Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420663/26/Gf/Mu

Linz, 14.07.2011

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des x, vertreten durch RA x, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Polizeidirektors der Stadt Wels am 3. April 2011 nach der am 27. Juni und am 12. Juli 2011 durchgeführten öffent­lichen Verhandlung zu Recht:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers am 3. April 2011 von 2:25 Uhr bis 3:15 Uhr in den Amtsräumen der Polizeiinspektion
Dragonerstraße in Wels war rechtswidrig.

 

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Kostenaufwand in einer Höhe von insgesamt 1.809,60 Euro zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 88 Abs. 2 und 4 SPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandersatzVO.

Entscheidungsgründe:

1.1. In seiner am 8. April 2011 – und damit rechtzeitig – beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachten, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B‑VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG und i.V.m. § 88 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes gestützten Beschwerde wendet sich der Rechtsmittelwerber gegen seine am 3. April 2011 von Organen des Polizeidirektors der Stadt Wels am Welser Messegelände erfolgte Festnahme und Anhaltung.

 

Begründend wird dazu vorgebracht, dass damals zwischen ihm und einem Polizeibeamten bloß ein Wortwechsel stattgefunden habe und dieser allein keinen Grund für eine Festnahme habe bilden können. Vielmehr hätte sich jegliche Eskalation der Situation schon dadurch vermeiden lassen, dass das einschreitende
Sicherheitsorgan dem Beschwerdeführer ersuchensgemäß seine Dienstnummer bekannt gegeben hätte. Und selbst dann, wenn seinerseits ein aggressives Verhalten – und damit bloß eine Verwaltungsübertretung – vorgelegen haben sollte, hätten jedenfalls gelindere Mittel anstelle einer Festnahme – wie z.B. eine bloße Wegweisung vom Messegelände – eingesetzt werden können.

 

Im Ergebnis sei er daher durch diese unverhältnismäßige Vorgangsweise in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, weshalb die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt wird.

1.2. Der Polizeidirektor der Stadt Wels hat als belangte Behörde den Bezug
habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Begründend wird dazu im Wesentlichen vorgebracht, dass den einschreitenden Polizeibeamten von einem Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes mitgeteilt worden sei, dass der Rechtsmittelwerber an einer Rauferei beteiligt gewesen und deshalb aus einem Lokal des Messegeländes verwiesen worden sei. Daher sei zunächst ein Einschreiten wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung bzw. zumindest wegen einer Ordnungsstörung i.S.d. § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes vorgelegen, weshalb vorerst die Identität des Beschwerdeführers habe festgestellt werden müssen. In diesem Zusammenhang habe der Rechtsmittelwerber jedoch ein äußerst aggressives Verhalten – insbesondere Herumwirbeln mit den Armen vor dem Gesicht eines Polizeibeamten – an den Tag gelegt, sodass er in der Folge mehrmals aufgefordert worden sei, dies einzustellen. Als schließlich auch eine Anzeigeerstattung wegen einer Übertretung des § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes in keiner Weise zu einer Verhaltensänderung geführt habe, sei gegen 2:10 Uhr gemäß § 35 Z. 3 VStG die Festnahme auszusprechen gewesen, da § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz – im Gegensatz zu § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz – den Einsatz von gelinderen Mitteln nicht vorsehe. Dessen ungeachtet habe sich der Beschwerdeführer weiterhin aggressiv verhalten und die Amtshandlung auch durch körperlichen Widerstand massiv behindert, sodass er schließlich auch noch zu Boden habe gebracht werden müssen, um ihm Handfesseln anlegen zu können; dabei habe er ständig seine Muskulatur verspannt, mit den Armen und den Beinen ausgeschlagen und seinen Kopf verdreht, um diese Maßnahme zu verhindern. Erst nach einiger Mühe sei dann die Eskortierung zur Polizeiinspektion auf dem Messegelände und in weiterer Folge zur Polizeiinspektion Dragonerstraße möglich gewesen. Nachdem er sich dann endlich beruhigt gehabt habe, hätten ihm dort um 2:25 Uhr die Handfesseln wieder abgenommen und auch die Festnahme wieder aufgehoben werden können; unter einem sei ihm auch ermöglicht worden, einen Rechtsbeistand zu konsultieren. Zwischen 3:04 Uhr und 3:15 Uhr sei dann noch eine polizeiärztliche Untersuchung durchgeführt worden, wobei davon ausgegangen werde, dass alle diese Maßnahmen rechtskonform durchgeführt worden seien.  

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Bezug habenden Akt der BPD Wels zu Zl. E1/16431/2011 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 27. Juni und am 12. Juli 2011, zu der als Parteien einerseits der Beschwerde­führer und dessen Rechtsvertreter x und andererseits x und x als Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen x (Mitarbeiter bei einer Sicherheitsdienstleistungs-GmbH), x (Bekannter des Rechtsmittelwerbers), x (PI x) und x (PI x) erschienen sind.

2.1.1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren zu beurteilenden Rechtsfragen folgender entscheidungswesent­licher Sachverhalt festgestellt:

2.1.1.1. Der Beschwerdeführer befand sich am 3. April 2011 bis ca. 2:00 Uhr früh in einem Weinlokal auf dem Welser Messegelände. Als er um diese Zeit das WC aufsuchen wollte, wurde er von einem anderen, in der Folge unbekannt gebliebenen Gast angerempelt, sodass es zwischen diesen beiden Personen zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam. Daher wurde der Rechtsmittelwerber des Lokales verwiesen und – als er sich dieser Aufforderung widersetzte – vom ersten Zeugen zu mehreren im Freien patroullierenden Polizeibeamten, darunter auch der dritte und der vierte Zeuge, verbracht.

Dort versuchte der dritte Zeuge, zunächst die Identität des Beschwerdeführers und den im Lokal vorgefallenen Sachverhalt hinsichtlich des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen (v.a. behaupteter Körperverletzungen) festzustellen, was ihm jedoch auf Grund des aggressiven Verhaltens des Rechtsmittelwerbers zu diesem Zeitpunkt nur teilweise gelang. Nachdem der Beschwerdeführer vom dritten Zeugen mehrfach – jedoch jeweils erfolglos – dahin ermahnt worden war, sein im Lichte des Sicherheitspolizeigesetzes strafwürdiges aggressives Verhalten einzustellen, wurde schließlich um ca. 2:10 Uhr gemäß § 35 lit. c VStG die Festnahme ausgesprochen. Weil sich der Rechtsmittelwerber gegen die anschließend beabsichtigte Verbringung zur Polizeiinspektion umgehend insbesondere durch Verspannen seines Körpers zur Wehr setzte, wurde er in der Folge vom dritten und vierten Zeugen zunächst schulmäßig am Boden fixiert, um ihm Handfesseln anzulegen. Als dies nicht gelang, wurde er wieder in eine vertikale Position gebracht, wobei ihm schließlich am Rücken Handschellen angelegt werden konnten, sodass er vom dritten und vierten Zeugen zunächst zu der auf dem Messegelände befindlichen Polizeiinspektion geleitet werden konnte. Dort hat der dritte Zeuge die Personaldaten des Beschwerdeführers vervollständigt und telefonisch den zuständigen Journaljuristen der BPD Wels und eine Amtsärztin verständigt. Vornehmlich über Aufforderung der Amtsärztin wurde der Rechtsmittelwerber dann zur Polizeiinspektion Dragonerstraße überstellt, wo ihm – nachdem er sich nach Einschätzung des dritten Zeugen während der Fahrt endlich beruhigt und wieder ein normales Verhalten an den Tag gelegt hatte – um 2:25 Uhr die Handfesseln abgenommen wurden. Weiters wurde ihm ermöglicht, sich mit seinem Rechtsbeistand und seiner Lebensgefährtin in Verbindung zu setzen. In der Folge wurde gegen 2:50 Uhr ein Alkomattest und gegen 3:05 Uhr eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt; hierbei wurden ein Blutalkoholgehalt von 0,76 mg/l (entspricht 1,52‰) sowie verschiedene Verletzungssymptome (Abschürfungen an den Kniegelenken und an der Stirn sowie Rötungen an beiden Handgelenken) festgestellt, von denen auch entsprechende Fotos angefertigt wurden. Gegen 3:15 Uhr wurde die Amtshandlung für beendet erklärt, worauf hin der Beschwerdeführer die Polizeiinspektion Dragonerstraße verließ.

 

2.1.1.2. Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer vor, dass er zwar selbst nicht mehr ganz ruhig gewesen sei, sich deshalb jedoch noch nicht aggressiv verhalten und insbesondere nicht mit seinen Armen vor dem Gesicht des dritten Zeugen herumgewedelt habe; vielmehr habe zwischen ihm und dem dritten Zeugen lediglich ein lautstarker Wortwechsel stattgefunden, weshalb seitens der Polizisten auch keine dementsprechenden Ermahnungen oder eine vorangehende  Ankündigung der Festnahme erfolgt seien. Außerdem habe er den dritten Zeugen gleich zu Beginn der Amtshandlung darum ersucht, ihm seine Dienstnummer mitzuteilen, was dieser jedoch ignoriert habe. Diesem Umstand komme jedoch insofern wesentliche Bedeutung zu, weil sich die folgende Eskalation der Situation nach Einschätzung des Rechtsmittelwerbers allein schon dadurch hätte vermeiden lassen. Weiters habe er die umgehende Rückgabe seines Handys begehrt und die Beamten zudem mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ihm das Verbringen der Arme auf seinen Rücken und das Ziehen an diesen infolge einer langjährigen Schulter- bzw. Schlüsselbeinverletzung erhebliche Schmerzen verursache, was diese jedoch nicht zur Kenntnis genommen hätten; vielmehr seien seine Schmerzensschreie von den einschreitenden Sicherheitsorganen in unzutreffender Weise als weiterhin aggressives Verhalten gedeutet worden. Außerdem seien weder in der Polizeiinspektion auf dem Messegelände noch in der Polizeiinspektion Dragonerstraße irgendwelche Niederschriften aufgenommen oder eine formelle Aufhebung der Festnahme verfügt worden; insbesondere bezüglich der vermeintlichen Körperverletzungen in der Messehalle sei er weder vom dritten Zeugen vor Ort noch auch in weiterer Folge von einer Strafverfolgungsbehörde in irgend einer Weise belangt worden. Schließlich habe ein von ihm konsultierter praktischer Arzt am Tag nach dem Vorfall festgestellt, dass seine am Messegelände erlittenen Verletzungen eine einwöchige Arbeitsunfähigkeit bedingt hätten.  

 

2.1.1.3. Über die unter 2.1.1.1. getroffenen Feststellungen hinaus brachten der dritte und der vierte Zeuge dem gegenüber vor, dass der zum Vorfallszeitpunkt stark alkoholisierte Rechtsmittelwerber wegen einer von ihm als ungerecht empfundenen Behandlung durch einen Security-Bediensteten des Veranstalters von Anfang an lautstark geschrien, aggressiv mit seinen Händen im Bereich des Oberkörpers des dritten Zeugen herumgefuchtelt und sich diesem Zeugen auch derart angenähert habe, dass er von jenem durch sanften Druck entsprechend auf Distanz gehalten habe werden müssen. Abgesehen davon, dass ihm der dritte Zeuge seine Dienstnummer ohnehin zu Beginn der Amtshandlung mündlich mitgeteilt habe und von Anfang an stets auf eine Deeskalation der Situation bedacht gewesen sei, habe der Beschwerdeführer hingegen auf mehrfache Abmahnungen wegen seines aggressiven Verhaltens ebenso in keiner Weise reagiert wie auf eine entsprechende Anzeige und die Androhung der Festnahme. Nachdem die Festnahme ausgesprochen gewesen und deren Umsetzung durch Ergreifen an den Oberarmen zwecks Eskortierung zur Polizeiinspektion auf dem Messegelände umzusetzen versucht worden sei, habe er sein Verhalten umgehend insoweit geändert, als er zusätzlich noch seine Muskulatur versteift und damit dieses gelindeste Mittel verunmöglicht habe. Deshalb und auch, weil auf Grund seines weiterhin aggressiven Verhaltens eine Fremdgefährdung nicht auszuschließen gewesen sei, habe er zwecks Anlegung von Handfesseln zu Boden gebracht werden müssen, wobei er sich dann in der Bauchlage durch weitere Verspannung und durch Verschränken der Arme unter der Brust entsprechend zur Wehr
gesetzt habe. Auch im Zuge der Verbringung zur Polizeiinspektion auf dem Messegelände und auf dem Posten selbst habe er sich weiter aggressiv verhalten, obwohl ihm mehrfach angeboten worden sei, dass ihm die Handschellen abgenommen würden, sobald er dieses Verhalten einstelle. Tatsächlich habe sich der Beschwerdeführer aber erst während des Transportes im Arrestantenwagen zur
Polizeiinspektion Dragonerstraße beruhigt, weshalb er dann dort seiner Handfesseln entledigt und ihm auch die Verständigung einer Vertrauensperson gestattet worden sei. Die Festnahme sei nicht formell, sondern durch implizite Handlungen, im Besonderen durch die Abnahme der Handschellen, aufgehoben worden. Von verbalen Beschimpfungen abgesehen habe der Rechtsmittelwerber zwar auch wegen Schmerzen geschrien; dies habe er jedoch nicht näher konkretisiert, sondern die dementsprechenden Äußerungen seien vielmehr bloß allgemein gehalten gewesen. Außerdem habe der Beschwerdeführer auf der Polizeiinspektion in der Dragonerstraße bei der Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung und des Alkomattests sowie bei der Anfertigung der Fotos auch jeweils anstandslos mitgewirkt.

2.1.1.4. Ergänzend zu den unter 2.1.1.1. getroffenen Feststellungen hat der erste Zeuge angegeben, dass der Beschwerdeführer deutlich alkoholisiert gewesen sei und mit den Polizisten unfreundlich und unhöflich geschrien und dabei aufgeregt gestikuliert, insbesondere mit seinen Armen herumgefuchtelt und mit seinem Zeigefinger in Richtung der beiden Beamten gedeutet habe, während jene eher zurückhaltend und auf Deeskalation bedacht gewesen seien.

2.1.1.5. Der zweite Zeuge hat dem gegenüber darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber die Polizisten nicht beschimpft, sondern offensichtlich wegen seiner starken, von einer ihm zuvor bekannten Schulterverletzung herrührenden Schmerzen mehrmals laut geschrien und auch mehrfach beteuert habe, nichts getan zu haben. Außerdem habe dieser Zeuge subjektiv den Eindruck gewonnen, dass sich der Beschwerdeführer nicht gegen das Anlegen der Handfesseln gewehrt, sondern wegen seiner Schmerzen hin und her gewunden habe. Dagegen hätten die Polizeibeamten übertrieben reagiert und einen unangemessen schroffen Tonfall an den Tag gelegt.

 

2.1.2. Ergänzend werden schließlich die Protokolle über die Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat (ONr. 13 und 24 des h. Aktes) zum integrierenden
Bestandteil der Begründung dieser Entscheidung erklärt.

 

2.2. Gemäß § 67a AVG hatte der Oö. Verwaltungssenat über die vorliegende
Beschwerde durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

 

3.1. Rechtsgrundlagen

 

 

3.1.1. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK darf einem Menschen die Freiheit u.a. nur dann und in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise entzogen werden, wenn er zum Zweck der Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde ("competent legal authority", "l' autorité judiciaire compétente") rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, sofern ein hinreichender Verdacht dafür besteht, dass er eine strafbare Handlung begangen hat oder begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, ihn an der Flucht nach einer solchen zu hindern.

 

Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG ordnet darüber hinaus an, dass der Entzug der persönlichen Freiheit nur gesetzlich vorgesehen werden darf, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist, und eine Freiheitsentziehung im konkreten Fall stets nur dann erfolgen darf, wenn und soweit diese nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Gemäß Art. 1 Abs. 4  PersFrBVG ist derjenige, der festgenommen oder angehalten wird, unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln; er darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind.

 

3.1.2. Nach § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, in der zum Vorfallszeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von 218 Euro (bei Vorliegen erschwerender Umstände mit einer Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen) zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Gemäß § 35 Z. 3 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde u.a. dann festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt.

 

 

3.2. Rechtliche Beurteilung

 

 

3.2.1. Nach § 5 Abs. 3 SPG zählt u.a. der Streifen- und Überwachungsdienst ebenso zu dem von den Sicherheitsbehörden zu besorgenden Exekutivdienst wie die Ausübung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht und der Gefahrenabwehr sowie der Ermittlungs- und Erkennungsdienst.

 

Im gegenständlichen Fall ist offenkundig – dies wurde auch vom Beschwerdeführer selbst gar nicht in Abrede gestellt –, dass der dritte Zeuge auf dem Welser Messegelände zunächst einen Streifen- und Überwachungsdienst vorgenommen und in der Folge Ermittlungen wegen eines gerichtlich strafbaren Deliktes, nämlich wegen der ihm angezeigten tätlichen Auseinandersetzung in einem Lokal, i.S.d. § 18 i.V.m. § 91 der Strafprozessordnung, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 43/2011 (im Folgenden: StPO), durchgeführt hat. Er hat daher eine Amtshandlung i.S.d. § 82 Abs. 1 SPG geführt, die sich zunächst auch, in der Folge hingegen ausschließlich gegen den Rechtsmittelwerber selbst gerichtet hat, und zwar nur mehr wegen der verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung des aggressiven Verhaltens, deretwegen der Beschwerdeführer letztlich festgenommen und angehalten wurde. Davon ausgehend lag sohin nicht nur eine Amtshandlung gemäß § 82 Abs. 1 SPG, sondern auch eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt i.S.d. Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG vor, weshalb sich die gegenständliche Beschwerde auch als zulässig erweist.

 

3.2.2. Hinsichtlich der Frage, ob sich der Rechtsmittelwerber tatsächlich aggressiv i.S.d. § 82 Abs. 1 SPG verhalten hat, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach schon das Anschreien eines Beamten und erst recht ein Heben der Hände und wildes Gestikulieren vor dem Gesicht eines Polizisten als ein solches zu qualifizieren ist (vgl. z.B. VwGH v. 12. September 1983, Zl. 81/10/0101; v. 27. November 1989, Zl. 88/10/0184; v. 25. Mai 2005, Zl. 2002/09/0081).

 

Dass Derartiges hier vorlag, ist schon deshalb nachvollziehbar, weil sich der Beschwerdeführer wegen des ursprünglich auslösenden Ereignisses (tätliche Auseinandersetzung) insofern ungerecht behandelt fühlte, als nicht sein Widersacher, sondern er des Lokales verwiesen wurde; zusätzlich ergibt sich dies auch aus den insoweit übereinstimmenden, sowohl untereinander als auch wechselseitig widerspruchsfreien und somit glaubhaften Aussagen des ersten, des dritten und des vierten Zeugen, die angegeben haben, dass der Rechtsmittelwerber "aufgeregt gestikuliert" bzw. "mit den Händen gestikuliert, mit seinem Finger in Richtung Insp. x gedeutet und die Arme hin und her gewedelt" sowie "wirklich geschrien und nicht bloß laut geredet" und sich dem Polizisten dabei immer mehr angenähert hat sowie, dass sich er und der dritte Zeuge "ständig nur schreiend miteinander unterhalten" haben, während das Verhalten der Polizisten nicht erregt, sondern eher zurückhaltend und auf Deeskalation bedacht war (vgl. S. 7 ff  und S. 15 f des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes); auch der Beschwerdeführer selbst hat in diesem Zusammenhang eingestanden, "nicht mehr ganz ruhig" bzw. "aufgebracht" zu sein bzw. "anfangs aufgebracht und aufgeregt" gewesen zu sein und "mit den Polizisten aufgeregt diskutiert" zu haben (vgl. S. 3 und 6 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes), wobei in diesem Zusammenhang unter einem seine damalige, mittels Alkomat auch objektiv festgestellte und zudem nicht unerhebliche Alkoholisierung, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu gesteigerter Aggressivität führt, zu berücksichtigen ist.

 

3.2.3. Weiters steht für den Oö. Verwaltungssenat zum einen auch fest, dass vor der Festnahme des Beschwerdeführers seitens des dritten Zeugen tatsächlich jeweils mit unterschiedlichen verbalen Wendungen mehrere Abmahnungen dahin, das aggressive und damit im Lichte des § 82 Abs. 1 SPG strafwürdige Verhalten einzustellen, erfolgten – dies nicht nur deshalb, weil es sich insoweit um eine standard- bzw. schulmäßige Anordnung handelt, auf deren besondere Bedeutung Polizeibeamten im Zuge ihrer Ausbildung stets speziell hingewiesen werden, sondern auch, weil der dritte und der vierte Zeuge dies glaubwürdig und detailliert beschrieben haben, während der erste und der zweite Zeuge diesbezüglich schon deshalb keine Wahrnehmung haben konnten, weil sie zu weit entfernt bzw. zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vor Ort waren – und der Rechtsmittelwerber diesen nicht entsprochen, sondern sich weiterhin aggressiv verhalten hat (vgl. S. 9 f und S. 16 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes).

 

3.2.4. Da somit die Voraussetzungen des § 35 Z. 3 VStG i.V.m. § 82 Abs. 1 VStG vorlagen, war die Festnahme des Beschwerdeführers folglich auch rechtmäßig.

 

Seine gegenteilige Rechtsansicht, dass eine solche aus Anlass einer bloßen Verwaltungsübertretung gesetzte Maßnahme schon a priori unzulässig wäre, erweist sich demgegenüber im Hinblick auf den insoweit unmissverständlichen Wortlaut der vorzitierten Rechtsvorschriften als offensichtlich unzutreffend.

 

3.2.5. Angesichts der in der konkreten Situation gegebenen Umstände war die Festnahme aber auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.2.5.1. Dass sich im Zusammenhang mit § 82 SPG – anders als in § 81 Abs. 2 SPG (Ordnungsstörung) und in § 84 Abs. 2 SPG (sonstige Polizeistrafdelikte) – keine gleichartige explizit-einfachgesetzliche Festlegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet, bedeutet – entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung – nicht, dass deshalb dieses Prinzip nicht zu beachten wäre, weil es sich insoweit nach Art. 1 Abs. 3 zweiter Halbsatz PersFrBVG um eine bereits verfassungsmäßig verankerte und damit höherrangige, im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation sohin den von der belangten Behörde intendierten Umkehrschluss verbietende Determinante für das polizeiliche Vorgehen im Zusammenhang mit Eingriffen in das Grundrecht der persönlichen Freiheit handelt.

 

3.2.5.2. Da es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass der Entzug der persönlichen Freiheit und die damit verbundenen Einschränkungen der persönlichen Dispositionsbefugnis in der Regel auch eine Verhaltensänderung des Betroffenen dahin, dass sich in der Folge eine bestehende Erregung des Gemütszustandes legen und er sich den ihm erteilten Anordnungen fügen wird, nach sich ziehen, war die Festnahme des Rechtsmittelwerbers sohin aus der Sicht der einschreitenden Beamten ein von vornherein grundsätzlich geeignetes Mittel, um die von ihnen beabsichtigte Beendigung seines aggressive Verhaltens zu erreichen.   

 

3.2.5.3. Im Zuge der darüber hinaus gebotenen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Zweckerreichung und den privaten Interessen des Beschwerdeführers an der weitestmöglichen Schonung seines Rechts auf persönliche Freiheit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich gelindere Mittel nicht als in gleicher Weise effektiv erwiesen haben. Insbesondere hat – davon ausgehend, dass die einschreitenden Beamten nach Aussage des ersten Zeugen "standardgemäß" vorgegangen sind, d.h. "nicht erregt, sondern eher zurückhaltend und auf Deeskalation bedacht waren" (vgl. S. 9 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes) – der dritte Zeuge dem Rechtsmittelwerber vor dessen Festnahme ohnehin mehrfach angeboten, dass "er jetzt einfach auch nach Hause gehen kann, bevor etwas passiert", was jedoch in dem Sinne ohne Erfolg geblieben ist, als dies weder zu einer tatsächlichen Entsprechung des Beschwerdeführers noch sonst zu einer Änderung seines Verhaltens führte, weil er nach der Aussage des dritten Zeugen "diesbezüglich absolut beratungsresistent war" (vgl. S. 14 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes).

 

Andere, der Wirksamkeit einer Festnahme adäquate Maßnahmen wurden weder vom Beschwerdeführer aufgezeigt noch haben sich solche im Zuge des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat ergeben.

 

Unter Bedachtnahme darauf, dass es sich insoweit um eine in der Regel bloß kurzfristige, die Physis einer Person im Normalfall nur unmaßgeblich beeinträchtigende Beschränkung der subjektiven Freiheit handelt, resultierte damit unter den konkret gegebenen Umständen im Ergebnis ein Überwiegen des öffentlichen Interesses, sodass die Festnahme verhältnismäßig und damit auch rechtmäßig war.

 

3.2.6. Davon ausgehend, dass – wie sich dies aus den auch insoweit glaubwürdigen und widerspruchsfreien Aussagen des dritten und des vierten Zeugen ergibt ("zu diesem Zeitpunkt war er nämlich nach wie vor aggressiv und er schrie herum",  hat "ständig mit den Händen gefuchtelt", hat "mich auch am Körper berührt", "hat sich ständig gewehrt, geschimpft und weitergeschrien" [vgl. S. 10 f, 14 und 17 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes]) – der Beschwerdeführer sein aggressives Verhalten auch nach seiner Festnahme tatsächlich noch immer nicht eingestellt, sondern bis zu seiner Überstellung zur Polizeiinspektion in der Dragonerstraße beibehalten hat, gilt im Ergebnis aus den unter 3.2.5. dargestellten Gründen Gleiches für die hinzutretende Maßnahme des Anlegens von Handfesseln, weil auch insoweit die öffentlichen Interessen überwogen haben: Denn auf Grund seines aggressiven Verhaltens war im Zuge seiner Verbringung zur Polizeiinspektion auf dem Messegelände offenbar begründeterweise auch eine Gefährdung der Beamten und der sich in der Zwischenzeit angesammelt habenden Schaulustigen zu befürchten, sodass dieser notwendigerweise mit vergleichsweise gravierenderen physischen Beeinträchtigungen (hier: Rötungen und Druckstellen an beiden Handgelenken) verbundene Eingriff auf Grund eines Überwiegens des öffentlichen Interesses nicht rechtswidrig war und somit vom Rechtsmittelwerber hingenommen werden musste.  

 

3.2.7. Anderes würde allenfalls gelten, wenn – unter Bedachtnahme auf spezifischen Umstände des hier vorliegenden Falles – die Polizisten die von einer im Jahr 1987 erlittenen Subluxation der Schultern herrührenden Schmerzen des Beschwerdeführers (vgl. S. 4 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes) willkürlich ignoriert hätten. Dies trifft jedoch nicht zu, weil – abgesehen davon, dass sich im Protokoll über die amtsärztliche Untersuchung kein Hinweis dafür findet, dass der Rechtsmittelwerber die Ärztin zumindest von sich aus darauf aufmerksam gemacht hätte – den beiden Beamten ihren Aussagen zufolge diese Verletzung zum Zeitpunkt ihres Einschreitens nicht bekannt war und der Beschwerdeführer und der zweite Zeuge eine dementsprechende Mitteilung zwar versucht haben (vgl. S. 4 des VH-Protokolles, ONr. 13, und S. 3 f, ONr. 24 des h. Aktes), damit letztlich aber offenbar erfolglos geblieben sind, weil die Polizisten keine auf diese Verletzung spezifisch bezogenen, sondern lediglich allgemeine Schmerzenkundgebungen ("Letzteres konkretisierte er aber nicht näher, sondern er schrie nur allgemein: 'Ihr tut mir weh, hört auf !'"; vgl. S. 16 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes) wahrgenommen haben.

 

Dass der Oö. Verwaltungssenat insoweit und auch bezüglich des im Zusammenhang mit den unter 3.2.1. bis 3.2.5. behandelten Rechtsfragen jeweils maßgeblichen Sachverhalts eher der Darstellung des ersten, des dritten und des vierten Zeugen und nicht jener gegenteiligen des zweiten Zeugen und des Beschwerdeführers gefolgt ist, liegt nicht nur daran, dass der Rechtsmittelwerber einerseits zum Vorfallszeitpunkt deutlich alkoholisiert und somit damals in seiner subjektiven Wahrnehmung entsprechend beeinträchtigt war, während seine nunmehrige, ein retrospektives Geschehen beurteilende Aussage, der zudem eine zwischenzeitlich erfolgte Beratung durch seinen Rechtsvertreter zu Grunde liegt, auf einen bestimmten Ausgang des Verfahrens abzielt; denn dieses Argument gilt in gleicher Weise (gegebenenfalls vice versa) auch für alle übrigen Zeugen.

 

Entscheidend ist andererseits vielmehr, dass nach der Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenates bezüglich Sachverhaltsfragen, hinsichtlich der objektiv besehen die Wahrheit offensichtlich in der Mitte zwischen den von den beiden
Interessengruppen – nämlich: der Beschwerdeführer und der zweite Zeuge als dessen Bekannter einerseits sowie die einschreitenden Sicherheitsorgane und der Angestellte des (die polizeilichen Agenden damals ergänzend habenden) Sicherheitsdienstes des Veranstalters andererseits – diametral vertretenen Standpunkten liegt und bezüglich der sich die Frage, ob die Grenze zwischen dem "noch" einerseits bzw. dem "nicht mehr verhältnismäßigen Handeln" andererseits konkret überschritten wurde, anhand der vorliegenden Beweismittel – zusätzliche sind weder im amtswegigen Ermittlungsverfahren hervorgekommen noch wurden solche von den Parteien benannt oder beigebracht – nicht zweifelsfrei klären lässt, das prozessuale Risiko für den Nachweis des tatsächlichen Zutreffens der Rechtswidrigkeit der Amtshandlung beim Beschwerdeführer liegt (vgl. auch J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 2, Wien 2005, RN 14 zu § 39 AVG, m.w.N.): Weil ein Maßnahmenbeschwerdeverfahren nach § 67c AVG erst über einen entsprechenden Parteienantrag hin einzuleiten ist, kann die angefochtene Amtshandlung stets dann nicht als rechtswidrig festgestellt werden, wenn auf Grund der von den Parteien beantragten sowie i.S.d. § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen erhobenen Beweise letztlich nicht mit der für ein kontradiktorisches Rechtmäßigkeitskontrollverfahren i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass seitens der handelnden Behördenorgane tatsächlich eine Rechtsverletzung begangen wurde (vgl. zuletzt z.B. VwSen-420575 vom 7. Juli 2011).

 

3.2.8. Mangels tatsächlicher Erwiesenheit des Sachvorbringens wäre daher die gegenständliche Beschwerde abzuweisen gewesen.

 

3.3. Allerdings erweist sich diese im Ergebnis aus folgendem Grund als berechtigt:

 

3.3.1. Wie sich aus dem Gesetzestext zweifelsfrei ergibt, ist eine Festnahme, die – wie hier – auf § 35 lit. c VStG gestützt wurde, über die Notwendigkeit des Vorliegens eines konkreten Bezuges zu einer strafbaren Handlung hinaus auch noch insoweit zweckgebunden, als diese mit der Intention erfolgen muss, dass der Betroffene der Behörde vorgeführt wird.

 

Im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 lit. c EMEK kann unter einer "Behörde" im Sinne dieser Bestimmung zwar (sowohl ein Gericht als) auch eine – nicht notwendigerweise unabhängige – Verwaltungsbehörde verstanden werden (vgl. insbesondere die verba legalia des authentischen englischen und französischen Textes [s. oben, 3.1.1.]); eine bloße Dienststelle der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes – und damit lediglich des Hilfsorganes einer Behörde (vgl. § 5 Abs. 1 SPG), wie Polizeiinspektionen eine solche verkörpern (vgl. § 8 Abs. 1 SPG) – erfüllt diesen Behördenbegriff jedoch nicht (vgl. dazu schon VfSlg 3108/1956 und 8146/1977). Soweit es um die Besorgung der Sicherheitsverwaltung geht, ist demnach (neben dem Bundesminister für Inneres und der Sicherheitsdirektion) nur die Bundespolizeidirektion selbst eine "Behörde", nicht jedoch auch die dieser gemäß § 8 Abs. 1 SPG unterstellten (Bezirks- oder Stadtpolizeikommanden und) Polizeiinspektionen.

 

Im gegenständlichen Fall hat sich in diesem Zusammenhang ergeben, dass der dritte Zeuge zwar den zuständigen Journalbeamten der Behörde von der Polizeiinspektion am Welser Messegelände aus telefonisch verständigt hat (vgl. S. 11 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes); eine Vorführung – worunter eine persönliche Konfrontation oder zumindest eine andere Form der unmittelbaren Kommunikation zwischen dem Festgenommenen und einem mit behördlichen Befugnissen ausgestatteten Organwalter zu verstehen ist – ist jedoch weder zu diesem Zeitpunkt noch danach erfolgt, obwohl § 36 Abs. 1 VStG in diesem Zusammenhang festlegt, dass jeder Angehaltene entweder "unverzüglich" der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder – wenn der Grund für die Festnahme schon vorher weggefallen ist – freizulassen ist.

 

Der Umstand, dass der festgenommene Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht der Behörde vorgeführt wurde, würde sich somit im Ergebnis nur dann als rechtmäßig erwiesen haben, wenn er entweder – nachdem der Grund für die Festnahme weggefallen war – unverzüglich freigelassen worden oder freiwillig in den Amtsräumen der Polizeiinspektion Dragonerstraße verblieben wäre. Beides trifft jedoch hier nicht zu.

 

Denn einerseits war das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers nach den Aussagen des dritten und des vierten Zeugen bereits während des Transportes von der Polizeiinspektion am Messegelände zur Polizeiinspektion in der Dragonerstraße (vgl. S. 11 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes), spätestens jedoch auf letzterer unmittelbar vor der Abnahme der Handfesseln (vgl. S. 17 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes), also gegen 2:25 Uhr beendet. Selbst wenn daher zu diesem Zeitpunkt auch die Festnahme formell – oder zumindest implizit, wie der dritte Zeuge angegeben hat (vgl. S. 13 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes) – wieder aufgehoben wurde, erfolgte seine faktische Freilassung dem gegenüber zweifelsfrei erst um 3:15 Uhr.

 

Dafür, dass der Rechtsmittelwerber während dieses nahezu eine Stunde dauernden Zeitraumes freiwillig in den Räumlichkeiten der Polizeiinspektion Dragonerstraße verblieben wäre, finden sich hingegen keine Anhaltpunkte. Daran vermag insbesondere auch die Feststellung des dritten und des vierten Zeugen, dass der Beschwerdeführer der Durchführung eines Alkomattests und einer amtsärztlichen Untersuchung "zugestimmt" bzw. daran "anstandslos mitgewirkt" hat (vgl. S. 11 und S. 17 des VH-Protokolles, ONr. 13 des h. Aktes), nichts zu ändern, weil es in diesem Zusammenhang nicht bloß entsprechender Indizien, sondern einwandfreier, jegliche Zweifel an der tatsächlichen Freiwilligkeit völlig ausschließender Beweismittel bedarf (vgl. auch VwSen-420662 vom 18. Juli 2011). Da solche hier jedoch fraglos nicht vorliegen, kann die bloß faktische Mitwirkung vor einem Hintergrund, wo ein anderes Interesse des Beschwerdeführers als jenes, seinen aus seiner Sicht ungewiss lange währenden Aufenthalt dadurch zeitlich weitestmöglich zu verkürzen, dass er sich den Anordnungen der Beamten fügt – was ja auch, wie zuvor dargestellt (vgl. oben, 3.2.5.2.), die ursprüngliche Intention und gleichzeitige Rechtfertigung für seine Festnahme und Anhaltung war – objektiv besehen schlechthin nicht erkennbar ist, folglich auch nicht als freiwillig qualifiziert werden. Dass einem derartigen Sich-Fügen in Konstellationen, in denen schon von vornherein – ihrerseits nicht zwangsbewehrte – Handlungsalternativen de facto gar nicht bestehen, objektiv besehen auch keine Freiwilligkeit innewohnen kann, hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2009, B 1824/08, bereits hinreichend klargestellt.

 

3.3.2. Der Vollständigkeit halber ist auch noch darauf hinzuweisen, dass weder das VStG eine allgemeine noch das SPG eine besondere gesetzliche Grundlage dafür bieten, eine (bloß) einer Verwaltungsübertretung verdächtige Person zwecks Durchführung eines Alkomattestes, Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung, Aufnahme einer Niederschrift, Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung o.Ä. gegen deren Willen anzuhalten, ohne diese unter einem der Behörde vorzuführen.

3.3.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Verfahren über eine Maßnahmenbeschwerde einerseits ohne Bindung an die vom Rechtsmittelwerber gerügten Beschwerdepunkte – und somit nach jeder Richtung hin – zu untersuchen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. z.B. VwSlg 14729 A/1997 [verst. Sen.] sowie die umfangreichen Judikatur- und Literaturnachweise bei J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 3, Wien 2007, RN 20 f zu § 67c, m.w.N.); ergibt sich in diesem Zusammenhang eine Rechtswidrigkeit, so hat sich der UVS andererseits auf den (bloßen) Ausspruch der Rechtswidrigkeit als solcher zu beschränken; insbesondere kommt es ihm dagegen nicht zu, im Zuge seiner Entscheidung darüber hinaus auch noch weitere bzw. sämtliche Rechtswidrigkeiten aufzuzeigen bzw. umgekehrt festzustellen, welche der behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen (vgl. J. Hengstschläger – D. Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, Bd. 3, Wien 2007, RN 29 zu § 67c, m.w.N.).

 

3.3.4. Davon ausgehend war daher im gegenständlichen Verfahren aus den zuvor unter 3.3.1. angeführten Gründen gemäß § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die bekämpfte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Ergebnis insoweit rechtswidrig war, als der Beschwerdeführer am 3. April 2011 von 2:25 Uhr bis 3:15 Uhr in den Amtsräumen der Polizeiinspektion Dragonerstraße in Wels gegen seinen Willen angehalten und nicht der Behörde vorgeführt wurde.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem gemäß § 79a Abs. 1 und Abs. 2 AVG als obsiegend anzusehenden Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 und 2 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008 (im Folgenden: UVS-AufwandersatzVO), antragsgemäß ein Kostenersatz in einer Höhe von insgesamt 1.809,60 Euro (Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro; Gebühren: 150,00 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 150,00 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

VwSen-420663/26/Gf/Mu vom 14. Juli 2011, Erkenntnis

 

Rechtssatz 1

SPG §81 Abs2;

SPG §§82;

SPG §84 Abs2

PersFrBVG Art1;

VStG §35

Selbst wenn Derartiges in § 82 SPG nicht explizit angeführt ist, unterliegt auch eine Festnahme wegen des Verharrens in einem aggressiven Verhalten nach § 35 Z3 VStG den Beschränkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil die Verfassungsbestimmung des Art 1 Abs3 zweiter Satz PersFrBVG insoweit einen Umkehrschluss aus § 81 Abs2 SPG und § 84 Abs2 SPG von vornherein verbietet

 

Rechtssatz 2

Die Festnahme und das Anlegen von Handfesseln ist nicht unverhältnismäßig, wenn der Betroffene trotz mehrfacher Abmahnung und selbst nach dem Ausspruch der Festnahme sein aggressives Verhalten nicht einstellt und auf Grund dieses Verhaltens eine Fremdgefährdung droht.

 

Rechtssatz 3

AVG §39 Abs2;

AVG §67c

Das prozessuale Risiko für den Nachweis dafür, dass die bekämpfte Amtshandlung tatsächlich rechtswidrig war, trägt deshalb, weil ein Maßnahmenbeschwerdeverfahren erst über einen entsprechenden Parteienantrag hin einzuleitenden ist, letztlich der Bf, und zwar insofern, als die angefochtene Amtshandlung dann nicht als rechtswidrig festgestellt werden kann, wenn auf Grund der von den Parteien beantragten sowie von Amts wegen erhobenen Beweise nicht mit der für ein kontradiktorisches Rechtmäßigkeitskontrollverfahren iSd Art 6 Abs1 EMRK erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass tatsächlich eine behördliche Rechtsverletzung vorlag.

 

Rechtssatz 4

SPG §4;

SPG §8

Die weitere Anhaltung des Festgenommenen in den Amtsräumen einer – gemäß § 4 SPG iVm §8 SPG keine eigenständige Behördenqualität aufweisenden – Polizeiinspektion ist unzulässig, wenn der Grund für die Festnahme weggefallen ist und weder eine Vorführung vor die Behörde erfolgt noch im Wege einwandfreier, jegliche Zweifel an der tatsächlichen Freiwilligkeit völlig ausschließender Beweismittel zweifelsfrei – und nicht auf Grund bloßer Indizien – feststeht, dass der Betroffene freiwillig in diesen Amtsräumen verblieben ist.

 

 

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