Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281273/7/Re/Rd/Sta

Linz, 07.07.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der Frau S S-P, P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt  vom 25. August 2010, Ge96-39-2010, wegen Verwaltungs­übertre­tungen nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG)  zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene       Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Die Berufungswerberin hat einen Kostenbeitrag zum     Berufungs­verfahren in der Höhe von 116 Euro, das sind 20% der verhängten Geldstrafen, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG).

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 25. August 2010, Ge96-39-2010, wurden über die Berufungswerberin Geldstrafen zu den Fakten lit. a) in der Höhe von 100 Euro, b) in der Höhe von 260 Euro und c) in der Höhe von 220 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von zu lit. a) 18 Stunden, zu lit. b) 40 Stunden, zu lit. c) 34 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß a) Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr vom 11. April 2006 iVm dem Kollektivvertrag, im Sinne § 28 Abs.5 Z2 sowie § 28 Abs.6 Z1 lit. a) AZG, lit. b) Artikel 6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm dem Kollektivvertrag im Sinne § 28 Abs.5 Z1 sowie § 28 Abs.6 Z2 AZG  und lit. c) Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm dem Kollektivvertrag, im Sinne des § 28 Abs.5 Z2 sowie § 28 Abs.6 Z2 AZG verhängt.

 

Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurden der Berufungswerberin nachstehende Tatvorwürfe zur Last gelegt:

 

"Sie haben es als gemäß § 9 VStG 1991 verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche handelsrechtliche Geschäftsführerin der "L. P T GmbH" (Güterbeförderungsgewerbe im Standort P,) als Arbeitgeberin zu vertreten, wie anlässlich einer durchgeführten Kontrolle (anhand der von der Arbeitgeberin am 20. Mai 2010 vorgelegten Schaublätter) durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer I A, beschäftigt im Güterbeförderungsbetrieb L. P T GmbH, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges (x) im internationalen Straßenverkehr tätig, das der gewerblichen Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, an folgenden Tagen

a)    die gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen nicht gewährt wurde

•Lenkzeit von 09.03.2010 – 08:16 Uhr bis 09.03.2010 – 14:05 Uhr: innerhalb dieser Lenkzeit wurde nur eine Lenkpause von 24 Minuten eingehalten.

•Lenkzeit von 25.03.2010 – 09:51 Uhr bis 25.03.2010 – 15.47 Uhr: innerhalb dieser Lenkzeit wurde nur eine Lenkpause von 24 Minuten eingehalten.

•Lenkzeit von 30.03.2010 – 09:26 Uhr bis 30.03.2010 – 15:01 Uhr: innerhalb dieser Lenkzeit wurde nur eine Lenkpause von 17 Minuten eingehalten.

 

b)    über die gesetzlich zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde,

•Lenkzeit von 21.02.2010 – 22:25 Uhr bis 22.02.2010 – 13:24 Uhr: 10 Stunden und 36 Minuten.

 

c)     keine Lenkpause gewährt wurde

•Lenkzeit von 22.02.2010 – 05:42 Uhr bis 22.02.2010 – 11:10 Uhr: innerhalb einer Lenkzeit von 05 Stunden und 20 Minuten wurde keine Lenkpause eingehalten."

 

Als Strafnorm wurde zu lit. a) § 28 Abs.5 Z2 AZG, zu lit. b) § 28 Abs.5 Z1 AZG sowie zu lit. c) § 28 Abs.5 Z2 AZG, herangezogen.

 

Weiters wurden gemäß § 64 VStG 10 % der verhängten Strafe als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

 

2. Dagegen hat die Bestrafte mit Schriftsatz vom 14. September 2010, der Post zur Beförderung übergeben am 15. September 2010, somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben und die Behebung des Straferkenntnisses, die Einstellung des Verfahrens zumindest aber die erhebliche Herabsetzung der verhängten Strafen beantragt.

 

Begründend wurde zu lit. a) und c) ausgeführt, es handle sich um eine Doppelbestrafung, weil beiden Strafen ein einheitlicher, auf die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen gerichteter Tatvorwurf zu Grunde liege. Sie sei jeweils wegen Nichtgewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen bestraft worden. An der Tatsache, dass insoweit ein einheitliches, fortgesetztes Delikt gegeben sei, ändere auch der Umstand nichts, dass ein Lenker die gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen an den einzelnen Tagen im unterschiedlichen Umfang nicht eingehalten habe. Außerdem sei bei der Strafbemessung von unrichtigen Einkommens-, Vermögens- und Familienver­hältnissen ausgegangen worden. Die Pension sei zwar richtig angeführt, der Wert der Stammeinlage an der L. P T GmbH betrage jedoch nicht 208.335 Euro, sondern handle es sich hiebei um einen Schillingbetrag, welcher 15.140,29 Euro entspreche. Unberücksichtigt sei gelassen, dass sie trotz Nichtvorliegens eines Geschäftsführerbezuges als geschäftsführende Gesell­schafterin Sozialversicherungsbeiträge an die SVA der gewerblichen Wirtschaft zahlen müsse und daher von der Pension nach Bestreitung der lebens­notwendigen Auslagen kaum etwas übrig bliebe. Die verhängten Strafen seien unter Berücksichtigung dieser Tatsachen weitaus überhöht.

Zum – laut Behörde – nicht funktionierenden Kontrollsystem wird vorgebracht, die konkrete Gestaltung der Fahrtaufträge würde nicht durch sie erfolgen, sondern vom Disponenten des Kunden der in Geschäftsbeziehung stehenden Spedition. Der Disponent des Kunden habe die Fahrtaufträge allerdings so gestaltet, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen problemlos erfüllt werden könnten. Es werde auch  weder bei der Entlohnung noch in sonstigen Bereichen ein Anreiz gegeben, gesetzliche Rahmenbedingungen nicht einzuhalten. Wenn ein Arbeitnehmer eigenmächtig, unvorhersehbar und unnotwendig in Bezug auf erteilter Fahrtaufträge handle und gesetzliche Vorschriften nicht achte, könne ohne Überspannung der Pflichten weder sie noch der Disponent des Kunden einen solchen Vorfall verhindern. Es könne weder von ihr noch vom Disponenten verlangt werden, als Beifahrer mitzufahren um bei Bedarf einschreiten zu können.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Linz wurde am Berufungsverfahren beteiligt. In der Stellungnahme vom 4. Juli 2011 wurde ausgeführt, dass es sich bei den zur Anzeige gebrachten Delikten (lit.a und c bezeichnet) nicht um eine Doppelbestrafung handelt, da einerseits die Lenkpause verkürzt (Übertretung Art.7 der VO (EG) Nr. 561/2006, Strafnorm § 28 Abs.5 Z2 AZG iVm § 28 Abs.6 Z1 lit.a AZG) und andererseits die erforderliche Lenkpause erst nach mehr als viereinhalb Stunden eingelegt wurde (Übertretung Art.7 der VO (EG) Nr. 561/2006, Strafnorm § 28 Abs.5 Z2 AZG iVm § 28 Abs.6 Z2 AZG). Hinsichtlich der Einrichtung eines funktionierenden Kontroll- und Überwachungssystem wurde auf die Stellungnahme vom 1. Juli 2010 verwiesen. Zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Berufungswerberin könne seitens des Arbeitsinspektorates keine Angaben gemacht werden. Zu bemerken sei jedoch, dass sich die beantragten Strafsummen im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen. Es werde die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragt.  

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z1 und Z3 VStG abgesehen werden, zumal in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, der Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, keine 500 Euro übersteigende Geldstrafe (je Delikt) verhängt wurde und überdies von keiner Partei des Verfahrens  eine solche beantragt wurde. Die Berufungswerberin hat über Anfrage dezidiert darauf verzichtet.    

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwort­liche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß Art.6 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 darf die tägliche Lenkzeit 9 Stunden nicht überschreiten. Die tägliche Lenkzeit darf jedoch höchstens zweimal in der Woche auf höchstens 10 Stunden verlängert werden.

 

Gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hat der Fahrer nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen, sofern er keine Ruhezeit einlegt.

 

Gemäß § 28 Abs.5 AZG sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die

Z1: Lenker über die gemäß Art. 6 Abs.1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

Z2: Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nicht gewähren,

sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe gemäß Abs.6 zu bestrafen.

 

Sind Übertretungen gemäß Abs.5 nach Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG als

1.      leichte Übertretungen eingestuft oder in diesem Anhang nicht erwähnt,    sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

         a)      in den Fällen der Z1 bis 7 mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815                 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1.815 Euro,

         b)      im Fall der Z8 mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis 2.180 Euro, im                   Wiederholungsfall von 200 Euro bis 3.600 Euro;

2.      schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und         Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 200 Euro bis 2.180 Euro, im    Wiederholungsfall von 250 Euro bis 3.600 Euro;

3.      sehr schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen         und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 2.180 Euro, im    Wiederholungsfall von 350 Euro bis 3.600 Euro,

zu bestrafen (§ 28 Abs.6 AZG).

 

Gemäß Art.9 Abs.3 der Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 idF der Richtlinie 2009/5/EG der Kommission vom 30. Jänner 2009, in Kraft getreten am 19. Februar 2009, enthält die nachstehende Tabelle Leitlinien für ein gemeinsames Spektrum von Verstößen gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85, welche gemäß ihrer Schwere in Kategorien aufgeteilt sind.

 

Art.6 Abs.1:

Überschreitung der täglichen Lenkzeit von 9 Stunden, sofern die Verlängerung auf 10 Stunden nicht gestattet ist:

  9h< …<10h ………… geringfügiger Verstoß

10h< …<11h ………… schwerwiegender Verstoß

11h< …         ……….. sehr schwerwiegender Verstoß

 


Art.7:

Überschreitung der ununterbrochenen Lenkzeit:

4h 30< …<5h …….. geringfügiger Verstoß

5h< …<6h      …….. schwerwiegender Verstoß

6h< …            …….. sehr schwerwiegender Verstoß

 

5.2. Im vorliegenden Fall steht zweifelsfrei fest, dass die Berufungswerberin zu den im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses näher angeführten Tatzeitpunkten handelsrechtliche Geschäftsführerin und das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der Firma L. P T GmbH mit dem Sitz in  P, B, und somit  Arbeitgeberin des I A war. Die im Spruch näher bezeichnete Überschreitung der Lenkzeit und Unterschreiten der Lenkpausen durch I A ist erwiesen und wird von der Berufungswerberin auch nicht bestritten. Es hat damit die Berufungswerberin als das im gegenständlichen Fall für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ dem Fahrer I A die erforderlichen Lenkpausen nicht gewährt und diesen über die zulässigen Lenkzeiten hinaus eingesetzt. Die Berufungswerberin erfüllt sohin den objektiven Tatbestand der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen und hat diesen auch zu verantworten.

 

Zum Einwand der Berufungswerberin, wonach bei den Fakten a) und c) eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege, zumal beiden Strafen ein einheitlicher, nämlich auf die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkpausen gerichteter Tatvorwurf zu Grunde liege, wird Nachstehendes ausgeführt:

 

Nach dem sich aus § 22 VStG ergebenden Kumulationsprinzip sind bei Vorliegen einer Mehrheit von Übertretungen mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen. Die Verhängung einer Gesamtstrafe für alle oder mehrere Übertretungen  ist rechtswidrig (vgl. VwGH 28.10.1993, 91/19/0134).

 

Der erste Satz des Artikels 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 beinhaltet zwei Alternativtat­bestände, und zwar, dass zum einen nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden eine Lenkpause einzulegen ist und zum anderen, dass dabei die Lenkpause 45 Minuten betragen muss. Im zweiten Satz findet sich eine weitere Vorgabe der Unterteilung dieser 45 Minuten.  Die der Berufungswerberin in Faktum a) und c) zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen stellen somit zwei getrennt zu bestrafende Verwaltungsübertretungen dar und war daher nicht vom Vorliegen einer Doppelbestrafung auszugehen, dies insbesondere auch aus dem Blickwinkel des Kumulationsprinzips nach § 22 VStG.

 

5.3. Die Berufungswerberin hat die Verwaltungsübertretungen aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der/die Arbeitgeber/in durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, dass die Arbeitszeitvorschriften eingehalten werden und den Anordnungen auch entsprochen wird. Es bedarf konkreter Behauptungen, durch welche innerbetriebliche organisatorische Maßnahmen eine Übertretung des AZG hätte verhindert werden sollen, wobei die bloße Erteilung von Weisungen oder Belehrungen nicht ausreicht (vgl. VwGH vom 20.7.1992, Zl. 91/19/0201, mit der dort zitierten Judikatur). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgt ist. Dabei reichen nur kurzfristige, stichprobenartige Kontrollen nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, es liege ein wirksames Kontrollsystem, von dem mit gutem Grund erwartet werden kann, dass es die tatsächliche Einhaltung des AZG sicherstellt, vor.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 5.9.2008, Zl. 2008/02/0129, weiters ausgesprochen, dass der Unternehmer dafür zu sorgen hat, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung lässt es nicht zu, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt. Es ist dem Unternehmer vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegen­heiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Der Unternehmer ist dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verant­wortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der den Unternehmer nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden ist. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist. Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte.

 

Die Berufungswerberin verantwortet sich hinsichtlich des Kontrollsystems dahingehend, dass die Gestaltung der Fahrtaufträge nicht durch sie, sondern vom Disponenten des Kunden der in Geschäftsbeziehung stehenden Spedition erfolgen würde. Der Disponent des Kunden habe die Fahrtaufträge so gestaltet, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen problemlos erfüllt werden könnten. Ein eigenmächtiges Verhalten des Arbeitnehmers könne weder von ihr noch vom Disponenten des Kunden verhindert werden. Des weiteren könne nicht verlangt werden, dass sie oder der Disponent als "Beifahrer" mitfahre, um bei Bedarf einschreiten zu können.   

 

Dazu ist seitens des Oö. Verwaltungssenates festzustellen, dass, wenngleich die Fahrten durch den Disponenten eines Kunden disponiert werden, dies nichts daran ändert, dass die Berufungswerberin tatsächliche Arbeitgeberin des I A ist – Gegenteiliges wurde von der Berufungswerberin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet -  und die Verantwortung zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen an ihr haften. Sie tritt zwar offenkundig die wirtschaftliche Disposition über ihr Fahrzeug, nicht jedoch die rechtlichen Sorgfaltspflichten, die sie als Arbeitgeberin gegenüber ihrem Arbeitnehmer treffen, ab.

Es ist sohin Aufgabe des Unternehmers, konkret in jedem Einzelfall darzulegen, wie es trotz angeblich ordnungsgemäßer Disposition und Kontrolle zu den Verstößen gegen das AZG kommen konnte (vgl. VwGH vom 30.1.1996, 93/11/0088). Diesbezügliche Ausführungen ist die Berufungswerberin jedoch schuldig geblieben.    

 

Zum vorgebrachten eigenmächtigen Handeln des Arbeitnehmers wird auf die zahlreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach ent­sprechen­de Vorsorge im Rahmen eines Kontrollsystems zu treffen ist (vgl. VwGH vom 15.10.2009, 2008/09/0102, 25.4.2008, 2008/02/0045, 5.9.2008, 2008/02/0129 uva). Wie die konkreten Vorsorgemaßnahmen im Rahmen des installierten Kontrollsystem im Detail aussehen, wurden von der Berufungs­werberin nicht näher dargelegt.

 

Überdies ist auch rechtlich bedeutungslos, wenn die Berufungswerberin vorbringt, jeden Fahrer des Betriebes auf seinen Fahrten persönlich als "Beifahrerin" begleiten zu können, um zu kontrollieren, ob die Rechtsvorschriften eingehalten werden (vgl. VwGH vom 19.9.1990, 90/03/0100).

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das Kontrollsystem – im Ergebnis – "perfekt" zu sein (vgl. VwGH vom 24.3.2004, 2001/09/0163). Vom Vorliegen eines "perfekten" Kontrollsystems war gegenständlich nicht auszugehen, weshalb die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen auch subjektiv zu verantworten hat.

 

6. Zur Strafbemessung wird Nachstehendes bemerkt:

 

6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

6.2. Schutzzweck der Einhaltung der gegenständlichen Bestimmungen des AZG hinsichtlich der Lenk- und Ruhezeiten ist neben dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer jener, dass der Einsatz von übermüdeten Lenkern hintangehalten wird, stellen doch übermüdete Lenker ein immenses Gefahrenpotential in Bezug auf die Verkehrssicherheit dar und besteht somit ein besonderes öffentliches Interesse an der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen.

 

6.3. Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis Geldstrafen von 100 Euro (Faktum a) bei einem Strafrahmen von 145 Euro bis 1.815 Euro, von 260 Euro (Faktum b) bei einem Strafrahmen von 250 Euro bis 3.600 Euro, und von 220 Euro (Faktum c) bei einem Strafrahmen von 250 Euro bis 3.600 Euro, verhängt. Bei den herangezogenen Strafrahmen handelt es sich jeweils um jenen, der im Wiederholungsfall zum Tragen kommt, wenngleich dieser Umstand von der belangten Behörde nicht expressis verbis zitiert wurde. Laut Auszug aus den Verwaltungsstrafvormerkungen ist ersichtlich, dass die Berufungswerberin bereits in den Jahren 2007 und 2008 einschlägige Verwaltungsübertretungen gesetzt hat. Über den Wiederholungstatbestand hinausgehend lagen noch zahlreiche einschlägige Verwaltungsstrafvormerkungen vor.  Strafmilderungs­gründe konnten nicht festgestellt werden.

 

Bei Faktum a) als auch bei Faktum c) würde die gesetzliche Mindeststrafe gemäß § 28 Abs.6 Z1 lit.a AZG 145 Euro bzw § 28 Abs.6 Z2 AZG 250 Euro betragen. Die belangte Behörde hat hinsichtlich dieser Delikte bereits von der die außerordentliche Milderung der Strafe regelnden Bestimmung des § 20 VStG faktisch Gebrauch gemacht, auch wenn diese nicht expressis verbis zitiert wird. Weshalb es zur Anwendung des § 20 VStG gekommen ist, ist dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht zu entnehmen. Ein Eingriff in die Straffestsetzung im Sinne einer Anhebung der Strafbeträge durch den Oö. Verwaltungssenat würde dem Verbot der reformatio in peius zuwider­laufen. Hinsichtlich Faktum b) wurde die gesetzliche Mindeststrafe nur marginal überschritten.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates kommt eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist und zudem die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Berufungswerberin nicht vorliegt und als erschwerend gleichartige Verwaltungsübertretungen zu werten sind.

 

Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten der Berufungswerberin nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt, weshalb auch von der Anwendung des § 21 Abs.1 VStG Abstand zu nehmen war.  

 

Darüber hinaus wurden der Strafbemessung die von der Berufungswerberin selbst angegebenen Einkommensverhältnisse, und zwar in Höhe von 1.600 Euro zugrunde gelegt. Weiters ist der Begründung hinsichtlich der Strafbemessung des angefochtenen Straferkenntnisses zu entnehmen, dass eine Stammeinlage von 208.335 Euro berücksichtigt worden sei. Die Berufungswerberin rügt diesen Umstand in der eingebrachten Berufung dahingehend, dass es sich dabei um einen Schilling- und nicht um einen Eurobetrag handle. Aus dem vorliegenden Firmenbuchauszug geht eindeutig hervor, dass es sich bei der Stammeinlage von 208.335 nicht um einen Euro- sondern, um einen Schilling­betrag handelt. Die falsche Anführung der Währungseinheit stellt sohin einen Schreib- und Rechenfehler iSd § 62 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG dar. Diese, versehentlich falsche Benennung der Währungseinheit kann aber keinesfalls eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen begründen, kann doch nicht einmal ansatzweise festgestellt werden, dass die Höhe der Stammeinlage irgendeinen Einfluss auf die Strafbemessung gehabt hätte.

 

Insgesamt war somit auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.

 

7. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafen festzusetzen.     

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum