Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301048/2/SR/Sta

Linz, 21.06.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des T S, geboren am, S, K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis vom 19. Mai 2011, GZ Pol96-44-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz, zu Recht erkannt:

 

I.       Die Berufung wird abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als der Spruch nach dem Wort "urinierten" wie folgt zu ergänzen ist: "und dieses Verhalten von vorbeigehenden Spielbesuchern (darunter Kinder) wahrgenommen wurde."

II.     Der Berufungswerber hat zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 10 Euro (d. s. 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 19. Mai 2011, GZ Pol96-44-2011, wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) für schuldig befunden, am 20. April 2011, gegen 16.45 Uhr, in  R, V, am Parkplatz beim Rieder Fußballstadion im Nahbereich des Polizeicontainers, den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten verstoßen zu haben, weil er "in mitten des öffentlichen Parkplatzes beim Rieder Fußballstadion (K-S-A) uriniert" habe.

 

Wegen der Übertretung des § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz (Oö. PolStG) verhängte die belangte Behörde über den Bw gemäß § 10 Abs 1 lit a Oö. PolStG eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden).

1.2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw durch Hinterlegung am 30. Mai 2011 zugestellt wurde, brachte der Bw am 6. Juni 2011 – somit rechtzeitig – eine Berufung mittels E-Mail bei der belangten Behörde ein.

In der Berufung bekämpft der Bw das Straferkenntnis in vollem Umfang. Begründend führt der Bw aus, dass es ihm aufgrund eines gesundheitlichen Notstandes nicht möglich gewesen, das nächste WC aufzusuchen. Der Einspruch gegen die Strafverfügung sei mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Arztbestätigung erst nach dem Vorfall ausgestellt worden sei. Die Bestätigung beweise aber eindeutig, dass er bereits vor dem Vorfall an einem Harnwegsinfekt gelitten habe. Logischerweise habe er erst nach Erhalt der Strafverfügung eine ärztliche Bestätigung beantragt, um seine Unschuld beweisen zu können. Ohne diesen Vorfall hätte er keine Bestätigung für die Erkrankung benötigt. Bei so einer Erkrankung könne man keinesfalls die Blase halten. Daher sei es ihm auch nicht möglich gewesen, das einige Meter entfernte öffentliche WC zu erreichen. In diesem Zusammenhang würde ihn interessieren, was unter "einige Meter" zu verstehen sei. Eine "schnellst mögliche Antwort" werde erbeten.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 7. Juni 2011 zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und in die Berufung.

 

Gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 Verwaltungsstrafgesetz konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.3.  Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmungen erstatteten Polizeibeamte des SPK Wels, PI Dragonerstrasse, gegen den erheblich alkoholisierten Bw Anzeige, weil er zur Tatzeit am Tatort inmitten der Besucher (darunter "auch Mädchen und Kinder"), die zum Fußballstadion strömten, urinierte. Sowohl die beiden einschreitenden Beamten als auch die Passanten nahmen den deutlich sichtbaren Urinstrahl wahr. Erst nach Androhung der Festnahme wies sich der uneinsichtige und provozierende Bw aus. Zur Rechtfertigung brachte der Bw vor, dass er nur seine Notdurft verrichtet habe und die Beamten nicht so sein sollten. Die Beanstandung sehe er nicht ein.

Entsprechend der Anzeige vom 22. April 2011 erließ die belangte Behörde gegen den Bw am 29. April 2011 eine Strafverfügung.

Im dagegen rechtzeitig eingebrachten Einspruch hielt der Bw fest, dass es ihm wegen seines gesundheitlichen Notstandes nicht möglich gewesen sei, das nächste WC zu erreichen. Diesbezüglich lege er ein ärztliches Attest vor, welches seine Angaben bestätigen würde.

In der Bestätigung vom 10. Mai 2011 führte Dr. H P, Arzt für Allgemeinmedizin, wie folgt aus:

"Bei meinem Patienten, T S, geboren am, wurde am 15.04.2011  ein Harnwegsinfekt diagnostiziert und daher hatte er Probleme seine Blase zu halten."

Ohne weitere Ermittlungen zu führen hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

2.4. Abgesehen von der Behauptung des Bw, am Vorfallstag an einem Harnwegsinfekt erkrankt gewesen zu sein, ist der festgestellte relevante Sachverhalt unstrittig.

Aus dem vorgelegten Arztattest ist lediglich abzuleiten, dass das vorgebrachte Krankheitsbild am 15. April 2011 vorgelegen ist. Der Bestätigung kann nicht entnommen werden, dass der zumindest seit dem 15. April 2011 in Behandlung stehende Bw auch noch am Tattat an den Folgen der Krankheit gelitten hat.

Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte er bereits bei der Beanstandung die Harnwegsinfektion vorgebracht. Obwohl der Bw zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisiert war, sind die Beamten von seiner zeitlich und örtlichen Orientierung ausgegangen. Die Beschreibung seines Verhaltens bei der Amtshandlung (uneinsichtig, lästig und provozierend) in Beziehung gesetzt mit seiner Rechtfertigung (er habe nur seine Notdurft verrichtet, die Beamten sollen nicht so sein, er sehe nicht ein, dafür beanstandet zu werden) lässt sein nachträgliches Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen.

Selbst wenn sein Krankheitsbild noch unverändert vorgelegen wäre, ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Bw nicht zur wenigen Schritte entfernten öffentlichen WC-Anlage begeben hat um dort seine Notdurft zu verrichten.

In der Berufungsschrift stellt der Bw das Vorhandensein einer nahegelegenen WC-Anlage nicht in Frage sondern interessiert sich nur dafür, was die belangte Behörde unter "einige Meter" verstehe. Ein Blick in die Begründung des Straferkenntnisses zeigt, dass die belangte Behörde "einige Meter" mit "wenigen Schritten" gleichgesetzt hat. Unwidersprochen ist daher davon auszugehen, dass sich ein öffentliches WC in unmittelbarer Nähe des Tatortes befunden hat.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oö. PolStG lauten wie folgt:

"§ 1 (1) Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung eine Verwaltungsübertretung.

(2) Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet.

 

§ 10 Abs. (1) lit. a Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach § 1 mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen."

3.3. Nach § 1 leg. cit. ist ein zu wertendes Verhalten von Personen verboten, welches einen bestimmten Grad an Außenwirksamkeit gegenüber Dritten erfordert und weiters nach einem objektiv angelegten Maßstab geeignet sein muss, gegenüber Dritten einen Erfolg herbeizuführen, nämlich den öffentlichen Anstand zu verletzen. Zentrales Tatbestandsmerkmal ist der Anstand. Anstand bedeutet dem allgemeinen Sprachgebrauch nach "gute Sitte", "gutes Benehmen" bzw. ein "den guten Sitten entsprechendes Benehmen". Das Gesetz verlangt demnach von Personen, um sich nicht strafbar zu machen, außerhalb des engeren Privatbereiches, somit in der von der Öffentlichkeit grundsätzlich wahrnehmbaren Sphäre, ein äußeres Verhalten, welches der Würde der sittlichen Persönlichkeit des Menschen entspricht. Die sittliche Persönlichkeit des Menschen kann entweder dadurch herabgewürdigt werden, dass sich die Person selbst auf eine Ebene begibt, welche eines sittlichen Menschen unwürdig ist oder aber dadurch, dass die Person die sittliche Persönlichkeit anderer missachtet. Bei der Beurteilung eines Verhaltens, welches ein Indiz für die Verletzung des öffentlichen Anstandes bietet, ist daher ein objektiver Maßstab anzuwenden. Dies bedeutet auch, dass es nicht darauf ankommen kann, ob sich die anwesenden Personen in deren Anstandsgefühl tatsächlich verletzt gefühlt haben. Ebensowenig ist es erforderlich, dass der Täter mit dem Vorsatz, jemanden zu beleidigen gehandelt hat. Die Eignung des Verhaltens, in konkretem Sachzusammenhang den Anstand verletzt zu haben, ist vom Willen des Täters unabhängig. Der oö. Landesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 leg. cit. eine Legaldefinition der Anstandsverletzung vorgenommen. Demnach gilt als Verletzung des öffentlichen Anstandes jedes Verhalten in der Öffentlichkeit, welches einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet (vgl. Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht – Praxiskommentar [2009] 57ff).

Unbestritten steht fest, dass der Bw in der Öffentlichkeit vor einer großen Menschenmenge, in der sich auch Mädchen befunden haben, uriniert hat. Das Urinieren mitten auf dem Parkplatz vor den vorbeiströmenden Zuschauermassen stellt ein Verhalten dar, dass mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht in Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Ein derartiges Verhalten wird in ständiger Rechtsprechung der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und des Verwaltungsgerichtshofes als den Anstand grob verletzend qualifiziert.

Einen "gesundheitlichen Notstand" kann der Bw nicht geltend machen. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist sein diesbezügliches Vorbringen nicht glaubhaft. Hätte er tatsächlich krankheitsbedingt einen plötzlich und unmittelbar auftretenden Drang zur Blasenentleerung verspürt, ist davon auszugehen, dass er den Grund für die Verrichtung der kleinen Notdurft den einschreitenden Beamten auch genannt hätte. Der Bw hat trotz Aufforderung zur Rechtfertigung nicht einmal ansatzweise auf seine Erkrankung hingewiesen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Bw zum Tatzeitpunkt noch immer an einer Harnwegserkrankung gelitten hat, wäre es an ihm gelegen, Vorkehrungen zu treffen, damit es zu der vorliegenden "Notstandssituation" nicht kommt. In Kenntnis seiner Krankheit hätte er einerseits nur eingeschränkt und nicht übermäßig Flüssigkeit  zu sich nehmen dürfen (der Bw war bereits vor Spielbeginn erheblich alkoholisiert) und sich andererseits rechtzeitig um die entsprechende "Örtlichkeit" umsehen müssen (z.B. Benutzung des WC´s im Reisebus im Falle einer derartigen Anreise bzw. unverzügliches Aufsuchen eines öffentlichen WC´s nach der Ankunft).

Da der Bw im Wissen um seine Erkrankung keinerlei Vorsichtsmaßnahmen getroffen und auch nicht das wenige Schritte entfernte öffentliche WC aufgesucht hat, ist von einem schuldhaften Verhalten des Bw auszugehen. Selbst im Falle eines unmittelbar einsetzenden Harndranges wäre es dem Bw zuzumuten gewesen, das wenige Schritte entfernte öffentliche WC aufzusuchen und dort seine Notdurft zu verrichten.

Der Bw hat daher tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

3.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milde­rungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestim­mungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

Da weder dem Vorlageakt noch dem angefochtenen Straferkenntnis Erschwerungsgründe entnommen werden können, ist von einer absoluten Unbescholtenheit in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht auszugehen.

Hinsichtlich der verhängten Strafe ist der Bw darauf hinzuweisen, dass deren höhenmäßige Festsetzung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die objektiven und subjektiven Strafbemessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. Die festgesetzte Strafe ist im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt und angemessen. Aus Gründen der Generalprävention bedurfte es einer Bestrafung, um Übertretungen in vergleichbaren Fällen hintanzuhalten.

Die Anwendung des § 21 VStG setzt voraus, dass das Verschulden der Bw geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden wäre nur dann als geringfügig anzusehen, wenn – unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) – das tatbildmäßige Verhalten des Bw hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt.

Das Gesamtverhalten des Bw lässt nicht den Schluss zu, dass ihn an der Verwaltungsübertretung ein geringfügiges Verschulden trifft. Abgesehen davon sind die Folgen der dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretung nicht unbedeutend.

5. Bei diesem Ergebnis hat der Berufungswerber zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich 10 Euro (d. s. 20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

 

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