Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-100825/2/Weg/Ri

Linz, 24.03.1993

VwSen - 100825/2/Weg/Ri Linz, am 24. März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des O W vom 10. September 1992 gegen das mündlich verkündete Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 10. September 1992, VerkR96/202/1992, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 (AVG) iVm § 5, § 24, 45 Abs.1 Z2, § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl.Nr. 867/1991 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 erster Satz iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt, weil dieser am 23. Dezember 1991, ca. 23 Uhr, den PKW auf der D Landesstraße von A M in Richtung U gelenkt hat, wobei er kurz nach der Gemeindegrenze von A M in einer dort befindlichen Linkskurve zwei Höckergänse überfahren hat. Er hat es unterlassen, nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 100 S in Vorschreibung gebracht.

2. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Aussagen des Beschuldigten, er habe die überfahrenen Höckergänse für Wildgänse gehalten, wobei hinsichtlich der Wildgänse der Beschuldigte als Mitglied der Jagdgenossenschaft U und als Jagdschutzorgan das Aneignungsrecht besessen, während er hinsichtlich der Höckergänse (Hausgänse) ein solches nicht besessen hätte, nicht glaubwürdig seien.

3. Zur objektiven Tatseite: Das Überfahren der Höckergänse, die sich im Eigentum des Michael Resch befunden hatten und die diesem entflogen sind, stellt einen Verkehrsunfall mit Sachschaden dar, der die Verpflichtung nach sich zieht, die nächste Polizeioder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wobei eine solche Verständigung unterbleiben darf, wenn die Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und Anschrift nachgewiesen haben. Einen Vermögensschaden hat Herr Michael Resch erlitten. Unstrittigerweise hat der Beschuldigte von diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt, wobei auch der strafbefreiende Nachweis der Namen und der Anschrift zwischen Beschuldigtem und Geschädigtem nicht erfolgt ist. Das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 ist somit in objektiver Hinsicht erfüllt.

4. Zur subjektiven Tatseite:

Aus der Aktenlage ist ersichtlich, daß Otto Wiltschko, nachdem er am 23. Dezember 1991 um ca. 23 Uhr die Gänse zu Tode gefahren hat, am Morgen des 24. Dezember 1991 den Jagdleiter der Jagdgenossenschaft U, Herrn J H, über den Vorfall telefonisch Mitteilung machte, wobei der Jagdleiter die Gänse in Augenschein nahm und diese ebenfalls als kanadische Wildgänse ansah. Daraufhin hat der Jagdleiter dem Beschuldigten erlaubt, "diese Gänse behalten zu dürfen". In der Folge hat der Beschuldigte die Gänse gerupft und eingefroren. Der Berufungswerber hat die beiden Gänse auch anderen (namentlich nicht bekannten) Jägern gezeigt und auch diese hätten die Tiere nicht als Höckergänse erkannt. Daß es sich um Wildgänse gehandelt hat, sei der Beschuldigte noch heute überzeugt, zumal der Jäger H R aus K ihm am 26. Dezember 1991 mitteilte, daß dieser am Abend des 23. Dezember 1991 Wildgänse über seinen Ansitz streichen gehört habe. Weil er aber "keinen Verdruß haben wollte", habe er die gerupften und eingefrorenen Gänse am 30. Dezember 1991 dem M R bzw. dessen Mutter zurückgebracht. M R hat am 28. Dezember 1991 den Vorfall der Gendarmerie gemeldet, nachdem er vom Jäger K S erfahren hat, daß die ihm abhanden gekommenen Höckergänse vom Beschuldigten oder dessen Sohn geschossen (dies würde kein Verkehrsdelikt darstellen) mit dem Auto überfahren worden sein sollen. Die gegenständiche "Jagdangelegenheit" war also in aller Munde, was den berechtigten Schluß zuläßt, daß der Beschuldigte den Vorfall keinesfalls verheimlichen wollte und somit guten Glaubens war.

Das von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach eingeholte Aktengutachten vom 23. Juni 1992 bezüglich der Unterscheidungsmöglichkeit zwischen "Graugans (Wildgans)" und "Höckergans (Hausgans)" besagt, daß ein Jäger und umsomehr ein Jagschutzorgan diese Unterscheidung treffen können muß. Die Graugans sei im Bezirk Rohrbach als nicht heimisch anzusehen, ausgenommen seien einige ausgesetzte Exemplare an der Donau. Durchziehende Graugänse würden als Schlafplatz größere Gewässer wählen. Es sei als unwahrscheinlich anzusehen, daß eine Graugans das Böhmerwaldgebiet als Rastplatz benütze. Es wird allerdings angemerkt, daß beide Gänsearten ein ähnliches Federkleid besitzen, jedoch bei der wesentlich größeren Hausgans der markante Höcker am Schnabelansatz nicht zu übersehen sei.

Dem steht die Behauptung des Beschuldigten gegenüber, er habe bei seiner Ausbildung zum Jagdaufsichtsorgan betreffend das Thema "Höckergänse" keine Information erhalten. Er sei bei dieser Ausbildung nur über die einheimischen Gänsearten informiert worden.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen betreffend Ausbildung richtig sind, was sich nur im Zuge eines aufwendigen den Grundsätzen des Art.10 Abs.3 L-VG.1991 zuwiderlaufenden Ermittlungsverfahrens klären ließe. Daß der Beschuldigte sich die Gänse keineswegs widerrechtlich aneignen wollte, er ferner am nächsten Tag den Jagdleiter unter Vorzeigung der Gänse informierte und schließlich auch noch am Wirtshaustisch über sein "Jagdglück" sprach, sind Argumente, die für die Glaubwürdigkeit des Beschuldigten, nämlich seinen Irrtum, sprechen. Es wird daher im Gegensatz zur Erstbehörde vom unabhängigen Verwaltungssenat der Verwantwortung des Beschuldigten geschenkt.

5. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

Gemäß § 5 VStG bedarf es zur Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung zumindest der Fahrlässigkeit. Hiebei ist zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Bewußt fahrlässig würde jemand dann handeln, wenn er zwar daran denkt, daß sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, wenngleich er es für möglich hält. Auf den konkreten Fall bezogen scheidet bewußte Fahrlässigkeit aus. Im Falle der unbewußten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, daß er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen könne. Es bedarf also zur Schuldform der unbewußten Fahrlässigkeit der Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt. Zur Frage des Ausmaßes der Sorgfaltspflicht ist auszuführen, daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen nicht überspannt werden.

Nach Meinung des unabhängigen Verwaltungssenates hätte in der gegenständlichen Angelegenheit auch ein einsichtiger und besonnener Mensch, der Höckergänse irrtümlich für Graugänse hielt voraussichtlich nicht anders gehandelt.

Da im konkreten Fall somit dem Beschuldigten kein fahrlässiges Verhalten unterstellt werden kann, liegen im Sinne des § 45 Abs.1 Z2 Umstände vor, die die Strafbarkeit aufheben, weshalb trotz Verwirklichung des objektiven Tatbildes die Einstellung des Verfahrens zu verfügen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum