Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166073/9/Bi/Kr

Linz, 11.07.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA X, vom 23. Mai 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Freistadt vom 3. Mai 2011, VerkR96-178-2010, wegen Übertretung des KFG 1967, aufgrund des Ergeb­nisses der am 8. Juli 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungs­­verhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entschei­dung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 460 Euro (72 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer der Zugmaschine X der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Promenade 5, 4240 Freistadt, auf schriftliches Verlangen vom
10. Februar 2011, nachweislich zugestellt am 15. Februar 2011, binnen zwei Wochen ab Zustellung keine entsprechende Auskunft darüber erteilt habe, wer (Name und Anschrift) das Kraftfahrzeug am 18. Dezember 2010 um 5.25 Uhr gelenkt habe. Weiters wurde "Tatort: Gemeinde Unterweitersdorf, B310 Mühlviertler Straße – Kreuzung mit der B125 Prager Straße, Strkm 18.250" angeführt. 

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 46 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 8. Juli 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters RA X und der Zeugen X (P) und RI X (RI C) durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war ebenso ent­schul­digt wie der Meldungsleger RI X (Ml), auf dessen Einvernahme verzichtet wurde. Die Berufungs­entschei­dung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe schon zum Ml damals gesagt, er habe die Zugmaschine nicht gelenkt und den dringenden Verdacht, dass diese von einer ihm unbekannten Person in Betrieb genommen worden sein könnte. Er habe keine Veranlassung gehabt, die Zugmaschine zur angegebenen Zeit zu lenken. Er hätte auch keinen Grund gehabt, Fahrerflucht zu begehen, weil die Leistung des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten keinen Malus zur Folge gehabt hätte und auch der Alkotest ein Ergebnis von 0,0 mg/l gehabt habe. In der Nähe des Bauernhauses befinde sich ein Gastlokal, das bis in die Morgenstunden geöffnet habe und er habe schon öfters alkoholisierte Personen  im Bereich seines Hauses angetroffen, sodass er vermute, dass jemand von dort unbefugter Weise eine Spritztour unternommen habe.  

Die Erstinstanz vertrete die Meinung, ihm sei die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens an der Nichterteilung der Lenkerauskunft nicht gelungen. Da die objektive Tatseite und die Rechtswidrigkeit von der Behörde zu ermitteln sei, heiße das, dass die Erstinstanz feststellen hätte müssen, dass er entweder den Traktor selbst gelenkt habe oder ihn jemandem zum Lenken überlassen habe. Die Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs.1 VStG halte er für gelungen. Abgesehen davon macht er geltend, dass er im Rahmen eines Verwaltungsstraf­verfahrens zu einer Auskunftserteilung nach § 103 Abs.2 KFG nicht verpflichtet sei. Die Lenkeranfrage sei im Zusammenhang mit einem Verwaltungsstraf­verfahren nach § 4 Abs.1 lit.a und Abs.5 StVO ergangen, weshalb er Verfahrens­ein­stellung beantrage.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straf­erkenntnisses berücksichtigt und der beim Unfall geschädigte Pkw-Lenker sowie der bei der den Unfall betreffenden Amtshand­lung anwesende Polizei­beamte unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Zeuge P lenkte am Samstag, dem 18. Dezember 2010, gegen 5.25 Uhr den Pkw X auf der B310 in Richtung A7 und wurde bei der Kreuzung mit der B125 von einem von rechts kommenden Traktor, der vorne eine Ballengabel montiert hatte, touchiert, wobei sich der Pkw nach Aussagen des Zeugen P drehte und an der Beifahrerseite beschädigt wurde. Als er aussteigen wollte, bemerkte er, dass der Traktor weiterfuhr, konnte aber mangels Beleuchtung das Kennzeichen nicht ablesen. Er fuhr dem Traktor nach, der in Richtung des Anwesens des Bw verschwand. An der Ecke standen drei junge Männer, die den Bw wegen des Unfalls ansprachen, und dieser ließ sich von einem der drei die  Handynummer geben. Dann fuhr er weiter dem Traktor nach, der aber schon verschwunden war. Er fuhr auch um das unbeleuchtete Anwesen des Bw herum, fand aber den Traktor nicht mehr und verständigte schließlich die Polizei.

Gegen 6.00 Uhr trafen die Beamten mit dem bei der dortigen Tankstelle wartenden Bw zusammen, der ihnen die Daten gab und den Unfall schilderte und dann in die Arbeit fuhr.

Laut RI C suchten die Beamten dann das Anwesen des Bw auf, in dessen offener Wagenhalle sie den Traktor X mit warmem Motor, nassen Reifen, ange­stecktem Zündschlüssel und offener Tür fanden. Auch das Hoftor stand offen und die Haustür war unversperrt. Als die Beamten die Haustür öffneten und hineinriefen, kam der Bw und gab an, er wisse von nichts.

 

Im Zuge des Beweisverfahrens war insbesondere auffällig, dass der Zeuge P angab, den Bw vor dem Vorfall ebenso wie den blauen und wegen seiner Größe auffälligen Traktor gekannt und beide einander zugeordnet zu haben. RI C gab an, der Zeuge P habe ihnen den Lenker als "älteren, korpulenten Mann" beschrieben, konnte nicht mehr mit Sicherheit bestätigen, ob der Bw ihnen das Kennzeichen genannt und der Ml eine Zulassungsanfrage gemacht habe. Der Zeuge P bestätigte, dass ihm der Lenker als "bulliger Typ" vorgekommen sei, er wisse aber nicht mehr, wie er auf "älter" gekommen sei, weil er sich weder an eine Kopfbedeckung noch an die Haarfarbe erinnern  konnte. Er gab aber letztlich an, er habe den Bw zu diesem Zeitpunkt schon gekannt, könne aber nicht sagen, ob der Bw der Lenker gewesen sei. Der große blaue Traktor sei ihm aber als dem Bw gehörig bekannt gewesen. RI C konnte sich nicht erinnern, dass der Bw beim Gespräch bei der Tankstelle den Traktor mit dem Bw in Verbindung gebracht oder zumindest ein derartige Vermutung geäussert habe. Von Jugendlichen habe der Zeuge P etwas gesagt, aber die seien dann nicht mehr zu finden gewesen. RI C bestätigte auch, dass sich etwa 200 m vom Anwesen des Bw entfernt eine Diskothek befindet, die zwar um diese Zeit nicht mehr offen habe, aber es komme vor, dass Gäste der Diskothek warten, bis die Tankstelle aufsperrt und dort frühstücken gehen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist auf der Grundlage der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass tatsächlich ein verspäteter Gast aus der Diskothek mit dem dort offenbar allgemein bekannten und als besonders eingeschätzten Traktor des Bw eine Runde  gefahren ist und diesen dann zurückgestellt hat. Nachdem der Bw den Traktor ohne jede Sicherung und offen zugänglich abgestellt hat, dürfte eine (an sich unbefugte aber anscheinend vom Bw in seiner in der Verhandlung zur Schau gestellten Gleichgültig­keit in Kauf genommene) Inbetriebnahme auch ohne weiters möglich sein. Ob der Bw tatsächlich, wie er selbst angab, von den Polizeibeamten aus dem Bett geholt wurde, war in der Verhandlung nicht mehr zu klären, weil sich RI C nur mehr erinnern konnte, dass der Bw ein "Leiberl" anhatte und man mit ihm schon vernünftig reden konnte. Anzeichen für eine Schlaftrunkenheit fanden sich daher nicht, allerdings kann es der Bw auch gewohnt sein, früh aufzustehen. Zur Glaubwürdigkeit des Zeugen P ist zu bemerken, dass seine Verständigung der Polizei eigenartig anmuten würde, wenn er den Bw persönlich kennt und als Lenker des Traktor erkennt.

 

In rechtlicher Hinsicht war dem Bw daher die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens gemäß § 5 Abs.1 VStG an der ohnehin nicht bestrittenen Nichter­teilung der Lenkerbekanntgabe zuzuerkennen, auch wenn der Umstand, dass er offensichtlich sehr sorglos mit seinem besonderen Traktor umgeht und ihm nicht einmal auffällt, wenn jemand mit diesem wegfährt und später wieder zurückkommt. Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen P und RI C war letztlich spruchgemäß zu entscheiden – Verfahrenskostenbeiträge fallen dabei naturgemäß nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Lenkerauskunft, unbefugte Inbetriebnahme nicht auszuschließen -> Einstellung

 

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