Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165691/12/Bi/Kr

Linz, 05.07.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 3. Jänner 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­frau von Rohrbach vom
27. Dezember 2010, VerkR96-2121-2010-Hof, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 16. Juni 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das ange­fochtene Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass im Gemeindegebiet Fraham der Tiefenabstand zumindest einmal etwa 5 m bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h, somit ca 0,4 Sekunden betragen hat. Die Geldstrafe wird auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herab­gesetzt.

 

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich auf 5 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am
2. September 2010 um 18.15 Uhr in der Gemeinde Fraham aus Richtung Wels kommend Richtung Eferding auf der B134 zwischen dem Kreisverkehr Jungreith und der Kreuzung mit der B129 als Lenker des Lkw X zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand einge­halten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 16. Juni 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Ehegattin der Zeugin X (R), des Zeugen X (K) und des kfztechnischen Amtssachverständigen X (SV) durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er bleibe bei seiner Aussage vom 14.12.2010 und sehe nicht ein, warum seine Gattin als Zeugin nicht anerkannt werde. Er sehe auch nicht ein, warum er für Fehler bezahlen solle, für die ihn eine unbekannte Person beschuldige. Es scheine ihm, als würde Herrn K mehr Glauben geschenkt als ihm, obwohl Aussage gegen Aussage stünde. Er beantragt Verfahrenseinstellung.

In der Berufungsverhandlung machte er geltend, er habe sich über den Lenker des Pkw, der im Stau vor der Baustellenampel am Kreisverkehr Jungreith überholt und sich vor ihn hineingedrängt habe, geärgert. Es sei richtig, dass er im 80 km/h-Beschränkungsbereich nach dem Bahnübergang nach dem Ortsge­biet Breitenaich innerhalb der Kolonne zum vor ihm fahrenden Pkw K einen Abstand von schätzungsweise 5 m eingehalten habe. Er habe sich nicht erklären können, warum der Lenker dauernd ohne ersichtlichen Grund gebremst habe, habe aber beim Lkw nicht die Bremse, sondern den Retarder verwendet und hätte jederzeit stehenbleiben können. Der Lenker hätte schneller fahren oder ihn überholen lassen können. Richtig geärgert habe er sich bei der Kreuzung mit der B129 in Eferding, wo der Lenker vor ihm mit der Kolonne bei Grün einbiegen hätte können, jedoch schon vor dem Grünblinken stehengeblieben sei. Da sei er ihm tatsächlich nahegekommen, weil er gedacht habe, auch noch bei Grünlicht hinüberzukommen und nicht damit gerechnet, habe, dass der Lenker bei Grün stehenbleibe. 

 


4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung beim Kreisverkehr Jungreith bzw bei km 3.8 der B134, bei der der Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB – die Zeugin R nach Hinweis auf ihr Entschlagungsrecht als Ehegattin und ihrer ausdrücklichen Erklärung, sie wolle aussagen – einvernommen und ein ktztechnisches Gutachten vom SV eingeholt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw lenkte am Donnerstag, dem 2.9.2010, gegen 18.15 Uhr den Lkw
X, MAN mit 10 m Länge und 29 t hzGG, der nach seinen Angaben leer mit höchstens 12 t war, mit der Zeugin R als Beifahrerin auf der B134 aus Richtung Wels kommend in Richtung Eferding, wobei er im Stau vor der Baustellenampel beim Kreisverkehr Jungreith – dh km 7.8 der B134 – warten musste.

Zur selben Zeit lenkte der Zeuge K den Firmen-Pkw X, einen Renault Espace, mit seiner Gattin als Beifahrerin ebenfalls auf der B134 in Richtung Eferding, wobei sich im Stau vor ihm zwei deutsche Stretch-Limousinen befanden, deren Lenker ausgestiegen waren, sodass er an diesen vorbeifuhr und die Gelegenheit zum Überholen nutzte. Letztlich ordnete er sich nach Überholen des vom Bw gelenkten Lkw und des vor diesem fahrenden Pkw vor diesem ein und fuhr in der Kolonne weiter. Der Bw ärgerte sich über das Überholen und "Hineindrängen" des Zeugen K, weil er nach eigenen Anngaben deswegen bei der Weiterfahrt bremsen musste, und fuhr im weiteren Verlauf der B134 hinter dem Pkw K nach, zumal der Pkw zwischen ihnen im Kreisverkehr die B134 verlassen hatte. Die Kolonne passierte das Ortsgebiet Breitenaich und hielt in der nach dem darauffolgenden Bahnüber­gang die dort beginnende und bis Eferding geltende Geschwindigkeits­beschränkung auf 80 km/h ein.

Nach den Aussagen sowohl des Bw als auch beider Zeugen verringerte sich der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen bei einer Geschwindigkeit von etwa 70 bis 80 km/h zumindest einmal im darauffolgenden Streckenabschnitt auf etwa eine Pkw-Länge.

Der Bw gab an, der Zeuge K habe mehrmals ohne für ihn ersichtlichen Grund gebremst. Daraufhin sei er ihm "irgendwie automatisch" näher gekommen, obwohl er den Retarder verwendet und damit die Geschwindigkeit gedrosselt habe.

Der Zeuge K bestätigte, er habe den viel zu geringen Nachfahrabstand des Lkw hinter sich bemerkt und den Lenker darauf aufmerksam machen wollen, wobei er aus Erfahrung wisse, dass dabei das Einschalten der Nebelschlussleuchte helfe. Darauf habe der Lkw-Lenker aber nicht reagiert, sondern sei ihm mehrmals näher gekommen, sodass er bewusst das Bremspedal angetippt habe im Wissen, dass dabei nur die drei Bremslichter aufleuchten. Auch das habe nicht geholfen, der Bw habe den Abstand nicht vergrößert. Er habe dann die beim Lkw an der Stoßstange befindlichen Scheinwerfer nicht mehr im Rückspiegel gesehen und sich von der aggressiven Fahrweise des Bw bedroht gefühlt. Bei der Kreuzung in Eferding habe er nicht mehr bei grünblinkendem Licht nach links einbiegen können und stehenbleiben müssen. Dabei sei ihm der Lkw fast hinaufgefahren, er habe nur mehr den Löwen auf dem Kühlergrill im Heckfenster gesehen. Des­wegen habe er sich schließlich veranlasst gesehen, über Notruf die Polizei zu verständigen. Er sei beruflich ca 40.000 km im Jahr unterwegs und habe so etwas noch nie gemacht, habe aber keine andere Möglichkeit gesehen, dem Lkw-Lenker zu entkommen.   

Die Gattin des Bw bestätigte die Aussagen ihres Gatten sinngemäß und gab an, der Bw habe sich geärgert und der Abstand sei nach Breitenaich so gewesen, dass zwischen die beiden Fahrzeuge gerade noch ein Pkw hineingepasst hätte. Sie habe zum Bw gesagt, er solle stehenbleiben und den Pkw weiterfahren lassen; das hat der Bw aber nach eigenen Angaben nicht eingesehen.

Der Zeuge K gab an, er habe innerhalb der Kolonne keine Möglichkeit gehabt, den Abstand selbständig zu vergrößern, weil die Kolonne nicht schneller geworden und sein Abstand zum vorderen Fahrzeug nicht veränderbar gewesen sei. Nur einmal habe er sich vom Lkw etwas entfernt, dann habe dieser wieder aufgeschlossen und erneut den Nachfahr­abstand verringert.

 

Der SV hat den Nachfahrabstand, wie von allen Beteiligten geschildert mit 5 m bei ca 70 km/h Kolonnengeschwindigkeit angenommen, wobei das auch bei einer Sitzprobe im Renault mit der Aussage des Zeugen K von den für ihn nicht mehr sichtbaren Scheinwerfern übereinstimmte. Er hat daraus einen Nachfahrabstand von zeitlich 0,4 Sekunden errechnet, den er als wesentlich zu gering und für ein eventuell erforderliches Anhalten gänzlich ungeeignet einstufte.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Angaben sowohl des Bw als auch des Zeugen K glaubhaft; bei der Zeugin R, die selbst keine Lenkberechtigung besitzt, war offensichtlich, dass sie zum einen die Aussage ihres Gatten, erkennbar beruhend auf seinem Ärger auf den über­holen­den Pkw "mit Wiener Kennzeichen", inhaltlich wiedergab, ihr aber zum anderen die Situation selbst eben wegen des geringen Abstandes, den sie anhand des Dienstfahrzeuges mit laut SV 5 m schätzte, nicht ganz geheuer war. Der Bw bestätigte diese Größenordnung, erklärte das aber mit der Verzögerungsbremse, dem Leergewicht des Lkw und damit, dass er "jederzeit stehenbleiben hätte können" – das wiederum war für den SV nicht plausibel.

 


In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Der nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens unter für den Bw günstigster Annahme sämtlicher Parameter errechnete Nachfahrabstand von 5 m bei 70 km/h Geschwindigkeit entspricht laut SV einem solchen von 0,4 Sekunden. Geht man davon aus, dass bereits die Reaktionszeit, die der Bw braucht, um auf ein Bremssignal des vorderen Fahrzeuges, zB Aufleuchten der Bremslichter, im Fall einer Notbremsung zu reagieren, 0,45 Sekunden beträgt, wobei der unmittel­baren Anlass dafür dem Bw beim Nachfahren nicht unbedingt erkennbar sein muss, weil er zB in der ihm unbekannten Person des Lenkers gelegen sein kann, so ist schon daraus ersichtlich, dass der Abstand von 0,4 Sekunden wesentlich zu gering war, um bei einem plötzlichen Abbremsen einen Auffahrunfall zu verhin­dern. 0,4 Sekunden hätten nur gereicht, um das Bremspedal ohne jede Brems­wirkung zu berühren, jedoch nicht mehr, um auch eine Bremswirkung zu erzielen, dh der Bw wäre ungebremst auf den Pkw K aufgefahren. Der erforder­liche Ein-Sekunden-Abstand hätte bei 70 km/h zumindest 19 m betragen müssen, bei 80 km/h sogar 22 m.

 

Zum im Schuldvorwurf des Straferkenntnisses angeführten Ort der Übertretung ist zu sagen, dass die B134 im Abschnitt zwischen ca km 5.9 und ca km 1.7 im Gemeindegebiet Fraham verläuft. Der Kreisverkehr Jungreith liegt bei km 7.8, dh im Gemeindegebiet St. Marienkirchen an der Polsenz, und die Kreuzung der B134 mit der B129 im Ortsgebiet Eferding. Auf der in der Verhandlung erörterten Fahrstrecke befindet sich im Bereich von ca km 6.8 bis km 6.1 das Ortsgebiet Breitenaich, danach bei km 6.2 der Bahnübergang und danach beginnt die 80 km/h-Beschränkung, die bis kurz vor Eferding reicht; das Gemeindegebiet Fraham beginnt bei km 5.9.

 

Aus diesen Überlegungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zur Auffassung, dass der Bw den im übrigen auch von ihm selbst nicht bestrittenen Tatbestand – in örtlicher Hinsicht gemäß § 44a Z1 VStG eingeschränkt – erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal von einer Glaubhaft­machung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann.

 


Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und hat selbst seine finan­ziellen Verhältnisse mit 1.200 Euro Einkommen, Vermögen und ohne Sorge­pflichten angegeben. Auf der Grundlage der Einschränkung des Tatvorwurfs war die Strafe herabzusetzen.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, wobei zumindest von grob fahrlässigem Verhalten auszugehen ist, sodass die Voraussetzungen des § 21 VStG nicht gegeben waren. Mildernd war die bisherige Unbescholtenheit. Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Straf­rahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw in Zukunft von jeglicher Selbstjustiz abhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

~ 80 km/h + 5 m Abstand = 0,4 Sekunden, bestätigt, Strafherabsetzung wegen Unbescholtenheit

 

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