

 

Der Berufungswerber vertritt im Wesentlichen – unter Zitierung entsprechender Judikatur des Verwaltungsgerichtes - die Auffassung, dass der Einstellung des Lenkberechtigungentzugsverfahrens wegen des Vorfalles vom 26. Juni 2009 ex tunc-Wirkung zukomme und er somit berechtigt gewesen sei, am 31. August 2009 und am 9. September 2009 einen Pkw zu lenken.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufungen samt Verwaltungs(straf)akten mit Vorlageschreiben vom 4. Mai 2011, GZ VerkR96-7964-2009-Dg, GZ VerkR96-10777-2009-Dg und GZ VerkR21-380-2009/BR, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG bzw. § 35 Abs.1 FSG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG bzw. § 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akte der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und in die Berufungen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte jeweils entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlagen feststeht, dass die angefochtenen Bescheide aufzuheben sind (§ 51e Abs.2 Z1 VStG bzw. 67d Abs.2 Z1 AVG). Überdies hat keine der Verfahrensparteien die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

 

4.1. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ergibt sich - aus den genannten Beweismitteln - folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Mit Mandatsbescheid vom 6. Juli 2009, GZ VerkR21-380-2009/BR, entzog die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn dem Berufungswerber neben weiteren behördlichen Anordnungen die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zwölf Monaten, gerechnet ab 27. Juni 2009 bis einschließlich 27. Juni 2010.  Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs.2 AVG aberkannt.

 

Grundlage für diese Entziehung war die Verweigerung der Blutabnahme durch den Berufungswerber am 26. Juni 2009 um 23.52 Uhr in Salzburg, auf der Polizeiinspektion X, obwohl bei ihm amtsärztlich eine Beeinträchtigung festgestellt wurde, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen ließ. Wegen dieses Vorfalles wurde der Berufungswerber mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 23. November 2009, GZ S 27498/09, einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.9 und Abs.10 StVO für schuldig befunden. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 16. Juli 2010, GZ UVS-3/19092/9-2010, wurde der dagegen erhobenen Berufung jedoch stattgegeben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG verfügt.

 

Der Berufungswerber ließ auch den angesprochenen Entziehungsbescheid vom 6. Juli 2009 nicht unbekämpft. Nach fristgerecht erhobener Vorstellung vom 17. Juli 2009 wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn unter Berücksichtigung der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 16. Juli 2010, GZ UVS-3/19092/9-2010 das Lenkberechtigungsentziehungsverfahren mit Vorstellungsbescheid vom 13. September 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR, eingestellt.

 

Am 31. August 2009 um 16.30 Uhr sowie am 9. September 2009 um 08.45 Uhr – und somit vor der Einstellung der beiden obgenannten Verfahren – lenkte der Berufungswerber jeweils trotz zu diesen Zeitpunkten noch aufrechter Entziehung der Lenkberechtigung in St. Pantaleon und in Tarsdorf ein Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichen Verkehr und wurde in weiterer Folge jeweils mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 18. Jänner 2010 zu GZ VerkR96-796a-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg, gemäß   § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.1 iVm § 37 Abs.4 Z1 FSG rechtskräftig bestraft.

 

Wegen dieser beiden Vorfälle wurde dem Berufungswerber von der Führerscheinbehörde der Bezirkshauptmannschaft Braunau an Inn mit Bescheid vom 18. Jänner 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR, neben weiteren behördlichen Anordnungen die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von neun Monaten entzogen.

 

Die beiden Strafbescheide vom 18. Jänner 2010 sowie auch den Entziehungsbescheid vom 18. Jänner 2010 ließ der Berufungswerber zunächst unangefochten und es wurde dagegen bis zu den gegenständlichen Anträgen vom 6. Oktober 2010 auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 69 AVG kein Rechtsmittel erhoben.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 69 Abs.1 AVG, der auf Grund § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

5.2. Mit Vorstellungsbescheid vom 13. September 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR, hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn der Vorstellung des Berufungswerbers im Verfahren betreffend die Entziehung seiner Lenkberechtigung für die Klasse B infolge der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.9 und Abs.10 StVO Folge gegeben und den angefochtenen Mandatsbescheid vom 6. Juli 2009, GZ VerkR21-380-2009/BR aufgehoben und das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung in der Dauer von zwölf Monaten (von 27. Juni 2009 bis 27. Juni 2010) eingestellt.

 

Mit der Aufhebung des Mandatsbescheides trat die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat (sogenannte "ex tunc – Wirkung"), sodass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Mandatsbescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob dieser aufgehobene Entziehungsbescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. z. B. VwGH 27. Jänner 2005, 2004/11/0118 mwN), wobei auch ein allfälliger Ausspruch nach § 64 Abs.2 AVG mit der Aufhebung des Entziehungsbescheides nicht mehr der Rechtsordnung angehört (VwGH 17. Dezember 2004, 2004/02/0320; 21. April 1999, 98/03/0336 ua.).

 

Die Vorfälle vom 31. August 2009 und vom 9. September 2009 sowie auch das daraus folgende Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B im Ausmaß der Dauer von neun Monaten und die weiteren behördlichen Anordnungen in diesem Zusammenhang sind daher seit der mit Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 13. September 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR bewirkten Einstellung des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B in rechtlicher Hinsicht so zu beurteilen, als wäre die Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B für die Dauer von zwölf Monaten und die weiteren sonstigen Anordnungen von Anfang an nicht vorgelegen.

 

Der Mandatsbescheid vom 6. Juli 2009 ist aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, womit der Berufungswerber rückblickend für die ihm angelasteten Tatzeiten (31. August 2009 und 9. September 2009) zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B berechtigt war.

 

Es fällt somit im Nachhinein die Tatbestandsmäßigkeit und damit die Voraussetzung für die bereits erfolgten Bestrafungen des Berufungswerbers wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges trotz entzogener Lenkberechtigung weg, weshalb er diese ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen hat. Dies hat zur Folge, dass auch die Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B für die Dauer von neun Monaten und die weiteren sonstigen Anordnungen nicht begründet sind.

 

Im Ergebnis ist daher den Berufungen gegen die Abweisungsbescheide Folge zu geben und den vorliegenden Wiederaufnahmeanträgen gemäß § 69 Abs.1 Z3 AVG iVm § 24 VStG stattzugeben, weil die hierfür zuständige Behörde über eine Vorfrage in einem wesentlichen Punkt anders entschieden hat.

 

Durch die Bewilligung der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 69 Abs.1 Z3 AVG treten die beiden Straferkenntnisse vom 18. Jänner 2010, GZ VerkR96-7964-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg sowie der Entziehungsbescheid vom 18. Jänner 2010, GZ VerkR21-380-2009/BR, mit dem die wiederaufzunehmenden Verfahren abgeschlossen wurden, außer Kraft (vgl. z.B. VwGH 13. November 1986, 86/08/0163).

 

Da der Berufungswerber die ihm vorgeworfenen Taten nach § 1 Abs.3 iVm §§ 37 Abs.1 und 37 Abs.4 Z1 FSG nicht begangen hat, ist daher von der weitern Verfolgung abzusehen und es sind die Verwaltungsstrafverfahren zu GZ VerkR96-7964-2009-Dg und GZ VerkR96-10777-2009-Dg gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG und auch das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B für die Dauer von neun Monaten, GZ VerkR21-380-2009/BR, einzustellen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Führerscheinverfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

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