Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165788/5/Sch/Eg

Linz, 06.06.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau x, vertreten durch den Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 11. Februar 2011, Zl. VerkR96-697-2011, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Juni 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.               Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 11. Februar 2011, Zl. VerkR96-697-2011, wurde über Frau x, geb. x, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 40 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden, verhängt, weil sie am 16. Dezember 2010 gegen 08.00 Uhr im Gemeindegebiet Wels auf der Innkreisautobahn A8 in Fahrtrichtung Wels-West das Kraftfahrzeug, Opel, mit dem Kennzeichen x gelenkt habe und sie dabei auf Höhe von Strkm 13,884 die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepasst habe, zumal sie eine solche Geschwindigkeit gewählt habe, dass sie auf der glatten Fahrbahn ins Schleudern geraten sei, folglich gegen eine Leitschiene gestoßen und selbst dabei verletzt worden sei.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass die Berufungswerberin am 16. Dezember 2010 gegen 8.00 Uhr auf der A8 Innkreisautobahn etwa bei Strkm. 13,884 als Lenkerin eines PKW einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem es neben Sachschäden auch zu einer Verletzung ihrer Person kam.

 

Bei der polizeilichen Befragung der Berufungswerberin im Zuge der Unfallaufnahme gab diese an, dass sie auf dem rechten Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h in Richtung Wels-West gefahren sei. Aufgrund der herrschenden Witterungsverhältnisse sei sie nicht schneller gefahren. Plötzlich sei sie in einer leichten Rechtskurve, glaublich sei dort eine Brücke, aufgrund des Glatteises ins Schleudern gekommen und mit dem PKW gegen die Mittelleitschiene gestoßen. Nach einer Fahrzeugdrehung sei sie dann am Pannenstreifen zum Stehen gekommen.

 

In der Verkehrsunfallanzeige vom 2. Jänner 2011 finden sich hinsichtlich Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse die Vermerke, dass leichter Schneefall geherrscht habe und die Fahrbahn mit Salz gestreut gewesen sei.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur § 20 Abs. 1 StVO 1960, vgl. etwa das Erkenntnis vom 27.2.1970, 1470/69, stellt diese Bestimmung einen relativen Maßstab für die Geschwindigkeit auf, es muss daher die Geschwindigkeit erhoben und als Teil der "als erwiesen angenommenen Tat" im Spruch des Bescheides angeführt werden.

 

Im Spruch des hier verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses findet sich keine konkrete von der Berufungswerberin eingehaltene Fahrgeschwindigkeit, die den Kriterien des § 20 Abs. 1 StVO 1960 nicht entsprochen habe. Entgegen der Ansicht der Erstbehörde, dass dieser Anführung nicht bedürfe, ist auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Das von der Behörde erwähnte Erkenntnis des Gerichtshofes vom 22.5.1979, 1789/77, behandelt einen besonders gelagerten Sachverhalt, nämlich den Umstand, dass der Fahrzeuglenker in dem Fall vor der Fahrt Alkohol genossen hatte und einen Aufmerksamkeitsfehler zugab. In einem solchen Fall bedarf es offenkundig dann keiner ziffernmäßigen Festlegung der Fahrgeschwindigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO 1960 im Spruch eines Strafbescheides.

 

Der hier berufungsverfahrensgegenständliche Sachverhalt ist allerdings mit diesem Erkenntnis nicht vergleichbar. Zu dem von der Behörde zitierten Erkenntnis vom 26.1.2000, 99/03/0172, ist zu bemerken, dass dieses prima facie ebenfalls mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun hat, geht es doch dort um die Frage, welche Fahrgeschwindigkeit der Führer eines Schienenfahrzeuges einzuhalten hat.

 

Für die Berufungsbehörde ergibt sich sohin die Frage, ob der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses im Hinblick auf die von der Berufungswerberin eingehaltene Fahrgeschwindigkeit ergänzt werden kann oder nicht, und insbesondere auch jene, ob die Fahrgeschwindigkeit auch tatsächlich nicht angepasst war. Die Berufungswerberin selbst hat bei der Unfallaufnahme, wie schon oben erwähnt, eine Fahrgeschwindigkeit von ca. 100 km/h angegeben.

 

Die formale Ergänzung des Spruches des Straferkenntnisses könnte wohl aufgrund der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. Februar 2011 unter gleichzeitig erfolgter Übermittlung einer Ausfertigung der Polizeianzeige erfolgen, der Tatvorwurf muss aber naturgemäß auch substantiell gestützt werden können.

 

Zur Berufungsverhandlung beim Oö. Verwaltungssenat am 1. Juni 2011 sind weder die Berufungswerberin selbst noch die Parteienvertreter, also ihre Rechtsvertretung bzw. ein Vertreter der Erstbehörde, erschienen. Entsprechende Befragungen waren daher nicht möglich.

 

Nach Ansicht der Berufungsbehörde müsste demnach verifiziert werden, dass eine Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h im gegenständlichen Fall nicht im Sinne des § 21 Abs. 1 StVO 1960 den gegebenen Verhältnissen, insbesondere jenen der Fahrbahn, entsprochen habe. Es wäre also die Einschätzung der Berufungswerberin zu widerlegen, dass die von ihr gewählte Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h nicht überhöht war. Dazu ist zu bemerken, dass von der Autobahnpolizeiinspektion Wels im Zuge der Unfallaufnahme auch der Streuzustand an der Unfallstelle durch Anfrage an die Autobahnmeisterei Wels erhoben wurde. In der entsprechenden Antwort heißt es, dass ein permanenter Winterdienst vorgenommen worden sei und Streusalz mit Sole auf der Fahrbahn aufgebracht war. Die Berufungswerberin war mit offenkundig neuwertiger Winterbereifung an ihrem Fahrzeug unterwegs. Auf einer aufgetretenen Fläche mit Vereisung im Bereich des rechten Fahrstreifens ist es dann zu dem Verkehrsunfall gekommen.

 

Die alleinige Tatsache, dass ein Verkehrsunfall passiert ist, lässt noch nicht den zwingenden Schluss zu, dass die Fahrgeschwindigkeit unangemessen hoch gewesen wäre. Auszugehen ist davon, dass die Berufungswerberin schon eine gewissen Fahrtstrecke mit dieser Fahrgeschwindigkeit unterwegs war und den Straßenzustand, insbesondere den Streuzustand, für ausreichend erachtet hat. Es müsste ihr demnach der Vorhalt gemacht werden können, dass sie schon tatsächlich Glatteis festgestellt hat oder zumindest konkrete Umstände darauf hingewiesen haben. Dieser Nachweis ist nach dem Dafürhalten der Berufungsbehörde auch dann nicht zu erbringen, wenn noch weitergehende Beweisaufnahmen durchgeführt würden. Auf ein entsprechendes von der Erstbehörde schon durchgeführtes Beweisverfahren kann die Berufungsbehörde nicht zurückgreifen, da das angefochtene Straferkenntnis allein auf die Polizeianzeige, in der im Übrigen der Vorwurf einer allenfalls überhöhten Fahrgeschwindigkeit nicht erhoben wurde, gestützt wird.

 

Zusammenfassend ergibt sich sohin für die Berufungsbehörde der Umstand, dass der Tatvorwurf mit der für ein verurteilendes Erkenntnis erforderlichen Sicherheit nicht als erwiesen anzusehen ist, weshalb mit der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens unter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" vorzugehen war.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 


 

S c h ö n

 

 

 

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