Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252662/2/Gf/Mu

Linz, 22.07.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des Finanzamtes Kirchdorf-Perg-Steyr gegen das aus Anlass einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes erlassene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. November 2010, Zl. SV96-36-2010 (mitbeteiligte Partei: x), zu Recht:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als es im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses statt "Geldstrafe von 365,00 Euro" nunmehr "Geldstrafe von 6 Mal 365,00 Euro", statt "Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden" nunmehr "Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Mal 48 Stunden", statt "36,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens" nunmehr "6 Mal 36,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens" und statt "Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kos­ten/Barausla­gen) beträgt daher 401,50 Euro" nunmehr "Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Verfahrenskosten) beträgt daher 2.409,00 Euro" zu heißen hat.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 22. November 2010, Zl. SV96-36-2010, wurde über die mitbeteiligte Partei eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 36,50 Euro) verhängt, weil sie es als Lokalbetreiber zu verantworten habe, dass sie am 7. November 2009 insgesamt 6 Personen beschäftigt gehabt habe, ohne dass diese zuvor von ihr beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet worden seien. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 33/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie nach § 111 Abs. 2 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das der mitbeteiligten Partei angelastete deliktische Verhalten auf Grund der Wahrnehmungen der im Zuge einer Betriebskontrolle einschreitenden Organe der öffentlichen Aufsicht als erwiesen anzusehen und von dieser auch nicht bestritten worden, sondern durch die nachträgliche und rückwirkende Anmeldung der angetroffenen Dienstnehmer vielmehr bestätigt worden sei.

1.2. Gegen dieses der Amtspartei am 2. Dezember 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 6. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei nicht bloß eine, sondern insgesamt vier – durch jeweils unterschiedliche Tatzeiträume qualifizierte – Übertretungen hätte anlasten müssen. Außerdem hätte die Erstbehörde jeweils festzustellen gehabt, welche der Beschäftigten über und welche unter der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt worden seien.

Aus diesen Gründen erweise sich nicht nur der Spruch, sondern auch die Höhe der verhängten Strafe als mangelhaft, weshalb – erkennbar – eine Änderung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses und eine adäquate Erhöhung der verhängten Geldstrafe beantragt wird.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Perg zu Zl. SV96-36-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 


3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S.d. ASVG u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG ist nach § 4 Abs. 2 leg.cit. anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 1 lit. a ASVG stehen den Dienstnehmern i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG u.a. Personen, die sich auf Grund freier Dienstverträge für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, dann gleich, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn, dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG versichert sind.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG handelt u.a. derjenige ordnungswidrig, der als Dienstgeber entgegen den Vorschriften des ASVG Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Eine solche Ordnungswidrigkeit ist nach § 111 Abs. 2 ASVG von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

In diesem Zusammenhang ist gemäß § 539a Abs. 1 ASVG für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

3.2. Soweit die Rechtsmittelwerberin mit ihrer Berufung einzelne Spruchmängel  des angefochtenen Bescheides geltend macht, übersieht sie, dass das der mitbeteiligten Partei angelastete Tatverhalten bereits am 7. November 2009 gesetzt wurde, sodass insoweit schon zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses gemäß § 111 Abs. 3 ASVG Verfolgungsverjährung eingetreten war. Eine Spruchkorrektur kommt daher aus diesem formalen Grund schon von vornherein nicht mehr in Betracht – vielmehr liegt insoweit bereits eine sich auch auf den Oö. Verwaltungssenat erstreckende Bindungswirkung vor.

 

3.3. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses hatte der Oö. Verwaltungssenat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass im Falle der Nichtmeldung der Beschäftigung mehrerer Dienstnehmer lediglich eine (Gesamt-)Strafe zu verhängen ist, wenn die Nichtmeldung objektiv besehen eine Einheit darstellt (ein und derselbe Kontrollzeitpunkt bzw. Tatzeitraum, derselbe Dienstgeber, gleichartige bzw. notwendig aufeinander abgestimmte Tätigkeiten, bloß geringfügige Unterschiede hinsichtlich des Arbeitsbeginnes), der Umstand der Betretung mehrerer Dienstnehmer jedoch im Zuge der Strafbemessung als erschwerend berücksichtigt werden kann (vgl. z.B. VwSen-252287 vom 27. November 2009; VwSen-252253 vom 7. Jänner 2010; VwSen-252309 vom 22. Jänner 2010; VwSen-252512 vom 4. März 2011).

 

Dem gegenüber vertritt nunmehr der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass eine Verletzung der Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG hinsichtlich jedes Beschäftigten gesondert zu verfolgen ist, weil durch die Strafbestimmung des § 111 ASVG auch das Recht jedes einzelnen Dienstnehmers auf potentielle Leistungen aus der Sozialversicherung geschützt wird (vgl. VwGH vom 16. Jänner 2011, Zl. 2009/08/0056; s.a. VwGH vom  27. April 2011, Zl. 2009/08/0201).

 

An diese Rechtsauffassung – die vom Oö. Verwaltungssenat nicht geteilt wird – ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im gegenständlichen Fall zwar nicht i.S.d. rechtlichen Verpflichtung des § 63 Abs. 1 VwGG, wohl aber aus verfahrensökonomischer Sicht deshalb gebunden, weil vorhersehbar ist, dass der VwGH im Falle einer gegen die vorliegende Entscheidung seitens der Amtspartei erhobenen Beschwerde gemäß § 111a ASVG seine eben dargestellte Rechtsprechung in gleicher Weise auch auf den hier gegenständlichen Fall anwenden wird.

 

3.4. Dem entsprechend war daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde hinsichtlich jedes Beschäftigten eine eigenständige Strafe zu verhängen gehabt hätte.

 

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auf Grund des beträchtlichen Überwiegens von Milderungsgründen (bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit; Tatzeitraum laut Spruch des Straferkenntnisses lediglich 1 Tag; tätige Reue in Form der Anmeldung der Beschäftigten kurz nach der Betretung), denen keine Erschwerungsgründe gegenüberstanden, und des Vorliegens eines erstmaligen ordnungswidrigen Verhaltens die Mindeststrafe nach § 111 Abs. 2 zweiter Satz ASVG auf 365 Euro herabgesetzt werden konnte, war daher der gegenständlichen Berufung des Finanzamtes Kirchdorf-Perg-Steyr gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als es im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses statt "Geldstrafe von 365,00 Euro" nunmehr "Geldstrafe von 6 Mal 365,00 Euro", statt "Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden" nunmehr "Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Mal 48 Stunden", statt "36,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens" nunmehr "6 Mal 36,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens" und statt "Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kos­ten/Barauslagen) beträgt daher 401,50 Euro" nunmehr "Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Verfahrenskosten) beträgt daher 2.409,00 Euro" zu heißen hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

VwSen-252662/2/Gf/Mu vom 22. Juli 2011, Erkenntnis

 

ASVG §111;

ASVG §111a

 

Verhängung gesonderter Strafen für jeden einzelnen betretenen Dienstnehmer, wenn der VwGH entgegen der bisherigen ständigen, auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses maßgeblichen Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenates, wonach in derartigen Fällen lediglich eine Gesamtstrafe verhängt werden darf, erst nach dem Zeitpunkt der Einbringung einer Berufung durch die Amtspartei gemäß § 111a ASVG seine Rechtsauffassung dahin, dass in solchen Konstellationen jeweils eine gesondert zu verfolgende Verwaltungsübertretung vorliegt, in Erkenntnisform geäußert hat.

 

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