Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531150/4/Bm/Sta

Linz, 28.07.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Arbeitsinspektorates Wels gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 2.5.2011, Ge20-151-2010 Stz, mit dem über Ansuchen des P V V D von V die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lebensmittelgeschäftes auf den Gst. Nr.,  , KG. V, erteilt worden ist, zu Recht erkannt:

 

          Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. vom 2.5.2011, Ge20-151-2010, wird insofern abgeändert, als Spruchpunkt I. "folgende Aufträge sind einzuhalten" um folgenden Auftrag ergänzt wird:

 

"Der Ein- und Ausgangsbereich ist mit einem Windfang bzw. mit einem Warmluftschleier auszustatten."

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1 und § 58  Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 31.1.2011 hat der P V V F D, V, um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb  eines Lebensmittelgeschäftes auf den Gst., , KG. V, angesucht.

 

Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde diesem Ansuchen Folge gegeben und die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens unter Vorschreibung von Aufträgen im Wege eines vereinfachten Verfahrens gemäß § 359b Abs.1 GewO 1994 erteilt.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat das dem Verfahren beigezogene Arbeitsinspektorat Wels innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, dass der angefochtene Bescheid in Widerspruch zu § 93 Abs.2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes stehe. Gemäß § 93 Abs.2 ASchG seien im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach der Gewerbeordnung die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Die genannten Anlagen dürften nur genehmigt werden, wenn sie den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen und zu erwarten sei, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden geeigneten Bedingungen und Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalls voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid sei entgegen § 93 Abs.2 ASchG eine Betriebsanlage genehmigt worden, die in bestimmten, im Folgenden näher dargestellten Punkten, nicht den Arbeitnehmerschutzvorschriften entspreche. Es seien auch keine Bedingungen oder Auflagen vorgeschrieben worden, die geeignet seien, die nach den Umständen des Einzelfalls voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu vermeiden. Vielmehr seien die Belange des Arbeitnehmerschutzes entgegen § 93 Abs.2 ASchG nicht berücksichtigt worden.

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. habe richtig erkannt, dass die raumklimatischen Verhältnisse in § 28 der AStV normiert seien. Die Forderung des Arbeitsinspektorates, festgehalten im beantragten Auflagepunkt 2 der Niederschrift vom 19.4.2011, stelle eine konkrete technische Maßnahme dar, um schädliche Zugluft abzuschirmen und somit die gesetzlichen raumklimatischen Bestimmungen des § 28 AStV sicher einzuhalten. Es werde sohin der Antrag gestellt, den in der oben angeführten Niederschrift beantragten Auflagenpunkt in den Bescheid aufzunehmen.

Im Nahbereich der Kasse (ca. 3,2 m und ca. 5,5 m) würden sich die Eingangs- und Ausgangstüren befinden. Diese Türen würden sich direkt in der Außenwand befinden; bauliche bzw. technische Maßnahmen zur Verhinderung von kalter Zugluft in der kalten Jahreszeit seien laut Projektsunterlagen keine vorgesehen.

 

Gemäß § 28 Abs.4 Z2 AStV seien technische oder organisatorische Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmer vor unzuträglichen raumklimatischen Einwirkungen zu treffen (wie zB Abschirmung von Zugluftquellen). Mit dem angefochtenen Bescheid sei somit eine Konkretisierung des § 28 Abs.4 Z2 AStV nicht in den Genehmigungsbescheid aufgenommen worden.

 

Es ergeht daher der Antrag, die Berufungsbehörde möge den in der oben angeführten Niederschrift festgehaltenen und beantragten Auflagenpunkt in den Bescheid aufnehmen, andernfalls die Genehmigung der gegenständlichen Betriebsanlage gemäß § 93 Abs.2 ASchG zu versagen.  

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Kr. hat die Berufung gemeinsam dem bezughabenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat als zuständige Berufungsbehörde ohne Widerspruch gemäß § 67h Abs.1 AVG zu erheben, vorgelegt. Eine Stellungnahme der belangten Behörde zu den Berufungsvorbringen wurde nicht abgegeben.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz; da sich aus diesem bereits der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und eine mündliche Verhandlung von den Parteien nicht beantragt wurde, konnte von der Durchführung einer solchen abgesehen werden.

 

4.1. In Wahrung des Parteiengehörs wurde das Berufungsvorbringen dem Pro V V D zur Kenntnis gebracht; eine Stellungnahme hiezu wurde nicht abgegeben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen ergibt, dass

1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder

2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m2 beträgt, die elektrische Anschlussleistung der  zur  Verwendung  gelangenden  Maschinen  und  Geräte  300 kW nicht übersteigt und auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage zu erwarten ist, dass Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des   § 74 Abs. 2 oder Belastungen der Umwelt (§ 69 a) vermieden werden,

das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekannt zu geben, dass die Projektsunterlagen innerhalb eines bestimmten, 4 Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und dass die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; statt durch Hausanschlag kann das Projekt aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn bekannt gegeben werden; nach Ablauf der im Anschlag oder der persönlichen Verständigung angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn, die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage .... . Nachbarn (§ 75 Abs. 2) haben keine Parteistellung .... .

 

Gemäß § 93 Abs.2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sind in den Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach der Gewerbeordnung 1994 die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Dem jeweiligen Genehmigungsantrag sind die in § 93 Abs.2 ASchG genannten Unterlagen anzuschließen. Die genannten Anlagen dürfen nur genehmigt werden, wenn sie den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen und zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden geeigneten Bedingungen und Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden werden. Für die Vorschreibung von Auflagen ist § 92 Abs.2 letzter Satz anzuwenden.

 

Nach § 92 Abs.2 letzter Satz leg. cit. sind solche Auflagen vorzuschreiben, wenn die Vorschreibung von Auflagen zur Konkretisierung oder Anpassung der in diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen vorgesehenen Anforderungen an die konkreten Verhältnisse  des Einzelfalles erforderlich ist.

 

Gemäß § 93 Abs.5 ASchG gelten die Absätze 2 bis 4 auch für Verfahren, in denen nach den in Abs.1 genannten Bundesgesetzen ein Feststellungsbescheid als Genehmigungsbescheid für die Anlage gilt.

 

Gemäß § 28 Abs.1 Arbeitsstättenverordnung ist dafür zu sorgen, dass die Lufttemperatur in Arbeitsräumen bestimmte Werte nicht unter- bzw. überschreitet.

 

Nach Abs.3 dieser Bestimmung ist dafür zu sorgen, dass die Luftgeschwindigkeit an ortsgebundenen Arbeitsplätzen in Arbeitsräumen bestimmte Mittelwerte nicht überschreitet.

 

Nach Abs.4 leg.cit. darf von Abs.1 bis 3 abgewichen werden, wenn die Einhaltung dieser Werte auf Grund der Nutzungsart des Raumes nicht möglich ist und

  1. ...
  2. andere technische oder organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen vor unzuträglichen raumklimatischen Einwirkungen getroffen sind (wie zB abschirmen von Zugluftquellen oder wärmestrahlender Flächen, kühlen, einblasen trockener oder feuchter Luft, Verminderung der Einwirkungsdauer).

 

5.2. Mit Eingabe vom 31.1.2011 hat der P V V D um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lebensmittelgeschäftes auf den Gst. Nr., , KG. V unter Vorlage von Projektsunterlagen angesucht.

 

Im Grunde dieses Ansuchens wurde das gegenständliche Projekt von der Erstbehörde einer Vorbegutachtung unterzogen. Bereits im Rahmen dieser Vorbegutachtung wurde vom beigezogenen Vertreter des Arbeitsinspektorates Wels die Errichtung eines Windfanges bzw. Warmluftschleiers im Eingangsbereich gefordert.

Diese Forderung wurde auch in der mündlichen Verhandlung zur Beurteilung über die Genehmigungsfähigkeit des beantragten Projektes wiederholt und wurde vom Vertreter des Arbeitsinspektorates vorgebracht, dass gegen die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung dann keine Einwände bestehen, wenn eben als Auflage vorgeschrieben wird, dass der Ein- und Ausgangsbereich mit einem Windfang bzw. mit einem Warmluftschleier ausgestattet wird.

 

Dieser Forderung ist die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht nachgekommen und wurde dies damit begründet, dass die Forderung des Arbeitsinspektorates bereits in einer gesetzlichen Bestimmung, nämlich in § 28 der Arbeitsstättenverordnung, normiert sei und diese daher in Form einer Auflage nicht rechtsgültig vorgeschrieben werden könne. Zudem wurde angemerkt, dass weder den Projektsunterlagen noch der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates entnommen werden könne, dass und wodurch es im Bereich des Kassenarbeitsplatzes zu Zugerscheinungen komme.

 

Der Erstbehörde ist insoweit zuzustimmen, als Auflagen zum Schutz von Nachbarn oder Arbeitnehmer/innen dann nicht vorgeschrieben werden dürfen, wenn sich die erforderliche Maßnahme bereits aus einer gesetzlichen Bestimmung ergibt.

Das heißt, die im jeweiligen Gesetz beschriebene Maßnahme muss bereits im betreffenden Gesetz so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit sein verpflichtendes Tun oder Unterlassen und damit die Einhaltung der Auflage zweifelsfrei erkennen lässt.

Eine solche konkrete Maßnahme ist jedoch in § 28 Abs.4 Z2 Arbeitsstättenverordnung nicht enthalten.

Diese Bestimmung beschreibt lediglich, dass technische oder organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer/innen vor unzuträglichen raumklimatischen Einwirkungen zu treffen sind, wie zB Abschirmen von Zugluftquellen. Wie dieses Abschirmen von Zugluftquellen konkret zu erfolgen hat, wird in dieser Bestimmung nicht beschrieben, weshalb gegenständlich die Vorschreibung einer konkretisierenden Auflage erforderlich ist.

 

Entgegen den Ausführungen der Erstbehörde ist bereits den Projektsunterlagen zu entnehmen, dass der Kassenarbeitsplatz von Zugluftquellen betroffen ist. Der Kassenarbeitsplatz befindet sich ohne Abschirmung beinahe unmittelbar in einem Abstand von 3,2 m vor den Ein- und Ausgangstüren, welche sich direkt in der Außenwand befinden. Dass bei einer solchen Situierung eine unzuträgliche Zugluftquelle vorhanden ist, ergibt sich schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung.  

 

Soweit die Konsenswerberin im Verfahren vorgebracht hat, dass die Mitarbeiterin die im Geschäftslokal herrschende Raumtemperatur als nicht zu kalt empfunden hat, ist darauf zu verweisen, dass die Vorschreibung einer Auflage nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nicht nach dem subjektiven Empfinden der Arbeitnehmer/innen disponibel ist.

 

Aus den oben angeführten Sach- und Rechtsgründen war sohin der Berufung des Arbeitsinspektorates Wels stattzugeben und die geforderte Auflage vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

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