Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281234/24/Wim/Bu

Linz, 31.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn K L, vertreten durch RAe. Dr. F R, Dr. H H, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 13.04.2010, Ge96-25-2009, wegen einer Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 06. Dezember 2010 und 23. Mai 2011 zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, dass erstinstanzliche Straferkenntnis ersatzlos behoben und das Verwaltungs­straf­verfahren eingestellt.

 

II.    Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I: §§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) und § 87 Abs. 2 Bauarbeiter­schutz­verordnung (BauV) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.500 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Stunden, sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie haben es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz verantwortlicher Beauftragter für den Bereich Holzbau/Hallenbau der "W S G" mit Sitz in S strafrechtlich zu verantworten, dass bei einer am 05.11.2008 durchgeführten Kontrolle der Baustelle in T, N R (Mehrzweckhalle) P, durch das Arbeitsinspektorat Leoben, festgestellt wurde, dass drei Arbeitnehmer bei einer Absturzhöhe von ca. 5 m (Traufenbereich) bis ca. 9,5 m (First), mit der Verlegung der Dachelemente auf der ca. 20° geneigten Dachfläche beschäftigt waren, wobei weder Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen."

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass in der Formulierung des erstinstanzlichen Spruches davon auszugehen sei, dass die  Behörde als Tatort die Baustelle in  T zugrunde gelegt habe und nicht den Sitz des Unternehmens.

Ebenso sei durch die ungenaue Formulierung, wonach sich drei Arbeitnehmer mit der Verlegung der Dachelemente auf der ca. 20° geneigten Dachfläche beschäftigt gewesen seien, eine Zuordnung des Tatverhaltens zur angeblich übertretenen Verwaltungsvorschrift des § 87 Abs. 2 BauV nicht möglich, zumal diese Bestimmung genau bei 20° Dachneigung die Grenze zum Tatbestand des § 87 Abs. 3 vorsehe.

Weiters habe die Erstbehörde keinerlei substanzielle Beweiswürdigung durchgeführt bzw. keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen.

Die Firma des Berufungswerbers stehe auf dem Standpunkt, dass für die gegenständlichen Arbeiten persönliche Sicherungsmaßnahmen ausreichend gewesen seien. Nach § 7 Abs. 4 BauV könne die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit sei. In diesen Fällen müssten die Arbeiter entsprechend § 30 BauV sicher angeseilt sein. Diese Voraussetzungen seinen jedenfalls erfüllt gewesen.

Sollte tatsächlich von einer Übertretung des § 87 BauV auszugehen sein, so habe sich der Beschuldigte in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden, da die tatsächliche durchgeführten Sicherungsmaßnahmen mit dem Arbeitsinspektorat Vöcklabruck besprochen und von diesem auch für ausreichend erachtet worden seien.

Keinesfalls sei auch der Strafausspruch gerechtfertigt, sondern hätte von einer Strafe abgesehen werden können bzw. mit einer Ermahnung vorgegangen werden müssen. Auch lägen keine Gründe vor, das Strafausmaß wesentlich über der Mindeststrafe anzusetzen.

Es wurde daher beantragt der Berufung statt zu geben, in eventu gemäß § 21 VStG von der Strafe abzusehen, in eventu lediglich eine Ermahnung auszusprechen, in eventu das verhängte Strafmaß angemessen zu mindern.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung von zwei öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 06. Dezember 2010 und 23. Mai 2011, in welchen sowohl der Berufungswerber als auch der anzeigende Arbeitsinspektor, ein Arbeitsinspektor des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck, ein auf der Baustelle tätiger Arbeitnehmer sowie der für Hallenaufbauten zuständige Disponent als Zeugen einvernommen wurden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Bei der R in P, die von der Firma des Berufungswerbers errichtet wurde, handelt es sich um ein Gebäude im Ausmaß von ca. 40 x 20 Metern, welches grundsätzlich in Form einer Metall-Leimholztragkonstruktion mit Holzverkleidung erfolgt ist. Anschließend erfolgte eine Holzverpfettung und wurde dann die Dachkonstruktion, die eine Neigung von 20 Grad aufwies mit vorgefertigten PU-Dachpaneelen mit einer Breite von ca. 1 m und einer Länge von jeweils der Dachschräge bzw. zum Teil abzüglich eines oben befindlichen Lichtbandes verkleidet wurde. Diese vorgefertigten Paneele enthalten den kompletten Dachaufbau und wurden mittels eines Kranes versetzt, wobei hier zwei Arbeitnehmer mit dem Anhängen der Paneele am Boden beschäftigt waren und drei Arbeitnehmer am Dach mit dem Versetzen dieser Paneele beschäftigt waren. Die Paneele werden dazu mittels Kran in senkrechter Weise auf das Dach gehoben, mit ihrer Unterseite in einen Falz im Dachsaum eingehängt und dann durch Absenken positioniert und anschließend zunächst provisorisch mit Schauben fixiert. Diese Arbeitsschritte wurden auch zum Zeitpunkt der Kontrolle durchgeführt. Das derartige Versetzen von insgesamt ca. 90 solchen Paneelen erfolgte an einem Arbeitstag. Die auf dem Dach tätigen Arbeitnehmer waren mittels persönlicher Schutzausrüstung gesichert.

 

3.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Berufungswerbers und der einvernommenen Zeugen. Er wurde im Rahmen der hier gemachten Feststellungen von keinem Verfahrensbeteiligten bestritten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Die Bauarbeiterschutzverordnung regelt in ihrem 10. Abschnitt (§§ 85 und 86) Montagearbeiten des Stahlbaues und des konstruktiven Holzbaues sowie das Bauen mit Fertigteilen. Erst im darauffolgenden 11. Abschnitt (§§ 87 bis 90) geht es um das Arbeiten auf Dächern.

 

Nach den Regelungen des § 85 BauV dürfen solche Montagearbeiten auch nur mit persönlicher Schutzeinrichtung durchgeführt werden. Gemäß § 86 BauV gilt für das Bauen mit Fertigteilen, das sind laut dieser Bestimmung überwiegend vorgefertigte Bauteile, § 85 BauV.

 

Nach Ansicht des Unabhängige Verwaltungssenates handelt es sich bei den verwendeten PU-Dachpaneelen um Fertigteile, da diese im Grunde den gesamten Dachaufbau umfassen und auch im Werk vorgefertigt werden. Weiters sprechen auch die Umstände ihrer Montage, nämlich das Versetzen mittels Kran und die große flächenhafte Ausgestaltung von ca. 10 m Länge und 1 m Breite für diese Einstufung. Auch der rasche Baufortschritt auf der Baustelle durch Eindeckung von ca. 800 m2 Dachfläche mit 5 Arbeitnehmen, davon nur 3 auf dem Dach tätig, ist typisch für das Bauen mit Fertigteilen. Ein Arbeiten auf Dächern liegt nicht vor, da schon systematisch vom Gesetzesaufbau der BauV her vor diesem Abschnitt das Bauen mit Fertigteilen geregelt ist. Ausführungen zu notwendigen Sicherungsmaßnahmen bei Arbeiten auf Dächern erübrigen sich somit.

 

Für das Versetzen dieser Fertigteile gelten die Montagebestimmungen des § 85 BauV. Die durchgeführten persönlichen Sicherungsmaßnahmen, die für sich unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit vom Arbeitsinspektorat auch nicht bemängelt wurden, sind somit im konkreten Anlassfall als ausreichend anzusehen und liegt daher die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

Beschlagwortung: Bauen mit Fertigteilen, persönliche Schutzausrüstung

 

 

 

 

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