Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231264/2/BP/Gru

Linz, 28.06.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 7. Juni 2011, GZ.: Sich96-1037-2011, wegen Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das in Rede stehende Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 64ff. VStG

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 7. Juni 2011, GZ.: Sich96-1037-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Stunden) verhängt, weil er

1. zum Tatzeitpunkt am 1. April 2011 um 16:30 Uhr am Tatort: X, X, von Beamten der PI X, im Bundesgebiet angetroffen worden sei, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein. Er habe sich daher als Staatsangehöriger der X und somit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten.

2. Zum Tatzeitpunkt am 1. April 2011 um 16:30 Uhr sei er am Tatort X, X, von Beamten der X im Bundesgebiet angetroffen worden, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein. Er habe daher als passpflichtiger Fremder keinen Reisepass mit sich geführt, respektive habe er diesen nicht in einer solchen Entfernung von seinem jeweiligen Aufenthaltsort verwahrt, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung habe erfolgen können.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden zu 1. § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG und zu 2. § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG angeführt, wobei hinsichtlich 2. gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wurde.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges und Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde bei beiden Punkten sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt 2 gibt die belangte Behörde die von ihr unwidersprochen gebliebene Auskunft des Bw wieder, wonach er noch nie im Besitz eines Reisepasses gewesen sei, sich einen solchen aus seinem Heimatland besorgen wolle, dieser jedoch noch nicht an ihn gelangt sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 8. Juni 2011 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, rechtzeitig am 22. Juni 2011 eingebrachte Berufung.

 

Eingangs stellt der Bw die Anträge

I.  das Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Verwaltungs­straf­verfahrens zu verfügen, in eventu

II.  von einer Strafverhängung abzusehen, in eventu

III. die Strafhöhe herabzusetzen.

 

Begründend führt der Bw aus, dass gem. ständiger Spruchpraxis des UVS und des VwGH das in Rede stehende Straferkenntnis aller in § 31 Abs. 1 FPG genannten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt berücksichtigen müsste, was jedoch nicht der Fall sei. Das Asylverfahren des Bw sei zwar zum inkriminierten Zeitpunkt rechtskräftig negativ beendet gewesen, allerdings habe der Bw schon sein Recht auf Inanspruchnahme der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ausgeübt, der ihr mit Beschluss vom 29. April 2011 die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Der Bw macht überdies entschuldigenden Notstand im Sinne des § 6 VStG geltend.

 

Weiters führt der Bw aus, dass er von der BH Eferding wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im selben Tatzeitraum mit Strafverfügung vom 24. Mai 2011, zugestellt am 6. Juni 2011, bereits bestraft worden sei, weshalb er den Rechtsgrundsatz "ne bis in idem" als verletzt sieht. 

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 22. Juni 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Zusätzlich erhob das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding telefonisch auf kurzem Weg, dass der Bw tatsächlich mit Strafverfügung vom 24. Mai 2011, GZ. Sich96-37-2011, wegen unrechtmäßigem Aufenthalts auch zum hier relevanten Tatzeitpunkt mit Geldstrafe von 250 Euro bereits bestraft wurde.

 

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfiel gem. § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – völlig unwidersprochen gebliebenen -  unter den Punkten 1.1. und 2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im   Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die     durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung          bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur          Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für       Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten    Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet   keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen         zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländer­beschäfti­gungs-        gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsende­be-­       willi­gung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3     Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit       einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.2. Hinsichtlich der Tatanlastung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Bw stellt sich nun zunächst die Frage, ob der Spruch den Anforderungen des § 44a VStG genügt.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Fall einer Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes – wie im vorliegenden Fall – die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FrG bzw. FPG genannten Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2007/21/03/03). Ein Spruch eines Straferkenntnisses, der diesen Anforderungen nicht genügt, entspricht nach diesem Erkenntnis nicht dem Maßstab des § 44a VStG.

 

Im vorliegenden Fall beschränkt sich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses jedoch nur auf die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet, ohne dass auf die Alternativen des § 31 Abs. 1 FPG eingegangen bzw. diese verneint werden. Auch unter den Rechtsgrundlagen wird die Bestimmung des § 31 FPG nicht angeführt.

 

3.3. Im Spruch des angefochtenen Bescheides verknüpft die belangte Behörde den unrechtmäßigen Aufenthalt mit der Tatsache, dass der Bw ohne gültiges Reisedokument im Bundesgebiet angetroffen worden sei. Dies lässt den Schluss einer Vermengung des Delikts nach § 120 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm. § 31 Abs. 1 FPG mit dem der unrechtmäßigen Einreise gem. § 120 Abs. 1 Z. 1 FPG iVm. § 15 Abs. 1 FPG zu. Die Tatumschreibung des Spruchs geht also über die Verletzung der Spruchkonkretisierung gem. § 44a VStG dahingehend hinaus, dass der Bw das Delikt auf Basis des FPG nicht in der vorgeworfenen Weise begangen hat, da die Tat nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm. § 31 Abs. 1 FPG kein strafbares Verhalten bildet.

 

Eine entsprechende Spruchkorrektur innerhalb der noch gegebenen sechs­monatigen Verfolgungsverjährungsfrist konnte somit keinesfalls vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommen werden, weshalb der Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses aufzuheben war.

 

3.4. Im vorliegenden Fall wäre aber auch – dem Berufungsvorbringen folgend – ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot zu erkennen, da wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, der Bw bereits mit Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Eferding vom 24. Mai 2011, GZ. Sich96-37-2011 (zugestellt am 6. Juni 2011), auch hinsichtlich des irrelevanten Tatzeitpunkts 1. April 2011 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 120 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 bestraft wurde.

 

3.5. Hinsichtlich der Verwaltungsübertretung des Nichtmitsichführens des Reisepasses ist Folgendes zu erwägen.

 

Gemäß § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG begeht, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 bis zu 250 Euro im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 FPG sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1. das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2. die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde. 

 

3.6. Bei streng grammatikalischer Interpretation beider Bestimmungen wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber – anders als von der belangten Behörde angenommen – für die Verwirklichung des Delikts nach § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG zunächst voraussetzt, dass ein Fremder grundsätzlich über sein Reisedokument verfügt, dieses jedoch nicht entsprechend mit sich führt oder verwahrt. Das Possesivpronomen "sein" weist nämlich eindeutig auf den bestehenden Besitz eines Reisedokumentes hin.

 

Diese Überlegungen werden auch im Grunde durch die Gesetzesmaterialien zu beiden Rechtsnormen gestützt, die keinerlei Hinweis auf Fallkonstellationen wie von der belangten Behörde dargestellt Bezug nehmen.

 

Das vorgeworfene Verhalten des Bw, der zum Tatzeitpunkt kein Reisedokument zur Vorlage bringen konnte, da er über ein solches nach seinen von der Behörde unwidersprochenen Angaben von ihm selbst nicht verfügte, kann aus den obigen Überlegungen nicht unter den § 121 Abs. 3 Z. 2 FPG subsumiert werden, weshalb es schon an der Tatbestandsmäßigkeit des vorgeworfenen Verhaltens mangelt.

 

3.7. Es war daher – ohne auf die weiteren Berufungsvorbringen näher einzugehen – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

 

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