Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130765/5/Gf/Mu

Linz, 28.06.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 31. Jänner 2011, Zl. VerkR96-7810-2010, wegen einer Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 31. Jänner 2011, Zl. VerkR96-7810-2010, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 3 Euro) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer eines PKW der behördlichen Aufforderung, binnen 14 Tagen ab Zustellung derselben jene Person namhaft zu machen, der dieses Fahrzeug zuletzt vor dem 17. Februar 2010 um 17:05 Uhr überlassen worden war, nicht nachgekommen sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b des Oö. Park­gebührengeset­zes, LGBl.Nr. 28/1988, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 84/2009 (im Folgenden: OöParkGebG), begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass zweifelsfrei feststehe, dass ihm seitens der Stadtgemeinde Ried im Innkreis am 25. März 2010 ein entsprechendes Aufforderungsschreiben zugestellt worden sei und er dieses binnen der gesetzten Frist von 14 Tagen unbeantwortet gelassen habe. Auch in seinem Einspruch gegen die in der Folge erlassene Strafverfügung habe er die Tat nicht substantiell bestritten, sondern lediglich pauschal eingewendet, dass er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen; mangels entsprechender Mitwirkung seien seine Einkommens‑, Vermögens- und Familienverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 9. Februar 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 11. Februar 2011 – und damit rechtzeitig – per e-mail  eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer wiederum nur kursorisch vor, dass er die ihm angelastete Übertretung nicht begangen habe. Außerdem sei ihm das Aufforderungsschreiben des Stadtamtes Ried im Innkreis vom 19. März 2010 seinerzeit nicht zugestellt worden.

Daher wir die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis zu Zl. VerkR96-7810-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte sohin im Übrigen gemäß § 51e VStG sowie i.S.d. Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 12. Mai 2010, 32435/06, von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.1.1. Dem entsprechend war von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen:

Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 19. März 2010, Zl. OM-915/2010-wie, wurde der Rechtsmittelwerber als Zulassungsbesitzer dazu aufgefordert, dieser Behörde binnen zwei Wochen ab Zustellung jene Person namhaft zu machen, die sein KFZ zuletzt vor dem 17. Februar 2010 um 17:05 Uhr gelenkt und in der Folge am Kirchenplatz Nr. 11 in Ried im Innkreis – und damit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone – abgestellt hat. Diese Aufforderung enthielt u.a. auch den expliziten Hinweis:

"Eine ungenaue oder unvollständige Auskunft bzw. das Verweigern einer Auskunft gilt als Nichterteilen der Auskunft, und ist als Verwaltungsübertretung strafbar."

Da dieses Schreiben in der Folge – insbesondere innerhalb der gesetzten Frist – unbeantwortet blieb, hat der Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis mit Strafverfügung vom 9. Juni 2010, Zl. VerkR96-7810-2010, gegen den Rechtsmittelwerber wegen einer Übertretung des § 2 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 lit. b OöParkGebG eine Geldstrafe in Höhe von 30 Euro verhängt. Dagegen wurde rechtzeitig Einspruch erhoben.

Nachdem der Beschwerdeführer bezüglich der Aufforderung der belangten Behörde vom 9. Juli 2010 dahin, sich zum Tatvorwurf binnen bestimmter Frist zu rechtfertigen, wiederum nicht reagierte, hat diese am 31. Jänner 2011 das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis (s.o., 1.1.) erlassen.

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes, wobei diesen vom Beschwerdeführer auch nur insoweit entgegengetreten wird, als er vorgebracht hat, dass ihm das Aufforderungsschreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 19. März 2010 nie ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

 

2.2. Da mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 6 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 2 Abs. 2 OöParkGebG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist dieser hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen, der als Zulassungsbesitzer eines mehrspurigen KFZ nicht oder nicht rechtzeitig eine Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt und im Anschluss daran in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat bzw. keine Person benennt, die diese Auskunft erteilen kann (wobei dann Letztere die Auskunftspflicht träfe).

3.2. Im vorliegenden Fall ist allseits unbestritten, dass der Rechtsmittelwerber zum Vorfallszeitpunkt der Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Fahrzeuges und dieses auch in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt war sowie, dass er die von ihm geforderte Auskunft nicht erteilt hat.

3.3. Vorweg erhebt sich im vorliegenden Fall jedoch die Frage, ob die belangte Behörde dazu berechtigt war, aus dem bisherigen Schweigen des Beschwerdeführers – bzw. aus dem (einem Schweigen gleichzuhaltenden) bloß kursorischen, d.h. inhaltlich gänzlich unsubstantiierten Bestreiten der Tatanlastung – den Schluss auf dessen implizites Tat- und Schuldeingeständnis zu ziehen.

3.3.1. Der damit vom Rechtsmittelwerber der Sache nach relevierte Grundsatz, schweigen zu dürfen sowie sich nicht selbst beschuldigen bzw. belasten zu müssen ("nemo tenetur se ipsum accusare"), ist zwar in Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht ausdrücklich angeführt, zählt aber nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zum Kernbereich des in dieser Bestimmung allgemein normierten Prinzips des "fairen Verfahrens" (vgl. z.B. Ch. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Auflage, München 2009, RN 119 zu § 24).

Dieses Recht ist jedoch nicht absolut gewährleistet. Insbesondere hindert es ein Strafgericht grundsätzlich nicht, aus dem Schweigen des Beschuldigten auch solche Schlüsse zu ziehen, die ihm im Ergebnis zum Nachteil gereichen (vgl. z.B. W. Peukert in J.A. Frowein – W. Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Auflage, Kehl 2009, RN 130 zu Art. 6), wobei es unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des konkreten Falles insbesondere auf das Gewicht, das dem Schweigen im Rahmen der Abwägung aller Beweise zugemessen wird, und auf den Grad des (indirekten) Zwanges (zur Aussage), der der jeweiligen Situation inhärent ist, ankommt (vgl. die Nachweise bei W. Peukert, a.a.O., RN 131 und 137). Ob in einem konkreten Fall der Wesensgehalt dieser Grundrechtsgewährleistung tangiert wurde und somit ein unzulässiger Eingriff vorliegt oder nicht, ist grundsätzlich nach Art eines "beweglichen Systems" anhand folgender Gesichtspunkte zu beurteilen: Art und Schwere des Zuganges zur Beweiserlangung; Gewicht des öffentlichen Interesses an der Tatverfolgung und Täterbestrafung; Existenz angemessener Verfahrensgarantien; Verwertung der erlangten Beweismittel (vgl. Ch. Grabenwarter, a.a.O., m.w.N.).

3.3.2. Im Besonderen hat der EGMR daher einen mit einer (bloß geringen) Verwaltungsstrafe bewehrten Zwang gegenüber einem Fahrzeughalter zur Auskunft darüber, wer sein KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt innehatte, als mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar erachtet. Dies deshalb, weil jeder Zulassungsbesitzer diese allgemein im Straßenverkehrsrecht enthaltene Verpflichtung und Verantwortlichkeit mit dem Erwerb der Lenkerberechtigung auch konkret für seine Person übernommen hat. Außerdem ist ein derartiges Ersuchen inhaltlich – nämlich auf die Identität des Fahrers – begrenzt und für den Fall der Zuwiderhandlung droht lediglich eine geringe (Geld-)Strafe, wobei insoweit auch noch eine verfahrensrechtliche Garantie dahin besteht, dass Straflosigkeit eintritt, wenn der Zulassungsbesitzer den Fahrer nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen.

Davon ausgehend hat es der EGMR bisher auch nicht als eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen, wenn zunächst wegen des Grunddeliktes (z.B. Geschwindigkeitsübertretung) ein Strafverfahren gegen einen unbekannten Täter, später aber – als eine allfällige Konsequenz der Aussageverweigerung – dann (nur mehr) wegen Letzterer ein Strafverfahren gegen den Zulassungsbesitzer geführt wird, wenn und solange der Zusammenhang zwischen dem Auskunftserteilungsverfahren und dem Strafverfahren wegen des Grunddeliktes "lose und hypothetisch" bleibt (vgl. EGMR vom 8. April 2004, 38544/97 [Weh gegen Österreich]).

Wesentlich ist allerdings, dass in den vom EGMR entschiedenen und speziell Österreich betreffenden Verfahren zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Lenkerauskunft gegen den Betroffenen jeweils (noch) kein Strafverfahren wegen eines Grunddeliktes (wie z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung oder Verkürzung der Parkgebühr) geführt wurde: Damit ging es also nicht um die Verwendung von einer unter Zwang erlangten Information in einem nachfolgenden Strafverfahren, sodass der Zulassungsbesitzer auch nicht als "wesentlich berührt" (d.h.: als einer Straftat beschuldigt bzw. angeklagt i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK) anzusehen war (vgl. EGMR vom 8. April 2004, 38544/97 [Weh gegen Österreich]; vom 24. März 2005, 63207/00 [Rieg gegen Österreich]; vom 3. Mai 2005, 52167/99 [Fischbach-Mavromatis gegen Österreich] = ÖJZ 2006, S. 39).

3.3.3. Aus dieser Rechtsprechung folgt somit als logisch-denknotwendig gebotener Umkehrschluss, dass jedenfalls die Verwendung von unter Zwang erlangten Informationen gegen den Auskunftspflichtigen in einem gegen ihn wegen eines Grunddeliktes bereits anhängigen Strafverfahren unzulässig ist (vgl. EGMR vom 14. Oktober 2010, 1466/07: Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK, weil der Betroffene – gegen den bereits ein Strafverfahren eingeleitet war – dazu gezwungen wurde, unter Wahrheitspflicht auszusagen und sich dabei allenfalls auch selbst zu belasten, ohne zuvor darauf hingewiesen worden zu sein, dass er auch das Recht hat, zu schweigen), weil er unter solchen Umständen als i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK angeklagt und damit als "wesentlich berührt" angesehen werden muss (vgl. in diesem Sinne bereits UVS Oberösterreich vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751; s.a. R. Thienel, Rechtsprechung des EGMR 2010 [2], ÖJZ 2011, 261). Gegenteiliges ergibt sich auch aus dem EGMR-Urteil vom 29. Juni 2007, 15809/02 (O‘Halloran u. Francis gegen GB) nicht, weil dort einer der beiden Rechtsmittelwerber letztlich nur wegen Auskunftsverweigerung bestraft wurde und hinsichtlich des wegen des Grunddeliktes (Geschwindigkeitsüberschreitung) bestraften anderen Beschwerdeführers das Selbstbekenntnis zur Lenkereigenschaft nicht den einzigen Beweis bildete. Auch in dem vom EGMR mit Urteil vom 10. Jänner 2008, 58452/00 (Lückhof und Spanner gegen Österreich), erfolgte nur eine Bestrafung wegen der Nichterteilung der Auskunft, nicht aber auch eine solche wegen des Grunddeliktes. Die beiden letztgenannten Entscheidungen zeigen daher die „nicht absolute, sondern bloß relative“ Natur des nemo-tenetur-Prinzips auf, zugleich aber auch, dass eine Auskunftspflicht im Strafverfahren nicht generell, sondern nur unter bestimmten Umständen zulässig ist, was dazu führt, dass Feststellungen des EGMR zur Rechtslage in einem bestimmten Mitgliedstaat nicht immer in vollem Umfang auch auf alle andern Mitgliedstaaten übertragen werden können; konkret stellte der EGMR im Fall Lückhof/Spanner zwar fest, dass die Unterschiede zwischen der englischen und der österreichischen Rechtslage wohl vernachlässigt werden können (vgl. RN 52 bis 58 des zuletzt angeführten Urteils), aber auch, dass die strafsanktionierten Auskünfte in den Grunddeliktsverfahren de facto nicht verwendet wurden, sodass deshalb kein Eingriff in das Recht zu schweigen vorlag (RN 57 u. 58).

3.3.4. Weiters hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 18. März 2010, 13201/05 (Fall Krumpholz gegen Österreich), bekräftigt, dass das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuleitende Recht zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen in einem engen Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK steht. Daraus folgt wiederum, dass in Sachverhaltskonstellationen, bei denen den Strafbehörden als einziges objektives Beweismittel bloß das Faktum vorliegt, dass die Übertretung mit einem bestimmten KFZ begangen wurde, nicht eine solche Situation gegeben ist, die notwendigerweise eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers dieses Fahrzeuges erfordert, wenn gleichzeitig keinerlei objektives Indiz bezüglich der Identität einer bestimmten Person als Fahrer besteht: Unter solchen Umständen erweist sich nämlich – wenn man zudem berücksichtigt, dass das österreichische Recht keine generelle gesetzliche Vermutung für eine grundsätzliche Lenkereigenschaft des Zulassungsbesitzers aufstellt – eine Schlussfolgerung dahin, dass der Zulassungsbesitzer selbst der Fahrzeuglenker gewesen sein muss, keineswegs als ohnehin standardmäßig durch die allgemeine Lebenserfahrung gedeckt.

Dem entspricht schließlich auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahin, dass auf gesetzwidrige Weise gewonnene Beweisergebnisse zur Ermittlung der materiellen Wahrheit unzulässig sind, wenn deren Verwendung dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes diametral widersprechen würde (vgl. z.B. VwGH vom 5. Juni 1993, Zl. 91/10/0130 = JBl 1994, 196, sowie VwSlg 11540 A/1994 und dazu jeweils näher UVS Oberösterreich vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751).

3.3.5. Aus all dem ergibt sich insgesamt, dass aus dem Schweigen eines Beschuldigten grundsätzlich zwar auch Schlüsse gezogen werden können, die ihm im Ergebnis zum Nachteil gereichen, wobei ein strafbewehrter Zwang zur Auskunft des Zulassungsbesitzers darüber, wer das KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet hat, auch nicht per se gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstößt. Wird jedoch gegen den Zulassungsbesitzer nicht bloß ein Strafverfahren wegen der Auskunftsverweigerung, sondern zuvor bzw. parallel dazu bereits auch ein solches wegen eines Grunddeliktes (z.B. wegen Geschwindigkeitsüberschreitung oder Verkürzung der Parkgebühr) geführt, dann besteht insoweit nicht bloß ein "loser und hypothetischer" Zusammenhang, sondern es liegt eine "wesentliche Berührtheit" und damit ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor, wenn die im Auskunftsverfahren unter Zwang erlangten Informationen in der Folge auch im Strafverfahren wegen des Grunddeliktes verwendet werden. Darüber hinaus resultiert ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot, wobei noch hinzukommt, dass in Konstellationen, in denen kein Indiz bezüglich der Identität des Fahrers vorliegt, ein Schluss darauf, dass der Zulassungsbesitzer selbst der Fahrzeuglenker gewesen ist, nicht ohne Weiteres auf eine entsprechend apriorische "allgemeine Lebenserfahrung" gegründet werden kann, sondern vielmehr darüber hinaus auch nicht schon per se eine solche Situation darstellt, die zwingend eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers gebietet, sodass allein schon aus dessen dementsprechenden Schweigen zulässigerweise auf seine Lenkereigenschaft geschlossen werden könnte.

3.3.6. Dagegen ließe sich zwar aus formaler Sicht einwenden, dass Art. II der Finanzausgleichsgesetz-Novelle BGBl.Nr. 384/1986 (im Folgenden: FAG-Nov 1986) – der (ebenso wie § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967 i.d.F. der Novelle BGBl.Nr. 106/1986, im Folgenden: KFG-Nov 1986) im Wege einer Verfassungsbestimmung anordnet, dass im Zuge der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Kraftfahrzeugen die Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, eine Auskunft vom Zulassungsbesitzer darüber zu verlangen, wem er das KFZ zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat, zurücktreten – sowohl aufgrund seines materiellen Regelungsgehaltes als lex specialis als auch in zeitlicher Hinsicht als lex posterior anzusehen ist und daher den zuvor dargestellten Garantien des Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK derogiert.

3.3.6.1. Beide Argumente erweisen sich jedoch zum einen aus rechtssystematischen Gründen deshalb nicht als stichhaltig, weil sowohl die Gewährleistung, schweigen zu dürfen und sich nicht selbst belasten zu müssen – als ein besonderer Aspekt des Rechtes auf ein faires Verfahren i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK – als auch die sich speziell daran anschließende Gewährleistung der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK ihre spezifische Ausprägung sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht – wie die zuvor angeführten EGMR-Urteile (vgl. oben, 3.2.2.1. und 3.2.2.2.) zeigen – erst lange nach dem Inkrafttreten des Art. II FAG-Nov 1986 (bzw. des § 103 Abs. 2 KFG-Nov 1986) erfahren haben. Daher sind vielmehr umgekehrt Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK jeweils als leges speciales in Bezug auf Art. II FAG-Nov 1986 und § 103 Abs. 2 KFG-Nov 1986 anzusehen.

Überdies hat auch der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 11500/1987 betont, dass derartige, durch die Judikatur des EGMR bewirkte inhaltliche Fortentwicklungen der Konventionsgarantien jedenfalls insoweit, als sich diese nicht als eine "offene Rechtsfortbildung" erweisen, stets auch innerstaatlich entsprechend nachvollzogen werden müssen:

"Wenn auch bei der Auslegung internationaler Verträge nicht auf das Verständnis abgestellt werden kann, das einzelne Mitglieder beim Abschluß oder gar erst bei ihrem späteren Beitritt zugrundegelegt haben, ist das Verständnis Österreichs im Verein mit der Rechtslage in anderen Staaten und der langjährigen Praxis der Kommission doch ein wichtiges Anzeichen dafür, daß nach seinem ursprünglichen Sinn der Begriff "civil rights" einen viel engeren Inhalt hat als ihm die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unterstellt. Diese Rechtsprechung erweist sich mithin als offene Rechtsfortbildung, die wohl erwogene Gründe haben mag, den Staaten aber Verpflichtungen auferlegt, die einzugehen sie niemals gewollt und erklärt haben. ..... Der VfGH sieht sich zwar grundsätzlich gehalten, der MRK als Verfassungsnorm jenen Inhalt zu unterstellen, der ihr auch als internationalem Instrument zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zukommt. Er hat daher bei ihrer Auslegung insbesondere der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als dem zur Auslegung der MRK zunächst berufenen Organ besonderes Gewicht einzuräumen. Er kann diese Haltung aber nicht unter allen Umständen einnehmen. Wie er an späteres Verfassungsrecht auch dann gebunden wäre, wenn sich aus ihm Änderungen gegenüber den Grundsätzen der MRK ergeben würden, kann bestimmten Auslegungsergebnissen auch Staatsorganisationsrecht im Verfassungsrang entgegenstehen. Freilich unterstellt der Gerichtshof dem späteren Verfassungsrecht nach Möglichkeit einen Inhalt, der es mit der MRK verträglich macht ..... An die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Staatsorganisation ist der Gerichtshof aber auch im Falle eines Widerspruches zur Konvention gebunden. Stehen sie einer möglichen Auslegung der MRK entgegen, kann er diese Auslegung seiner Entscheidung nicht zugrundelegen. Selbst wenn daher der Europäische Gerichtshof eine Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung in diesem Punkte annehmen sollte, könnte dieser Verstoß nur durch den Verfassungsgesetzgeber selbst geheilt werden. Der VfGH möchte allerdings nicht versäumen darauf hinzuweisen, daß die dann anzunehmende Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung nach dem derzeitigen Stand seiner Überlegungen nur das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung durch die Konventionsorgane sein könnte und sich daher die - hier nicht zu beantwortende - Frage stellen würde, ob nicht die Übertragung einer rechtsfortbildenden Aufgabe auf verfassungsrechtlichem Gebiet an ein internationales Organ als Ausschaltung des Verfassungsgesetzgebers eine Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne des Art44 Abs3 B-VG wäre und einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes bedurft hätte."

Außerdem kann das Prinzip des "nemo tenetur" im Hinblick auf dessen explizite Verankerung in Art. 14 Abs. 3 lit. g des Internationalen UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte mittlerweile auch als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts i.S.d. Art. 9 Abs. 1 B-VG bzw. als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden (vgl. näher W. Berka, Die Grundrechte, Wien 1999, RN 848 ff), sodass ihm auch insoweit eine innerstaatlich entgegenstehendem Verfassungsrecht derogierende Wirkung zukommt.

Und schließlich ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass diese elementare Verfahrensgarantie in gleicher Weise wie auch andere essentielle Prozessgrundsätze einen Bestandteil des rechtsstaatlichen Grundprinzips bildet (Rechtsstaat als Rechtsschutzstaat; vgl. in diesem Sinne jüngst beispielsweise VfGH vom 28. Februar 2011, G 201/10; vom 15. Dezember 2010, U 1858/10 u.a.; und vom 27. September 2010, G 226/09).

3.3.6.2. Zu diesen rechtssystematischen Erwägungen kommt zum anderen als ein gewichtiges rechtspolitisches Argument auch noch der Umstand, dass der EGMR die Garantien der EMRK grundsätzlich autonom auslegt, sodass aus dessen Sicht entgegenstehendes innerstaatliches Verfassungsrecht von Vornherein unbeachtlich ist, im Gegenteil: Staaten, die sich einer verbindlichen Auslegung der EMRK durch den EGMR systematisch widersetzen, müssen mit ernsten Konsequenzen, die z.B. von einem sog. "Pilotverfahren" gemäß Art. 46 EMRK (vgl. z.B. jüngst EGMR vom 2. September 2010, 46344/06 [Fall Rumpf/BRD]; s.a. EGMR vom 12. Oktober 2010, 30767/05 [Rumänien], vom 23. November 2010, 60041/08 [GB], und vom 21. Dezember 2010, 50973/08 [Griechenland]) bis zu einem (befristeten oder endgültigen) Ausschluss aus dem Europarat reichen können, rechnen (vgl. Ch. Grabenwarter, a.a.O., RN 7 und RN 11 zu § 16).

3.3.7. Gegen dieses Ergebnis können (vermeintliche) Schwierigkeiten im Bereich der Vollzugspraxis freilich keinen stichhaltigen Einwand bilden, zumal insoweit künftig ohnehin lediglich darauf zu achten ist, dass das Strafverfahren wegen des Grunddeliktes (z.B. Geschwindigkeitsübertretung, Parkgebührenverkürzung) bloß in einem losen Zusammenhang zu jenem wegen der Auskunftsverweigerung steht, d.h. also, dass Letzteres regelmäßig erst nach dem Abschluss des auf (§ 103 Abs. 2 KFG bzw.) § 2 Abs. 2 OöParkGebG gestützten administrativen Auskunftserteilungsverfahrens eingeleitet wird, um einen ansonsten drohenden Eingriff in die verfassungsmäßige Gewährleistung des in Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK verankerten "nemo tenetur"-Prinzips und/oder der Unschuldsvermutung hintanzuhalten.

Auch Effizienzgesichtspunkte oder der Aspekt, dass es sich sowohl bei den Grunddelikten als auch bei den Verletzungen der Auskunftspflicht in der Vielzahl aller Fälle bloß um Bagatelldelikte handelt, vermögen aus rechtlicher Sicht kein von vornherein stichhaltiges Argument dafür zu bilden, eine das Verfahren generell "abkürzende" Praxis, nach der zunächst eine Strafverfügung gegen den Zulassungsbesitzer ergeht und lediglich im Falle eines Einspruches gegen diese ein Verfahren zur Lenkerfeststellung eingeleitet wird, weiterhin unreflektiert aufrecht zu erhalten (vgl. in diesem Sinne schon UVS Oberösterreich vom 25. Februar 2008, Zl. VwSen-130583). Eine solche Vorgangsweise wäre vielmehr allenfalls nur dann zulässig, wenn das Interesse an der Strafverfolgung und Generalprävention hoch ist – wie beispielsweise im Falle einer gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung im Zusammenhang mit einer Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG (in Relation zu einer bloß geringfügigen Überschreitung des Zeitlimits im Rahmen des gebührenpflichtigen Parkens) –, sodass der Eingriff in die in Rede stehenden Grundrechtsgewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK durch überwiegende und höherrangige öffentliche Interessen gerechtfertigt und damit insgesamt als verhältnismäßig erscheint.

3.3.8. Von den zuvor bereits mehrfach angeführten, mit den h. Erkenntnissen vom 15. Dezember 2010, Zl. VwSen-130629, und vom 28. März 2011, Zl. VwSen-130751 entschiedenen Fällen unterscheidet sich die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation jedoch essentiell dadurch, dass die begehrte Auskunft im Weiteren de facto überhaupt nicht – und insbesondere nicht in einem davon losgelösten Strafverfahren wegen eines Grunddeliktes – verwendet wurde; die Bestrafung erfolgte im gegenständlichen Verfahren vielmehr ausschließlich wegen der Verletzung der gesetzlichen Auskunftspflicht und blieb auch auf diese beschränkt.

Nach der zuvor dargestellten Judikatur des EGMR (vgl. oben, 3.3.1. bis 3.3.4.) stellt jedoch die strafsanktionierte Normierung einer derartigen Pflicht per se noch keinen Eingriff in die Garantien des Art. 6 Abs. 1 und 2 EMRK dar.

Es bleibt sohin zu beurteilen, ob die belangte Behörde unter den fallbezogen konkret gegebenen Umständen zu Recht aus dem Schweigen des Beschwerdeführers den Schluss auf dessen Lenkereigenschaft unmittelbar vor dem Abstellen des KFZ in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone ziehen durfte.

3.3.8.1. Einerseits liegt zwar lediglich eine subjektive Wahrnehmung des Aufsichtsorganes dahin vor, dass das KFZ in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt war und zudem weist auch kein objektives Faktum in die Richtung, dass der Beschwerdeführer dieses unmittelbar zuvor selbst gelenkt und in der Folge dort abgestellt hätte; damit bestand grundsätzlich auch keine solche Situation, die notwendigerweise eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers erfordert hätte.

3.3.8.2. Obgleich (das KFG und) das OöParkGebG keine dementsprechende gesetzliche Vermutung kennt, sprachen andererseits allerdings auch keine spezifischen Umstände gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde, jene allgemeine Lebenserfahrung, dass ein KFZ in der Regel von seinem Zulassungsbesitzer benutzt wird, zumindest vorerst ihrer Gesamtbeurteilung des gegenständlichen Falles als eine gleichsam "standardmäßige Ausgangsbasis" zu Grunde zu legen.

3.3.8.3. Davon ausgehend hatte der Rechtsmittelwerber hier im Verlauf des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens mehrfach dazu Gelegenheit, darzulegen, dass bzw. inwiefern hier eine vom Regelverlauf abweichende Sachverhaltskonstellation vorgelegen haben könnte. Soweit ihm hierzu seitens der Behörden – nämlich mit dem Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 19. März 2010, Zl. OM-915/2010-wie, und mit der Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 9. Juli 2010, Zl. VerkR96-7810-2010 – entsprechende Möglichkeiten eingeräumt wurden, hat der Beschwerdeführer hier jedoch überhaupt nicht reagiert, mehr noch: Selbst im Zuge jener aktiv von ihm initiierten Prozesshandlungen (Einspruch gegen die Strafverfügung bzw. gegenständliche Berufung gegen das Straferkenntnis) hat er diesbezüglich nichts eingewendet, sondern lediglich stereotyp vorgebracht, die angelastete Übertretung nicht begangen zu haben, obwohl ihm zweifelsfrei klar sein musste, dass die Behörde aufgrund der konkreten Sachverhaltskonstellation in jeder Phase des Verfahrens davon ausging (und mangels gegenteiliger Indizien berechtigterweise auch davon ausgehen konnte), dass ausschließlich er selbst als Zulassungsbesitzer – und keine andere Person – das in Rede stehende KFZ unmittelbar vor dem Abstellen desselben in der Kurzparkzone benutzt hat.

3.3.8.4. Unter derartigen faktischen Umständen – nämlich: dass, obwohl schon zu Beginn des Verfahrens, umso mehr aber in jenem Stadium, als dieses seinem Abschluss zustrebte bzw. jedenfalls im Rechtsmittelverfahren ein Rechtfertigungsbedarf des Beschuldigten bestanden hätte (vgl. in diesem Sinne z.B. das Urteil des EGMR vom 18. März 2010, 13201/05), dieser jedoch Gegenteiliges nicht einmal behauptet hat, geschweige denn, dass auch entsprechende gegenteilige faktische Anhaltspunkte vorgelegen wären – kann aber die von der Behörde aus dem bloßen Schweigen des Rechtsmittelwerbers gezogene Konklusion, dass hier eben ein "Regelfall" im zuvor dargestellten Sinn vorliegt und der Beschwerdeführer daher selbst die Tat zu verantworten hat, nicht als unschlüssig angesehen werden, bzw. allgemein formuliert: Auch bzw. besonders in Bagatell- und Massenverfahren besteht das Recht zu schweigen sowie sich nicht selbst belasten zu müssen zwar darin, dass der Beschuldigte nicht dazu gezwungen werden darf, an ihn gerichtete Fragen zu beantworten oder selbst Beweise bzw. Indizien zu liefern, die seine Täterschaft bzw. seine Schuld belegen; allerdings trifft ihn in derartigen Verfahren gleichzeitig eine Mitwirkungspflicht dahin, einen ansonsten zulässigen Schluss auf seine Tätereigenschaft dadurch zu verhindern, dass er zumindest jene Beweismittel releviert und auch tatsächlich beibringt, die primär (nicht zur behördlichen, sondern) zu seiner eigenen Disposition stehen.

Im gegenständlichen Fall wäre der Rechtsmittelwerber daher dazu gehalten gewesen, zumindest einen sachlichen Einwand dahin vorzubringen, weshalb er daran gehindert gewesen sein soll, die begehrte Auskunft zu erteilen. Diesem Erfordernis wurde aber der bloße Hinweis, dass er "die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen" habe (wobei damit zudem offensichtlich nicht die Verletzung der Auskunftspflicht, sondern die Hinterziehung der Parkgebühr gemeint ist), jedoch nicht gerecht.

3.3.8.5. Gesamthaft betrachtet ist damit der von der belangten Behörde gezogene Schluss, dass der Beschwerdeführer sohin tatbestandsmäßig und – indem er als Zulassungsbesitzer um die damit verbundenen gesetzlichen Pflichten wissen musste, er die geforderte Auskunft jedoch unter Missachtung dieses Gebotes dennoch nicht erteilt hat – zumindest fahrlässig und damit auch schuldhaft gehandelt hat, nicht zu beanstanden.

Seine Strafbarkeit wäre daher gegeben.

3.3.8.6. Gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe wurden seitens des Rechtsmittelwerbers keine Einwendungen vorgebracht; auch im Zuge des ho.
Beru­­fungsverfahrens haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die belangte Behörde das ihr in diesem Zusammenhang zukommende Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hätte, zumal sich der spruchmäßig festgelegte Geldbetrag von 30 Euro ohnehin im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens bewegt.

Davon ausgehend wäre die gegenständliche Berufung somit als unbegründet abzuweisen gewesen.

3.4. Im Ergebnis kommt dieser allerdings aus folgendem Grund dennoch Berechtigung zu:

Vom Beschwerdeführer wurde nämlich auch eingewendet, dass ihm das Aufforderungsschreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 19. März 2010, Zl. OM-915/2010-wie, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

Diesbezüglich findet sich im erstbehördlichen Akt lediglich ein Vermerk dahin, dass dieses Schreiben seitens der Gemeinde "am 22.3.2010 zur Post gebracht" worden sei; ein entsprechender Zustellnachweis existiert jedoch – was auch von der belangten Behörde gar nicht in Abrede gestellt wurde – nicht, und zwar wohl deshalb, weil hier schon von vornherein keine Form einer nachweislichen Zustellung gewählt wurde. Somit liegt aber auch kein objektiver Beleg dafür vor, dass ein entsprechend gültiger Zustellvorgang tatsächlich stattgefunden hat.

Dies bedeutet, dass bei einer solchen Faktenlage im Zweifel jedenfalls der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers dahin, dass ihm dieses Aufforderungsschreiben nicht – zumindest nicht ordnungsgemäß – zugestellt wurde, zu folgen ist.

Davon ausgehend konnte aber auch seine Rechtspflicht zur Auskunfterteilung nach § 2 Abs. 2 OöParkGebG nicht ausgelöst werden, sodass insgesamt besehen seitens des Beschwerdeführers auch kein tatbestandsmäßiges Verhalten gegeben war.

3.5. Daher war der vorliegenden Berufung aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei einem solchen Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

VwSen-130765/2/Gf/Mu vom 28. Juni 2011
Erkenntnis

EMRK Art6 Abs1 und 2;
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Art14;
B-VG Art9 Abs1;
FAG-Novelle 384/1986 ArtII;
Oö. ParkGebG §2 Abs2;
KFG 1967 §103 Abs2

Grundsätzlich wie UVS OÖ vom 15. Dezember 2010, VwSen-130629, und vom 28. März 2011, VwSen-130751; darüber hinaus:
Das aus Art 6 Abs1 EMRK abzuleitende Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen bzw schweigen zu dürfen, ist nicht absolut gewährleistet: Eine mit geringer Strafe sanktionierte Auskunftsverpflichtung ist grundsätzlich ebenso zulässig wie die Konsequenz, dass aus dem Schweigen eines Beschuldigten auch für diesen nachteilige Schlüsse gezogen werden können.
Die Beurteilung, ob dieses Recht verletzt wurde, hat jeweils anhand des konkreten Falles unter Heranziehung eines "beweglichen Systems" zu erfolgen, wobei folgende Kriterien maßgeblich sind: Art und Schwere des Zugangs zur Beweiserlangung, Gewicht des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung und Täterbestrafung, Existenz angemessener Verfahrensgarantien sowie die Verwertung der erlangten Beweismittel.
Ein Strafverfahren wegen des Grunddeliktes (zB wegen Geschwindigkeitsüberschreitung oder Verletzung der Parkgebührenpflicht) darf jedoch idR nicht schon vor einem strafsanktionierten Lenkererhebungsverfahren eingeleitet bzw durchgeführt worden sein. Dass Art 6 Abs1 und 2 EMRK insoweit den Verfassungsbestimmungen des ArtII FAG-Nov 384/1986 und des § 102 Abs3 KFG 1967 derogiert, ergibt sich daraus, dass es sich bei der Konventionsbestimmung materiell besehen um eine lex specialis handelt, die mittlerweile zudem als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz iSd Art 9 Abs1 B VG sowie als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts und des rechtsstaatlichen Grundprinzips anzusehen ist.
Ausnahmen von diesem Grundsatz erscheinen jedoch zB dann als verhältnismäßig, wenn das Interesse an der Strafverfolgung und Generalprävention hoch ist, wie etwa im Falle einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung iZm einer Auskunftspflicht nach § 103 Abs2 KFG 1967 (gegenüber einer zB bloß geringfügigen Zeitüberschreitung im Rahmen des gebührenpflichtigen Parkens).
Liegt kein Indiz bezüglich der Identität einer bestimmten Person als Fahrer, sondern als einziges Beweismittel nur das Faktum vor, dass eine Übertretung mit einem bestimmten KFZ begangen wurde, so stellt dies zwar idR noch keine solche Situation dar, die notwendigerweise eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers erfordert, sodass umgekehrt auch ein apriorischer Schluss dahin, dass dieser selbst der Fahrzeuglenker gewesen ist, nicht ohne Weiteres als begründet erscheint. Anderes gilt jedoch, wenn dem Bf als Beschuldigten – dem aufgrund der Umstände des konkreten Falles zweifelsfrei klar sein musste, dass die Strafbehörde in jeder Phase des Verfahrens davon ausging (und mangels gegenteiliger Indizien berechtigterweise auch davon ausgehen konnte), dass ausschließlich er selbst das KFZ gelenkt hat – zum einen seitens der Behörde mehrfach Gelegenheit dazu geboten wurde, eine vom Regelverlauf, dass ein KFZ üblicherweise vom Zulassungsbesitzer selbst benutzt wird, abweichende Sachverhaltkonstellation zumindest zu behaupten, er darauf aber ebenso in keiner Weise reagiert hat wie er zum anderen in den aktiv von ihm initiierten Prozesshandlungen ebenfalls jegliche diesbezügliche Andeutungen unterlassen hat: In einer derartigen Konstellation kann daher die aus dem Schweigen gezogene Konklusion, dass der Bf selbst die Tat zu verantworten hat, nicht als unschlüssig angesehen werden.
Auch bzw besonders in Bagatell- und Massenverfahren besteht das Recht zu schweigen sowie sich nicht selbst belasten zu müssen zwar darin, dass der Beschuldigte nicht dazu gezwungen werden darf, an ihn gerichtete Fragen zu beantworten oder selbst Beweise bzw Indizien zu liefern, die seine Täterschaft bzw seine Schuld belegen. Allerdings trifft ihn in derartigen Verfahren gleichzeitig eine Mitwirkungspflicht dahin, einen ansonsten zulässigen Schluss auf seine Tätereigenschaft dadurch zu verhindern, dass er zumindest jene Beweismittel releviert und tatsächlich beibringt, die nicht zur behördlichen, sondern ausschließlich zu seiner eigenen Disposition stehen.

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