Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231235/2/Gf/Mu

Linz, 24.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das aus Anlass einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes ergangene Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 2. März 2011, Zl. 2-S-3516/11, zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe mit 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 8 Stunden neu festgesetzt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hat der Berufungswerber keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; 65 Abs. 1VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 2. März 2011, Zl.
2-S-3516/11, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen türkischen Staatsangehörigen, eine Geld­strafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage; Verfahrenskostenbeitrag 100 Euro) verhängt, weil er sich am 26. Februar 2011 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 31 Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 135/2009 (im Folgenden: FPG), begangen, weshalb er nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG zu bestrafen
gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sein Asylverfahren seit 18. März 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen sei und seit dem 11. März 2010 eine rechtskräftige Ausweisung bestehe, was auch vom Beschwerdeführer selbst nicht bestritten worden sei. Darüber hinaus verfüge er über keine gültige Reisedokumente und zudem sei er laut eigenen Angaben bereits im Jahr 2007 aus Österreich abgeschoben worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 2. März 2011 mündlich verkündete Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, (vermutlich) am 15. März 2011 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – eingewendet, dass sich der nur schlecht deutsch sprechende Rechtsmittelwerber in Schubhaft befunden habe, als mit ihm am 2. März 2011 eine Einvernahme durchgeführt worden und zu deren Abschluss das angefochtene Straferkenntnis verkündet worden sei. Dieses Verfahren leide allerdings von vornherein an einem wesentlichen Verfahrensmangel und müsse somit als nichtig betrachtet werden, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt ohne geeigneten Dolmetscher und nicht im erforderlichen Ausmaß erhoben worden sei. Insbesondere seien eine umfassende Ermittlung der persönlichen und familiären Umstände und die damit verbundene Interessensabwägung sowie eine Zukunfts- und Gefährlichkeitsprognose des Rechtsmittelwerbers unterblieben. Wäre ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, dann hätte die belangte Behörde nämlich feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer primär deshalb nach Österreich gekommen sei, um Asyl zu beantragen, was er im Stand der Schubhaft auch mehrmals versucht habe; sein dementsprechender Antrag sei jedoch erst am 7. März 2011 an die zuständige Behörde weitergeleitet worden. Daher lägen die sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Bestrafung nach den Bestimmungen des § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG hier deshalb nicht vor, weil dem Rechtsmittelwerber stets eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukommen sei. Darüber hinaus sei seine Bestrafung auch nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten, da sein Aufenthalt keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle. Schließlich sei er auch vermögens- und einkommenslos, sodass sich die verhängte Geldstrafe, insbesondere aber auch die drohende Ersatzfreiheitsstrafe jedenfalls als zu hoch erweise.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bzw. beantragt, gemäß § 21 VStG von einer Bestrafung abzusehen.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Wels zu Zl. S-3516/11; da sich der maßgebliche Sachverhalt – soweit entscheidungsrelevant – bereits aus diesem klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde nur dann rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts die zulässige Aufenthaltsdauer nicht überschreiten (Z. 1), wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation ihres Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), wenn und solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt (Z. 4), wenn sie über eine Beschäftigungsbewilligung, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung oder eine Anzeigebestätigung verfügen (Z. 6) oder wenn sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergibt (Z. 7).

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wendet sich der Rechtsmittelwerber nicht gegen die Tatsache, dass er sich am 26. Februar 2011 widerrechtlich in Österreich aufgehalten hat. Als Rechtfertigungsgrund hierfür bringt er jedoch vor, dass er seit seiner Inschubhaftnahme am 2. März 2011 mehrmals einen Asylantrag stellen wollte, dieses Begehren aber erst anlässlich seiner Einvernahme am 7. März 2011 an die zuständige Behörde weitergeleitet worden sei, weshalb ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz komme.

 

Dieser Einwand erweist sich jedoch schon deshalb nicht als schlagkräftig, weil sein Asylantrag – wie aus dem vorgelegten erstbehördlichen Akt hervorgeht – bereits mit Erkenntnis des Asylgerichts­hofes vom 6. März 2009, Zl. E1 244472-0/2008-14E, abgewiesen wurde und diese Entscheidung am 18. März 2009 in Rechtskraft erwachsen ist. Daher erging in der Folge auch eine – seit dem 11. März 2010 rechtskräftige – Ausweisung, sodass er spätestens zu diesem Zeitpunkt verpflichtet war, das Bundesgebiet zu verlassen.

 

Mit Blick auf den Tatzeitpunkt – 26. Februar 2011 – vermag daran ein erst danach gestellter Asylantrag (und zwar einerlei, ob dieser als bereits 2. März 2011 oder erst am 7. März 2011 gestellt anzusehen ist) naturgemäß schon von vornherein nichts zu ändern, weil dem Rechtsmittelwerber frühestens erst mit dem Tag der Zulassung dieses (Folge-)Antrages durch die Asylbehörde eine (neuer­liche) vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen ist, die ihrerseits nicht auf den Tattag zurückzuwirken vermag.

 

Da auch im Übrigen kein Anhaltspunkt erkennbar ist, der geeignet wäre, den Aufenthalt des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt (26. Februar 2011) zu legalisieren, hat er sohin tatbestandsmäßig i.S.d. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 FPG und insoweit, als er es in Kauf genommen hat, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet durch das Vorliegen eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes tatsächlich nicht gedeckt ist, auch fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.4.1. Im gegenständlichen Fall scheidet zudem auch eine Heranziehung des § 21 Abs. 1 VStG aus, und zwar deshalb, weil es der Rechtsmittelwerber während der gesamten Dauer des Asylverfahrens, dessen negativen Ausgang er jedenfalls auch hätte einkalkulieren müssen, unterlassen hat, sich über die im Falle der Abweisung seines Asylantrages für einen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich erforderlichen Voraussetzungen bei der zuständigen Behörde zu erkundigen. Darin liegt jedenfalls ein (wenn nicht sogar absichtliches, so zumindest) grob fahrlässiges Verhalten, das insbesondere auch auf Grund seiner relativ langen Dauer (nämlich: seit September 2003) keinesfalls als ein bloß geringfügiges Verschulden i.S.d. § 21 Abs. 1 VStG qualifiziert werden kann (vgl. dazu schon VwSen-231132 vom 16. September 2010).

3.4.2. Im Zuge der Strafbemessung ist allerdings zu beachten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10 u.a., einerseits zu Recht erkannt hat, dass u.a. die Wortfolge "von 1000 Euro" als verfassungswidrig aufgehoben wird und andererseits unter Heranziehung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hat, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ..... nicht mehr anzuwenden" sind; dieser Ausspruch wurde gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG mit dem am 4. April 2011 ausgegebenen BGBl.Nr. I 17/2011 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist daher seit dem 5. April 2011 (vgl. Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B‑VG) nach Art. 140 Abs. 7 erster Satz B-VG "für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden" wirksam. Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kommt damit einem Ausspruch nach Art. 140 Abs. 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls lediglich jener eines einfachen Gesetzes zu.  Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vorzitierte Diktum des VfGH inhaltlich wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung, nämlich dahin zu verstehen ist, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG (auch) auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für den hier maßgeblichen Bereich des Berufungsverfahrens, dass der generellen Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG entweder durch den Spruch des VfGH derogiert und/oder diese gegenständlich insoweit verfassungskonform, d.h. im Ergebnis dahin zu
interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die sich erst nach der Fällung des Bescheides in erster Instanz geändert habende, durch die Aufhebung der vorangeführten Wortfolge in § 120 Abs. 1 FPG für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den am 5. April 2011 oder danach ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs. 1 FPG zu Grunde zu legen.

3.4.3. Davon ausgehend sowie unter Bedachtnahme auf die von der belangten Behörde bislang nicht berücksichtigten besonders ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rechtsmittelwerbers findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation auf 8 Stunden herabzusetzen.

3.5. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde nach § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf 7 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war dem Berufungswerber hingegen gemäß § 65 VStG kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

 

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