Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150868/7/Re/Hue

Linz, 08.07.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der K M, M,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. April 2011, Zl. BauR96-434-2009/Va, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.  

II.              Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro, d.s. 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
34 Stunden verhängt, weil sie am 4. April 2009, 12.03 Uhr, als Lenkerin des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen x die A1 bei km 172.060, Gemeinde Ansfelden, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Auf dem Kfz sei keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

2. In der Berufung brachte die Bw vor, dass jegliche Sichtbehinderung der Frontscheibe verboten sei und mit Bußgeld geahndet werde. Da es sich um einen Mietwagen handle, würde dies zu mindestens 10 Vignetten führen. Somit habe die Bw den einfacheren Weg gewählt und die Vignette leicht mit Tesa befestigt, um die Vignette nach der Fahrt sofort entfernen zu können. Im Übrigen sei so die Abrechnung mit dem Fahrgast auch einfacher, weil "die Rechnung zum Fuhrpreis mitgegeben wird". Eine andere Vorgehensweise – Splitting – sei dem Kunden nicht zu vermitteln und auch nicht korrekt, "denn er muß sie in die Reisekostenabrechnung miteinbeziehen". Andererseits seien es für die Bw uneinbringliche, unnötige Kosten. Die Bw sei insofern "ohne schlechtes Gewissen", da sie vor zwei Jahren bei der Tankstelle L vermutlich einen Zöllner in Zivil darauf angesprochen habe und sich dieser mit dieser Erklärung einverstanden erklärt hätte. Die Bw sei eine "Mini-Rentnerin" und schon aus diesem Grunde illiquid. Die monatlichen Augen-OP-Zusatzkosten würden sich auf 172 Euro belaufen, wodurch das Budget der Bw 311 Euro ausmache.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 12. Juni 2009 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine gültige Mautvignette angebracht gewesen. Gem. § 19 Abs.4 BStMG sei der Zulassungsbesitzerin am 6. Mai 2009 schriftlich eine Ersatzmaut angeboten, diesem Angebot jedoch nicht (zeitgerecht) entsprochen worden.

 

Gegen die Strafverfügung vom 17. Juli 2009 legte der Vertreter der Bw einen Einspruch ein.

 

Einer zusätzlichen A-Stellungnahme vom 21. September 2009 sind im Wesentlichen rechtliche Bestimmungen zu entnehmen. Als Beilage sind drei Beweisfotos angeschlossen.

 

Dazu brachte der Vertreter der Bw vor, dass ein eindeutiger und zweifelsfreier Tatnachweis zulasten der Bw ausweislich der amtlichen Ermittlungsakte nicht geführt werden könne.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat teilte der Bw am 17. Juni 2011 mit, dass die Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht notwendig erscheint, da der von der Bw vorgebrachte Sachverhalt nicht angezweifelt wird. Bei anderer Ansicht möge die Bw dies innerhalb Frist mitteilen. Ebenso wurde um Mitteilung ersucht, ob die Bw noch von ihrem Rechtsvertreter vertreten wird.

 

In einem Telefonat am 7. Juli 2011 mit dem Unabhängigen Verwaltungssenat verzichtete die Bw auf eine Berufungsverhandlung und teilte im Wesentlichen mit, dass sie am Tattag einen Kunden nach Österreich gefahren habe. Da der Kunde die Vignette zu bezahlen habe, hätte sie diese nicht aufgeklebt, da der Kunde die Originalvignette für seine Abrechnung brauche. Sie sei in der Zwischenzeit auch nicht mehr rechtsfreundlich vertreten.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass die Vignette – nach Ablösen von der Trägerfolie – unter Verwendung des originären Vignettenklebers unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben ist, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen) ist. Jede andere Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.  

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die A ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs.4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs.6). 

 

5.2. Unbestritten ist, dass die Vignette zur Tatzeit entgegen die Bestimmungen von Punkt 7.1 der Mautordnung ohne Ablösen von der Trägerfolie nicht mit dem Originalkleber sondern mit einem Tesastreifen auf die Windschutzscheibe angebracht war. Dies wird auch durch die vorliegenden Beweisfotos belegt. Nur ordnungsgemäß aufgeklebte Vignetten erbringen den Nachweis der Mautentrichtung. Die Bw hat somit das ihr vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Wenn die Bw vorbringt, ihr Kunde benötige für seine Reisenkostenabrechnung die Originalvignette, ist darauf hinzuweisen, dass im normalen Geschäftsverkehr aber auch für eine z.B. Vorlage beim Finanzamt Rechnungsbelege ausreichen. Im gegenständlichen Zusammenhang ist dies die Rechnung der Bw an ihren Kunden oder die Rechnung über den Kauf der Vignette oder auch die Allonge auf der Trägerfolie der Vignette. Wenn die Bw – aus für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbaren Gründen – dennoch ihrem Kunden die Originalvignette aushändigen möchte, wäre dies durch Ablösen der ordnungsgemäß aufgeklebten Vignette möglich, würde aber allenfalls für die Rückfahrt die Anbringung einer neuen Vignette erforderlich machen!

 

Die Behauptung der Bw, vermutlich ein Zöllner in Zivil habe sich mit der Vorgehensweise der Bw (iS eines Nichtaufklebens der Vignette) einverstanden erklärt, ist vom Oö. Verwaltungssenat mangels Bekanntgabe der persönlichen Daten dieser Person (von der die Bw nicht einmal gesichert weiß, ob es sich dabei überhaupt um eine amtliche Person gehandelt hat) nicht überprüfbar und erscheint in Anbetracht des Inhalts dieser angeblichen Aussage äußerst unwahrscheinlich, zumal es sich um eine sehr einfache Fragestellung gehandelt hätte und die Anbringung einer Vignette, welche sich noch auf der Trägerfolie befindet, das zusätzliche Hilfsmittel eines Tesastreifens erforderlich gemacht hat. Selbst wenn ein Angehöriger der Zollwache oder der Exekutive eine derart falsche Rechtsauskunft gegeben hätte, würde dies nach den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen (keine Erkundigung bei der zuständigen Behörde) nicht zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum führen. 

 

Die Tat ist daher der Bw – da keine Entschuldigungs­gründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Sollte der Verschuldensgrad auf Rechtsunkenntnis gestützt werden, ist die Bw darauf hinzuweisen, dass sie als Lenkerin verpflichtet ist, sich vor Benützung von Mautstrecken mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung auf geeignete Weise vertraut zu machen. Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamkeitsdelikten" ausreicht.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass ohnehin lediglich die gesetzliche Mindestgeldstrafe verhängt wurde, sodass die konkreten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Bw unerheblich sind. Das Vorliegen einer angespannten finanziellen Situation rechtfertigt die Unterschreitung der Mindeststrafe keineswegs. Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit und das im Hinblick auf die Beweislage (Fotos) wenig ins Gewicht fallende Tatsachengeständnis. Im Hinblick auf diese Situation erscheint die Verhängung der Mindeststrafe schon aus spezialpräventiven Gründen angemessen. Überwiegende Milderungsgründe iSd § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG gerechtfertigt wäre, da die (kumulativen) Voraussetzungen (Unbedeutendheit der Tatfolgen, Geringfügigkeit des Verschuldens) dafür nicht gegeben sind: Wegen der Tatsache, dass für eine Vignette einst der Kaufpreis bezahlt wurde, kann nicht auf unbedeutende Folgen der Übertretung geschlossen werden, da der Sinn des BStMG auch die Kontrollierbarkeit bzw. die Hintanhaltung von Missbräuchen umfasst. Genau aus diesem Grund ist in der Mautordnung der einzuhaltende Vorgang zum Nachweis der Mautentrichtung genau beschrieben, so dass die Verletzung dieser Vorschriften eo ipso erheblichen Tatfolgen gleichzusetzen ist. Hinsichtlich des Verschuldens ist – im Zweifel – zugunsten des Bw davon auszugehen, dass sie mit den einzelnen Rechtsvorschriften nicht vertraut war, was dazu führt, dass das Verhalten der Bw als fahrlässig einzustufen ist. Dieser Verschuldensgrad ist jedoch durchaus deliktstypisch und rechtfertigt die Anwendung des § 21 VStG keineswegs. Sollte das Vorbringen der Bw dahingehend zu verstehen sein, dass sie, wenn auch aus besonderen Gründen (Aushändigung der Originalvignette an den Kunden), die ihr bekannte Rechtslage zu ignorieren sich berechtigt fühlte, so wäre von Vorsatz auszugehen, was die Anwendung des § 21 VStG von vornherein ausschlösse.

 

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

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