Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130759/2/Gf/Mu

Linz, 29.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x gegen das wegen einer Übertretung des Oö. Parkgebührengeset­zes erlassene Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 22. März 2011, Zl. 933/10-906872, zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 22. März 2011, Zl. 933/10-906872, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 4 Euro) verhängt, weil er am 20. September 2010 zwischen 10:03 Uhr und 10:36 Uhr seinen PKW in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Linz ohne gültigen Parkschein abgestellt habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. a des Oö. Park­gebührengeset­zes, LGBl.Nr. 28/1988, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 84/2009 (im Folgenden: OöParkGebG), begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der ihm angelastete Tatvorwurf auf Grund entsprechender Wahrnehmungen eines zeugenschaftlich einvernommenen Aufsichtsorganes als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei eine einschlägige rechtskräftige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien; die vom Rechtsmittelwerber bekannt gegebenen Einkommens‑, Vermögens- und Familienverhältnisse (Nettopension in Höhe von 1.650 Euro; kein Vermögen; keine Sorgepflichten) seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 25. März 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 6. Apri 2011 – und damit rechtzeitig – per e-mail  eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass die bei der Einfahrt in die Kurzparkzone angebrachten Verkehrszeichen nicht den gesetzlichen Ausmaßen entsprechen würden. Außerdem seien keine entsprechenden Bodenmarkierungen angebracht bzw. erkennbar gewesen, weil der blaue Querbalken auf der Fahrbahn nur mehr fragmentarisch vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus sei lediglich in der Nähe des Abstellort ein Halte- und Parkverbot durch entsprechende Tafeln kundgemacht gewesen, während an diesem selbst keine Verkehrszeichen – insbesondere auch keine Kurzparkzonenschilder – angebracht gewesen seien. Schließlich liege seinerseits auch deshalb kein fahrlässiges Verhalten vor, weil er ohnehin nach entsprechenden Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen Ausschau gehalten und sich zudem bei anderen abgestellten Fahrzeugen bezüglich der Gebührenpflicht des Parkens vergewissert, jedoch keinerlei dementsprechende Hinweise habe wahrnehmen können.

Daher wir die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 933/10-906872; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte sohin im Übrigen gemäß § 51e VStG sowie i.S.d. Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 12. Mai 2010, 32435/06, von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.1.1. Dem entsprechend war von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen:

Am 20. September 2010 war das KFZ des Rechtsmittelwerbers zwischen 10:03 Uhr und 10:36 Uhr ohne gültigen Parkschein vor dem Haus Baumbachstraße Nr. 10 abgestellt. Diese Stelle liegt innerhalb einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, die an ihren Einfahrtsstraßen beiderseits jeweils durch entsprechende Straßenverkehrszeichen kundgemacht ist. Von den zusätzlich angebrachten Bodenmarkierungen war auf jener Straße, über die der Beschwerdeführer in die Kurzparkzone zugefahren ist, allerdings nur mehr ein Teil des blauen Querstreifens und auf diesem lediglich die Buchstaben "GEB" vorhanden. 

Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 15. Februar 2011, Zl. 933/10-906872, wurde über den Rechtsmittelwerber wegen Parkens in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone eine Geldstrafe in Höhe von 43 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 38 Stunden) verhängt. Dagegen hat er rechtzeitig einen Einspruch erhoben.

Darauf hin wurde das Aufsichtsorgan am 2. März 2011 als Zeugin einvernommen und dem Rechtsmittelwerber mit Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 3. März 2011, Zl. 933/10-906872, die Möglichkeit eingeräumt, sich zu diesem Beweisergebnis zu äußern. Mit e-mail vom 11. März 2011 hat er entsprechende Einwände vorgebracht.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 14. März 2011, Zl. 933-10-906872, wurde der Beschwerdeführer dazu aufgefordert, dieser Behörde binnen zwei Wochen ab Zustellung jene Person namhaft zu machen, die sein KFZ zuletzt vor dem 20. September 2010 um 10:03 Uhr gelenkt und in der Folge in der Baumbachstraße in Linz vor dem Haus Nr. 10 – und damit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone – abgestellt hat. Diese Aufforderung enthielt u.a. auch den expliziten Hinweis:

"Bitte beachten Sie, dass Sie sich strafbar machen, wenn sie die verlangte Auskunft nicht, unrichtig, unvollständig oder nicht innerhalb von zwei Wochen erteilen."

Darauf hin hat der Rechtsmittelwerber am 18. März 2011 telefonisch erklärt, dass er seinen PKW selbst gelenkt und abgestellt hat.

In der Folge hat die belangte Behörde am 22. März 2011 das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis (s.o., 1.1.) erlassen.

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes, wobei diesen vom Beschwerdeführer auch nur insoweit entgegengetreten wird, als er vorgebracht hat, dass sich in der Baumbachstraße lediglich solche Schilder, die den Beginn und das Ende eines Halte- und Parkverbotes anzeigen (nämlich über die ganze Länge des Hauses Nr. 23), ansonsten jedoch – und insbesondere am Abstellort – keine Verkehrszeichen befinden würden.

 

2.2. Da mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 6 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 2 Abs. 1 OöParkGebG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist dieser hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen, der als Lenker die fällige Parkgebühr hinterzieht.

 

Nach § 1 Abs. 1 OÖParkGebG sind die Gemeinden ermächtigt, eine Abgabe (Parkgebühr) für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen auszuschreiben; solche nach § 1 Abs. 1 OöParkGebG bestimmte Gebiete (gebührenpflichtige Kurzparkzonen) sind nach den entsprechenden straßenpolizeilichen Vorschriften zu kennzeichnen (§ 1 Abs. 3 OöParkGebG), nämlich gemäß

§ 25 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 93/2009 (im Folgenden: StVO), durch Zeichen nach § 52 lit. a Z. 13d ("Kurzparkzone – gebührenpflichtig – Beginn") und Z. 13e ("Kurzparkzone – gebührenpflichtig – Ende") StVO kundzumachen, wobei Kurzparkzonen zusätzlich mit Bodenmarkierungen in blauer Farbe auf der Fahrbahn oder auf dem Randstein sowie mit blauen Markierungsstreifen an den im Bereich einer Kurzparkzone vorhandenen Anbringungsvorrichtungen für Straßenverkehrszeichen, Beleuchtungsmasten oder dergleichen gekennzeichnet werden können.

 

Nach § 4 Abs. 2 ist die Parkgebühr – deren Ausschreibung, Höhe und Art der Entrichtung durch Verordnung der Gemeinde festzulegen ist (vgl. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 OöParkGebG – bei Beginn des Abstellens fällig.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a der Parkgebührenverordnung der Stadt Linz vom 11. Mai 1989, Amtsblatt (ABl.) der Landeshauptstadt Linz Nr. 11/1989, zuletzt geändert durch ABl.Nr. 19/2009 (im Folgenden: KPZV-Linz), liegt u.a. die hier verfahrensgegenständliche Baumbachstraße innerhalb der als gebührenpflichtig erklärten Kurzparkzone ("Untere Donaulände ..... Kärntnerstraße ..... Waldeggstraße .... Kapuzinerstraße, Römerbergtunnel .... Untere Donaulände"). Nach § 2 Abs. 1 KPZV-Linz beträgt die Höhe der Parkgebühr 50 Cent für jede angefangene halbe Stunde, wobei diese durch den Erwerb eines Parkscheines beim Parkautomaten zu entrichten und dieser Parkschein unverzüglich nach Beginn des Abstellens am Kraftfahrzeug hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar anzubringen ist (§ 5 Abs. 3 KPZV-Linz).

3.2. Im vorliegenden Fall ist allseits unbestritten, dass das mehrspurige KFZ des Rechtsmittelwerber zum Vorfallszeitpunkt in der Baumbachstraße in Linz – und damit gemäß § 1 Abs. 1 lit. a KPZV-Linz in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone – abgestellt war, die an ihren Einfahrtsstraßen durch Straßenverkehrszeichen  gemäß § 25 Abs. 2 i.V.m. § 52 lit. a Z. 13d und Z. 13e StVO kundgemacht war.

Selbst wenn daher der Einwand des Rechtsmittelwerbers, dass sich in der Baumbachstraße selbst lediglich solche Schilder, die den Beginn und das Ende eines Halte- und Parkverbotes anzeigen (nämlich über die ganze Länge des Hauses Nr. 23), ansonsten jedoch – und insbesondere am Abstellort – keine Verkehrszeichen, die eine Kurzparkzone befinden, ebenso zutrifft wie der auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte Umstand, dass von den zusätzlich angebrachten Bodenmarkierungen auf jener Straße, über die der Beschwerdeführer in die Kurzparkzone zugefahren ist, nur mehr ein Teil des blauen Querstreifens und auf diesem lediglich die Buchstaben "GEB" vorhanden waren, tangiert dies die Ordnungsgemäßheit der Kundmachung der gebührenpflichtigen Kurzparkzone deshalb nicht, weil es sich insoweit – wie aus § 25 Abs. 2 StVO zweifelsfrei hervorgeht – nicht um zwingende Rechtsvorschriften, sondern bloß um Sollensanordnungen handelt: Im Falle der Festlegung nicht bloß einer bestimmten Straße oder eines Straßenteiles, sondern einer mehrere Straßen umfassenden Zone, für die die Gebührenpflicht gelten soll, ist es sohin nicht erforderlich, dass auch innerhalb dieser Zone zusätzlich auch noch durch entsprechende Straßenverkehrzeichen und/oder Bodenmarkierungen auf diesen Umstand hingewiesen wird.

Somit liegt aber die vom Beschwerdeführer behauptete Ordnungswidrigkeit der Kundmachung der gebührenpflichtigen Kurzparkzone gegenständlich nicht vor, zumal sich auch weder aus seinem nicht näher belegten Vorbringen noch aus dem erstbehördlichen Akt konkrete Anhaltpunkte dafür ergeben haben, dass und inwiefern die verwendeten Verkehrszeichen nicht den erforderlichen Ausmaßen entsprochen haben sollen.

3.2. Auch wenn man das Vorbringen des Rechtsmittelwerbers, dass er sich dadurch, dass er nach entsprechenden Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen Ausschau gehalten und sich zudem bei anderen abgestellten Fahrzeugen bezüglich der Gebührenpflicht des Parkens vergewissert, jedoch keinerlei dementsprechende Hinweise habe wahrnehmen können, als zutreffend unterstellt, ist deshalb ein fahrlässiges Verhalten seinerseits nicht ausgeschlossen: Als Lenker eines KFZ ist er nämlich entweder dazu verpflichtet, die entsprechenden straßenpolizeilichen Vorschriften zu kennen bzw. im Zweifel eine entsprechende Auskunft bei der zuständigen Behörde einzuholen. Soweit es daher den Umstand der Kundmachung von gebührenpflichtigen Kurzparkzonen betrifft, hätte er sich daher weder mit der Ausschau nach den sich in unmittelbarer Nähe befindenden Straßenverkehrszeichen noch danach, ob sich hinter der Windschutzscheibe anderer KFZ Parkscheine befinden oder nicht, zufrieden geben dürfen. Zuverlässiger wäre es offensichtlich jedenfalls gewesen, festzustellen, ob sich in der Nähe des Abstellortes ein Parkschein befindet. Indem er jedoch eine diesbezügliche Nachschau unterlassen hat, hat er zumindest fahrlässig und damit auch schuldhaft gehandelt.

3.3. Dessen ungeachtet erhebt sich jedoch im vorliegenden Fall die Frage, ob die belangte Behörde dazu berechtigt war, den Beschwerdeführer mit ihrem Schreiben vom 14. März 2011, Zl. 933-10-906872, unter Strafsanktion dazu zu verpflichten, eine Auskunft darüber zu erteilen, wer den verfahrensgegenständlichen PKW unmittelbar vor dem Abstellen in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone gelenkt hat, nachdem sie bereits zuvor – nämlich am 15. Februar 2011 – gegen ihn eine Strafverfügung erlassen hatte.

3.3.1. Der damit in Rede stehende Grundsatz, schweigen zu dürfen sowie sich nicht selbst beschuldigen bzw. belasten zu müssen ("nemo tenetur se ipsum accusare"), ist zwar in Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht ausdrücklich angeführt, zählt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zum Kernbereich des in dieser Bestimmung allgemein normierten Prinzips des "fairen Verfahrens" (vgl. z.B. Ch. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Auflage, München 2009, RN 119 zu § 24).

Dieses Recht ist allerdings nicht absolut gewährleistet. Insbesondere hindert es ein Strafgericht grundsätzlich nicht, aus dem Schweigen des Beschuldigten auch solche Schlüsse zu ziehen, die ihm im Ergebnis zum Nachteil gereichen (vgl. z.B. W. Peukert in J.A. Frowein – W. Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Auflage, Kehl 2009, RN 130 zu Art. 6), wobei es unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des konkreten Falles insbesondere auf das Gewicht, das dem Schweigen im Rahmen der Abwägung aller Beweise zugemessen wird, und auf den Grad des (indirekten) Zwanges (zur Aussage), der der jeweiligen Situation inhärent ist, ankommt (vgl. die Nachweise bei W. Peukert, a.a.O., RN 131 und 137). Ob in einem konkreten Fall der Wesensgehalt dieser Grundrechtsgewährleistung tangiert wurde und somit ein unzulässiger Eingriff vorliegt oder nicht, ist grundsätzlich nach Art eines "beweglichen Systems" anhand folgender Gesichtspunkte zu beurteilen: Art und Schwere des Zuganges zur Beweiserlangung; Gewicht des öffentlichen Interesses an der Tatverfolgung und Täterbestrafung; Existenz angemessener Verfahrensgarantien; Verwertung der erlangten Beweismittel (vgl. Ch. Grabenwarter, a.a.O., m.w.N.).

3.3.2. Im Besonderen hat der EGMR daher einen mit einer (bloß geringen) Verwaltungsstrafe bewehrten Zwang gegenüber einem Fahrzeughalter zur Auskunft darüber, wer sein KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt innehatte, als mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar erachtet. Dies deshalb, weil jeder Zulassungsbesitzer diese allgemein im Straßenverkehrsrecht enthaltene Verpflichtung und Verantwortlichkeit mit dem Erwerb der Lenkerberechtigung auch konkret für seine Person übernommen hat. Außerdem ist ein derartiges Ersuchen inhaltlich – nämlich auf die Identität des Fahrers – begrenzt und für den Fall der Zuwiderhandlung droht lediglich eine geringe (Geld-)Strafe, wobei insoweit auch noch eine verfahrensrechtliche Garantie dahin besteht, dass Straflosigkeit eintritt, wenn der Zulassungsbesitzer den Fahrer nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen.

Davon ausgehend hat es der EGMR bisher auch nicht als eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen, wenn zunächst wegen des Grunddeliktes (z.B. Geschwindigkeitsübertretung) ein Strafverfahren gegen einen unbekannten Täter, später aber – als eine allfällige Konsequenz der Aussageverweigerung – dann (nur mehr) wegen Letzterer ein Strafverfahren gegen den Zulassungsbesitzer geführt wird, wenn und solange der Zusammenhang zwischen dem Auskunftserteilungsverfahren und dem Strafverfahren wegen des Grunddeliktes "lose und hypothetisch" bleibt (vgl. EGMR vom 8. April 2004, 38544/97 [Weh gegen Österreich]).

Wesentlich ist allerdings, dass in den vom EGMR entschiedenen und speziell Österreich betreffenden Verfahren zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Lenkerauskunft gegen den Betroffenen jeweils (noch) kein Strafverfahren wegen eines Grunddeliktes (wie z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung oder Verkürzung der Parkgebühr) geführt wurde: Damit ging es also nicht um die Verwendung von einer unter Zwang erlangten Information in einem nachfolgenden Strafverfahren, sodass der Zulassungsbesitzer auch nicht als "wesentlich berührt" (d.h.: als einer Straftat beschuldigt bzw. angeklagt i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK) anzusehen war (vgl. EGMR vom 8. April 2004, 38544/97 [Weh gegen Österreich]; vom 24. März 2005, 63207/00 [Rieg gegen Österreich]; vom 3. Mai 2005, 52167/99 [Fischbach-Mavromatis gegen Österreich] = ÖJZ 2006, S. 39).

3.3.3. Aus dieser Rechtsprechung folgt somit als logisch-denknotwendig gebotener Umkehrschluss, dass jedenfalls die Verwendung von unter Zwang erlangten Informationen gegen den Auskunftspflichtigen in einem gegen ihn wegen eines Grunddeliktes bereits anhängigen Strafverfahren unzulässig ist (vgl. EGMR vom 14. Oktober 2010, 1466/07: Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK, weil der Betroffene – gegen den bereits ein Strafverfahren eingeleitet war – dazu gezwungen wurde, unter Wahrheitspflicht auszusagen und sich dabei allenfalls auch selbst zu belasten, ohne zuvor darauf hingewiesen worden zu sein, dass er auch das Recht hat, zu schweigen), weil er unter solchen Umständen als i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK angeklagt und damit als "wesentlich berührt" angesehen werden muss (vgl. in diesem Sinne bereits UVS Oberösterreich vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751; s.a. R. Thienel, Rechtsprechung des EGMR 2010 [2], ÖJZ 2011, 261). Gegenteiliges ergibt sich auch aus dem EGMR-Urteil vom 29. Juni 2007, 15809/02 (O‘Halloran u. Francis gegen GB) nicht, weil dort einer der beiden Rechtsmittelwerber letztlich nur wegen Auskunftsverweigerung bestraft wurde und hinsichtlich des wegen des Grunddeliktes (Geschwindigkeitsüberschreitung) bestraften anderen Beschwerdeführers das Selbstbekenntnis zur Lenkereigenschaft nicht den einzigen Beweis bildete. Auch in dem vom EGMR mit Urteil vom 10. Jänner 2008, 58452/00 (Lückhof und Spanner gegen Österreich), erfolgte nur eine Bestrafung wegen der Nichterteilung der Auskunft, nicht aber auch eine solche wegen des Grunddeliktes. Die beiden letztgenannten Entscheidungen zeigen daher die „nicht absolute, sondern bloß relative“ Natur des nemo-tenetur-Prinzips auf, zugleich aber auch, dass eine Auskunftspflicht im Strafverfahren nicht generell, sondern nur unter bestimmten Umständen zulässig ist, was dazu führt, dass Feststellungen des EGMR zur Rechtslage in einem bestimmten Mitgliedstaat nicht immer in vollem Umfang auch auf alle andern Mitgliedstaaten übertragen werden können; konkret stellte der EGMR im Fall Lückhof/Spanner zwar fest, dass die Unterschiede zwischen der englischen und der österreichischen Rechtslage wohl vernachlässigt werden können (vgl. RN 52 bis 58 des zuletzt angeführten Urteils), aber auch, dass die strafsanktionierten Auskünfte in den Grunddeliktsverfahren de facto nicht verwendet wurden, sodass deshalb kein Eingriff in das Recht zu schweigen vorlag (RN 57 u. 58).

3.3.4. Weiters hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 18. März 2010, 13201/05 (Fall Krumpholz gegen Österreich), bekräftigt, dass das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuleitende Recht zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen in einem engen Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK steht. Daraus folgt wiederum, dass in Sachverhaltskonstellationen, bei denen den Strafbehörden als einziges objektives Beweismittel bloß das Faktum vorliegt, dass die Übertretung mit einem bestimmten KFZ begangen wurde, nicht eine solche Situation gegeben ist, die notwendigerweise eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers dieses Fahrzeuges erfordert, wenn gleichzeitig keinerlei objektives Indiz bezüglich der Identität einer bestimmten Person als Fahrer besteht: Unter solchen Umständen erweist sich nämlich – wenn man zudem berücksichtigt, dass das österreichische Recht keine generelle gesetzliche Vermutung für eine grundsätzliche Lenkereigenschaft des Zulassungsbesitzers aufstellt – eine Schlussfolgerung dahin, dass der Zulassungsbesitzer selbst der Fahrzeuglenker gewesen sein muss, keineswegs als ohnehin standardmäßig durch die allgemeine Lebenserfahrung gedeckt.

Dem entspricht schließlich auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahin, dass auf gesetzwidrige Weise gewonnene Beweisergebnisse zur Ermittlung der materiellen Wahrheit unzulässig sind, wenn deren Verwendung dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes diametral widersprechen würde (vgl. z.B. VwGH vom 5. Juni 1993, Zl. 91/10/0130 = JBl 1994, 196, sowie VwSlg 11540 A/1994 und dazu jeweils näher UVS Oberösterreich vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751).

3.3.5. Aus all dem ergibt sich insgesamt, dass aus dem Schweigen eines Beschuldigten grundsätzlich zwar auch Schlüsse gezogen werden können, die ihm im Ergebnis zum Nachteil gereichen, wobei ein strafbewehrter Zwang zur Auskunft des Zulassungsbesitzers darüber, wer das KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet hat, auch nicht per se gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstößt. Wird jedoch gegen den Zulassungsbesitzer nicht bloß ein Strafverfahren wegen der Auskunftsverweigerung, sondern zuvor bzw. parallel dazu bereits auch ein solches wegen eines Grunddeliktes (z.B. wegen Geschwindigkeitsüberschreitung oder Verkürzung der Parkgebühr) geführt, dann besteht insoweit nicht bloß ein "loser und hypothetischer" Zusammenhang, sondern es liegt eine "wesentliche Berührtheit" und damit ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn die im Auskunftsverfahren unter Zwang erlangten Informationen in der Folge auch im Strafverfahren wegen des Grunddeliktes verwendet werden. Darüber hinaus resultiert ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot, wobei noch hinzukommt, dass in Konstellationen, in denen kein Indiz bezüglich der Identität des Fahrers vorliegt, ein Schluss darauf, dass der Zulassungsbesitzer selbst der Fahrzeuglenker gewesen ist, nicht ohne Weiteres auf eine entsprechend apriorische "allgemeine Lebenserfahrung" gegründet werden kann, sondern vielmehr darüber hinaus auch nicht schon per se eine solche Situation darstellt, die zwingend eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers gebietet, sodass allein schon aus dessen dementsprechenden Schweigen zulässigerweise auf seine Lenkereigenschaft geschlossen werden könnte.

3.3.6. Dagegen ließe sich zwar aus formaler Sicht einwenden, dass Art. II der Finanzausgleichsgesetz-Novelle BGBl.Nr. 384/1986 (im Folgenden: FAG-Nov 1986) – der (ebenso wie § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967 i.d.F. der Novelle BGBl.Nr. 106/1986, im Folgenden: KFG-Nov 1986) im Wege einer Verfassungsbestimmung anordnet, dass im Zuge der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Kraftfahrzeugen die Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, eine Auskunft vom Zulassungsbesitzer darüber zu verlangen, wem er das KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat, zurücktreten – sowohl aufgrund seines materiellen Regelungsgehaltes als lex specialis als auch in zeitlicher Hinsicht als lex posterior anzusehen ist und daher den zuvor dargestellten Garantien des Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK derogiert.

3.3.6.1. Beide Argumente erweisen sich jedoch zum einen aus rechtssystematischen Gründen deshalb nicht als stichhaltig, weil sowohl die Gewährleistung, schweigen zu dürfen und sich nicht selbst belasten zu müssen – als ein besonderer Aspekt des Rechtes auf ein faires Verfahren i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK – als auch die sich speziell daran anschließende Gewährleistung der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK ihre spezifische Ausprägung sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht – wie die zuvor angeführten EGMR-Urteile (vgl. oben, 3.2.2.1. und 3.2.2.2.) zeigen – erst lange nach dem Inkrafttreten des Art. II FAG-Nov 1986 (bzw. des § 103 Abs. 2 KFG-Nov 1986) erfahren haben. Daher sind vielmehr umgekehrt Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK jeweils als leges speciales in Bezug auf Art. II FAG-Nov 1986 und § 103 Abs. 2 KFG-Nov 1986 anzusehen.

Überdies hat auch der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 11500/1987 betont, dass derartige, durch die Judikatur des EGMR bewirkte inhaltliche Fortentwicklungen der Konventionsgarantien jedenfalls insoweit, als sich diese nicht als eine "offene Rechtsfortbildung" erweisen, stets auch innerstaatlich entsprechend nachvollzogen werden müssen:

"Wenn auch bei der Auslegung internationaler Verträge nicht auf das Verständnis abgestellt werden kann, das einzelne Mitglieder beim Abschluß oder gar erst bei ihrem späteren Beitritt zugrundegelegt haben, ist das Verständnis Österreichs im Verein mit der Rechtslage in anderen Staaten und der langjährigen Praxis der Kommission doch ein wichtiges Anzeichen dafür, daß nach seinem ursprünglichen Sinn der Begriff "civil rights" einen viel engeren Inhalt hat als ihm die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterstellt. Diese Rechtsprechung erweist sich mithin als offene Rechtsfortbildung, die wohl erwogene Gründe haben mag, den Staaten aber Verpflichtungen auferlegt, die einzugehen sie niemals gewollt und erklärt haben. ..... Der VfGH sieht sich zwar grundsätzlich gehalten, der MRK als Verfassungsnorm jenen Inhalt zu unterstellen, der ihr auch als internationalem Instrument zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zukommt. Er hat daher bei ihrer Auslegung insbesondere der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als dem zur Auslegung der MRK zunächst berufenen Organ besonderes Gewicht einzuräumen. Er kann diese Haltung aber nicht unter allen Umständen einnehmen. Wie er an späteres Verfassungsrecht auch dann gebunden wäre, wenn sich aus ihm Änderungen gegenüber den Grundsätzen der MRK ergeben würden, kann bestimmten Auslegungsergebnissen auch Staatsorganisationsrecht im Verfassungsrang entgegenstehen. Freilich unterstellt der Gerichtshof dem späteren Verfassungsrecht nach Möglichkeit einen Inhalt, der es mit der MRK verträglich macht ..... An die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Staatsorganisation ist der Gerichtshof aber auch im Falle eines Widerspruches zur Konvention gebunden. Stehen sie einer möglichen Auslegung der MRK entgegen, kann er diese Auslegung seiner Entscheidung nicht zugrundelegen. Selbst wenn daher der Europäische Gerichtshof eine Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung in diesem Punkte annehmen sollte, könnte dieser Verstoß nur durch den Verfassungsgesetzgeber selbst geheilt werden. Der VfGH möchte allerdings nicht versäumen darauf hinzuweisen, daß die dann anzunehmende Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung nach dem derzeitigen Stand seiner Überlegungen nur das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung durch die Konventionsorgane sein könnte und sich daher die - hier nicht zu beantwortende - Frage stellen würde, ob nicht die Übertragung einer rechtsfortbildenden Aufgabe auf verfassungsrechtlichem Gebiet an ein internationales Organ als Ausschaltung des Verfassungsgesetzgebers eine Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne des Art44 Abs3 B-VG wäre und einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes bedurft hätte."

Außerdem kann das Prinzip des "nemo tenetur" im Hinblick auf dessen explizite Verankerung in Art. 14 Abs. 3 lit. g des Internationalen UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte mittlerweile auch als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts i.S.d. Art. 9 Abs. 1 B-VG bzw. als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden (vgl. näher W. Berka, Die Grundrechte, Wien 1999, RN 848 ff), sodass ihm auch insoweit eine innerstaatlich entgegenstehendem Verfassungsrecht derogierende Wirkung zukommt.

Und schließlich ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass diese elementare Verfahrensgarantie in gleicher Weise wie auch andere essentielle Prozessgrundsätze einen Bestandteil des rechtsstaatlichen Grundprinzips bildet (Rechtsstaat als Rechtsschutzstaat; vgl. in diesem Sinne jüngst beispielsweise VfGH vom 28. Februar 2011, G 201/10; vom 15. Dezember 2010, U 1858/10 u.a.; und vom 27. September 2010, G 226/09).

3.3.6.2. Zu diesen rechtssystematischen Erwägungen kommt zum anderen als ein gewichtiges rechtspolitisches Argument auch noch der Umstand, dass der EGMR die Garantien der EMRK grundsätzlich autonom auslegt, sodass aus dessen Sicht entgegenstehendes innerstaatliches Verfassungsrecht von Vornherein unbeachtlich ist, im Gegenteil: Staaten, die sich einer verbindlichen Auslegung der EMRK durch den EGMR systematisch widersetzen, müssen mit ernsten Konsequenzen, die z.B. von einem sog. "Pilotverfahren" gemäß Art. 46 EMRK (vgl. z.B. jüngst EGMR vom 2. September 2010, 46344/06 [Fall Rumpf/BRD]; s.a. EGMR vom 12. Oktober 2010, 30767/05 [Rumänien], vom 23. November 2010, 60041/08 [GB], und vom 21. Dezember 2010, 50973/08 [Griechenland]) bis zu einem (befristeten oder endgültigen) Ausschluss aus dem Europarat reichen können, rechnen (vgl. Ch. Grabenwarter, a.a.O., RN 7 und RN 11 zu § 16).

3.3.7. Gegen dieses Ergebnis können (vermeintliche) Schwierigkeiten im Bereich der Vollzugspraxis freilich keinen stichhaltigen Einwand bilden, zumal insoweit künftig ohnehin lediglich darauf zu achten ist, dass das Strafverfahren wegen des Grunddeliktes (z.B. Geschwindigkeitsübertretung, Parkgebührenverkürzung) bloß in einem losen Zusammenhang zu jenem wegen der Auskunftsverweigerung steht, d.h. also, dass Letzteres regelmäßig erst nach dem Abschluss des auf (§ 103 Abs. 2 KFG bzw.) § 2 Abs. 2 OöParkGebG gestützten administrativen Auskunftserteilungsverfahrens eingeleitet wird, um einen ansonsten drohenden Eingriff in die verfassungsmäßige Gewährleistung des in Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK verankerten "nemo tenetur"-Prinzips und/oder der Unschuldsvermutung hintanzuhalten.

Auch Effizienzgesichtspunkte oder der Aspekt, dass es sich sowohl bei den Grunddelikten als auch bei den Verletzungen der Auskunftspflicht in der Vielzahl aller Fälle bloß um Bagatelldelikte handelt, vermögen aus rechtlicher Sicht kein von vornherein stichhaltiges Argument dafür zu bilden, eine das Verfahren generell "abkürzende" Praxis, nach der zunächst eine Strafverfügung gegen den Zulassungsbesitzer ergeht und lediglich im Falle eines Einspruches gegen diese ein Verfahren zur Lenkerfeststellung eingeleitet wird, weiterhin unreflektiert aufrecht zu erhalten (vgl. in diesem Sinne schon UVS Oberösterreich vom 25. Februar 2008, Zl. VwSen-130583). Eine solche Vorgangsweise wäre vielmehr allenfalls nur dann zulässig, wenn das Interesse an der Strafverfolgung und Generalprävention hoch ist – wie beispielsweise im Falle einer gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung im Zusammenhang mit einer Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG (in Relation zu einer bloß geringfügigen Überschreitung des Zeitlimits im Rahmen des gebührenpflichtigen Parkens) –, sodass der Eingriff in die in Rede stehenden Grundrechtsgewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK durch überwiegende und höherrangige öffentliche Interessen gerechtfertigt und damit insgesamt als verhältnismäßig erscheint.

3.3.8. Auch die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation entspricht den zuvor bereits mehrfach angeführten, mit den h. Erkenntnissen vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751 entschiedenen Fällen insofern, als (erstens) die telefonische Mitteilung des Rechtsmittelwerbers, dass er den verfahrensgegenständlichen PKW selbst gelenkt habe (s.o., 2.1.1.), den einzigen Beweis für seine Lenkereigenschaft bildet und (zweitens) dieser im Verfahren wegen des Grunddeliktes (Verletzung der Gebührenpflicht) auch tatsächlich verwendet wurde, ohne dass (drittens) der Beschwerdeführer zuvor auf sein Recht, schweigen zu dürfen und sich nicht selbst belasten zu müssen, hingewiesen worden wäre. Dazu kommt weiters, dass (viertens) hier das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und Täterbestrafung gering ist – denn im Gegensatz z.B. zu einer (markanten) Geschwindigkeitsübertretung i.S.d. § 20 StVO und der dadurch bewirkten Gefährdung der körperlichen Integrität anderer Verkehrsteilnehmer (i.V.m. der Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG) geht es gegenständlich lediglich um eine Gebührenhinterziehung in einer geringen Höhe (60 Cent) sowie um die Vereitelung einer (kurzfristigen) Parkmöglichkeit für (einen) andere(n) KFZ-Benutzer – und (fünftens) schließlich auch keine solche Situation bestand, die zwingend eine Rechtfertigung des Rechtsmittelwerbers geboten hätte: Denn es lag lediglich eine subjektive Wahrnehmung des Aufsichtsorganes dahin vor, dass der PKW in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt war und zudem wies kein objektives Faktum in die Richtung, dass der Beschwerdeführer dieses unmittelbar zuvor selbst gelenkt und in der Folge dort abgestellt hätte. Obgleich (das KFG und) das OöParkGebG keine dementsprechende gesetzliche Vermutung kennt, sprachen zwar anfänglich keine spezifischen Umstände gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, jene allgemeine Lebenserfahrung, dass ein KFZ in der Regel von seinem Zulassungsbesitzer benutzt wird, zumindest vorerst ihrer Gesamtbeurteilung des gegenständlichen Falles als eine gleichsam "standardmäßige Ausgangsbasis" zu Grunde zu legen. Dies änderte sich jedoch dann, als die belangte Behörde – nachdem sie zuvor gegen ihn bereits eine Strafverfügung erlassen und sie ihn zur Stellungnahme zu Beweisergebnissen aufgefordert hatte – ihn nachträglich zur Bekanntgabe des Lenkers aufforderte (s.o., 2.2.1.) und so objektiv besehen seine Tätereigenschaft ab diesem Zeitpunkt wieder zweifelhaft erschien. Anders als in jenem dem ho. Erkenntnis vom 4. Juli 2011, Zl. VwSen-130765, zu Grunde liegenden Fall bestand sohin hier keine Situation dergestalt, dass dem Rechtsmittelwerber zweifelsfrei klar sein musste, dass die Behörde in jeder Phase des Verfahrens davon ausging (und auch berechtigterweise davon ausgehen konnte), dass ausschließlich er selbst – und keine andere Person – das in Rede stehende KFZ unmittelbar vor dem Abstellen desselben in der Kurzparkzone benutzt hat. Unter den fallbezogen konkret gegebenen Umständen war er daher auch nicht dazu gehalten, darzulegen, dass bzw. inwiefern hier eine vom Regelverlauf abweichende Sachverhaltskonstellation vorgelegen haben könnte, bzw. Derartiges in den aktiv von ihm initiierten Prozesshandlungen (Einspruch gegen die Strafverfügung, Stellungnahme zum Beweisergebnis bzw. gegenständliche Berufung gegen das Straferkenntnis) einzuwenden.

Gesamthaft betrachtet hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer vielmehr dadurch, dass sie ihn unter Strafsanktion dazu verhalten hat, sich selbst beschuldigen zu müssen, in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt.

3.3.9. Der unter den fallbezogen konkret gegebenen Umständen und auf einem derartigen Weg gewonnene Beweis für die Tätereigenschaft des Rechtsmittelwerbers darf daher nicht verwertet werden.

Weil aber hier im Übrigen keine dementsprechenden Nachweise vorliegen, war sohin im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK von dessen Unschuld auszugehen.

3.4. Aus diesem Grund war der vorliegenden Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei einem solchen Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

VwSen-130759/2/Gf/Mu vom 29. Juni 2011

Erkenntnis

 

EMRK Art6 Abs1 und 2;

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Art14;

B-VG Art9 Abs1;

FAG-Novelle 384/1986 ArtII;

Oö. ParkGebG §2 Abs2;

KFG 1967 §103 Abs2

 

Grundsätzlich wie UVS vom 4. Juli 2011, VwSen-130765; darüber hinaus:

Wenn (1.) die Bekanntgabe des Bf, dass er den PKW selbst gelenkt habe, den einzigen Beweis für seine Lenkereigenschaft bildet und (2.) dieser Beweis im Verfahren wegen des Grunddeliktes (Verletzung der Gebührenpflicht) auch tatsächlich verwendet wurde, ohne dass (3.) der Bf zuvor auf sein Recht, schweigen zu dürfen und sich nicht selbst belasten zu müssen, hingewiesen wurde, obwohl (4.) das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und Täterbestrafung gering ist – weil es im Gegensatz zB zu einer (markanten) Geschwindigkeitsübertretung iSd §20 StVO und der dadurch bewirkten Gefährdung der körperlichen Integrität anderer Verkehrsteilnehmer (iVm der Auskunftspflicht nach §103 Abs2 KFG) lediglich um eine Gebührenhinterziehung in einer geringen Höhe (60 Cent) sowie um die Vereitelung einer (kurzfristigen) Parkmöglichkeit für (einen) andere(n) KFZ-Benutzer geht – und schließlich (5.) auch keine solche Situation bestand, die zwingend eine Rechtfertigung des Rechtsmittelwerbers geboten hätte – weil zwar anfänglich keine spezifischen Umstände gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, jene allgemeine Lebenserfahrung, dass ein KFZ in der Regel von seinem Zulassungsbesitzer benutzt wird, zumindest vorerst ihrer Gesamtbeurteilung des gegenständlichen Falles als eine gleichsam "standardmäßige Ausgangsbasis" zu Grunde zu legen, sprachen, sich dies jedoch dann änderte, als die Behörde nach der Erlassung einer Strafverfügung und der Aufforderung zur Stellungnahme zu Beweisergebnissen den Bf nachträglich noch zur Bekanntgabe des Lenkers aufforderte und so seine Tätereigenschaft objektiv besehen ab diesem Zeitpunkt wieder zweifelhaft erschien, sodass keine Situation dergestalt, dass ihm zweifelsfrei klar sein musste, dass die Behörde in jeder Phase des Verfahrens davon ausging, dass ausschließlich er selbst und keine andere Person das KFZ unmittelbar vor dem Abstellen desselben in der Kurzparkzone benutzt hat, weshalb er auch nicht dazu gehalten war, darzulegen, dass bzw inwiefern hier eine vom Regelverlauf abweichende Sachverhaltskonstellation vorgelegen haben könnte, bzw Derartiges in den aktiv von ihm initiierten Prozesshandlungen (Einspruch gegen die Strafverfügung, Stellungnahme zum Beweisergebnis bzw gegenständliche Berufung gegen das Straferkenntnis) einzuwenden – dann wurde der Bf dadurch, dass er unter Strafsanktion dazu verhalten wurde, sich selbst beschuldigen zu müssen, in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK verletzt.

Ein unter solchen Umständen und auf einem derartigen Weg gewonnener Beweis für die Tätereigenschaft des Bf darf nicht verwertet werden; vielmehr ist – wenn im Übrigen keine dementsprechenden Nachweise vorliegen – im Zweifel gemäß Art6 Abs2 EMRK von dessen Unschuld auszugehen.

 

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