Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252734/9/Py/Pe

Linz, 17.08.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 17. Februar 2011, SV96-171-2010, wegen Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz (AuslBG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.   Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 17. Februar 2011, SV96-171-2010, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs.1 Z5 lit.b iVm § 18 Abs.12 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) idgF zwei Geldstrafen in Höhe von je 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 34 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von insgesamt 200 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben als Verantwortlicher der Firma x mit Sitz in x, entgegen dem § 18 Abs.12 AuslBG die Arbeitsleistungen von den nachfolgend genannten Ausländern, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wurden, in Anspruch genommen, obwohl die Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 Z1 oder 2 nicht erfüllt waren. Es wurde festgestellt, dass nachfolgende Personen beschäftigt wurden, obwohl sie nicht ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen nicht rechtmäßig beschäftigt waren.

1) x, geb. x, wh. x

2) x, geb. x, wh. x

Beide sind Staatsangehörige von Polen und Arbeitnehmer der Firma x aus D-x.

Ort, Datum und Zeit der Tatbegehung:

Baustelle x, x, vom 24.07.2010 bis zumindest 06.08.2010, für 12 Stunden pro Tag.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle weder eine EU-Entsendebestätigung, eine Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E101) noch eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs.3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland vorlag. Die gegenständlichen Personen waren daher nicht gemäß § 18 Abs.12 Z1 ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen. Der objektive Tatbestand ist somit aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

 

Zur subjektiven Tatseite wird ausgeführt, dass die Rechtfertigungsangaben des Bw, eine wirkungsvolle Kontrolle der Bestimmungen sei nicht möglich, eine Schutzbehauptung darstellt, die nicht geeignet ist, den Vorwurf der Übertretung zu entkräften.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird festgehalten, dass Milderungs- und Erschwerungsgründe nicht festgestellt werden konnten.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 1. März 2011. Darin bringt der Bw vor, dass er – entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides – nicht vorgebracht hat, dass ein Kontrollsystem auf den Baustelle nicht möglich ist, sondern er hat in seiner Stellungnahme vom 22. November 2010 darauf verwiesen, dass es nicht möglich ist, täglich zu kontrollieren, ob alle Arbeiter auch über die notwendigen Bewilligungen verfügen. Die Argumentation der erkennenden Behörde läuft daher auf eine reine Erfolgshaftung hinaus und könne kein Überwachungssystem sicher stellen, dass eine lückenlose Kontrolle erfolgt. Eine Großbaustelle wie die gegenständliche bedingt, dass sich eine Vielzahl von Arbeitern auf der Baustelle befindet und ist es schon schwer genug festzustellen, welcher Arbeiter welcher Firma überhaupt zuzuordnen ist. Der Bauleiter kann daher nichts anderes machen, als jene Arbeiter zu kontrollieren, die er Subunternehmen der Firma x zuordnet. Wie bereits in der Stellungnahme festgehalten, ist es ihm auch nicht möglich, alle Arbeiter in einem Container zu versammeln, da er die entsprechenden Möglichkeiten gar nicht hätte. Als wirksames Kontrollsystem verbleibt daher nur die Möglichkeit, bereits vor Auftragserteilung auf die Bestimmungen des AuslBG zu verweisen und in der Baustellenordnung neuerlich auf die Einhaltung dieser Bestimmungen zu bestehen. Ein anderes Kontrollsystem gibt es nicht und wäre auch gar nicht möglich.

 

Ergänzend dazu beantragte der Bw mit Schreiben vom 19. April 2011 die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

 

3. Mit Schreiben vom 3. März 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Juni 2011. An dieser nahm der Bw mit seinem Rechtsvertreter teil. Das am Verfahren beteiligte Finanzamt Gmunden  Vöcklabruck gab am 29. März 2011 eine schriftliche Stellungnahme ab und entschuldigte sich für die mündliche Berufungsverhandlung.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.1 AuslBG bedürfen Ausländer, die von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt werden, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, einer Beschäftigungsbewilligung. Dauern diese Arbeiten nicht länger als sechs Monate, bedürfen Ausländer einer Entsendebewilligung, welche längstens für die Dauer von vier Monaten erteilt werden darf.

 

Gemäß § 18 Abs.11 AuslBG kann für Arbeiten, die im Bundesgebiet üblicherweise von Betrieben der Wirtschaftsklassen Hoch- und Tiefbau, Bauinstallation, sonstiges Baugewerbe und Vermietung von Baumaschinen und Baugeräten mit Bedienungspersonal gemäß der Systematik der ÖNACE erbracht werden, eine Entsendebewilligung nicht erteilt werden.

 

Gemäß § 18 Abs.12 AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl.I 135/2009 ist für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn

1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und

2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 7b Abs.1 Z1 bis 3 und Abs.2 des Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Die zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer gemäß § 7b Abs.3 und 4 AVRAG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber, der die Arbeitsleistung in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 7b Abs.3 und 4 AVRAG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Entsendebestätigung begonnen werden.

 

Gemäß § 28 Abs.1 Z5 lit.b AuslBG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen § 18 Abs.12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt, obwohl § 18 Abs.1 Z1 oder 2 nicht erfüllt ist und – im Fall der lit.b – auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, und zwar bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Fall der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4.000 Euro bis 50.000 Euro.

 

Gemäß § 32a Abs.6 AuslBG ist für die Beschäftigung von EU-Bürgern gemäß Abs.1 oder von Drittstaatsangehörigen, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in der tschechischen Republik, in der Republik Estland, in der Republik Lettland, in der Republik Litauen, in der Republik Ungarn, in der Republik Polen, in der Republik Slowenien oder in der slowakischen Republik zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen in einem Dienstleistungssektor, für den nach Nr. 13 des Übergangsarrangements zum Kapitel Freizügigkeit im Beitrittsvertrag (Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte in den Anhängen V und VI, VIII bis X sowie XII bis XIV) Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG-V zulässig sind, in das Bundesgebiet entsandt werden, § 18 Abs.1 bis 11 anzuwenden. In einem Dienstleistungssektor, in dem Einschränkungen nicht zulässig sind, ist § 18 Abs.12 anzuwenden.

 

5.2. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren geht auf eine Anzeige (Strafantrag) des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom 14. September 2010 anlässlich einer Kontrolle am 6. August 2010 auf der Baustelle des „x“, x zurück. Dabei wurden die gegenständlichen ausländischen Staatsangehörigen bei Rüttelklinker-Arbeiten für die Firma x mit Sitz in D-x angetroffen. Entsprechend dem Vorbringen im Strafantrag und dem beiliegenden Auftragsschreiben wurden die Firma x von der Firma x mit Bauleistungen beauftragt. Zu den Dienstleistungssektoren für die im Sinn des § 32a Abs.6 AuslBG Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zulässig sind und die dem Übergangsarrangement (im Hinblick auf die Entsendung von Arbeitskräften) unterliegen, zählen u.a. das Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige gemäß NACE-Code 45.1 bis 4. Unter NACE-Code 45.43 ist u.a. ausdrücklich aufgezählt: „Fußboden, Fliesen, Plattenlegerei“. Im gegenständlichen Fall liegt somit ein Dienstleistungssektor vor, der den Einschränkungen der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit unterlag. Es kommt daher eine Anwendung des § 18 Abs.12 gemäß § 32a Abs. 6 AuslBG und Bestrafung nach § 28 Abs1 Z5 lit.b AuslBG nicht in Betracht, sondern sind für die gegenständlichen Betriebsentsendungen die Voraussetzungen nach § 18 Abs.1 bis 11 AuslBG einschließlich der diesbezüglichen Strafbestimmungen maßgeblich.

 

Gemäß § 28 Abs.2 AuslBG beträgt die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 ein Jahr. Dem Bw muss daher innerhalb dieser Frist die konkrete ihm zur Last gelegte strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet werden. Eine Verfolgungshandlung unterbricht die Verfolgungsverjährung (nur) dann, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. VwGH vom 7.7.1999, Zl. 97/09/0334). Ein Auswechseln der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist daher aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht möglich.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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