Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166041/2/Fra/Gr

Linz, 27.06.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. April 2011, AZ: S-54364/10-VP, betreffend Übertretung des § 11 Abs.1 StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z.1 VStG; § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 11 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 150 Euro (EFS 69 Stunden) verhängt, weil er am 4. November 2010 um 06:55 Uhr in Linz, Wiener Straße, Fahrtrichtung stadteinwärts, Höhe Nummer, das KFZ mit dem Kennzeichen: X gelenkt und dabei die Fahrtrichtung nach rechts geändert/gewechselt hat, ohne sich vorher zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Der Bw bringt u.a. vor, dass ihm ein Radfahrer in sein Fahrzeug gefahren sei und nicht er ihn von der Straße auf den Parkplatz geschoben habe. Zudem sei ein Schulterblick in einem geschlossenen Lieferwagen gerade mal ein Blick in den Seitenspiegel. Außerdem müsse der tote Winkel berücksichtigt werden. Er würde es sehr schätzen, wenn der Sachverhalt nochmals geprüft und dieser Fall eventuell einem Sachverständigen vorgelegt werden würde. Sollte eine Bestrafung wegen "Ungehorsam" unbedingt erforderlich sein, möge bei der Strafbemessung sein derzeitiges tatsächliches Einkommen angewendet werden.

 

Die Bundespolizeidirektion Linz legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51 c erster Satz VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Eine Änderung der Fahrtrichtung oder ein Wechseln des Fahrstreifens kommt u.a. beim Einbiegen (§ 12) in Betracht. Die Grundsätze für das Einbiegen regelt § 13 Abs.1 StVO 1960. Unter Einbiegen versteht man ein Einschwenken in eine andere Straße (vgl. § 52 lit. Z.3a und Z.3b StVO 1960). Unter Abbiegen versteht man eine einbiegeähnliche Situation, aber außerhalb einer Kreuzung (zum Beispiel Einfahren in Grundstücke, Parkplätze und dergleichen) (vgl. u.a. Anmerkung 1 in Pürstl-Somereder, StVO, 11. Auflage, Manz-Verlag, zu § 13 Abs.1 StVO 1960).

 

Die Frage, in welcher Hinsicht sich der Lenker die Überzeugung im Sinne des § 11 Abs.1 StVO 1960 verschafft, ist nach dem Vertrauensgrundsatz zu beurteilen. Er darf u.a. darauf vertrauen, dass er gegebenenfalls vorschriftsmäßig überholt wird; er wird also nicht damit rechnen müssen, dass er, während er nach rechts einbiegt, gleichzeitig auch auf der rechten Seite überholt wird (vgl. hiezu Anmerkung 2 zu § 11 Abs.1 StVO 1960 in Pürstl/Somereder, StVO, 11. Auflage, Manz-Verlag).

 

Der Bw wollte nach den aktenkundigen Feststellungen als Lenker das in Rede stehende Kraftfahrzeug am rechten Fahrstreifen der Wiener Straße von der A7 kommend, in Richtung Bulgariplatz fahrend, nach rechts in eine Parklücke ein- bzw. abbiegen. Auf Höhe der Wiener Straße Nr. wurde er von einem Radfahrer rechts überholt, worauf es in der Folge zur Kollision des Radfahrers mit dem vom Bw gelenkten Kraftfahrzeug kam. Der Radfahrer kam zu Sturz und wurde verletzt. Am vom Bw gelenkten Kraftfahrzeug entstand leichter und am Fahrrad schwerer Sachschaden. Der Bw hielt sein Kraftfahrzeug an und verständigte die Rettung.

 

§ 11 StVO 1960 regelt ausschließlich die Änderung der Fahrtrichtung und den Wechsel des Fahrstreifens, keinesfalls befasst sich aber diese Bestimmung mit dem Einbiegen eines Fahrzeuges (VwGH, 15. November 1976, 1181/75). Im konkreten Fall lag jedoch – siehe o.a. Sachverhaltsfeststellungen – ein
Ein- bzw. Abbiegen des Fahrzeuges vor.

 

Da der Bw vor dem Hintergrund der o.a. Rechtslage nicht tatbildlich im Sinne des § 11 Abs.1 StVO 1960 gehandelt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

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