Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300952/2/Gf/Mu

Linz, 27.06.2011

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6. April 2010, Zl. BZ-Pol-12007-2009, wegen einer Übertretung des Tierschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 6. April 2010, Zl. BZ-Pol-12007-2009, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 22 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 50 Euro) verhängt, weil er am 6. Februar 2009 einer Katze einen Fußtritt versetzt habe, woran diese in der Folge verendet sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 38 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 118/2004, i.d.F. BGBl.Nr. I 35/2008 (im Folgenden: TierSchG), begangen, weshalb er nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der dem Rechtsmittelwerber angelastete und von ihm im Grunde auch nicht bestrittene Sachverhalt aufgrund entsprechender Feststellungen in dem wegen einer Übertretung des § 222 StGB durchgeführten gerichtlichen Strafverfahrens als erwiesen anzusehen sei, zumal dieses Verfahrens lediglich mangels erwiesenen Tatvorsatzes eingestellt wurde.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 8. April 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 22. April 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass kein vorsätzliches, darüber hinaus aber auch nicht einmal ein fahrlässiges Verhalten vorliege, da er der Katze lediglich einen leichten Stoß mit dem Fuß versetzt habe. Weil die darauf abzielenden Beweisanträge seitens der Erstbehörde total ignoriert worden seien, leide das angefochtene Straferkenntnis sohin an erheblichen Sachverhaltsfeststellungs- und Begründungsmängeln. Außerdem liege ein rechtskräftiger Freispruch einer gerichtlichen Instanz vor, sodass mit der nunmehrigen Erlassung eines Straferkenntnisses ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vorliege.

 

Daher wird die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Wels zu Zl. BZ-Pol-12007-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Bescheid eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 TierSchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach der erstgenannten mit einer Geldstrafe bis zu 7.500 Euro zu bestrafen, der einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen zufügt. Nach § 38 Abs. 7 TierSchG liegt jedoch keine Verwaltungsübertretung vor, wenn die in § 38 Abs. 1 TierSchG bezeichnete Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Gemäß § 222 Abs. 1 Z. 1 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 134/2002 (im Folgenden: StGB), begeht u.a. derjenige eine gerichtlich strafbare Handlung und ist hierfür mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der ein Tier roh misshandelt oder diesem unnötige Qualen zufügt.

 

3.2. Im Zusammenhang mit der Auslegung der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs. 7 TierSchG ist nunmehr insbesondere die seit dem Urteil vom 10. Februar 2009, 14939/03 (Fall Zolotukhin), geänderte und in mehreren Folgeentscheidungen bestätigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 des 7. ZPMRK zu beachten: Danach ist es nämlich nicht mehr zulässig, eine Person wegen ein und desselben faktischen Verhaltens mehrfach strafrechtlich zu verfolgen und/oder zu bestrafen; auf frühere maßgebliche Kriterien – wie insbesondere "essential elements" etc. – kommt es insoweit hingegen nicht mehr an. Liegen dieselben oder – wie es der EGMR ausdrückt – "essentially the same facts" vor, so ist eine parallele Ahndung a priori gehindert (vgl. in diesem Sinne bereits VwSen-301042 vom 30. Mai 2011 und VwSen-231256 vom 31. Mai 2011 sowie ausführlich dazu A. Grof, Ne bis in idem – das "Zolotukhin"-Urteil des EGMR, SPRW [Spektrum der Rechtswissenschaften] 1/2011, m.w.N.).

 

Gerade dies trifft im gegenständlichen Fall zu, in dem die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses explizit selbst davon ausgegangen ist, dass "beim Bezirksgericht Wels ..... wegen dieses Vorfalles am 18.06.2009 eine Hauptverhandlung wegen § 222 Abs 1 Z 1 StGB" stattgefunden habe und dabei "vom Beschuldigten auch nicht geleugnet" worden sei, "der Katze mit seinen Straßenschuhen einen – zu festen – Fußtritt gegeben zu haben", sodass "die objektive Tatseite der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretung ..... aufgrund des angeführten Sachverhaltes als erwiesen anzusehen und ..... vom Beschuldigten auch nicht geleugnet" werde, wobei "das Bezirksgericht Wels ..... nicht einmal einen Zweifel an der objektiven Tatseite des § 222 Abs 1 Z 1 StGB, sondern – mangels erwiesenen Tatvorsatzes – lediglich an dessen subjektiver Tatseite" gehabt habe.

 

Daraus ergibt sich insgesamt zweifelsfrei, dass der Rechtsmittelwerber wegen des im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Faktums –
Verabreichen eines Fußtrittes gegen eine Katze am 6. Februar 2009 in der damaligen Wohnung seiner Lebensgefährtin – bereits gerichtlich angeklagt und damit strafrechtlich verfolgt worden ist, sodass unter dem Aspekt des Art. 4 des 7.ZPMRK jegliche zusätzliche (parallele und/oder nachfolgende) Strafverfolgung von vornherein gehindert ist.

 

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher schon auf Grund dieses absoluten Prozesshindernisses gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG einzustellen, ohne dass auf das Sachvorbringen der Verfahrensparteien überhaupt eingegangen werden konnte.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

VwSen-300952/2/Gf/Mu vom 27. Juni 2011

 

Erkenntnis

 

7. ZPMRK Art4;

TierSchG §5 Abs1;

TierSchG §38 Abs1 Z1, Abs7

 

 

Durch das Doppelverfolgungs- und -bestrafungsverbot des Art 4 7.ZPMRK ist jegliche zusätzliche (parallele und/oder nachfolgende) Verfolgung aufgrund einer Tatanlastung gemäß § 38 Abs1 Z1 iVm § 5 Abs1 TierSchG gehindert, wenn zuvor bereits wegen ein und desselben Sachverhaltes ein gerichtliches Strafverfahren nach § 222 Abs1 Z1 StGB durchgeführt wurde, selbst wenn dieses mit einem Freispruch für den Bf geendet hat.

 

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