Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-231162/6/WEI/Ba

Linz, 29.06.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X X, geb. X, Staatsangehöriger von Liberia, vormals X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. September 2010, Zl. S-8.746/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

I.       Der Berufung wird insofern stattgegeben, als die Geldstrafe auf 70 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

II.     Der Berufungswerber hat im erstbehördlichen Strafverfahren einen Kostenbeitrag von 7 Euro zu leisten. Im Berufungsverfahren war kein weiterer Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorzuschreiben.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG; §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 2. September 2009 wurde der Berufungswerber (in der Folge nur Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 18.01.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 23.12.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG" als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

Begründend hält die belangte Behörde den angelasteten Tatbestand durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referats der belangten Behörde, die Anzeige vom 18. Jänner 2010 und das Ermittlungsverfahren für erwiesen. Auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. März 2010, zugestellt zu eigenen Handen am 12. Mai 2010, habe der Bw nicht reagiert, weshalb das Verfahren - wie angedroht - ohne seine weitere Anhörung durchgeführt worden sei.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hielt die belangte Behörde fest, dass der Bw als Fremder über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge, er auch nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sei und ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zukomme. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG und halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

 

Der Verwaltungsgerichtshof habe in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen, dass ein hohes öffentliches Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften bestehe (Hinweis auf VwGH 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

 

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden.

 

Die verhängte Geldstrafe bewege sich im untersten Bereich des Strafrahmens und sei notwendig, um den Bw in Hinkunft von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten. Der Milderungsgrund der Unbescholtenheit wurde nicht festgestellt. Bei der Strafbemessung sei von keinem relevanten Vermögen, keinem Einkommen und keinen Sorgepflichten ausgegangen worden.

 

2. Dieses Straferkenntnis wurde nach einem Zustellversuch am 7. September 2010 am 8. September 2010 beim Postamt X hinterlegt. Die Berufung wurde erst am 30. September 2010 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist zur Post gegeben. Über Vorhalt der Verspätung brachte der Bw mit Schreiben vom 2. März 2011 vor, dass er seit 28. Juni 2010 in der X, X, gemeldet sei und der bekämpfte Bescheid an seine alte Adresse X gesendet wurde. Ein Freund hätte ihm erst Tage später von der Hinterlegung eines Briefes beim Postamt erzählt. Es wäre ihm daher nicht möglich gewesen fristgerecht zu antworten.

 

Zur Bescheinigung wird eine Meldebestätigung vom 28. Juni 2010 des Magistrats Linz vorgelegt, aus der die Meldung seit 28. Juni 2010 in der X, X, hervorgeht. Der Oö. Verwaltungssenat geht daher im Zweifel zugunsten des Bw von einer rechtzeitigen Berufung aus.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Bw aus:

"Im Jänner dieses Jahres (18.01.10) habe ich auch so ein ähnliches Schreiben von der BPD Linz erhalten. Darin wurde ich zu Unrecht beschuldigt, dass ich mich unrechtmäßig in österreichischem Bundesgebiet aufhalte. Dagegen habe ich am 17.02.10 eine Stellungnahme abgegeben. Das führte dazu von seiten der Polizei zu einer neuerlichen Prüfung des Sachverhaltes. Aufgrund der geltenden Rechtslage kommt die Behörde nunmehr zum Ergebnis, dass ich im Sinne des §55 Abs. 1 FPG aufenthaltsverfestigt bin und in diesem Zusammenhang wurde das eingeleitete Ausweisungsverfahren eingestellt. Diese Feststellung (Einstellung des Verfahrens) wurde mit dem Schreiben der BPD Linz am 07.04.2010 bestätigt.

In derselben Sache werde ich wieder, diesmal vom Strafamt aufgefordert €1000 zu zahlen, weil ich mich seit 23.12.09 sozusagen illegal/unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Ich stellte meinen Verlängerungsantrag im Sept. 2009 rechtzeitig bei der Behörde in Linz (Mag. Linz) somit wäre ich nach wie vor rechtmäßig in Österreich. Deshalb kann ich nicht nachvollziehen weshalb ich vom Strafamt in diesem Zusammenhang belangt werde.

Ich gehe davon aus, dass es mir mit diesem Schreiben gelungen wird die Sache zu klären und das bedeutet für mich, dass ich nichts zahlen muss.

In diesem Sinne verbleibe ich mit besten Grüßen

X X X (eh. Unterschrift) "

3. Die Bundespolizeidirektion (BPD) Linz hat ihren Verwaltungsstrafakt mit der Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt, ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung.

Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

Das fremdenpolizeiliche Referat der BPD Linz erstattete am 18. Jänner 2010 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit 23. Dezember 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, was auf Grund der Aktenlage festgestellt worden sei.

Dem Fremdeninformationssystem ist zu entnehmen, dass der Bw seit 5. September 2007 einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt bis zum 6. September 2009 hatte. Einen Verlängerungsantrag stellte er beim Magistrat Linz rechtzeitig am 31. August 2009. In weiterer Folge wurde ihm vom Magistrat Linz ein Verbesserungsauftrag am 30. Oktober 2009 wegen fehlender Unterlagen erteilt, wobei er für den Fall der Nichtnachreichung der Unterlagen binnen 2 Wochen von der Behörde auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen wurde. Diesem Auftrag ist er nicht ordnungsgemäß nachgekommen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters von Linz vom 30. November 2009, Zl. 304-3-AEG/28450, wurde der Antrag des Bw vom 31. August 2010 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem NAG mit dem Zweck "Familienangehöriger" wegen Vorliegens eines Formmangels zurückgewiesen. Der Bescheid wurde an den Bw p.A. X in X andressiert und nach einem vergeblichen Zustellversuch am 7. Dezember 2009 beim Postamt X hinterlegt, wobei die Abholfrist mit diesem Tag begann.

Mit Schreiben vom 5. März 2010 übermittelte die Fremdenpolizei dem Strafamt der BPD Linz Ablichtungen eines E-Mails des Magistrats Linz vom 5. Jänner 2010 und des Zurückweisungsbescheids vom 30. November 2009 und teilte mit, dass dieser Bescheid nach der Hinterlegung am 22. Dezember 2009 in Rechtskraft erwuchs, weshalb sich der Bw ab 23. Dezember 2009 nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhielt.

Die belangte Behörde ordnete daraufhin die Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. März 2010 nach einer Fehlzustellung an der Adresse X unter der seit 9. März 2010 aufscheinenden Meldeadresse X, X, an. Die Sendung wurde nach einem vergeblichen Zustellversuch am 12. Mai 2010 (Beginn der Abholfrist) beim Postamt X hinterlegt und in der Folge auch behoben, jedoch nicht beantwortet.

Die belangte Behörde erließ dann gegen den Bw das Straferkenntnis vom 2. September 2010 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 120 Abs 1 Z 2 iVm § 31 Abs 1 FPG seit 23. Dezember 2009, das mit der gegenständlichen Berufung bekämpft wird.

Zuletzt hatte der Bw bei Magistrat Linz am 28. Juni 2010 eine Erstniederlassungsbewilligung "beschränkt" nach dem § 44 Abs 3 NAG beantragt, über den bis zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht entschieden wurde.

Auf Grund des Berufungsvorbringens hat der Oö. Verwaltungssenat ergänzend das Schreiben des fremdenpolizeilichen Referats der BPD Linz vom 7. April 2010, Zl. 1006598/FRB, beigeschafft, aus dem hervorgeht, dass die Fremdenbehörde nach neuerlicher Prüfung des Sachverhalts von einer Aufenthaltsverfestigung iSd § 55 Abs 1 FPG ausgeht, weshalb von einer Ausweisung Abstand genommen und das gegen den Bw eingeleitete Verfahren eingestellt wurde.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 17/2011) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen,

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

Gemäß § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.  wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

 

2.  wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

 

3.  wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

 

4.  solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

 

5.  (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

 

6.  wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten innehaben oder

 

7.  soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.2. Gemäß § 24 Abs 1 NAG sind Verlängerungsanträge (vgl § 2 Abs 1 Z 11 NAG) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der zuständigen Behörde im Inland einzubringen. Nach rechtzeitiger Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Im vorliegenden Fall hat der Bw zwar rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt, dieser wurde aber in der Folge mangels Behebung von Mängeln mit Bescheid vom 30. November 2009 zurückgewiesen. Die Zurückweisung des Antrages wurde am 22. Dezember 2009 rechtskräftig, weshalb sich der Bw ab 23. Dezember 2009 für die Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts nicht mehr auf § 24 Abs 1 NAG berufen konnte. Sein Aufenthalt ist mangels eines gültigen Aufenthaltstitels und eines nicht mehr unerledigten Verlängerungsantrages rechtswidrig geworden. Der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich lässt sich seither auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen. Sein nachträglich am 28. Juni 2010 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs 3 NAG gilt wieder als Erstantrag und begründet dieser Antrag gemäß dem § 44b Abs 3 NAG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 29/2009) kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach dem NAG.

Damit hat der Bw objektiv tatbestandsmäßig gehandelt. Dass die Fremdenpolizeibehörde von einer Aufenthaltsverfestigung gemäß § 55 Abs 1 FPG (wegen eines zumindest fünf Jahre dauernden, ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts des Bw in Österreich) ausging und das Ausweisungsverfahren aus dem Grund des Fehlens von Mitteln zum Unterhalt vorerst einstellte, vermag nichts daran zu ändern, dass der Aufenthalt des Bw seit 23. Dezember 2009 unrechtmäßig geworden ist, weil er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG erfüllt.

4.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw machte keine Umstände geltend, die geeignet wären, einen entsprechenden Entlastungsbeweis darzustellen. Es traf ihn grundsätzlich die Verpflichtung, rechtzeitig Verlängerungsanträge zu stellen und darüber hinaus auch alle erforderlichen Angaben zu machen und fehlende Unterlagen beizubringen. Er hat daher die Konsequenzen der Nichtbefolgung behördlicher Aufträge zu tragen und wäre verpflichtet gewesen, sich über die Zulässigkeit seines Aufenthalts entsprechend zu informieren. Die belangte Behörde konnte somit vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Form fahrlässigen Verhaltens ausgehen.

4.4. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegen­einander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G 53/10-7 u.a. Zlen, hat der Verfassungsgerichtshof einerseits zu Recht erkannt, dass die Wortfolge "von 1.000 Euro" im § 120 Abs 1 FPG und die Wendung "1" in § 120 Abs 4 FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009) als verfassungswidrig aufgehoben werden und andererseits unter Berufung auf Art 140 Abs 7 B-VG ausgesprochen, dass "die aufgehobenen Bestimmungen ... nicht mehr anzuwenden" sind. Dieser Spruch des Verfassungsgerichtshofs wurde am 4. April 2011 im BGBl I Nr. 17/2011 kundgemacht. Er ist daher seit 5. April 2011 (Art 140 Abs 5 Satz 3 B-VG) nach Art 140 Abs 7 B-VG für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden wirksam.

Im Gegensatz zu Kompetenzfeststellungserkenntnissen gemäß Art 138 Abs 2 B-VG kommt dem Ausspruch nach Art 140 Abs 7 B-VG nicht der derogatorische Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern allenfalls jener eines einfachen Gesetzes zu. Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, das das vorzitierte Diktum des Verfassungsgerichtshofs wohl im Sinne einer vom Regelfall abweichenden Anordnung dahin zu verstehen sein wird, dass die aufgehobenen Bestimmungen des FPG – entgegen Art 140 Abs 7 Satz 2 B-VG - auch auf sämtliche vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden sind, ergibt sich für das Berufungsverfahren, dass der generelle Anordnung des § 1 Abs 2 VStG entweder durch den Spruch des Verfassungsgerichtshofs derogiert wurde oder diese insoweit verfassungskonform dahin zu interpretieren ist, dass auch im Rechtsmittelverfahren die durch die Entscheidung des Verfassungsgerichthofs für den Beschuldigten günstiger gewordene Rechtslage anzuwenden ist. Den ab 5. April 2011 ergehenden Berufungsentscheidungen ist somit die bereinigte Fassung des § 120 Abs 1 FPG ohne die ursprünglich vorgesehen Mindeststrafe zugrunde zu legen (vgl bereits VwSen-231241/2/Gf/Mu vom 14. April 2011).

Straferschwerend war kein Umstand. Der Milderungsgrund der Unbescholtenheit kam im Hinblick auf fünf aktenkundige Vorstrafen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung nicht in Betracht.

Nach dem Wegfall der Mindeststrafe von 1.000 Euro erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates unter Berücksichtigung der sehr schlechten Einkommens– und Vermögensverhältnisse des Bw und seines fahrlässigen Verschuldens eine Geldstrafe in Höhe von 70 Euro als angemessen und ausreichend, um den Bw künftig zu rechtstreuem Verhallten zu veranlassen.

Die für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe war nach dem Strafrahmen des § 120 Abs 1 FPG, der bis zu drei Wochen vorsieht, festzusetzen. Sie konnte in Relation zur Geldstrafe etwas höher mit 15 Stunden bemessen werden, weil es dabei nur auf die Schuld und nicht mehr auf die schlechten persönlichen Verhältnisse des Bw ankam.

5. Bei diesem Ergebnis war der Beitrag zu den Kosten des erstbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG auf 7 Euro (10 % der Geldstrafe) herabzusetzen. Im Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte der Bw gemäß § 65 VStG keinen weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. W e i ß

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum