Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231183/2/Gf/Mu

Linz, 22.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das aus Anlass einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes ergangene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 15. November 2010, Zl. Sich96-226-2010, zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 8 Stunden neu festgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Berufungswerber keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; 65 Abs. 1VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 15. November 2010, Zl. Sich96-226-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geld­strafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag 100 Euro) verhängt, weil er sich als Fremder nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens, d.i. seit dem 3. September 2010, einer bestehenden Ausweisung zuwider und damit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 31 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG) begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen zweifelsfrei ergeben habe, dass sich der Beschwerdeführer im Tatzeitraum im Bundesgebiet aufgehalten habe, obwohl gegen ihn ein vollstreckbares Aufenthaltsverbot bestehe und er auch sonst über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfüge.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe hervorgekommen, weshalb die Mindeststrafe zu verhängen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihm am 18. November 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 24. November 2010 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Berufung.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – eingewendet, dass aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht eindeutig hervorgehe, weshalb sich der Rechtsmittelwerber illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe. Außerdem habe der Beschwerdeführer gegen das seinen Asylantrag abweisende Erkenntnis des Asylgerichtshofes umgehend eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, wobei die diesbezügliche Entscheidung derzeit noch ausstehe. Darüber hinaus könne eine Bestrafung des sich seit 2005 in Österreich befindenden und keinerlei Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellenden Rechtsmittelwerbers wegen eines bloß kurzen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet keinesfalls im öffentlichen Interesse liegen, zumal er nach Art. 1 des 7. ZPMRK dazu berechtigt sei, die Entscheidung des Höchstgerichtes im Inland abzuwarten. Schließlich sei er auch vermögens- und einkommenslos, sodass sich die verhängte Geldstrafe, insbesondere aber auch die drohende Ersatzfreiheitsstrafe jedenfalls als zu hoch erweise.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Zl. Sich96-226-2010; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer
öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

 

3.2. Soweit der Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall zunächst vorbringt, dass aus dem angefochtenen Straferkenntnis nicht eindeutig hervorgehe, weshalb sich der Rechtsmittelwerber illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe, ist er darauf zu verweisen, dass in dessen Spruch explizit darauf hingewiesen wird, dass sein Asylverfahren mittlerweile rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, was auch von ihm selbst gar nicht bestritten wird. Unter einem ist damit aber auch seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 13 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: AsylG), erloschen, sodass er nach § 67 Abs. 1 FPG unverzüglich mit dem Eintritt der Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung auszureisen hatte. Da einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung zukommt, war sohin sein Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem Zeitpunkt der Zustellung der abweisenden Entscheidung des Asylgerichtshofes, also ab dem 2. September 2009, schon ex lege rechtswidrig, und zwar speziell auch in dem Sinne, dass er nicht mehr durch eine besondere bundesgesetzliche Vorschrift i.S.d. § 31 Abs. 1 Z. 7 FPG – wie insbesondere durch § 13 AsylG – gedeckt war. Dieser Zusammenhang ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, sodass insgesamt besehen nicht zu erkennen ist, dass der Rechtsmittelwerber durch einen Spruchmangel i.S.d. § 44a Z. 1 VStG in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer unzulässigen Doppelbestrafung ausgesetzt worden wäre.

 

Auch seinem Einwand, dass er nach Art. 1 des 7. ZPMRK dazu berechtigt sei, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über seine Beschwerde gegen die Abweisung seines Asylantrages durch den Asylgerichtshof im Inland abzuwarten, kommt – abgesehen davon, dass sich dieser Bestimmung der ihr vom Beschwerdeführer unterstellte Inhalt nicht entnehmen lässt, schon deshalb keine Berechtigung zu, weil diese einen rechtmäßigen Aufenthalt für ihre Anwendbarkeit voraussetzt; ein solcher liegt jedoch nach dem zuvor Ausgeführten nicht vor.

 

Darüber hinaus trifft es auch schon im Hinblick auf den damit jeweils verbundenen Zweck der General- und Spezialprävention offensichtlich nicht zu, dass an der Bestrafung eines bloß kurzfristigen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet kein öffentliches Interesse besteht.

 

Schließlich hat der Rechtsmittelwerber auch selbst gar nicht vorgebracht, einen Antrag auf Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes nach § 67 Abs. 1 FPG oder einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung i.S.d. §§ 43 oder 44 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGB.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: NAG), gestellt zu haben (sog. „humanitäres Bleiberecht“); davon abgesehen ergäbe sich aus § 44 Abs. 4 und § 44b Abs. 3 NAG ohnehin explizit, dass Anträge gemäß § 43 Abs. 2 und/oder § 44 Abs. 3 und/oder Abs. 4 NAG kein Aufenthaltsrecht begründen.

 

3.3. Da somit kein Anhaltspunkt erkennbar ist, der geeignet wäre, den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Tatzeitraum zu legalisieren, hat er sohin tatbestandsmäßig i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG und insoweit, als er es in Kauf genommen hat, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet durch das Vorliegen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes tatsächlich nicht gedeckt ist, auch fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.4.1. Im gegenständlichen Fall scheidet zudem auch eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG aus, und zwar deshalb, weil es der Rechtsmittelwerber während der gesamten Dauer des Asylverfahrens, dessen negativen Ausgang er jedenfalls auch hätte einkalkulieren müssen, unterlassen hat, sich über die im Falle der Abweisung seines Asylantrages für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erforderlichen Voraussetzungen bei der zuständigen Behörde zu erkundigen. Darin liegt jedenfalls ein (wenn nicht sogar absichtliches, so zumindest) grob fahrlässiges Verhalten, das insbesondere auch auf Grund seiner relativ langen Dauer (nämlich: seit 2005) keinesfalls als ein bloß geringfügiges Verschulden i.S.d. § 21 Abs. 1 VStG qualifiziert werden kann (vgl. dazu schon VwSen-231132 vom 16. September 2010).

3.4.2. Im Zuge der Strafbemessung ist allerdings zu beachten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt hat, dass u.a. die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hat, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B‑VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu.  Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH inhaltlich wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese gegenständlich insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

3.4.3. Davon ausgehend sowie unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde bislang nicht berücksichtigten besonders ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rechtsmittelwerbers findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 8 Stunden herabzusetzen.

3.5. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Berufungswerber hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

 

 

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