Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252768/2/Gf/Mu

Linz, 25.07.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 10. März 2011, Zl. SV96-236-1-2010-Sc, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 10. März 2011, Zl. SV96-236-1-2010-Sc, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 110 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 73 Euro) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH mit Unternehmenssitz in Ungarn unterlassen habe, der Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden: SGKK) bis zum 26. Februar 2010 näher bezeichnete Unterlagen (Lohnzettel, Dienstverträge, Werkvertrag, Aufstellung der entsendeten Mitarbeiter) vorzulegen. Dadurch habe der Rechtsmittelwerber eine Übertretung des § 42 Abs. 1 Z. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 33/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 Abs. 1 Z. 3 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dieses dem
Beschwerdeführer angelastete deliktische Verhalten zufolge einer Anzeige der SGKK sowie der Aussage einer vom Rechtsmittelwerber selbst benannten Zeugin, aus der ebenfalls hervorgehe, dass die angeforderten Unterlagen erst verspätet übermittelt worden seien, als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 14. März 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 22. März 2011 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene  Berufung.

Darin wendet der Rechtsmittelwerber zunächst ein, dass gegen ihn keine
rechtzeitige Verfolgungshandlung gesetzt und somit Verjährung eingetreten sei. Außerdem habe das Unternehmen des Beschwerdeführers seinen Sitz in Ungarn; die Zweigniederlassung in O sei lediglich aus formalen Gründen ins Firmenbuch eingetragen worden, habe jedoch de facto nie bestanden und insbesondere auch keine Dienstnehmer beschäftigt, sodass das ASVG nicht anzuwenden und die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses örtlich nicht zuständig gewesen sei. Schließlich treffe den Rechtsmittelwerber auch deshalb kein Verschulden, weil es nicht er, sondern der von ihm beauftragte Steuerberater zu vertreten habe, dass die angeforderten Unterlagen zu spät übermittelt wurden.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Ein­stellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Braunau zu Zl. SV96-236-1-2010-Sc; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 ASVG hat ein Dienstgeber u.a. längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S.d. ASVG u.a. derjenige, für
dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

 

Als Dienstnehmer ist nach § 4 Abs. 2 ASVG anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persön­licher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 3 ASVG handelt u.a. derjenige ordnungswidrig, der als Dienstgeber entgegen den Vorschriften des ASVG die geforderten Auskünfte nicht oder falsch erteilt. Eine solche Ordnungswidrigkeit ist nach § 111 Abs. 2 ASVG von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall geht aus der entsprechenden Eintragung im
Firmenbuch hervor, dass zwischen dem 3. September 2009 und dem 30. Juni 2010 – und damit also auch im Tatzeitraum (2. Februar bis 26. Februar 2010) – eine Zweigniederlassung jener GmbH mit Unternehmenssitz in Ungarn, deren Handelsrechtlicher Geschäftsführer (u.a.) auch der Beschwerdeführer ist, eingetragen war.

 

In diesem Zusammenhang legt § 107 des GmbH-Gesetzes, RGBl.Nr. 58/1906 i.d.F. BGBl.Nr. I 70/2008 (im Folgenden: GmbHG), fest, dass dann, wenn der Sitz einer GmbH im Ausland liegt, deren Geschäftsführer diese Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden haben, wenn die GmbH eine inländische Zweigniederlassung einrichtet (vgl. § 107 Abs. 1 GmbHG). Wenn diese GmbH das Personalstatut eines EU-Mitgliedstaates aufweist, dann muss für den Betrieb der Zweigniederlassung nach § 107 Abs. 2 GmbHG kein eigenständiger Vertreter bestellt werden.

 

Da die hier verfahrensgegenständliche K (K f t = Gesellschaft mit beschränkter Haftung) ihren Unternehmenssitz in Ungarn – und damit in einem Mitgliedsstaat der EU – hat und, wie sich aus der dement­sprechenden Eintragung im Firmenbuch ergibt, kein gesonderter Vertreter für deren Zweigniederlassung in Österreich bestellt wurde, war somit der Rechtsmittelwerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH auch zur Vertretung der österreichischen Zweigniederlassung berufen und damit i.S.d. § 9 VStG als außenvertretungsbefugtes Organ verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

 

3.3. Da nach § 111 Abs. 5 ASVG eine Übertretung dieses Gesetzes als im Sprengel jener Bezirkshauptmannschaft begangen gilt, in dem der Sitz des Betriebes des Dienstgebers liegt und die Zweigniederlassung der GmbH im Tatzeitraum in O im Bezirk Braunau situiert war, war die belangte Behörde sohin zur Erlassung des vorliegenden Straferkenntnisses örtlich zuständig.

 

Auch die vom Beschwerdeführer relevierte Einrede der Verfolgungsverjährung erweist sich im Hinblick auf die in § 111 Abs. 3 ASVG im Wege einer Spezialbestimmung normierte diesbezügliche Frist von 1 Jahr als nicht zielführend, weil die erste Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Mai 2010, Zl. SV-236-1-2010-Sc) zweifelsfrei innerhalb dieser Frist gesetzt wurde.

 

Gleiches gilt schließlich auch für seinen Einwand, dass er die Meldepflicht seinem Steuerberater übertragen habe, weil eine derartige Bevollmächtigung gemäß § 35 Abs. 3 ASVG nur dann die Wirkung des Entfalls der verwaltungsstrafrecht­lichen Verantwortlichkeit nach sich zieht, wenn diese Übertragung schon vor dem Tatzeitpunkt dem zuständigen Versicherungsträger unter Hinzufügung des
Namens, der Anschrift und der gleichzeitigen Mitfertigung des Bevollmächtigten bekannt gegeben wurde. Dass Derartiges hier vorliegt, wurde aber auch vom Rechtsmittelwerber selbst gar nicht behauptet.

 

3.4. Gegenstand des Auskunftsersuchens der SGKK war im vorliegenden Fall
gerade die Frage, ob die GmbH des Beschwerdeführers (auch) am Sitz ihrer
österreichischen Zweigniederlassung der Versicherungspflicht unterliegende Dienstnehmer beschäftigt. Da § 1 ASVG den Geltungsbereich dahin festlegt, dass dieser die Allgemeine Sozialversicherung aller im Inland beschäftigter Personen erfasst, kann sohin nicht zweifelhaft sein, dass der österreichischen Zweigniederlassung der GmbH – also einer schon von ihrem Selbstzweck her auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben ausgerichteten juristischen Person – des Beschwerdeführers zumindest potentiell die Eigenschaft eines der Auskunftspflicht nach dem ASVG unterliegenden Dienstgebers zukam. Darauf, ob diese Zweigniederlassung hingegen auch tatsächlich unternehmerisch tätig geworden ist oder nicht, kommt es hingegen unter dem Aspekt der sozialversicherungsrechtlichen Auskunftsverpflichtung hingegen nicht an.

 

3.5. In dem dem Rechtsmittelwerber spruchmäßig angelasteten Tatzeitraum (2. bis 26. Februar 2010) erging die Aufforderung zur Erteilung der von der SGKK begehrten Auskünfte jedoch nicht an ihn selbst, sondern an eine Person, die (entgegen deren im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 2. Februar 2010 getätigten [wie sich ex post ergeben hat, offensichtlich unzutreffenden] Angaben) zu diesem Zeitpunkt tatsächlich weder "Gesellschafter" noch "Geschäftsführer" der GmbH selbst oder ihrer österreichischen Zweigniederlassung war; dies resultiert zweifelsfrei aus dem im Akt der belangten Behörde erliegenden Firmenbuchauszug.

 

Da diese Person somit im Tatzeitraum für das Unternehmen des Beschwerde­führers nicht vertretungsbefugt war, kam ihr sohin auch nicht die Eigenschaft eines Dienstgebers i.S.d. § 35 Abs. 1 ASVG zu; aus der an sie im Zuge der
niederschriftlichen Einvernahme am 2. Februar 2010 und in der Folge mit
Schreiben der SGKK vom 10. Februar 2010 gerichteten Aufforderung konnte
damit aber dem Unternehmen des Rechtsmittelwerbers keine rechtsverbindliche Verpflichtung erwachsen.

 

Abgesehen davon, dass nicht dieser Niederschrift, sondern allenfalls erst dem Schreiben der SGKK vom 10. Februar 2010 eine auch verwaltungsstrafrecht­lichen Erfordernissen genügende Aufforderung i.S.d. § 42 Abs. 1 ASVG entnommen werden kann – wodurch sich dann auch der spruchmäßig angelastete Tatzeitraum entsprechend verschoben hätte (14 Tage, gerechnet ab Zustellung
dieses Schreibens) –, hätte dieses Ersuchen daher nicht an jene (allenfalls betriebsintern unterstellte) Person ergehen dürfen, sondern vielmehr an den
Beschwerdeführer selbst (oder an einen der anderen handelsrechtlichen
Geschäftsführer der GmbH) gerichtet werden müssen, um die Sanktionsfolge des § 111 Abs. 1 Z. 3 ASVG auslösen zu können.

3.6. Ungeachtet dessen, dass es sich hier auch um einen Erstfall i.S.d. § 111 Abs. 2 zweiter Satz ASVG handelte, die bisherige Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers und die angesichts geringer Komplexität insgesamt überlange Verfahrensdauer zwingend als strafmildernd zu berücksichtigen gewesen wären und zudem der Vorlagepflicht bis zum 28. April 2010 ohnedies tatsächlich ent­sprochen wurde, sodass auch aus diesen Gründen anstelle der Verhängung einer Geldstrafe die Erteilung einer bloßen Ermahnung eher angezeigt gewesen wäre, war der vorliegenden Berufung sohin jedenfalls aus dem unter 3.5. angeführten Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungs­werber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten
Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

VwSen-252768/2/Gf/Mu vom 25. Juli 2011

 

Erkenntnis

 

ASVG §42 Abs1;

ASVG §111 Abs1 Z3

 

Da eine Übertretung des § 111 Abs1 Z3 iVm § 42 Abs1 ASVG nur vom Dienstgeber begangen werden kann, muss auch bereits die Aufforderung zur Vorlage bestimmter Unterlagen an den Sozialversicherungsträger an den zur Vertretung der GmbH nach außen Befugten – idR also an den handelsrechtlichen Geschäftsführer – selbst und nicht bloß an eine ihm betriebsintern unterstellte Person gerichtet sein.

 

 

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