Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522843/2/Sch/Bb/Eg

Linz, 07.07.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Schön über die Berufung von Frau C.H., geb. x, wh, vom 25. April 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 11. April 2011, GZ 280804-2008, betreffend Anordnung der Absolvierung fehlender Stufen der zweiten Führerscheinausbildungsphase (Mehrphasenausbildung) und Verlängerung der Probezeit, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

iVm § 4c Abs.2  Führerscheingesetz 1997 – FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat Frau C.H. (die Berufungswerberin) mit Bescheid vom 11. April 2011, GZ 280804-2008, aufgefordert, bis zum 11. August 2011 (= Ende der Nachfrist) die noch fehlenden Stufen der zweiten Führerscheinausbildungsphase und zwar

-          ein Fahrsicherheitstraining und ein verkehrspsychologisches Gruppengespräch, das beides an einem Tat abzuhalten ist und

-         die zweite Perfektionsfahrt

zu absolvieren. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass sich mit dieser Anordnung die Probezeit um ein weiters Jahr – bis 27. Juni 2013 – verlängert und der Berufungswerberin wurde überdies aufgetragen, ihren Führerschein bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land abzugeben und die Ausstellung eines Duplikatführerscheines (Probezeitverlängerungen) zu beantragen.

 

Die gesetzlichen Grundlagen für diesen Bescheid bilden die Bestimmungen der §§ 4b, 4c Abs.2 und 4 Abs.3 vierter Satz FSG.

 

2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 13. April 2011, hat die Berufungswerberin – mit Schriftsatz vom 25. April 2011 – fristgerecht Berufung erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

Im Einzelnen führt die Berufungswerberin darin an, dass es die Behörde unterlassen habe, ihr nach Ablauf der zwölf Monate eine Verständigung über die Setzung der Nachfrist von vier Monaten zugehen zu lassen und – ohne ihr Wissen – die Nachfrist gesetzt habe.

 

Durch die Unterlassung dieser zwingenden Verständigung seien die Tatbestandselemente des § 4c Abs.2 FSG, die eine Anordnung zur Absolvierung der fehlenden Stufen vorschreiben, kumulativ nicht erfüllt.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Linz-Land hat den Verwaltungsakt samt Berufungsschrift mit Vorlageschreiben vom 28. April 2011, GZ 280804-2008, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.  Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates    (§ 35 Abs.1 FSG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land und in die Berufung.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da sich aus der Aktenlage ergibt, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs.2 Z1 VStG). Im Übrigen wurde eine solche weder von der Berufungswerberin noch von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als Verfahrenspartei beantragt.

 

4.1.  Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ergibt sich - aus den genannten Beweismitteln - folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Der Berufungswerberin wurde am 11. Dezember 2009 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land unter Zl. 08280804 erstmals die Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt.

 

Entsprechend der Begründung im erstinstanzlichen Bescheid hat die Berufungswerberin laut Führerscheinregister das Fahrsicherheitstraining samt verkehrspsychologischem Gruppengespräch und die zweite Perfektionsfahrt nicht innerhalb der gesetzlichen Frist und der Nachfrist von vier Monaten nach Erteilung der Lenkberechtigung absolviert, sodass die Absolvierung der fehlenden Stufen der zweiten Ausbildungsphase mittels Bescheid vom 11. April 2011 angeordnet wurde.

 

Die Berufungswerberin bestreitet zwar nicht die genannten Stufen der Mehrphasenausbildung nicht fristgerecht absolviert zu haben, bringt jedoch vor, nach Ablauf von zwölf Monaten nach Erteilung der Lenkberechtigung von der Behörde kein Verständigungsschreiben darüber im Sinne des § 4 Abs.2c FSG erhalten zu haben.

 

Ein Zustellnachweis oder ein sonstiger nachvollziehbarer Vorgang befindet sich nicht im Akt.

 

4.2. Dazu ist in freier Beweiswürdigung festzuhalten, dass die Behauptung der Berufungswerberin nicht widerlegt werden kann. Soweit dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bekannt ist, werden derartige Informationsschreiben vom Bundesrechenzentrum im Namen der jeweiligen Führerscheinbehörde automatisch erstellt und ohne Zustellnachweis versendet. Es kann dabei nicht  ausgeschlossen werden, dass entweder beim Erstellen, Kuvertieren oder Versenden dieser Schriftstücke im Einzelfall ein Fehler passiert, weshalb es bei lebensnaher Betrachtung durchaus möglich ist, dass die Berufungswerberin dieses Informationsschreiben tatsächlich nicht erhalten hat. Auch der Verlust des Schreibens auf dem Postweg ist denkbar. Die Zustellung des Schriftstückes kann jedenfalls nicht bewiesen werden.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht darüber Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4a Abs.1 FSG haben Besitzer einer Lenkberechtigung für die Klassen A oder B unbeschadet der Bestimmungen des § 4c Abs.3 anlässlich des erstmaligen Erwerbes jeder dieser Lenkberechtigungsklasse(n) innerhalb des in § 4b Abs.1 bis 3 vorgesehenen Zeitraumes eine zweite Ausbildungsphase zu durchlaufen. Jene Personen, die gleichzeitig eine Lenkberechtigung für die Klasse A und für die Klasse B erworben haben, haben die zweite Ausbildungsphase für jede dieser Klassen zu durchlaufen.

 

Gemäß § 4b Abs.1 FSG hat die zweite Ausbildungsphase für einen Besitzer der Lenkberechtigung für die Klasse B - unbeschadet des Abs.2 - folgende Inhalte in der genannten Reihenfolge zu umfassen:

1. eine Perfektionsfahrt im Zeitraum von zwei bis vier Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung;

2. ein Fahrsicherheitstraining und ein verkehrspsychologisches Gruppengespräch, das beides an einem Tag abzuhalten ist, im Zeitraum von drei bis neun Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung sowie

3. eine weitere Perfektionsfahrt im Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Erwerb der Lenkberechtigung.

Diese Bestimmungen gelten auch für den Fall, dass der Betreffende bei Erwerb der Lenkerberechtigung für die Klasse B bereits im Besitz der Lenkberechtigung für die Klasse A ist. Zwischen der Perfektionsfahrt gemäß Z1 und der Perfektionsfahrt gemäß Z3 hat ein Zeitraum von mindestens drei Monaten zu liegen.

 

Werden gemäß § 4c Abs.2 FSG eine oder mehrere der in § 4b genannten Stufen unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3 nicht innerhalb von zwölf Monaten (neun Monaten im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung absolviert, ist der Führerscheinbesitzer zwölf Monate (neun Monate im Fall der Klasse A) nach Erteilung der Lenkberechtigung darüber zu verständigen. In diesem Schreiben ist auf die Verlängerung der Probezeit hinzuweisen, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nachgewiesen wird, sowie auf die Entziehung der Lenkberechtigung, wenn die Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb einer weiteren Frist von vier Monaten nachgewiesen wird. Werden die fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von vier Monaten nach Ablauf der im ersten Satz genannten Fristen absolviert, hat die Behörde dem Betreffenden ausschließlich die Absolvierung dieser Stufe(n) anzuordnen. Mit der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) verlängert sich die Probezeit unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 4 Abs.3 zweiter bis vierter Satz. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung der Absolvierung der fehlenden Stufe(n) nicht innerhalb von weiteren vier Monaten nach, ist gemäß § 24 Abs.3 achter Satz vorzugehen.

 

5.2. Die Berufungswerberin war zur Durchführung der Mehrphasenausbildung verpflichtet und hat diese nicht in der vorgesehenen Zeit (innerhalb von zwölf Monaten nach Erteilung der Lenkberechtigung) absolviert. § 4c Abs.2 FSG sieht für diese Fälle eine Information samt Nachfrist von vier Monaten an den Führerscheinbesitzer vor. Diese Information hat - da es sich um ein Verfahren nach dem FSG handelt - grundsätzlich durch die Führerscheinbehörde zu erfolgen. In diesem Informationsschreiben ist nach dem gesetzlichen Auftrag eine Nachfrist von vier Monaten zu setzen, wobei das Nichtbeachten dieser Nachfrist für den Führerscheinbesitzer mit konkreten nachteiligen Folgen, nämlich der Verlängerung der Probezeit um ein Jahr, verbunden ist.

 

Diese Informationsschreiben werden in der Praxis vom Bundesrechenzentrum im Namen der jeweiligen Führerscheinbehörde angefertigt und ohne Zustellnachweis versendet. Unabhängig davon sind die Schreiben der Führerscheinbehörde zuzurechnen und diese hat gemäß § 26 Abs.2 ZustG im Zweifel die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Im konkreten Fall gibt es aber keine Beweisergebnisse, welche die Zustellung dieses Informationsschreibens an die Berufungswerberin nachweisen könnten.

 

An die Nichtbefolgung der im Informationsschreiben eingeräumten Nachfrist sind negative Rechtsfolgen geknüpft, sodass dieses Informationsschreiben auch nicht als bloße Serviceleistung der Führerscheinbehörde anzusehen ist, sondern diese ist entsprechend § 4c Abs.2 FSG zur Information der Führerscheinbesitzer verpflichtet. Fehlt es an dieser Information, ist auch der in weiterer Folge vorgesehene Bescheid, mit welchem die fehlenden Phasen anzuordnen sind, nicht rechtmäßig. Die Zustellung des Informationsschreibens konnte nicht bewiesen werden, weshalb der angefochtene Bescheid seinem gesamten Umfang nach aufzuheben war.

 

Unabhängig davon hat die Berufungswerberin zwischenzeitlich entsprechend der Eintragung im Führerscheinregister das Fahrsicherheitstraining samt verkehrspsychologischem Gruppengespräch am 3. Mai 2011 und die zweite Perfektionsfahrt am 5. Mai 2011 absolviert. Diese geänderte Sachlage ist im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, weshalb auch aus diesem Grund der Bescheid aufzuheben gewesen wäre.

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. In diesem Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

S c h ö n

 

 

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