Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401120/4/Gf/Mu

Linz, 18.07.2011

 

 

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Anhaltung des x (dzt. Anhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Salzburg) in Schubhaft auf Grund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 21. März 2011, Zl. Sich40-1420-2011, fest:

 

Im Hinblick auf den zum Zeitpunkt dieser Entscheidung konkret vorliegenden Sachverhalt ist die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nach dem 21. Juli 2011 nicht unverhältnis­mäßig; soweit sich dieser nicht entscheidungserheblich ändert,
liegen nach diesem Zeitpunkt auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vor.

 

Rechtsgrundlage:

 

§ 80 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 21. März 2011, Zl. Sich40-1420-2011, wurde über den Fremden, einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation, unter Heranziehung des § 76 Abs. 2a Z. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 38/2011, im Folgenden: FPG), zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Salzburg vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer erstmals am 9. März 2007 von der Slowakei aus kommend widerrechtlich in das Bundesgebiet eingereist und daher in diesen Staat zurückgeschoben worden sei. In der Folge sei er jedoch neuerlich von dort aus illegal nach Österreich gekommen und habe hier einen Asylantrag eingebracht, woraufhin er wiederum in die Slowakei zurückgeschoben worden sei; dieser Vorgang habe sich sodann zwischen dem 10. Oktober 2007 und dem 11. März 2011 mehrere Male wiederholt, sodass er hier insgesamt sieben Asylanträge gestellt habe, die jedoch jeweils wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen sowie mit einer Zurückschiebung in die Slowakei zu verbinden gewesen seien. Außerdem sei der Rechtsmittelwerber, dessen Mutter, Halbbruder und Halbschwester sich angeblich ebenfalls im Bundesgebiet aufhalten würden, völlig mittellos und nicht bereit, in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Darüber hinaus sei ein Sicherungsbedarf nicht nur dadurch indiziert gewesen, dass ihm am 21. März 2011 die Aufhebung seines aus seinem zuletzt eingebrachten Asylantrag resultierenden Abschiebeschutzes mitgeteilt worden sei, sondern auch deshalb, weil sich die Ausstellung des Heimreisezertifikates damals bereits in der finalen Phase befunden habe, sodass auch zeitnah mit der faktischen Durchführung der Abschiebung zu rechnen gewesen sei. Dass seine mehrfachen illegalen Grenzübertritte und unzulässigen Asylantragstellungen nur dazu dienen würden, dieser Abschiebung zu entgehen und sich stattdessen den illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet weitest möglich zu verlängern, sei offensichtlich.

1.2. Im Zuge der Vorlage des Bezug habenden Aktes zu Zl. Sich40-1420-2011, hat die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 13. Juli 2011 mitgeteilt, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 28. März 2011 die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt habe.

Am 2. Mai 2011 sei der Behörde jedoch mitgeteilt worden, dass der Heimatstaat des Fremden für diesen mangels geklärter Identität kein Heimreisezertifikat ausstellen könne.

Abgesehen davon, dass der Fremde vom 1. bis zum 3. Juni 2011 im Stand der Schubhaft in einen Hungerstreik getreten sei, habe das Bundesministerium für Inneres der belangten Behörde auf deren mehrfache Urgenzen hin zunächst am 12. Juli 2011 mitgeteilt, dass nach dem Rücknahmeübereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation für die Behörden des Heimatstaates des Fremden grundsätzlich auch die Möglichkeit bestünde, die Entscheidungsfrist noch bis zum 12. August 2011 zu verlängern. Unmittelbar danach habe jedoch die russische Botschaft am 14. Juli 2011 selbst bekannt gegeben, dass nunmehr die Behörden des Heimatstaates die Identität des Fremden hätten feststellen können und diese daher auch bereit seien, umgehend für ihn ein Heimreisezertifikat auszustellen.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-1420-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststellen ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Im Zuge dieser Beweisaufnahme konnte der oben unter 1.1. und 1.2. dar­gestellte Sachverhalt als zutreffend festgestellt werden.

2.2. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

2.3. Dieser hatte gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 76 Abs. 4 und 5 FPG kann eine über einen Asylwerber nach § 76 Abs. 2 oder Abs. 2a FPG verhängte Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Asylantrag bzw. diese dann, wenn die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist, die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder der Fremde seine Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der fremdenpolizeilichen Zwangsgewalt widersetzt, wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von 1 Jahr bis zu sechs Monaten aufrecht erhalten werden.

Gemäß § 80 Abs. 7 FPG ist dann, wenn der Fremde länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden soll, die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Fremdenpolizeibehörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem UVS eine Woche zur Entscheidung vor diesen Terminen bleibt, und darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft maßgeb­lichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

3.2. Im vorliegenden Fall wird der Fremde seit dem 21. März 2011 in Schubhaft angehalten; die Vier-Monats-Frist des § 80 FPG endet daher nach § 32 Abs. 2 AVG mit Ablauf des 21. Juli 2011.

Im Zuge der Prüfung der Frage, ob die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen hier vorliegen und die weitere Anhaltung ab dem 22. Juli 2011 auch verhältnismäßig ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der (sechste) Asylantrag des Fremden vom 27. Mai 2009 mit Bescheid des Bundes­asylamtes (Außenstelle Innsbruck) vom 19. April 2010 abgewiesen und unter einem seine Ausweisung nach Russland angeordnet wurde; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18. Februar 2011 abgewiesen, sodass diese Ausweisung des Fremden seit dem 24. Februar 2011 durchsetzbar war. Hinsichtlich seines am 11. März 2011 gestellten neuerlichen (siebenten) Asylantrages hat der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 28. März 2011 festgestellt, dass die seitens der belangten Behörde verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 38/2011, im
Folgenden: AsylG), rechtmäßig war. Insgesamt besehen liegt sohin gegenwärtig
eine vollstreckbare Ausweisung vor.

Da im vorliegenden Fall im Übrigen auch die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 5 FPG gegeben sind, war die belangte Behörde – der nach dieser Bestimmung insoweit kein Ermessen zukommt – dazu verpflichtet, über den Fremden die Schubhaft zu verhängen.

An dieser Sachverhaltskonstellation hat sich bis dato nichts geändert. Insbesondere hat sich auch nicht ergeben, dass die Abschiebung des Fremden deshalb tatsächlich undurchführbar wäre, im Gegenteil: Die Behörden seines Heimatstaates haben sich lt. Mitteilung vom 14. Juli 2011 nunmehr – nachdem seine Identität zweifelsfrei geklärt werden konnte – explizit dazu bereit erklärt, das bislang noch ausständige, für die Ausweisung im Wege der Abschiebung nach Russland unabdingbare Heimreisezertifikat auszustellen.

Die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen liegen somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin vor.

3.3. Ausgehend davon, dass im Zuge einer Haftprüfung gemäß § 80 Abs. 7 FPG lediglich zu beurteilen ist, ob die Verlängerung der in Schubhaft und deren weitere Aufrechterhaltung pro futuro dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht (und nicht auch darüber hinaus, ob dies auch bezüglich seiner bisherigen Anhaltung zutraf), erweist sich diese Maßnahme unter den konkret vorliegenden Umständen offensichtlich jedenfalls als ein geeignetes Mittel zur Zweckerreichung: Denn die trotz mehrfacher Außerlandesschaffung stets wiederum hartnäckig erfolgte Rückkehr ins Bundesgebiet lässt sich hier offenbar überhaupt nur dadurch erreichen, dass der Fremde nicht bloß in einen – ebenfalls zur EU gehörigen – Nachbarstaat (wie die Slowakei) zurückgeschoben, sondern tatsächlich über die Grenze der Schengen-Staaten hinaus verbracht wird. 

Bei der im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung weiters vorzunehmenden Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an einer effizienten Durchführung dieser Abschiebung gegenüber dem Interesse des Fremden an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit war nicht nur ins Kalkül zu ziehen, dass dieser bereits in mehrfacher Weise an seiner eigenen Person den Ablauf der fremden­polizeilichen Maßnahme einer Abschiebung miterlebt hat. Im detaillierten Wissen darum und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er im Zuge seiner asylverfahrensrechtlichen Einvernahme am 14. März 2011 dezidiert erklärt hat, in Österreich bleiben und nicht in seinen Heimatstaat zurückkehren zu wollen – wobei er dies auch durch einen Hungerstreik entsprechend untermauert hat –, liegt es auf der Hand, dass er sich einer derartigen fremdenpolizeilichen Maßnahme umgehend entziehen würde, sobald er aus der Schubhaft entlassen werden würde. Angesichts des bisherigen Verfahrens-, Zeit- und Kostenaufwandes der belangten Behörde ist das öffentliche Interesse an der faktischen Umsetzung der Abschiebung des Fremden in seinen außerhalb der EU gelegenen Heimatstaat daher als eminent zu qualifizieren.

Dem steht gegenüber, dass sich der Fremde gegen diese Zwangsmaßnahme bislang selbst gar nicht zur Wehr gesetzt hat. Insbesondere hat er keine Beschwerde gemäß § 82 FPG erhoben und auch sein Hungerstreik wendete sich nicht gegen die Anhaltung in Haft, sondern diente dazu, seiner Forderung, in Österreich bleiben zu wollen, Nachdruck zu verleihen (vgl. die e-mail-Mitteilung seiner Rechtsberaterin vom 3. Juni 2011: "Er möchte, koste es was es wolle, in Österreich bleiben. Er meint bereit zu sein, immer wieder in Schubhaft genommen zu werden, aber er möchte Österreich freiwillig sicher nicht verlassen"). Daraus geht hervor, dass sich der Fremde durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gravierend als in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt erachtet.

Insgesamt besehen führt daher eine entsprechende Abwägung zu dem Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall die öffentlichen Interessen deutlich überwiegen.

Aus all dem ergibt sich sohin, dass die weitere Aufrecherhaltung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig ist.

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher nach § 80 Abs. 7 i.V.m. § 67c FPG festzustellen, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Hinblick auf den zum Zeitpunkt dieser Entscheidung konkret vorliegenden Sachverhalt nicht unverhältnismäßig ist und dass – soweit sich dieser nicht entscheidungserheblich ändert – die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

VwSen-401120/4/Gf/Mu vom 18. Juli 2011, Erkenntnis

 

Rechtssatz 1

FPG 2005 §80 Abs7

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich als geeignetes Mittel zur Abschiebung über die Schengen-Grenze hinaus, wenn der Fremde bereits mehrfach aus dem Bundesgebiet in die Slowakei abgeschoben wurde, dieser dessen ungeachtet jedoch jeweils wieder nach Österreich zurückgekommen ist und hier insgesamt 7 Asylanträge gestellt hat.

 

Rechtssatz 2

FPG 2005 §80 Abs7

Es besteht ein eminentes und daher überwiegendes öffentliches Interesse an der Durchführung einer Abschiebung, wenn der Fremde bislang keine Rechtsmittel gegen seine Anhaltung ergriffen, sondern explizit erklärt hat, diese Maßnahme für eine Verlängerung seines faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet in Kauf zu nehmen.

 

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